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  • 31.10.2023 · IWW-Abrufnummer 238052

    Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 15.09.2023 – 12 Sa 1160/22

    1. Die Reglung in einem Sozialplan, die alle Beschäftigte mit besonderem Kündigungsschutz bei arbeitgeberseitig veranlasster Eigenkündigung von der Einbeziehung in einen Nachteilsausgleich ausschließt, verstößt gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

    2. Im Sozialplan vorgesehene persönliche Ausnahmen von einer Stichtagsregelung, wonach danach ausgesprochene Eigenkündigung als arbeitgeberseitig veranlasst gelten und einen Abfindungsanspruch auslösen, bedürfen eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes, damit sie dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz genügen. Das Innehaben besonderen Kündigungsschutzes stellt einen solchen Grund nicht dar, wenn er die Gefahr einer Kündigung wegen der Betriebsänderung oder die Gefahr eines Nachteils daraus nicht beseitigt.


    In Sachen
    hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 12. Kammer,
    auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2023
    durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden
    sowie die ehrenamtliche Richterin ... und den ehrenamtlichen Richter ... für Recht erkannt:

    Tenor:

    I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. September 2022 - 3 Ca 2992/22 - dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 27.311,30 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2022 zu zahlen.

    II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

    III. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.

    Die Beklagte beschäftigte die Klägerin seit dem 20. Juni 2011.

    Der Konzern, zu dem die Beklagte gehört, beschloss eine Restrukturierung, bezeichnet als "Future@FP1.Welle". Aufgrund der geplanten Maßnahmen war vorgesehen, dass von den insgesamt 57 Arbeitnehmern der Beklagten 32 in innerhalb der Unternehmensgruppe gebildete Business Units respektive zur Holding wechseln und 25 Arbeitsplätze entfallen. Die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat, dessen Mitglied die Klägerin war, führten in 2021 Verhandlungen über einen Interessenausgleich, ohne eine solche Vereinbarung abzuschließen.

    Ende Juli 2021 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis.

    Am 11. November 2021 vereinbarten die Beklagte und der Betriebsrat einen Sozialplan, durch den die wirtschaftlichen Nachteile, die den Beschäftigten wegen der aus der Restrukturierung folgenden Betriebsänderung drohten, ausgeglichen werden sollten.

    Der Sozialplan sieht unter § 3 Abfindungsleistungen bei arbeitgeberseitigen Kündigungen vor. Zu "Abfindungen bei Eigenkündigungen und Aufhebungsverträgen" heißt es unter § 4 Sozialplan:

    "(1) Beschäftigte, die auf arbeitgeberseitige Veranlassung eine Eigenkündigung aussprechen oder auf arbeitgeberseitige Veranlassung einen Aufhebungsvertrag schließen, erhalten ebenfalls die Abfindung im Umfange von 50 % der Abfindung, die sich nach § 3 errechnen würde.

    (2) Als arbeitgeberseitig veranlasst gelten eine Eigenkündigung/ein Aufhebungsvertrag dann, wenn Ursache für das Ausscheiden die vom Arbeitgeber vorgenommene Betriebsänderung ist. Dies ist sie dann, wenn der Arbeitgeber bei dem Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der eigenen Initiative komme er einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers nur zuvor.

    (3) Das Vorliegen dieser Voraussetzung gilt als gegeben, wenn sie nach dem 23.4.2021 ausgesprochen/abgeschlossen sind.

    (4) In den Fällen der Absätze 2, 3 gelten die Eigenkündigung/der Aufhebungsvertrag gleichwohl jedenfalls dann nicht als arbeitgeberseitig veranlasst, wenn der Beschäftigte

    - einen besonderen Kündigungsschutz innehatte, oder

    - sich auf einem Arbeitsplatz befunden hat, der nach den ausdrücklichen Verlautbarungen des Arbeitgebers nicht von den betriebsändernden Maßnahmen betroffen war, oder

    - dem ungeachtet der Betroffenheit seines Arbeitsplatzes von den betriebsändernden Maßnahmen ein gleichwertiger oder besser vergüteter und ansonsten zumutbarer Arbeitsplatz in der FP-Gruppe verbindlich angeboten worden war, dieses Angebot nicht angenommen hat."

    Mit Klage zum Arbeitsgericht hat die Klägerin den Abfindungsanspruch bei Eigenkündigung in rechnerisch unstreitiger Höhe nach erfolgloser vorgerichtlicher Geltendmachung gerichtlich geltend gemacht. Sie hat ausgeführt, die Eigenkündigung sei aus der Motivation heraus erfolgt, dass es ohnehin einen Personalabbau durch die Betriebsänderung geben würde. Der Ausschluss aus dem Sozialplan könne nicht mit ihrer Stellung als Betriebsratsmitglied gerechtfertigt werden. Sozialpläne müssten dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügen, was hier zur Gleichstellung von Betriebsratsmitgliedern bei Eigenkündigung führen müsse. Sie hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an sie 27.311,30 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.01.2022 zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe der Abfindungsanspruch nicht zu. Eine arbeitgeberveranlasste Eigenkündigung oder eine Benachteiligung als Betriebsratsmitglied lägen nicht vor. Die Klägerin habe zu den Personen gehört, die im Rahmen eines Betriebsübergangs zu einer anderen Konzerngesellschaft wechseln sollten. Der Sozialplan schließe Mitglieder des Betriebsrats nicht wegen ihres Amtes an sich aus. Vielmehr habe bei der geplanten Restrukturierung für alle Betriebsratsmitglieder eine Arbeitgeberveranlassung für eine Eigenkündigung von vornherein nicht vorgelegen bzw. habe im Hinblick auf deren besonderen Kündigungsschutz nicht vorliegen können. Die Aufgabe der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit durch die Eigenkündigung stelle einen sachlichen Grund für eine Schlechterstellung dar.

    Mit Urteil vom 28. September 2022 hat das Arbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Ein Anspruch auf eine Abfindung nach Eigenkündigung bestehe nicht. Die von der Klägerin erklärte Kündigung sei nicht von der Beklagten veranlasst. Tatsachen, wonach die Beklagte bei der Klägerin die berechtigte Annahme hervorgerufen habe, infolge der Restrukturierung von einer Kündigung bedroht zu sein, habe die Klägerin nicht vorgetragen. Ein möglicher Verlust des Betriebsratsamtes infolge des Übergang des Arbeitsverhältnisses auf ein anderes Unternehmen stelle auch unter Beachtung des Benachteiligungsverbots zu Gunsten von Betriebsratsmitgliedern keinen nach dem Sozialplan ausgleichspflichtigen Nachteil dar. Die Eigenkündigung der Klägerin sei nicht nach § 4 Absatz 3 Sozialplan als vom Arbeitgeber veranlasst anzusehen, weil sie nach dem 23. April 2021 ausgesprochen sei. Die Regelung finde keine Anwendung, weil die Klägerin als Betriebsratsmitglied über einen besonderen Kündigungsschutz gegenüber betriebsbedingten Kündigungen verfügt habe. Der diesbezüglich im Sozialplan vereinbarte Ausschlusstatbestand verstoße nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Mit der Regelung hätten die Betriebsparteien die Auswirkungen des besonderen gesetzlichen Schutzes auf die Gefahr einer Kündigung und damit die Vermeidbarkeit der Nachteile berücksichtigt. Den Mitarbeitern, denen auf Grund ihres besonderen Kündigungsschutzes eine betriebsbedingte Kündigung nicht drohe, solle die Möglichkeit verwehrt werden, sich mit einer nach dem Stichtag ausgesprochenen Eigenkündigung auf die Fiktion berufen zu können, einer ansonsten veranlassten Arbeitgeberkündigung zuvorzukommen. Somit liege unter Berücksichtigung des den Betriebsparteien zustehenden Ermessensspielraums keine sachwidrige Regelung vor.

    Gegen das ihr am 14. Oktober 2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9. November 2022 Berufung eingelegt und - nach Fristverlängerung auf den 16. Januar 2023 - an diesem Tag begründet. Sie verfolgt die Klageforderung weiter und macht geltend: Bei § 4 Absatz 3 Sozialplan handele es sich um eine normative Fiktion, die - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - vorliegend greife. Der Ausschluss von Beschäftigten mit besonderem Kündigungsschutz von der Möglichkeit, sich auf eine nach dem Stichtag ausgesprochene Eigenkündigung zu berufen, verstoße im Hinblick auf die Mitbetroffenheit von Betriebsratsmitgliedern gegen das Benachteiligungsverbot wegen der Betriebsratstätigkeit und sei daher nichtig. Außerdem verstoße der Ausschluss gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Schließlich habe das Arbeitsgericht den zeitlichen Ablauf nicht hinreichend beachtet und die Tatsache, dass es im Zeitpunkt des Ausspruches der Eigenkündigung für die Klägerin völlig unklar gewesen sei, was mit ihrem Arbeitsplatz geschehen solle. Die Klägerin beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. September 2022 - 3 Ca 2992/22 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 27.311,30 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Januar 2022 zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie hat die Berufung beantwortet. Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und macht sich dessen Begründung zu eigen. Außerdem führt sie aus, der Ausschluss von Beschäftigten mit besonderem Kündigungsschutz entspräche den weiteren Ausschlusstatbeständen in § 4 Absatz 4 Sozialplan: ausdrückliche Verlautbarung der fehlenden Betroffenheit von Kündigungen oder Angebot eines zumindest gleichwertigen Arbeitsplatzes innerhalb der Unternehmensgruppe. Beschäftigte, die eine Eigenkündigung aussprechen, ohne von einer Arbeitgeberkündigung aufgrund der Betriebsänderung bedroht zu sein, dürften die Betriebsparteien von Sozialplanleistungen ausnehmen.

    In der mündlichen Verhandlung über die Berufung hat die Klägerin mit Einwilligung der Beklagten die Klage insoweit zurückgenommen, als sie Zinsen vor dem 22. Januar 2022 beansprucht hat.

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung ist zulässig und begründet. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Der aufrechterhaltenen Klageforderung ist stattzugeben.

    I.

    Die Berufung ist zulässig.

    Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 64 Absatz 2 Buchstabe b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 EUR. Die Klägerin hat die Berufung innerhalb der Monatsfrist aus § 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG eingelegt und innerhalb der verlängerten Begründungsfrist begründet. Berufungseinlegung und -begründung genügen den formalen und inhaltlichen Anforderungen aus § 64 Absatz 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519 - 520 Zivilprozessordnung (ZPO). Insbesondere ist mit dem Vorbringen dazu, weshalb die für einen Ausschluss der Klägerin aus dem Sozialplananspruch herangezogene Bestimmung im Sozialplan unwirksam sein soll, die erforderliche Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts erfolgt.

    II.

    Die Berufung ist begründet. Die Klageabweisung durch das Arbeitsgericht beruht auf einem Rechtsfehler. Die Klägerin steht der bei § 4 Absatz 1 Sozialplan geregelte Anspruch auf eine Abfindung bei Eigenkündigung im Zusammenhang mit der Betriebsänderung zu. Die Klägerin gehört zu den Beschäftigten, die im Sinne des Sozialplans auf arbeitgeberseitige Veranlassung hin eine Eigenkündigung ausgesprochen haben. Da die Klägerin die Eigenkündigung nach dem 23. April 2021 ausgesprochen hat, gilt diese in Anwendung von § 4 Absatz 3 Sozialplan als arbeitgeberseitig veranlasst, ohne dass es darauf ankäme, ob tatsächlich der Klägerin infolge der Betriebsänderung eine Kündigung durch die Beklagte gedroht hätte. Dem steht § 4 Absatz 4 1. Spiegelstrich Sozialplan nicht entgegen. Der dort von den Betriebsparteien vereinbarte Ausschluss der Beschäftigten, die einen besonderen Kündigungsschutz innehaben, verstößt gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und ist deshalb nichtig. Im Einzelnen:

    1. Nach § 75 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt. Der in der Vorschrift geregelte und auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen (BAG, 26. April 2016 - 1 AZR 435/14, juris Rn 21; BAG, 8. Dezember 2015 - 1 AZR 595/14, juris Rn 20; BAG, 20. Januar 2009 - 1 AZR 740/07, juris Rn 12).

    2. Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht wie dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sind (BAG, 9. Dezember 2014 - 1 AZR 102/13, juris Rn 18; BAG, 20. Januar 2009 - 1 AZR 740/07, juris Rn 11). Trotz des den Betriebsparteien bei der Aufstellung eines Sozialplans zustehenden weiten Ermessenspielraums folgt aus deren Bindung an den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungssatz, dass sie bei Abschluss von Sozialplanleistungen zum Ausgleich der Nachteile aus einer Betriebsänderung Arbeitnehmer, deren Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst worden ist, grundsätzlich gleich zu behandeln haben mit den vom Arbeitgeber gekündigten Arbeitnehmern.

    a. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben die Betriebsparteien bei der Aufstellung eines Sozialplans einen weiten Ermessensspielraum, inwieweit sie entsprechend dessen in § 112 Absatz 1 Satz 2 BetrVG beschriebener Funktion, die Nachteile einer Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen oder mildern wollen. Sie können im Rahmen ihres Ermessens nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden und sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile zu entschädigen. Den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Absatz 1 Satz 1 BetrVG haben sie aber zu beachten. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrunds ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (vgl. BAG, 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06, juris Rn 25).

    b. Der den Betriebsparteien bei Abschluss des Sozialplans eingeräumte Beurteilungsspielraum umfasst auch die typisierende Beurteilung, dass Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt als durch die Betriebsänderung geboten selbst kündigen, ohne hierzu vom Arbeitgeber veranlasst zu sein, durch die Betriebsänderung keine oder sehr viel geringere wirtschaftliche Nachteile erleiden als diejenigen, die den mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Besitzstand nicht freiwillig aufgeben, sondern eine Kündigung durch den Arbeitgeber abwarten (BAG, 10. Februar 2009 - 1 AZR 767/07, juris Rn 32). Der Berufungsbeantwortung ist dahin zuzustimmen, dass es mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz grundsätzlich vereinbar ist, wenn die Betriebspartner bei der Zuerkennung von Ansprüchen auf eine Abfindung unterscheiden zwischen Arbeitnehmern, denen infolge der Betriebsänderung gekündigt worden ist und solchen, die ihr Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet haben. Die Betriebspartner können davon ausgehen, dass Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis selbst beenden, schon einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, der Verlust des Arbeitsplatzes im Betrieb sie also nicht so schwer trifft wie vom Arbeitgeber gekündigte Arbeitnehmer. Allerdings können auch diese Arbeitnehmer noch einen - wenn auch geringeren - wirtschaftlichen Nachteil erleiden. Die Betriebspartner sind dann frei in ihrer Entscheidung, ob diese Arbeitnehmer dafür einen geringeren Ausgleich erhalten sollen (BAG, 19. Juli 1995 - 10 AZR 885/94, juris Rn 37f).

    c. Ein Beurteilungsspielraum besteht allerdings nicht, insoweit die Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst worden ist. Arbeitnehmer, deren Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst worden ist, sind nach vielfach bekräftigter Rechtsprechung gleich zu behandeln mit den vom Arbeitgeber gekündigten (BAG, 10. Februar 2009 - 1 AZR 767/07, juris Rn 32; BAG, 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06, juris Rn 26; BAG, 15. Mai 2007 - 1 AZR 370/06, juris Rn 13; BAG, 19. Juli 1995 - 10 AZR 885/94, juris Rn 40). Vom Arbeitgeber veranlasst ist eine Eigenkündigung, wenn dieser bei dem Arbeitnehmer die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der eigenen Initiative zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses komme er einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers nur zuvor (BAG, 10. Februar 2009 - 1 AZR 767/07, juris Rn 32; BAG, 15. Mai 2007 - 1 AZR 370/06, juris Rn 13).

    3. In Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass § 4 Absatz 4 1. Spiegelstrich Sozialplan gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Dies gilt zunächst, als die Vorschrift Beschäftigte mit besonderem Kündigungsschutz von der ansonsten gemäß § 4 Absatz 2 Sozialplan möglichen Einbeziehung von arbeitgeberseitig veranlassten Eigenkündigungen in den Nachteilsausgleich generell ausschließt. Die Reglung in einem Sozialplan, die alle Beschäftigte mit besonderem Kündigungsschutz bei arbeitgeberseitig veranlasster Eigenkündigung von der Einbeziehung in einen Nachteilsausgleich ausschließt, verstößt gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

    a. Die in § 4 Absatz 2 Sozialplan geregelte Möglichkeit eines Einbezugs von Eigenkündigungen entspricht sowohl hinsichtlich der Abgrenzung der erfassten Eigenkündigungen als auch der Einbeziehung in den Nachteilsausgleich als Rechtsfolge der dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Dementsprechend ist die Vereinbarung eines entsprechenden Einbezugs durch den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz geboten. Ausnahmen müssen sich vor diesem Grundsatz rechtfertigen.

    b. Für die Ausnahme zu Lasten der Beschäftigten mit besonderem Kündigungsschutz besteht eine solche Rechtfertigung nicht. Ein gesetzlich angeordneter Kündigungsschutz berücksichtigt die besondere Schutzbedürftigkeit der begünstigten Personengruppe. Die besondere Schutzbedürftigkeit als solche kann eine Schlechterstellung bei der Einbeziehung von Eigenkündigungen in den Nachteilsausgleich sicherlich nicht rechtfertigen. Unerheblich ist insoweit, in welchem Umfang ein bestehender Sonderkündigungsschutz es nach den tatsächlichen Verhältnissen bei der Beklagten ausschloss, dass die Betriebsänderung Ursache für das Ausscheiden eines besonders geschützten Beschäftigten geworden ist oder hätte werden können. Der Ausschluss aller Beschäftigten mit Sonderkündigungsschutz soll im Hinblick auf den im Sozialplan generell formulierten Geltungsanspruch gerade dann zur Anwendung kommen, wenn im Einzelfall für den Beschäftigten mit Sonderkündigungsschutz die Voraussetzungen einer durch die Betriebsänderung verursachten Kündigung gegeben sind. Diesbezüglich heißt es im Sozialplan, Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz sollen "gleichwohl jedenfalls" ausgeschlossen bleiben. Ein solcher Ausschluss von tatsächlich durch die Betriebsänderung zur Eigenkündigung veranlassten Personen mit besonderem Kündigungsschutz läuft der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts diametral entgegen. Er verstößt gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und ist unzulässig.

    4. § 4 Absatz 4 1. Spiegelstrich verstößt darüber hinaus auch insoweit gegen das betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, als er Beschäftigte mit besonderem Kündigungsschutz von der Stichtagsregelung des § 4 Absatz 3 Sozialplan ausschließt, wie sie die arbeitgeberseitige Veranlassung der Eigenkündigung bei einem Ausspruch nach dem 23. April 2021 fingiert. Im Sozialplan vorgesehene persönliche Ausnahmen von einer Stichtagsregelung, wonach danach ausgesprochene Eigenkündigung als arbeitgeberseitig veranlasst gelten und einen Abfindungsanspruch auslösen, bedürfen eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes, damit sie dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz genügen. Das Innehaben besonderen Kündigungsschutzes stellt einen solchen Grund nicht dar, wenn er die Gefahr einer Kündigung wegen der Betriebsänderung oder die Gefahr eines Nachteils daraus nicht beseitigt.

    a. Grundsätzlich können die Betriebsparteien zur Herstellung von Rechtssicherheit über die Frage, ob eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber veranlasst war, Regelungen vorsehen (BAG, 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06, juris Rn 26). Dementsprechend ist es nicht ausgeschlossen, wenn die Berechtigung der Annahme einer arbeitgeberseitigen Veranlassung der Eigenkündigung durch Stichtagsregelungen verhindert wird (vgl. BAG, 10. Februar 2009 - 1 AZR 767/07, juris Rn 32).

    b. Eine Regelung zur Herstellung von Rechtssicherheit über die arbeitgeberseitige Veranlassung einer Eigenkündigung muss aber in ihrer Ausgestaltung vor dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gerechtfertigt sein. Dies ist für den in § 4 Absatz 4 1. Spiegelstrich Sozialplan für bestimmte Beschäftigte vereinbarten Ausschluss von der Fiktion des § 4 Absatz 3 Sozialplan, wonach jede nach dem 23. April 2021 ausgesprochene Eigenkündigung als arbeitgeberseitig veranlasst gilt, nicht der Fall. Eine sachliche Rechtfertigung der dort vorgenommenen Differenzierung zwischen Beschäftigten mit und Beschäftigten ohne besonderen Kündigungsschutz kann vorliegend nicht festgestellt werden.

    aa. Die Fiktion der arbeitgeberseitigen Veranlassung der Kündigung ist ein Vorteil für die Beschäftigten, die eine Eigenkündigung nach dem Stichtag aussprechen. Indem sie den Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan absichert und von Vorliegen und Nachweis einer Veranlassung durch den Arbeitgeber unabhängig macht, erleichtert sie für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer die Entscheidung, ob sie oder er sich von dem Arbeitsverhältnis löst und die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung ergreift. Mittelbare Schutzwirkungen kann die Fiktion entfalten, indem durch die Eigenkündigung eines Beschäftigten mit anderweitiger Beschäftigungsperspektive Betriebsangehörige ohne eine solche Perspektive vor einer ansonsten sie betreffenden Kündigung bewahrt werden. Arbeitgeberinteressen an der Fortbeschäftigung bestimmter Personen berücksichtigt die Regelung in § 4 Absatz 4 Sozialplan durch die für den Arbeitgeber vorgesehenen Möglichkeiten, die Fiktion einer arbeitgeberseitigen Veranlassung durch die Zusicherung der Fortbeschäftigung auf dem Arbeitsplatz oder ein anderweitiges zumindest gleichwertiges Beschäftigungsangebot auszuschließen.

    bb. Soll eine solche Stichtagsregelung nicht gleichmäßig auf alle Beschäftigten angewandt werden, so bedarf es hierfür einer sachlichen Rechtfertigung. Auch insoweit verlangt der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dass eine gleichheitswidrige Gruppenbildung unterbleibt. Die beschriebene Begünstigung darf nicht ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund einer Beschäftigtengruppe vorenthalten werden.

    cc. Eine entsprechende sachliche Rechtfertigung kann für den Ausschluss von Beschäftigten mit Sonderkündigungsschutz vorliegend nicht festgestellt werden. Insbesondere folgt sie nicht daraus, dass - wie es das Arbeitsgericht angenommen hat - den ausgeschlossenen Beschäftigtengruppen eine Kündigung infolge der Betriebsänderung nicht drohte, weil dem der besondere Kündigungsschutz entgegengestanden hätte. Diese Annahme überzeugt nicht.

    (1) Die Berufungsbeantwortung weist zutreffend darauf hin, dass von dem Ausschluss unterschiedslos alle Personengruppen mit besonderem Kündigungsschutz erfasst sein sollen. Damit sind eine Reihe von Beschäftigtengruppen erfasst, etwa die Beschäftigungsverhältnisse schwerbehinderter Menschen und ihnen gleichgestellter Personen oder von Beschäftigten während einer Elternzeit. Die infolge der Betriebsänderung trotz besonderen Kündigungsschutzes bestehende Kündigungsmöglichkeit soll an diesen Personengruppen veranschaulicht werden.

    (2) Nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (§§ 151, 168 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch, § 18 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) verlangt die ordentliche Kündigung der genannten Personengruppen die vorherige Zustimmung der zuständigen Behörde. Dies führt aber nicht dazu, dass deren betriebsbedingte Kündigung infolge einer Betriebsänderung stets ausgeschlossen sein würde.

    So hat das Integrationsamt bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung eines schwerbehinderten Menschen oder einer gleichgestellten Person das Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes im Sinne der einschlägigen Bestimmung aus dem Kündigungsschutzgesetz zu beachten (vgl. LPK-SGB IX/Franz Josef Düwell, 6. Aufl. 2022, SGB IX § 172 Rn 30-36). Die Überprüfung durch das das Integrationsamt ist insoweit eingeschränkt. Es ist nur verpflichtet zu überprüfen, ob die arbeitsrechtliche Unwirksamkeit der Kündigung ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegt und sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 1. März 2012 - 12 ZB 10.587, juris Rn 9).

    Auch bei Personen in Elternzeit ist die Erteilung der behördlichen Zustimmung zu einer als betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigten Kündigung nicht stets ausgeschlossen (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Kündigungsschutz bei Elternzeit, BAnz 2007, Nr. 5 S. 247). Jedenfalls aber ist deren besonderer Kündigungsschutz auf die Dauer der Elternzeit befristet. Aus § 18 BEEG folgt kein nachwirkender Kündigungsschutz (NK-ArbR/Osnabrügge, 2. Aufl. 2023, BEEG § 18 Rn 13). Der Arbeitgeber kann nach Ende der Elternzeit die betriebsbedingte Kündigung nachholen. In einem solchen Fall würde der Nachteil aus der Betriebsänderung für den Beschäftigten nicht ausbleiben, sondern ihn nur verzögert treffen.

    (3) Entsprechendes gilt für die nach § 15 Absatz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) als Betriebsratsmitglied vor ordentlichen Kündigungen besonders geschützten Personen. Zu Gunsten der Beklagten kann insoweit unterstellt werden, dass mangels Stilllegung des Betriebs oder einer Betriebsabteilung die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern gemäß § 15 Absätze 4 und 5 KSchG im Rahmen der Betriebsänderung nicht gegeben waren. Eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit folgt aber daraus, dass nach Beendigung der Amtszeit das Betriebsratsmitglied nur während eines Jahres vor der ordentlichen Kündigung geschützt ist, § 15 Absatz 1 Satz 2 KSchG. Nach Beendigung des nachwirkenden Kündigungsschutzes eines Funktionsträgers kann der Arbeitgeber diesem wieder wie jedem anderen Arbeitnehmer kündigen (BAG, 14. Februar 2002 - 8 AZR 175/01, juris Rn 32; BAG, 13. Juni 1996 - 2 AZR 431/95, juris Rn 19). Vor diesem Hintergrund ist es auch außerhalb von Stilllegungssachverhalten nicht generell ausgeschlossen, dass auf längere Dauer der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zur wirksamen betriebsbedingten Kündigung eines Beschäftigten führt, der Betriebsratsmitglied gewesen ist.

