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  • 17.03.2016 · IWW-Abrufnummer 146611

    Arbeitsgericht Oberhausen: Urteil vom 25.02.2016 – 2 Ca 2024/15

    Ein Tisch mit Stühlen, der im Lagerraum aufgestellt ist, stellt keinen Sozialraum im Sinne von § 6 Arbeitsstättenverordnung dar.


    Arbeitsgericht Oberhausen

    2 Ca 2024/15

    Tenor:

    1.Das Teilversäumnisurteil vom 07.01.2016 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

    2.Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnis der Beklagten am 07.01.2016 entstanden sind. Diese werden der Beklagten auferlegt.

    3.Der Streitwert wird auf 22.000,00 € festgesetzt.

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    T a t b e s t a n d :

    2
    Die Parteien streiten über die Unterlassung von Videoüberwachung, Auskunft über gespeicherte Daten sowie deren Löschung und einen Anspruch auf Schadensersatz.

    3
    Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.11.1999 als Verkäuferin beschäftigt. Ihre monatliche Arbeitszeit beträgt 100 Stunden. Ihr Entgelt beläuft sich auf einen Betrag in Höhe von 1.450,00 € brutto.

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    Die Beklagte betreibt im D. in Oberhausen einen sogenannten Fanshop. Dort werden die Artikel der Fußballmannschaft des G. veräußert. In dem Shop sind drei Vollzeitkräfte, zwei Teilzeitkräfte, drei Aushilfen und eine Auszubildende angestellt. Der Fanshop besteht aus einem ca. 180 m² großen Verkaufsraum sowie einen ca. 27 m² sich daran anschließenden Lagerraum. Dieser Raum ist auf der vorderen Seite durch eine Verbindungstür am Ende des Verkaufsraums und auf der hinteren Seite durch die Hintertür zu erreichen. Im rechten Teil befindet sich ein ca. 8 m² großer Bereich mit dem Zugang zur Personaltoilette. Im mittleren Teil (ca. 10 m²) ist an der Wand, die an den Verkaufsraum angrenzt, der Server des Fanshops aufgestellt sowie Verkaufsware in Regalen gelagert. An der gegenüberliegenden Wand befinden sich organisatorische (Ordner, Putzmittel) und technische (Feuermelder, Stromkasten) Einrichtungen sowie zwei Tresore der Filiale. Dieser mittlere Bereich (Durchgangsbereich) ist Teil des Fluchtweges des Fanshops. Im linken Teil des Lagerraums (ca. 9 m²) befinden sich an der an den Verkaufsraum angrenzenden Wand weitere deckenhohe Regale mit Lagerware. In dem Bereich zwischen diesen Regalen und der Hintertür befindet sich ein Sitzbereich, bestehend aus einem Tisch und Stühlen, der von den Mitarbeitern für Pausen und kurze Unterhaltungen sowie von dem Filialleiter für die Erledigung verschiedener Arbeiten am Laptop genutzt wird. In den Lagerraum gelangt man sowohl von dem Verkaufsraum aus über die Verbindungstür als auch von dem hinter den Geschäftsräumen verlaufenden Versorgungsweg über die Hintertür. Im Notfall sollen sich die im Verkaufsraum befindlichen Personen nach dem vorgesehenen Fluchtweg durch die Verbindungstür begeben, den geschilderten Durchgangsbereich des Lagerraums durchqueren und die Geschäftsräume durch die Hintertür verlassen. In dem Lagerraum befinden sich zwei Tresore. Diese werden von der dort angebrachten Videokamera Nr. 10 erfasst. Nach dem Vortrag der Beklagten sind in einem der Tresore die Bareinnahmen in Höhe von 10.000,00 € bis 60.000,00 € enthalten. Der andere Tresor beinhalte Tankkarten und Wechselgeld in Höhe von durchschnittlich 4.000,00 €. Im Durschnitt befände sich ein Betrag in Höhe von 40.000,00 € in den Tresoren. Die von der Beklagten als Videokamera Nr. 10 bezeichnete Kamera ist nach ihrem Vortrag ausschließlich auf die Hintertür der Geschäftsräume gerichtet, die den Lagerraum mit dem hinter dem Fanshop liegenden Versorgungsweg verbindet. In einem 90-Grad-Winkel zur Hintertür befindet sich ein roter Kasten mit einem Feuermelder auf dem Fußboden. Rechts neben dem Feuermelderkasten, parallel zur Hintertür, befinden sich auf dem Fußboden aufeinandergestapelt die zwei Tresore des Fanshops im D.. Diese würden ebenfalls von der Videokamera Nr. 10 erfasst. Die Videokamera Nr. 11 sei ausschließlich auf die Verbindungstür zwischen dem Verkaufsraum und dem Lagerraum gerichtet.

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    Im Gütetermin vom 07.01.2016 ist trotz ordnungsgemäßer Ladung für die Beklagte niemand erschienen. Es ist dann ein Teilversäumnisurteil ergangen, in dem der Beklagten untersagt wurde, im Sozialraum Videoaufnahmen und Videoüberwachung durchzuführen. Ferner wurde sie verurteilt, der Klägerin Auskunft über die von ihr gespeicherten Daten zu erteilen und diese Daten zu löschen. Gegen das ihr am 11.01.2016 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit einem am 15.01.2016 beim Arbeitsgericht Oberhausen eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

    6
    Die Klägerin trägt vor, sie habe am 24.11.2015 habe feststellen müssen, dass in dem nicht öffentlichen Lagerbereich Videoüberwachungskameras installiert waren. Es gebe keinen Winkel mehr innerhalb dieser Räumlichkeit, der nicht videoüberwacht sei. Die Beklagte sei nicht berechtigt, sie während des Aufenthalts in dem von ihr als Sozialraum bezeichneten Lagerraum zu filmen. Sie könne sich dort nicht umziehen. Ihre Privatsphäre sei zu achten. Die Beklagte müsse ihr Auskunft über die seit dem 20.11.2015 gespeicherten Daten erteilen. Diese personenbezogenen Daten seien zu löschen. Zudem stünde ihr ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 15.000,00 € aufgrund des rechtswidrigen Eingriffs in ihr Persönlichkeitsrecht zu.

    7
    Die Klägerin beantragt,

    8
    1.das Teil-Versäumnisurteil vom 07.01.2016 aufrecht zu erhalten,

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    2.die Beklagte zu verurteilen, an sie Schadensersatz in Form einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Höhe von jedenfalls 15.000,00 € zu zahlen, nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2015.

    10
    Die Beklagte beantragt,

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    das Teil-Versäumnisurteil vom 07.01.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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    In ihrem Lagerraum befindet sich für die Arbeitnehmer ein Tisch nebst Stühlen, der an eine Regalwand gestellt ist. Einen Sozialraum gebe es nicht. Es handele sich vielmehr um einen Sitzbereich. Sie müsse auch keinen Sozialraum zur Verfügung stellen, weil sie nicht mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne der Arbeitsstättenverordnung beschäftigt. Sie würde den Sitzbereich in dem Lagerraum auch nicht videoüberwachen. Die Videoüberwachung beschränke sich auf die Türen des Lagerraums sowie die darin befindlichen Tresore. Diese Überwachung sei zulässig. Sie müsse ihr Eigentum schützen. Die Überwachung sei gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zulässig. Ihr Sicherheitsinteresse aufgrund möglichen Diebstahls und möglichem Vandalismus würden die Interessen der Klägerin an einem nicht überwachten Bereich überwiegen. In ihrem Fanshop in Berlin sei im Februar 2015 ein Betrag in Höhe von 7.000,00 € entwendet worden. In einem weiteren Fall seien sogar eine Summe in Höhe von 15.000,00 € aus dem Tresor eines Fanshops entwendet worden. Die erhobenen Daten würden von ihr gelöscht, wenn der mit der Speicherung der Bilddateien verfolgte Zweck entfallen ist. Dies sei nach rund 30 Tagen der Fall. Ein Auskunftsanspruch über die gespeicherten Daten stünde der Klägerin nicht zu. Sie sei keine öffentliche Stelle des Bundes oder der Länder. Ein Anspruch auf Löschung der Daten stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu. Infolge der rechtmäßigen Überwachung in dem Lagerraum sei keine Verletzungshandlung gegeben, die einen Anspruch auf Schadensersatz rechtfertigen könnte.

    13
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

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    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

    15
    Die zulässige Klage ist nicht begründet. Das Teil-Versäumnisurteil vom 07.01.2016 war deshalb aufzuheben (§ 343 ZPO) und die Klage abzuweisen.

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    Der Einspruch der Beklagten vom 15.01.2016 ist zulässig. Er ist statthaft und wurde in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet (§ 59 ArbGG).

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    Der Klägerin steht kein Anspruch dahingehend zu, dass die Beklagte es unterlässt, Videoaufnahmen und Videoüberwachung in dem Sozialraum während der regelmäßigen Öffnungszeiten durchzuführen, § 1004 BGB i. V. mit § 823 Abs. 1 BGB.

