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  • · Fachbeitrag · Apothekenentwicklung

    Versandhandel: stillhalten, mitmachen oder Alternativen suchen?

    von Apotheker und Unternehmensberater Dr. Reinhard Herzog, Tübingen

    | Der Versandhandel drückt die Stimmung. Dabei bricht vor allem das Non-Rx-Geschäft weg. Zu Apotheken-Listenpreisen (nicht zu den real getätigten, günstigen Online-Umsätzen) beträgt der Marktanteil des Versands bei den Non-Rx-Produkten an die 20 Prozent. Dagegen tut sich der gefürchtete Rx-Versand trotz millionenschwerer Werbung auf allen Kanälen und Auslobung von Boni weiter schwer ‒ der Marktanteil stagniert bei gut 1 Prozent. Wie aber soll sich die Apotheke strategisch verhalten, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein? AH geht in die Analyse. |

    Preisvergleichsplattform mit erweiterten Optionen

    Ganz real ist die heutige Preistransparenz im Non-Rx-Markt. Preisvergleichsmaschinen gestatten eine schnelle Suche. Weitergehende Online-Konzepte wie z. B. das in dieser AH-Ausgabe vorgestellte apomio-Konzept zeigen nicht nur Produkte und Preise, sondern möchten den Kunden auch gleich zu den auf dieser Plattform gegen Gebühr registrierten Anbietern bzw. Shops lenken und erlauben dazu die Zusammenstellung von Warenkörben. Das ist ein zusätzlicher Schritt gegenüber einfachen Vergleichsportalen. Dennoch spielt auch hier der Preis die entscheidende Rolle ‒ die billigsten Anbieter erscheinen oben.

     

    Ist der Anschluss an ein solches Portal eine attraktive Option für wenig versandaffine, „typische“ Apotheken als Gegengewicht zu den Versand-Schwergewichten? Vergessen wir nicht: Im Versand rollt die große Konsolidierungs- und Übernahmewelle ‒ Große werden größer, bekannte Markennamen stärken ihre Position. Möglicherweise steigt der größte Hai (Amazon!) irgendwann ein und schluckt die kleineren Haie. Gegen solche Namen muss ein neues Portal bestehen können ‒ egal, ob vonseiten des Berufsstands initiiert oder von anderen. Hier stehen bereits die ersten Fragezeichen. Wirtschaftlich bedeutsam ist sodann die Frage, ob eine niedergelassene Apotheke überhaupt auf der operativen Ebene mithalten kann.

     

    • Beispiel

    Die Shop-Apotheke AG (die u. a. die Europa-Apotheek und damit viele Rezeptkunden übernommen hat) schreibt trotz konzernweit fast 64 Euro Korbumsatz und 18 Prozent Spanne entsprechend etwa 11,50 Euro Ertrag je Bestellung selbst auf Ebene des EBITDA im ersten Halbjahr 2018 noch rote Zahlen. In Deutschland gelingt eine positive EBITDA-Marge von schmalen 1,6 Prozent bei 17,1 Prozent Rohertrag. Bei Einrechnung der Kapitalkosten stehen auch hier Verluste. Die rein operativen Kosten pro Sendung betragen mehr oder weniger deutlich über 10 Euro, obwohl hier Profis am Werk sind, die über 20.000 Päckchen am Tag verschicken.

     

    Eine niedergelassene Apotheke wird dies kaum unterbieten können, wenn man alle Kosten ehrlich rechnet, insbesondere den zeitlichen Aufwand. Das führt zu der vielleicht erstaunlichen Erkenntnis, dass die Gesamtkosten (ohne Unternehmerlohn) je klassischem Offizin-Kunden mit 7 bis 8 Euro erheblich günstiger sind. Mit dem Einstieg in den Versand erhöhen sich Ihre Kosten je Kunde bzw. Bestellung bei gleichzeitig weit niedrigeren Rohertragsmargen, die sich typischerweise halbieren (im OTC-Segment operieren Versender mit rund 20 Prozent Spanne). Das lässt sich nur durch sehr große Bestellmengen („Päckchenwerte“) ausgleichen. Diese muss man aber erst mal bekommen. Zudem wartet bei Vergleichsportalen immer schon der nächste Konkurrent mit noch günstigeren Angeboten.

     

    Das ist ein „race to the bottom“, das Sie als kleiner oder mittlerer Anbieter nicht gewinnen können. Am ehesten mag es gehen, wenn Sie ein paar Päckchen nebenbei in Schwachlastzeiten packen, die kein zusätzliches Personal erfordern. Das kann man machen (insbesondere für Stammkunden oder Spezialfälle) ‒ oder auch lassen, denn das wird nicht über Ihr wirtschaftliches Schicksal entscheiden.

    Alternativen

    Somit stellt sich die Frage, was Sie anstelle von „Arbeit und Verluste kaufen“ tun können:

     

    • Ein wesentlicher Fortschritt bestünde darin, die operativen Tätigkeiten des Versands professionell auszulagern ‒ eine Aufgabe für Kooperationen bzw. große Verbünde. Hieran wird im Hintergrund gearbeitet. Die Apotheke ist damit nur Vermittler bzw. Abholstelle. Eine gewisse Hoffnung liegt demzufolge auf „Click & Collect“-Systemen. Dabei werden die Bestellungen im Internet aufgegeben, aber persönlich in der Apotheke abgeholt.

     

    • Wirtschaftlich interessant kann der Versand von ausgesprochenen Spezialprodukten in einer entsprechenden Ertragsklasse sein. Dies wird jedoch für die wenigsten Apotheken infrage kommen, wie allein schon der Begriff „Spezial“ impliziert.

     

    • Eine Tatsache bleibt ebenfalls bestehen: Immer noch konkurrieren stationäre Apotheken um gut 80 Prozent des OTC-Marktes. Insoweit liegt für den Einzelnen oft hier der Schlüssel des greifbaren Erfolgs, auch wenn dies nicht die Probleme der gesamten Apothekenbranche an sich löst.

     

    • Ansonsten gilt es, alle Bereiche zu stärken, die nicht einem direkten Preisvergleich unterliegen. Das sind in erster Linie der Service und kundenorientierte Problemlösungskompetenz oder individuell zugeschnittene Angebote sowie Produktkombinationen.

     

    PRAXISTIPP | Hinterfragen Sie die zahlreich sprießenden Internet-Geschäftsmodelle kritisch. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Verzetteln Sie sich in chancenlosen Modellen, verlieren Sie mehrfach: Weiterhin nimmt Ihnen der professionelle Versand Marktanteile ab und Sie haben obendrein eine Menge Lehrgeld bezahlt sowie wichtige Zeit vergeudet, die Sie anderweitig besser genutzt hätten.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2018 | Seite 3 | ID 45456631