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  • 08.07.2025 · IWW-Abrufnummer 248975

    Landesarbeitsgericht Niedersachsen: Beschluss vom 06.06.2025 – 4 Ta 114/25

    1. Eine per E-Mail eingereichte Beschwerdeschrift wahrt die nach Maßgabe des § 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 130a ZPO zulässige elektronische Form der Einreichung nicht.

    2. Auch wenn das der E-Mail angefügte Dokument eine Unterschrift aufweist und Bestandteil der elektronischen Akte geworden ist, ist die Schriftform nach § 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 569 Abs. 2 , § 130 Nr. 6 ZPO nicht gewahrt.


    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 24.04.2025 - 3 Ca 318/24 - wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    Die Parteien haben ua. über die Zahlung von Arbeitsvergütung gestritten. In der Güteverhandlung am 14.10.2024 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15.07.2024 sein Ende gefunden hat. In Ziffer 3 des Vergleichs verpflichtete sich die Schuldnerin gegenüber der Gläubigerin zur unverzüglichen Erteilung einer Arbeitsbescheinigung.

    Am 13.02.2025 beantragte die Gläubigerin ua. wegen Nichterteilung der Arbeitsbescheinigung gegen die Schuldnerin die Festsetzung eines Zwangsgelds. Die Schuldnerin sei ihrer diesbezüglichen Verpflichtung nicht nachgekommen.

    Nachdem die Gläubigerin auch auf einen richterlichen Hinweis keinen Nachweis für die im Parteibetrieb vorzunehmende Zustellung des Vollstreckungstitels erbracht hatte, wies das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 24.04.2025 den Antrag der Gläubigerin auf Zwangsgeldfestsetzung zurück.

    Gegen diesen der Gläubigerin am 26.04.2025 zugestellten Beschluss legte die Gläubigerin per E-Mail am 09.05.2025 Widerspruch ein. Der E-Mail war der "Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.04.2025", welcher von der Gläubigerin unterzeichnet ist, als Anlage im pdfFormat beigefügt. Das Arbeitsgericht nahm sowohl die E-Mail als auch die Anlage zur elektronisch geführten Akte.

    Mit Beschluss vom 26.05.2025 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen zur Entscheidung vorgelegt.

    Wegen des weiteren Vortrags wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

    II.

    Die gem. § 78 Satz 1 ArbGG, § 793, §§ 567 ff. ZPO statthafte Beschwerde ist unzulässig. Der per E-Mail am 09.05.2025 eingegangene "Widerspruch" - auszulegen als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 24.04.2025 - erfüllt weder die besonderen Anforderungen an die Einreichung in elektronischer Form noch wird mit dem Ausdruck des als E-Mail eingereichten Dokuments das Schriftformerfordernis gewahrt.

    Da es sich bei der Beschwerdeschrift um einen bestimmenden Schriftsatz handelt, muss diese entweder schriftlich (§ 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 569 ff., § 130 Nr. 6 ZPO), durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 569 Abs. 3 ZPO) oder - nur für Rechtsanwälte zwischenzeitlich nach § 130d ZPO verpflichtend - in elektronischer Form (§ 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 130a ZPO) eingereicht werden.

    1.

    Die per E-Mail eingereichte sofortige Beschwerde der Gläubigerin wahrt die nach Maßgabe des § 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 130a ZPO zulässige elektronische Form der Einreichung nicht.

    Nach § 130a Abs. 1 ZPO können schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden. Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO). Das eingereichte Dokument ist weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen noch von der Gläubigerin (einfach signiert) auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden. Zu den in § 130a Abs. 4 ZPO aufgelisteten sicheren Übermittlungswegen zählt nicht die Einreichung eines Antrags per E-Mail. Mit einfacher E-Mail können Prozesserklärungen gegenüber dem Gericht nicht vorgenommen werden (Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 130 ZPO Rn. 19).

    2.

    Der per E-Mail als Anlage eingereichte Widerspruch wahrt auch nicht die Schriftform, ungeachtet dessen, dass das als Anlage der E-Mail beigefügte Dokument, der Widerspruch vom 09.05.2025, eine Unterschrift aufweist und zwischenzeitlichen Bestandteil der elektronischen Akte ist.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine im Original unterzeichnete Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift, die eingescannt und im Anhang einer elektronischen Nachricht als PDF-Datei übermittelt wird, dann in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der den vollständigen Schriftsatz enthaltenden PDF-Datei vorliegt. Der Ausdruck erfülle die Schriftform, weil durch ihn die Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift in einem Schriftstück verkörpert wird und dieses mit der Unterschrift des Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten abgeschlossen wird. Dass die Unterschrift nur in Kopie wiedergegeben ist, sei entsprechend § 130 Nr. 6 Alt. 2 ZPO unschädlich, weil der im Original unterzeichnete Schriftsatz elektronisch übermittelt und von der Geschäftsstelle entgegengenommen worden ist (vgl. BGH 8. Mai 2019 - XII ZB 8/19 - Rn. 12). Soweit schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien auf elektronischem, allerdings nicht nach § 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 130a Abs. 4 ZPO zulässigem Übermittlungsweg - per EMail - übermittelt werden, kann der Rechtsprechung des BGH nicht mehr uneingeschränkt gefolgt werden, jedenfalls dann nicht, wenn die Akte elektronisch geführt wird (aA Brandenburgisches OLG 10. Mai 2024 - 5 W 39/24 - Rn. 4).