    (4) Der Annahme einer Kündigungsgefahr für Beschäftigte mit besonderem Kündigungsschutz steht nicht entgegen, dass bei einer während des andauernden besonderen Kündigungsschutzes ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung die begünstigten Beschäftigten aus einer etwa anstehenden Sozialauswahl auszunehmen sein würden. Zwar scheiden aus dem im Rahmen von § 1 Absatz 3 KSchG auswahlrelevanten Personenkreis - trotz im Übrigen bestehender Vergleichbarkeit - solche Arbeitnehmer aus, bei denen eine ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung auf Grund des Gesetzes ausgeschlossen ist (BAG, 21. April 2005 - 2 AZR 241/04, juris Rn 18). Diese Begünstigung schließt aber eine betriebsbedingte Kündigung nicht generell aus. Erteilt die Behörde dem Arbeitgeber auf dessen Antrag die Zustimmung, so ist der Arbeitnehmer trotz Sonderkündigungsschutz in die Sozialauswahl einzubeziehen (Krause, in: Linck/Krause/Bayreuther, 16. Aufl. 2019, KSchG § 1 Rn 911 mwN). Außerdem schützt die im Rahmen der Sozialauswahl vorrangige Kündbarkeit anderer Beschäftigter den besonders geschützten Arbeitnehmer dann nicht vor einer betriebsbedingten Kündigung, wenn der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses ausschließlich ihn betrifft, weil es im Betrieb keine anderen im Sinne der Sozialauswahl austauschbaren Beschäftigten gibt und deshalb eine Sozialauswahl überhaupt nicht stattfinden kann.

    dd. Eine Rechtfertigung der Regelung in § 4 Absatz 4 1. Spiegelstrich Sozialplan kann entgegen der Berufungsbeantwortung nicht aus dem Zusammenhang der Regelung hergeleitet werden.

    (1) Die beiden übrigen Spiegelstriche des § 4 Absatz 4 Sozialplan knüpfen an Tatbestände an, wo der Eintritt eines betriebsänderungsbedingten Nachteils bei Ausspruch der Eigenkündigung ausgeschlossen ist. War dem Arbeitnehmer aufgrund ausdrücklicher Verlautbarung des Arbeitgebers bekannt, dass er von der betriebsändernden Maßnahme nicht betroffen ist, so hatte der Arbeitnehmer keine arbeitgeberseitige Kündigung in Folge der Betriebsänderung zu befürchten. War ihm ein gleichwertiger oder jedenfalls zumutbarer anderer Arbeitsplatz verbindlich angeboten, so konnte er durch die Annahme des Angebots die Kündigung und dadurch jedenfalls unzumutbare Nachteile vermeiden. Bei entsprechenden Sachverhalten kann begründet für alle Anwendungsfälle angenommen werden, dass eine dennoch ausgesprochene Eigenkündigung trotz des zeitlichen Zusammenhangs zur Betriebsänderung nicht vom Arbeitgeber veranlasst war.

    (2) Wegen der aufgezeigten Beendigungsmöglichkeiten ist aber eine solche Annahme für Beschäftigte mit besonderem Kündigungsschutz nicht begründbar. Wie dargestellt, besteht für diese Beschäftigtengruppen die Möglichkeit, von der Betriebsänderung betroffen zu sein und gekündigt zu werden. Deshalb stellt sich der Ausschluss von Beschäftigten mit besonderem Kündigungsschutz nicht als bloße Konsequenz einer tatsächlich ausgeschlossenen Betroffenheit von der Betriebsänderung dar, sondern als benachteiligender und nicht gerechtfertigter Ausschluss aus der Möglichkeit, einer möglichen Betroffenheit durch Eigenkündigung zu begegnen und dabei einen Anspruch auf Nachteilsausgleich zu bewahren.

    (3) Unerheblich ist dabei, ob die Beklagte im Hinblick auf den Mehraufwand und die Verzögerung, wie sie aus dem besonderen Kündigungsschutz folgen, Kündigungen von besonders geschützten Personen möglicherweise vermeiden und hiervon absehen wollte. Ein entsprechender Wunsch oder eine entsprechende Planung ändert zunächst nichts an der für die Beschäftigten bestehende Unsicherheit, ob die Betriebsänderung ihnen gegenüber zur Kündigung oder zu Nachteilen führt. Die Möglichkeiten nach § 4 Absatz 4 Sozialplan, das Ausbleiben einer Kündigung oder eines durch die Betriebsänderung bedingten Nachteils dem besonders vor einer Kündigung geschützten Personenkreis ausdrücklich mitzuteilen und so die Fiktion einer arbeitgeberseitigen Veranlassung der Eigenkündigung auszuschließen, hat die Beklagte nicht genutzt.

