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  • · Fachbeitrag · Apothekenentwicklung

    Mystery Shopping für Apotheken: Unzufriedene Kunden geben kein Feedback - ein Testkunde schon

    | Mystery Shopping bezeichnet Testeinkäufe, die potenzielle Kunden ohne das Wissen des Getesteten tätigen und bewerten. Auf diese Weise lassen sich wertvolle Erkenntnisse für die Entwicklung und weitere Ausrichtung einer Apotheke gewinnen. Apothekerin Melanie Winkler aus Rostock stellt in AH vor, wie sie und ihr Team die Testergebnisse aufgenommen haben, wie sie damit arbeiten und welche Konsequenzen für den Arbeitsalltag gezogen wurden. |

     

    Redaktion: Frau Winkler, Sie sind Inhaberin der Apotheke 24 in Rostock. Wie würden Sie Ihre Apotheke beschreiben?

     

    Melanie Winkler: Meine Apotheke befindet sich direkt unter einer Praxisgemeinschaft für Innere Medizin, Gastroenterologie, Nephrologie und Dialyse. In der Nähe gibt es noch andere Arztpraxen und ein Einkaufscenter sowie eine Ladenstraße, aber auch fünf weitere Apotheken. Wir sind ein junges, dynamisches, freundliches und engagiertes Team und haben einen hohen Stammkundenanteil. Ich würde unsere Apotheke als hell und freundlich sowie klein, aber fein bezeichnen.

     

    Redaktion: Ein hoher Stammkundenanteil und eine überschaubare Anzahl an Mitarbeitern. Hier könnte man ja argumentieren, dass sich eine Mystery-Shopping-Analyse für Sie gar nicht lohnt. Was waren Ihre Beweggründe, eine solche Analyse in Auftrag zu geben?

     

    M. Winkler: Das waren sicherlich mehrere Gründe. Zum einen geben wir uns sehr viel Mühe mit der Gestaltung der Offizin. Hier wollte ich gerne wissen, ob die Kunden das auch wahrnehmen oder ob sie einen Unterschied zu anderen Apotheken feststellen. Weiterhin lege ich sehr viel wert auf eine kompetente, an den Wünschen des Kunden orientierte und freundliche Beratung. Ich versuche zwar regelmäßig, selbst bei der Kundenbedienung mitzuwirken, aber das gelingt mir zeitlich nicht immer. So konnte ich über die Testeinsätze herausfinden, ob meine Mitarbeiter den Beratungsanspruch auch optimal umsetzen.

     

    Unsere Außenwerbung war mir seit langem ein Dorn im Auge. Durch die Sonne waren verschiedene Farben ganz verblasst. Deshalb habe ich mich gefragt: Wie ist die Außenwirkung auf die Kunden? Fällt es ihnen überhaupt auf? Ich überdenke meine Apotheke regelmäßig neu und wollte Input von realen Kunden erfassen. Außerdem befindet sich die Apotheke in einem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld. Der Kunde muss nur einige Meter weiter gehen und schon ist er bei einer anderen Apotheke. Was müssen wir als Apotheke also noch tun? Was kann den Kunden bewegen, zu uns zu kommen?

     

    Redaktion: Warum haben Sie keine Kundenbefragung durchgeführt oder allein das Pseudo-Customer-Konzept der Apothekerkammer genutzt?

     

    M. Winkler: Mit dem Gedanken der Kundenbefragung habe ich auch gespielt. Ich finde allerdings, dass man bei der Basis anfangen muss. Unser Kerngeschäft ist die optimale Beratung: Fühlt der Kunde sich verstanden, sind seine Wünsche erfüllt? Würde er die Apotheke wieder besuchen? Diese Fragen kann nur ein gezielter Testeinsatz beantworten. Das sind die Stellschrauben, die ich verändern kann - zum Beispiel durch Schulungen der Mitarbeiter.

     

    Das Pseudo-Customer-Konzept der Apothekerkammer ist ähnlich ausgelegt. Das Hauptaugenmerk liegt hier auf der fachlich korrekten Beratung. Diese sollte natürlich Voraussetzung sein. Mystery Shopping ist aber noch umfassender: Hier kommen Kundeneindrücke vom Innen- und Außenauftritt der Apotheke und vom Beratungsgespräch zum Tragen. Das „Tüpfelchen auf dem i“ ist wohl die Kombination: Kompetenz und Wohlfühlatmosphäre! Eine Befragung unserer Stammkunden, die die Apotheke 24 schon besuchen, würde wohl zu falschen positiven Ergebnissen führen. Eine Befragung von Nicht-Kunden wäre mit hohem Aufwand verbunden. Vor ein paar Jahren haben wir eine solche Befragung durchgeführt. Eine häufige Antwort war, dass unsere Apotheke nicht auf dem Weg liegt. Was habe ich hier für Möglichkeiten?

     

    Redaktion: Welche Ergebnisse bzw. Aussagen Ihrer Mystery Shopper haben Sie am meisten erstaunt?

