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  • · Fachbeitrag · Apothekenentwicklung

    Braucht eine Apotheke heute einen Kommissionierautomaten?

    von Joachim Ullrich, Apothekenberatung und -entwicklung, Friedrichsdorf

    | Die Antwort auf die Frage, ob eine Apotheke einen Kommissionierautomaten benötigt, lautet: Es kommt darauf an. Sie ist davon abhängig, welche Ziele die Apotheke verfolgt und wie sie die Stärken eines solchen Automaten nutzen will. Unabhängig davon kann ein Kommissionierautomat ein Lösungsansatz für zwei der drängendsten Probleme in den Apotheken sein: das fehlende Personal und die fehlende Fläche. |

    Wertvolle Fläche gewinnen

    Per definitionem ist ein Kommissionierautomat ein automatisiertes Warenlager, das manuell oder vollautomatisch bestückt werden und die eingelagerten Arzneimittel an einen bestimmten Ort bringen kann. Ein Kommissionierer hat also zwei große Vorteile: Er spart Platz und reduziert die Abhängigkeit vom Bereich Personal. Da heute in vielen Apotheken der Faktor Fläche eine wichtige Rolle spielt und viele Apotheken über eine zu kleine Offizin verfügen, kann mit dem Einsatz eines solchen Automaten Fläche im Backoffice gewonnen werden, die entweder der Offizin zugeordnet werden kann oder bessere Möglichkeiten für die Abwicklung der Abläufe im Backoffice bietet. Der Flächengewinn ergibt sich dadurch, dass Packungen wesentlich kompakter als in jeder Schubsäule gelagert werden können. Ein Kommissionierautomat braucht i. d. R. etwa die Hälfte der Fläche einer Schubsäulenanlage, um die gleiche Anzahl Packungen zu lagern. Im Automaten wird zudem die Raumhöhe optimal ausgenutzt. Der Greifarm kann auch Höhen jenseits der 2,50 m nutzen, was bei Schubsäulen nicht möglich ist, da ein durchschnittlich großer Mensch diese Höhe ohne Leiter nicht erreichen kann.

    Entlastung des Personals und beim Personal

    Für das Personal bedeutet der Einsatz eines Kommissionierautomaten eine deutliche Vereinfachung und Erleichterung in den täglichen Arbeitsabläufen. Nehmen wir zuerst die Mitarbeiter im Bereich des HV. Sie haben mehr Zeit für das Kundengespräch, da sie die Kunden nicht mehr verlassen müssen, um die benötigten Arzneimittel zu holen. Diese werden entweder an die Kasse oder zumindest in die Sichtwahl gebracht. Für den Kunden entsteht so der Eindruck, dass alles schneller geht, da die angeforderten Packungen in berechneten Abständen an die Kasse gebracht werden und die Mitarbeiterpräsenz immer gegeben ist. Der Kunde kann Fragen stellen oder es können Zusatzverkäufe seitens des Personals angeboten werden.

     

    MERKE | Werden die geschaffenen Potenziale ausgeschöpft, wird die Produktivität des HV-Personals deutlich erhöht, denn entweder können mehr Kunden bedient oder mehr Zusatzangebote gemacht werden, die im besten Fall in einen Zusatzverkauf münden. Somit erhöhen sich der Umsatz und der Rohertrag.

     

    Für das Personal im Backoffice ist die Vereinfachung und die schnellere Erledigung der anfallenden Aufgaben das große Plus des Automaten. Nimmt man die Bereiche Warenvereinnahmung, Lagerung und Pflege des Warenlagers, so entsteht durch die Automatisierung ein Vorteil von bis zu 0,5 Vollzeitkräften, die dann anderweitig eingesetzt werden können. Weiteres Einsparpotenzial ergibt sich z. B. bei der Abwicklung der permanenten Inventur. Dieser Prozess wird deutlich vereinfacht und muss nur angestoßen werden, danach liegen die Listen oder Dokumente automatisch vor. Erwähnenswert ist auch, dass die Fehlerhäufigkeit deutlich abnimmt und somit kein zusätzlicher Aufwand für die Bereinigung betrieben werden muss.

    Strategische Entwicklungen im Apothekenmarkt

    Die Kommissionierautomaten stellen schon heute einen wichtigen Baustein für die zukünftige Inhouse-Logistik einer Apotheke dar. So ist es jetzt schon möglich, Kundenbestellungen rund um die Uhr über den Automaten und ein entsprechendes Ausgabemodul an den Kunden abzugeben. Der Kunde ist in diesem System an keine Öffnungszeiten der Apotheke gebunden bzw. die Apotheke schafft für den Kunden eine längere Verfügbarkeit für die Warenabholung. Während normale Abholfächer sehr teuer sowie in der Anzahl oft beschränkt sind und nur einmal am Tag genutzt werden können, bestehen diese Einschränkungen bzw. Nachteile bei der Automatenlösung nicht.

     

    Daneben hat der Bundesgesundheitsminister in der jüngsten Vergangenheit Vorstellungen zur Ausgestaltung von Filialapotheken und zur Durchführung von Nacht- und Notdiensten geäußert, die, sollten sie so umgesetzt werden, einen Automaten zwingend voraussetzen. Zusammen mit einer Videoverbindung zum Kunden, einer Möglichkeit zur bargeldlosen Bezahlung und einer Abgabe von Produkten wäre ein Notdienst von jedem beliebigen Ort zu leisten, ohne dass noch ein Mitarbeiter in der Apotheke anwesend sein müsste. Dieser Ausblick kann zwar erst mit einer Änderung der Apothekenbetriebsordung realisiert werden, aber der erste Schritt auf diesem Weg ist durch die Aussagen des Ministers schon gemacht.

    Automatisierung braucht Zeit

    Wer sich nun mit dem Gedanken der Automatisierung seiner Apotheke auseinandersetzt, der sollte wissen, dass ein solches Projekt im Durchschnitt sechs bis zwölf Monate Zeit benötigt. Allein für die optimale Planung sind drei Monate zu veranschlagen und die Angebotseinholung, mögliche Vergleiche der Angebote und die Auswahl des Herstellers benötigen schnell weitere drei Monate. Mit der Auftragsvergabe wird dann der Liefertermin seitens des Herstellers abgestimmt. Dieser hat im Moment einen Vorlauf von drei bis vier Monaten. Dieser Zeitraum kann sich schnell verlängern, sollte sich die Versorgungssituation mit Bauteilen und -materialien erneut verschlechtern. Dann wären Lieferzeiten jenseits der sechs Monate schnell wieder erreicht.

     

    FAZIT | Betrachtet man die Vorteile für die Kunden, die Mitarbeiter sowie den Apotheker und die Möglichkeiten auf der strategischen Seite, ist die diesem Beitrag zugrunde liegende Frage letztlich doch eindeutig mit „Ja“ zu beantworten.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2024 | Seite 2 | ID 49756652