    5. Rechtsfolge des Verstoßes gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist die Nichtigkeit von § 4 Absatz 4 1. Spiegelstrich Sozialplan. Die Regelungen in § 4 Absätze 1 bis 3 zum Abfindungsanspruch bei Eigenkündigung nach dem dort genannten Stichtag bleiben wirksam.

    a. § 75 BetrVG ist ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (Jacobs, in: GK-BetrVG, 12. Auflage 2022, § 75 BetrVG, Rn 193). Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die gegen § 75 BetrVG verstoßen, sind nichtig (ErfK/Kania, 23. Aufl. 2023, BetrVG § 75 Rn 12; Fitting, 31. Aufl. 2022, § 75 BetrVG, Rn 177).

    b. Die Nichtigkeit von § 4 Absatz 4 1. Spiegelstrich Sozialplan führt nicht dazu, dass der gesamte Sozialplan unwirksam wäre.

    aa. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB ist eine Betriebsvereinbarung nur teilunwirksam, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält. Das folgt aus dem Normcharakter der Betriebsvereinbarung, der es gebietet, im Interesse der Kontinuität eine einmal gesetzte Ordnung aufrechtzuerhalten, soweit sie ihre Funktion auch ohne den unwirksamen Teil noch entfalten kann (BAG, 13. August 2019 - 1 AZR 213/18, juris Rn 87; BAG, 19. Februar 2008 - 1 AZR 1004/06, juris Rn 40).

    bb. Der vorliegend gegenständliche Sozialplan stellt auch ohne die Bestimmung in § 4 Absatz 4 1. Spiegelstrich eine sinnvolle in sich geschlossene Regelung dar. Durch die Nichtigkeit der genannten Bestimmung entfällt allein die abweichende Behandlung von Personen mit Sonderkündigungsschutz. Die übrigen Regelungen des Sozialplans bleiben sinnvoll anwendbar.

    6. Ob der Ausschluss wegen besonderem Kündigungsschutz zusätzlich noch wegen Verletzung des Benachteiligungsverbots zu Gunsten von Betriebsratsmitgliedern aus § 78 Satz 2 BetrVG unwirksam ist, kann im Hinblick auf die bereits begründete Teilunwirksamkeit dahingestellt bleiben.

    7. Die aufrechterhaltene Zinsforderung kann die Klägerin aus §§ 286 Absatz 1, 288 Absatz 1 BGB ab dem 22. Januar 2022 als dem auf die in dem vorgerichtlichen Geltendmachungsschreiben gesetzte Zahlungsfrist folgenden Tag beanspruchen.

    III.

    Von den Nebenentscheidungen beruht die Entscheidung zur Kostentragungspflicht der mit ihrem Klageabweisungsbegehren im Ergebnis des Berufungsverfahrens erfolglosen Beklagten auf § 92 Absatz 2 Nummer 1 ZPO. Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor, kann das Gericht trotz Teilklagerücknahme einer Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen (BGH, 10. April 2019 - VIII ZR 12/18, juris Rn 55). Vorliegend sind die Voraussetzungen gegeben. Mit dem um wenige Tage verfrühten Verzinsungsbeginn war die Zuvielforderung verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten verursacht.

    Veranlassung, in Anwendung von § 72 Absatz 2 ArbGG die Revision zuzulassen, bestand nicht.

    Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.

    Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen.

    Verkündet am 15. September 2023

    Vorschriften§ 64 Absatz 2 Buchstabe b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), § 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG, § 64 Absatz 6 ArbGG, §§ 519 - 520 Zivilprozessordnung (ZPO), § 75 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz, § 112 Absatz 1 Satz 2 BetrVG, § 75 Absatz 1 Satz 1 BetrVG, §§ 151, 168 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch, § 18 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, § 18 BEEG, § 15 Absatz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), § 15 Absätze 4, 5 KSchG, § 15 Absatz 1 Satz 2 KSchG, § 1 Absatz 3 KSchG, § 75 BetrVG, § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 139 BGB, § 78 Satz 2 BetrVG, §§ 286 Absatz 1, 288 Absatz 1 BGB, § 92 Absatz 2 Nummer 1 ZPO, § 72 Absatz 2 ArbGG