    Wählt ein Absender zur Übermittlung eines bestimmenden Schriftsatzes die elektronische Übermittlung eines Dokuments, sind für die Beurteilung der Formrichtigkeit allein die hierfür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen maßgebend (vgl. BSG 12. Oktober 2016 - B 4 AS 1/16 R - Rn. 16). Nach seinem Sinn und Zweck ist § 130a ZPO als abschließende Regelung aller Fallgestaltungen elektronischer Kommunikation anzusehen. Zur Sicherung der Authentizität und Integrität ist das elektronische Dokument nach § 130a Abs. 3 ZPO entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder mit einer einfachen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg zu übersenden (vgl. MüKoZPO/Fritsche, 7. Aufl. 2025, § 130a Rn. 6 ZPO).

    Bei dem Ausdruck eines nicht nach diesem Verfahren übermittelten Dokuments ist dessen Authentizität und Integrität nicht in gleicher Weise gewährleistet. Den besonderen Risiken der digitalen Form im Hinblick auf die Veränderbarkeit und die Urheberschaft von Dokumenten, denen der Gesetzgeber begegnen will, kann ein Ausdruck nicht in gleicher Weise Rechnung tragen wie eine Signatur oder die Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg (vgl. BSG 12. Oktober 2016 - B 4 AS 1/16 R - Rn. 19). Die Formvorschriften des elektronischen Rechtsverkehrs dienen ganz überwiegend dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Rechtspflege; sie stellen vor allem die Authentizität und Integrität der eingereichten elektronischen Dokumente sicher und sorgen zudem für die IT-Sicherheit und die Einhaltung des erforderlichen Datenschutzes bei der Kommunikation mit der Justiz (BAG 22. Januar 2025 - 7 ABR 23/23 - Rn. 37).

    Der Zweck der besonderen (Sicherheits-)Anforderungen würde letztlich verfehlt, wenn ein auf unzulässigem Weg eingereichtes elektronisches Dokument durch dessen nicht erforderlichen und auch aus Sicherheitsgründen nicht gebotenen Ausdruck zur Formwirksamkeit verholfen werden könnte. § 130a Abs. 3 und 4 ZPO würden weitgehend leerlaufen, wenn Übermittlungsmängel allein dadurch geheilt werden könnten, dass die Dokumente "elektronisch ausgedruckt" zur Akte genommen werden. Zudem erfordert es die Rechtssicherheit, dass die Formunwirksamkeit nicht von Faktoren abhängt, auf die der Urheber des Dokuments keinen Einfluss hat. Eine "Heilung" von Mängeln der elektronischen Form durch den Ausdruck hätte aber gerade dies zur Folge, denn der Absender hat es nicht in der Hand, ob und wann ein elektronisch übermitteltes Dokument vom Empfänger ausgedruckt wird. Solche Unsicherheiten sind ebenso wenig hinzunehmen, wie Abstriche an die Sicherheitsanforderungen (vgl. BSG 12. Oktober 2016 - B 4 AS 1/16 R - Rn. 22).

    3.

    Die Gläubigerin war über die Formunwirksamkeit der Einreichung per E-Mail auch nicht in Unkenntnis. Noch mit richterlichen Schreiben vom 04.03.2025 wurde sie darauf hingewiesen, dass per E-Mail eingereichte Schriftsätze formunwirksam sind. Zudem wird auf die dem Beschuss vom 26.04.2025 beigefügte Rechtsmittelbelehrung Bezug genommen, wonach die Beschwerde nur schriftlich, in der "zugelassenen elektronischen Form" oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt werden kann.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

    Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 78 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen.

    Vorschriften§ 78 Satz 1 ArbGG, § 793, §§ 567 ff. ZPO, § 569 ff., § 130 Nr. 6 ZPO, § 569 Abs. 3 ZPO, § 130d ZPO, § 130a ZPO, § 130a Abs. 1 ZPO, § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 130a Abs. 4 ZPO, § 130 Nr. 6 Alt. 2 ZPO, § 130a Abs. 3 ZPO, § 130a Abs. 3, 4 ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO, § 78 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG