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  • 20.02.2014 · IWW-Abrufnummer 140547

    Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 10.12.2013 – 4 Ta 326/13

    Die Ablehnung des Prozesskostenhilfe-Antrages wegen Nichtvorlage oder unvollständiger Ausfüllung des Formulars über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse setzt eine wirksame Fristsetzung durch das Gericht voraus.


    LAG Köln
    10.12.2013
    4 Ta 326/13
    Tenor:
    Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 09.09.2013 aufgehoben und der Prozesskostenhilfe-Antrag zur erneuten Bescheidung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
    Gründe
    I.
    Der Kläger wendet sich mit seiner form- und fristgemäßen sofortigen Beschwerde, die beim Arbeitsgericht Köln am 13.09.2013 eingegangen ist, gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 09.09.2013, mit dem das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen hat.
    Der Kläger hatte bereits in der Klageschrift zu seiner Kündigungsschutzklage, die am 11.10.2012 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, Prozesskostenhilfe beantragt. Weder die Erklärung nach § 117 Abs. 3 und 2 ZPO noch sonstige Unterlagen waren der Klageschrift beigefügt.
    Nachdem zunächst Gütetermin für den 07.11.2012 anberaumt worden war, wurde vom Prozesskostenbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 23.10.2012 die Anordnung des Ruhens des Verfahrens beantragt. Der Gütetermin fand nicht statt.
    Mit Schriftsatz vom 14.01.2013 wurde das Verfahren von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers wieder aufgerufen und das Gericht darum gebeten, den Parteien den Abschluss eines im nachfolgenden ausformulierten Vergleichs vorzuschlagen. Daraufhin erfolgte ein entsprechender Vorschlag des Gerichts vom 15.01.2013.
    Mit Schriftsatz vom 14.02.2013 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass er noch einmal die Beklagte angeschrieben habe, um noch ein weiteres Detail des Vergleichs abzustimmen.
    Mit Schriftsatz vom 22.02.2013 stimmte die Beklagte dem vorgeschlagenen Vergleich zu. Mit Schreiben vom 04.03.2013 fragte das Gericht bei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers an, ob der Vergleich, so wie mit gerichtlichem Schreiben vom 15.01.2013 vorgeschlagen, nunmehr festgestellt werden könne. Dem stimmte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 15.04.2013 zu, worauf mit Beschluss vom 16.04.2013 der Vergleich festgestellt wurde.
    Mit Schriftsatz vom 27.08.2013 reichte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlage ein und teilte mit, dass die verspätete Gewährung des Arbeitslosengeldes daran liege, dass die Beklagte dieses Verfahrens die Arbeitsbescheinigung erst mit großer Verzögerung und auf vielfachen Druck an die Bundesagentur für Arbeit übersandt habe.
    Das Arbeitsgericht begründete den angefochtenen Beschluss unter Verweis auf Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts damit, dass Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht mehr gewährt werden könne, wenn der vollständige Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem ordnungsgemäß ausgefüllten Antragsvordruck und allen Unterlagen bis zum Abschluss der Instanz oder des Verfahrens beim zuständigen Gericht nicht vorlägen.
    Zur Begründung seiner Beschwerde beruft sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf, dass er seit über 20 Jahren Fachanwalt für Arbeitsrecht sei und ihm die zitierte Rechtsprechung in Form von Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Köln nicht bekannt sei. In Hessen - der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat seine Kanzlei in Weilburg - werde das Ganze so gehandhabt, dass auch mit Abschluss eines Vergleiches selbstverständlich Prozesskostenhilfeunterlagen noch nachgereicht würden und dann problemlos über die Prozesskostenhilfe entschieden werde. Es könne doch nicht sein, dass rechtzeitig ein Antrag gestellt und auch die Unterlagen eingereicht würden und zwar ohne irgendeine Ausschlussfrist verletzt zu haben und dann das Gericht sich schlicht und ergreifend auf den Standpunkt stelle, dies sei zu spät.
    Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
    II.
    Die Beschwerde hatte Erfolg. Das Arbeitsgericht durfte im Ergebnis im vorliegenden Fall den Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht zurückweisen.
    1. Zwar hat das Arbeitsgericht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unter weiterer Angabe von entsprechenden Auffassungen in der Literatur und Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Köln zutreffend zitiert. Ob dem Prozessbevollmächtigten des Klägers die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Köln bekannt war, ist irrelevant und entschuldigt nichts. Denn es besteht eine einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
    Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich allerdings darauf beruft, er sei seit über 20 Jahren Fachanwalt für Arbeitsrecht und "in Hessen" werde das Ganze anders gehandhabt, so ist dieses nicht nur gänzlich unsubstantiiert. Es widerspricht auch der Rechtsprechung des hessischen Landesarbeitsgerichts (Beschluss vom 14.01.2013 - 13 Ta 383/12), das sich dort ausdrücklich der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 03.12.2013(2 AZB 19/03) anschließt.
    2. Gleichwohl durfte das Arbeitsgericht im vorliegenden Fall den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem vorliegenden Beschluss nicht zurückweisen.
    Es ist nämlich heute ganz herrschende Meinung, dass eine Ablehnung der Prozesskostenhilfe nach oder in analoger Anwendung von § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO wegen mangelnder Mitwirkung des Antragstellers bei der Ermittlung der Bewilligungsvoraussetzungen nur dann zulässig ist, wenn vorher ein entsprechender Hinweis und eine wirksame Fristsetzung durch das Arbeitsgericht erfolgt sind. Daher darf das Arbeitsgericht nach Eingang eines Prozesskostenhilfegesuchs nicht bis zur Instanz- bzw. Verfahrensbeendigung warten und dann den Prozesskostenhilfeantrag wegen Nichtvorlage des Vordrucks und/oder Unvollständigkeit der Unterlagen zurückweisen. Das Arbeitsgericht muss die bedürftige Partei zwar nicht unverzüglich, wohl aber so rechtzeitig unter Fristsetzung auf die Mängel des Prozesskostenhilfegesuchs hinweisen, dass diese vor dem nächsten Termin, der je nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Prozesskostenhilfegesuchs der Güte- oder Kammertermin sein kann, und damit vor der möglichen Instanz- oder Verfahrensbeendigung behoben werden können (so bei Nichtvorlage des Formulars insbesondere LAG Hamm 30.12.2005 - 4 Ta 555/05 - Rn. 8; Saarländisches OLG 27.10.2011 - 9 WF 85/11; OLG Karlsruhe 02.04.1998 - 2 WF 37/98; im Ergebnis ähnlich LAG Nürnberg 03.01.2011 - 5 Ta 185/10; und bei unvollständiger Ausfüllung des Formulars: LAG Hamm 08.11.2001 - 4 Ta 708/01; LAG Hamm 19.11.2002 - 19 Ta 220/02; OVG Lüneburg 25.06.2006 - 2 PA 1148/06; vgl. ferner LAG Berlin - Brandenburg 20.02.2007 - 6 Ta 324/07 - Rn. 3; LAG Thüringen 13.11.2002 - 8 Ta 92/02 - Rn. 14; LAG Hamm 08.10.2007 - 18 Ta 509/07 - Rn. 15 - sämtliche in [...]; LAG Köln 30.09.2013 - 11 Ta 177/13 - das den Hinweis zu Recht auch aus verfassungsrechtlichen Gründen wegen des Gebots des fairen Verfahrens für notwendig hält, sowie Zöller/Geimer § 117 ZPO Rn. 17; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Rn. 134).
    Dem schließt sich die erkennende Kammer an. Ein dementsprechender Hinweis mit Fristsetzung erfordert nach § 329 Abs. 2. S. 2 ZPO, dass die gerichtliche Verfügung zugestellt wird (vgl. Baumbach/Hartmann § 118 ZPO Rn. 40 und § 329 ZPO Rn. 32). Zustellung in diesem Sinne bedeutet förmliche Amtszustellung (Baumbach/Hartmann § 329 ZPO Rn. 32). Ohne eine solche Zustellung kann das Gericht gar nicht feststellen, wann die Frist abläuft. Des Weiteren ist die Verfügung mit vollem Namenszug zu unterschreiben (vgl. Baumbach/Hartmann § 118 ZPO Rn. 40 in Verbindung mit § 329 ZPO Rn. 11 und LAG Köln 05.08.2004 - 4 Ta 269/04; 13.03.2009 - 4 Ta 76/09 sowie 30.09.2013 - 11 Ta 177/13).
    Soweit ersichtlich lehnt unter den Landesarbeitsgerichten allein das LAG Baden-Württemberg eine entsprechende Hinweispflicht aus § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO ab, wenn die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht beigefügt ist, indem es die Vorschrift eng interpretiert und für nicht analogiefähig hält (dem folgend auch die unveröffentlichte Entscheidung des BAG vom 03.12.2012 - 3 AZB 40/12 - ohne Erwähnung der oben zitierten Rechtsprechung und Literatur). Allerdings haben sowohl des LAG Baden-Württemberg als auch des BAG in diesem Fall eine Hinweispflicht aus § 139 ZPO geprüft und diese deshalb im konkreten Fall verneint, weil die Klägerin in der Klageschrift angekündigt hatte, die Formularerklärung nachreichen zu wollen.
    Ein Hinweis mit Fristsetzung war im vorliegenden Fall geboten, als abzusehen war, dass der Rechtsstreit sich durch Vergleich erledigen werde. Da auch keine Nachreichung angekündigt war, stellt sich im vorliegenden Fall nicht die Frage, ob bei einer solchen Ankündigung sich eine Fristsetzung entsprechend § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO erübrigt.
    3. Das Arbeitsgericht wird nach Prüfung der Erfolgsaussicht und nach Prüfung der vom Kläger inzwischen eingereichten Unterlagen - gegebenenfalls, falls einzelne Angaben oder Belege bzw. Glaubhaftmachung noch fehlen sollten, nach entsprechender Nachfristsetzung - erneut über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden haben (§ 572 Abs. 3 ZPO).
    Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die Rechtsbeschwerde konnte für die Staatskasse nicht zugelassen werden (vgl. § 127 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 2 ZPO).

    RechtsgebietZPOVorschriften§ 127 ZPO; § 329 Abs. 2 S. 2 ZPO