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    Zum einen gibt es in dem Fanshop der Beklagten keinen Sozialraum im Sinne des Gesetzes. Bei dem von der Klägerin als Sozialraum titulierten Räumlichkeit handelt es sich um einen 27 m² großen Lagerraum, in dem sich ein rechteckiger Tisch befindet, der neben einem Regal steht und an dem sich Stühle befinden. Ein Raum ist ein von Wänden umgebendes Zimmer, das mit einer Tür geöffnet wird. Dieses ist bei der Sitzgelegenheit im Lagerraum nicht der Fall.

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    Zum anderen hat die Klägerin gar nicht das Recht, sich während der Arbeitszeit an dieser Sitzgelegenheit aufzuhalten. Sie ist im Hinblick auf ihre Teilzeitbeschäftigung nicht berechtigt, eine Ruhepause durchzuführen, § 4 Satz 1 ArbZG.

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    Ein Anspruch auf eine Ruhepause von 30 Minuten Dauer besteht erst nach sechs Stunden geleisteter Arbeit.

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    Die Beklagte ist nicht verpflichtet, ihren Arbeitnehmern einen Sozialraum oder einen Pausenbereich einzurichten. Nach § 6 Abs. 3 Arbeitsstättenverordnung ist dies erst dann der Fall, wenn der Arbeitgeber an einem Arbeitsort mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt oder wenn Sicherheits- oder Gesundheitsgründe dies erfordern. In dem Fan-Shop arbeiten lediglich neun Mitarbeiter.

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    Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Mitarbeiter der Beklagten verpflichtet sind, während der Arbeitszeit ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Fanshop-Team Oberhausen" zu tragen. In dem Verkaufsraum des Shops befinden sich zwei Umkleidekabinen, die nicht videoüberwacht sind. Dort können sich die Mitarbeiter der Beklagten nach Auffassung der Kammer unter Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte umkleiden.

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    Soweit die Beklagte in dem Lagerraum ihre Lagerware sowie die Tresore durch die Videoaufzeichnung überwachen lässt, hat auch die Klägerin gegen die diesbezügliche Überwachung auf ausdrückliches Nachfragen der Kammer keine Einwände vorgebracht. Eine Unzulässigkeit dieser Videoüberwachung ist für das Gericht auch sonst nicht ersichtlich.

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    Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Auskunft über die zu ihrer Person erhobenen Daten zu.

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    § 19 BDSG normiert, dass dem Betroffenen auf Antrag Auskunft zu erteilen ist, über die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen; die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die die Daten weitergegeben werden und dem Zweck der Speicherung. Der Anspruch gemäß § 19 BDSG richtet sich allein an öffentliche Stellen des Bundes (§ 12 Abs. 1 BDSG) sowie im eingeschränkten Umfang an öffentliche Stellen der Länder (§ 12 Abs. 2 BDSG). Ein Anspruch gegenüber der Beklagten als private Arbeitgeberin besteht nicht.

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    Der Klägerin steht ebenfalls kein Anspruch auf Löschung etwaiger von ihr erhobenen Daten zu.

    27
    § 6 Abs. 5 BDSG bestimmt einen Anspruch auf unverzügliche Löschung der Daten, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegensteht.

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    Der Lagerraum der Beklagten in ihrem Fanshops ist kein öffentlich zugänglicher Bereich. Er darf nur von den Mitarbeitern der Beklagten betreten werden.

    29
    Der Klägerin steht kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts in Höhe von 15.000,00 € gegenüber der Beklagten zu, § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK.

    30
    Die Beklagte ist - wie bereits ausgeführt wurde - berechtigt, den Lagerraum von ihrem Shop mit Videokameras zu überwachen. Ein rechtwidriger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Klägerin liegt dem demzufolge nicht vor.

    31
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. mit § 91 ZPO, § 344 ZPO.

    32
    Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1, § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. mit § 3 ZPO. Die Kammer hat für den Klageantrag zu Ziffer 1. einen Betrag in Höhe von 5.000,00 € in Ansatz gebracht, für die folgenden Klageanträge jeweils 1.000,00 € und den Schadensersatzanspruch mit 15.000,00 € berücksichtigt.

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    RECHTSMITTELBELEHRUNG
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    Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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    Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
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    Landesarbeitsgericht Düsseldorf
    37
    Ludwig-Erhard-Allee 21
    38
    40227 Düsseldorf
    39
    Fax: 0211 7770-2199
    40
    eingegangen sein.
    41
    Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
    42
    Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
    43
    Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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    1.Rechtsanwälte,
    45
    2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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    3.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
    47
    Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
    48
    * Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 1004 BGB, § 823 Abs. 1 BGB