     

    M. Winkler: Ich fand es sehr erstaunlich, wie unterschiedlich verschiedene Kunden dieselbe Apotheke wahrnehmen. Ein Beispiel: Wir verkaufen Stofftier-Wärmflaschen. Einige Testkunden haben diese nicht als Wärmflaschen erkannt und sich gefragt, warum eine Apotheke Spielsachen verkauft. Wir haben die Wärmflaschen jetzt eindeutig gekennzeichnet. Nicht ein einziger Testkunde hat unser Schaufenster bemerkt, das wir immer liebevoll unter hohem Zeitaufwand dekorieren. Ein Testkunde hat bemerkt, dass einige Mitarbeiter einen offenen und andere einen geschlossenen Kittel tragen. Es war absolut verblüffend, welche Kleinigkeiten den Testkunden noch nebenbei auffallen.

     

    Redaktion: Das hört sich wirklich spannend an. Haben Sie noch weitere Veränderungen vorgenommen?

     

    M. Winkler: Durch die Aussagen der Kunden habe ich mich dazu entschlossen, etwas an der Außenwirkung und Erkennbarkeit meiner Apotheke zu verbessern. Hier wurde ich eindeutig in meinen Vermutungen bestätigt. Wenn die Kunden in den ausführlichen Erfahrungsberichten noch darauf hinweisen, hat man den perfekten Anlass, gleich loszulegen. Die bunte Fensterbeklebung wurde durch große, helle Werbeflächen ersetzt. Anstelle des Schaufensters findet man jetzt ein Display, auf dem ein Video oder eine Power-Point-Präsentation zur Apotheke laufen. Die bewegten Bilder sind ein Hingucker und schnell an diverse Aktionen anpassbar.

     

    Redaktion: Wie war die Reaktion Ihrer Mitarbeiter auf die Ergebnisse der Mystery-Shopping-Einsätze?

     

    M. Winkler: Mein Team wusste darüber Bescheid, dass Testeinsätze erfolgen werden. Natürlich wusste es nicht wann, zu welchem Thema und über welchen Zeitraum, aber mir war wichtig, das ganze Team zu integrieren. Das Ergebnis war, dass selbst hinter „normalen“ Kunden Testkunden vermutet wurden. So gab es wilde und lustige Spekulationen und wir waren alle sehr gespannt auf die Gesamtauswertung.

     

    Redaktion: Wann und in welcher Form haben Sie die Ergebnisse erhalten? Haben die Mitarbeiter auch gleich ein Feedback bekommen?

     

    M. Winkler: Ich selbst habe die Berichte immer bis zu drei Tage nach dem Einsatz erhalten. Die Testkunden haben sich vor Ort ja nicht zu erkennen gegeben. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich auf jeden einzelnen Bericht mit Spannung gewartet habe. Die Positiven waren sehr schmeichelhaft, aber ich habe mich auch über Kritik und Anregungen der Testkunden gefreut. Nur so können wir uns verbessern. Meine Mitarbeiter haben ihre eigenen Berichte erst am Ende der gemeinsamen Teamauswertung bekommen. In der Teamauswertung werden alle Ergebnisse und Aussagen der Testkunden verdichtet, aber trotzdem anonym dargestellt. Das wurde sehr positiv diskutiert. Niemand hat sich kontrolliert gefühlt. Am Ende konnte jeder Mitarbeiter, der wollte, seinen Bericht erhalten - und natürlich wollte auch jeder.

     

    Redaktion: Haben Sie noch weitere Konsequenzen gezogen?

     

    M. Winkler: Wir hatten ca. einen Monat später eine Mitarbeiterschulung. Zur optimalen intensiven Vorbereitung gab ich der Trainerin die Ergebnisse aus dem Mystery Shopping, sodass sie passgenau auf uns eingehen konnte. Diese Kombination finde ich übrigens sehr sinnvoll.

     

    Redaktion: Welchen Hinweis würden Sie anderen Apotheken geben, um die Kundenzufriedenheit zu verbessern?

     

    M. Winkler: Unsere Arbeit als Apotheker wird nicht einfacher. Der Aufwand im Backoffice wächst durch zunehmende Dokumentationsarbeiten, Einkaufsvergleiche, Kostenvoranschläge oder Spezialanfragen. Kommt ein Kunde durch die Tür, muss in unserem Kopf der Resetknopf gedrückt werden und wir lassen uns voll und ganz auf die Wünsche des Kunden ein. Ob der Kunde das gleiche Gefühl hat, kann nur ein Testeinkauf mit Feedback zeigen. Ein unzufriedener Kunde gibt kein Feedback, er kommt einfach nicht wieder. Ein Testkunde schon! Viele Apotheken verankern Kundenfeedback, Lob oder Kritik in ihrem Qualitätsmanagementsystem. Hierdurch kann wiederkehrende Kritik dokumentiert und die Ursache abgestellt werden. Kundenbefragungen in der Apotheke führen sicherlich zu etwas positiveren Ergebnissen. Eine Ursache könnte die fehlende Anonymität sein. Ein weiterer Grund ist, dass die Kunden sich bereits für diese Apotheke entschieden haben. Wer eine ehrliche, frische und nicht betriebsblinde Einschätzung erfahren möchte, der sollte organisierte Testeinkäufe planen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Höhere Kundenzufriedenheit - Dank Mystery Shopping wissen, was Kunden wirklich wollen in AH 07/2012, Seite 7
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 3 | ID 39784120