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  • · Fachbeitrag · Sonderthema: Personenbedingte Kündigung

    Häufige Krankheit - Was muss bei der Kündigung beachtet werden?

    von DirArbG Dr. Guido Mareck, Siegen

    | Eine nicht typische betriebliche Ausgangssituation: ArbG A hat einen 35-jährigen Mitarbeiter, der seit sechs Jahren bei ihm beschäftigt ist. Vor drei Jahren begannen die krankheitsbedingten Ausfälle: 71 Tage im ersten Jahr, 130 Tage im zweiten und in diesem Jahr sind es bereits 110 Tage - und das Jahr ist noch nicht um. Ein Ende der zahlreichen Bronchialleiden, Atemwegsinfektionen und Darmerkrankungen ist nicht absehbar. „Arbeitsrecht aktiv“ erläutert die Anforderungen, die das BAG an einen ArbG stellt, der einem Mitarbeiter wegen häufiger Krankheit kündigen will. |

    1. Kann wegen Krankheit gekündigt werden?

    Grundsätzlich kann einem ArbN wegen häufiger Krankheit gekündigt werden. Welche Regelungen anzuwenden sind und was der ArbG dabei berücksichtigen muss, richtet sich nach der Betriebsgröße:

     

    • Bei einem bis fünf ArbN (Teilzeitkräfte zählen zwischen 0,5 und 0,75) herrscht grundsätzlich Kündigungsfreiheit. Dies gilt gem. § 23 Abs. 1 KSchG auch bei Betrieben bis zu zehn ArbN, sofern nach dem 31.12.03 Neueinstellungen vorgenommen wurden. Diese ArbN bleiben bis zu einer Betriebsgröße von einschließlich zehn ArbN unberücksichtigt. Das heißt, innerhalb der von Treu und Glauben und der Sittenwidrigkeit gesetzten Grenzen darf der ArbG kündigen, ohne einen gesetzlich anerkannten Kündigungsgrund haben zu müssen. Dennoch müssen stets auch „irgendwo“ die unten genannten Grundsätze bei der Kündigung Berücksichtigung finden.

     

    • Im Anwendungsbereich des KSchG gibt es die Möglichkeit der „personenbedingten Kündigung“ (§1 Abs. 1 S. 1 KSchG). Diese Form der Kündigung setzt voraus, dass der ArbN aufgrund seiner (geänderten) persönlichen Fähigkeiten oder Eigenschaften nicht mehr in der Lage ist, künftig die Leistung zu erbringen, die er nach seinem Arbeitsvertrag erbringen muss.

    2. Voraussetzungen für eine Kündigung wegen Krankheit

    Das BAG macht es dem ArbG, in dessen Betrieb Kündigungsschutz herrscht, nicht leicht und hängt die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen Krankheit hoch. Wichtigstes Kriterium ist, dass die Kündigung „sozial gerechtfertigt“ ist. Das heißt, es muss objektiv feststehen, dass bei Ausspruch der Kündigung mit weiteren krankheitsbedingten Fehlzeiten in nicht hinnehmbarer Höhe und daraus resultierenden betrieblichen Beeinträchtigungen zu rechnen ist. Das BAG hat eine Drei-Stufen-Checkliste zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt (aktuell: BAG NZA 08, 593; 06, 655):

     

    Checkliste / Drei-Stufen-Prüfung bei Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen

    Erste Stufe 

    Hier ist eine sogenannte "„negative Gesundheitsprognose“ erforderlich. Das heißt, es müssen zum Zeitpunkt der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können Indizien für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbilds sein. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind. Beispiele für objektive Tatsachen sind

    • Fehlzeiten oberhalb des Entgeltfortzahlungszeitraums von sechs Wochen pro Jahr,
    • negative Ergebnisse (arbeits-)medizinischer Begutachtungen.

     

    Zweite Stufe 

    Eine krankheitsbedingte Kündigung lässt sich nur rechtfertigen, wenn die prognostizierten Fehlzeiten auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Neben den Betriebsablaufstörungen gehören hierzu auch wirtschaftliche Belastungen des ArbG, etwa durch die Kosten der Entgeltfortzahlung, die notwendige befristete Einstellung von Ersatzkräften oder die finanziellen Aufwendungen für Überstunden anderer ArbN.

     

    Dritte Stufe 

    Wenn der ArbG die erheblichen Beeinträchtigungen der Stufen eins und zwei für sein Unternehmen bejahen kann, muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Das heißt, der ArbG muss sich fragen, ob er diese Beeinträchtigungen in Zukunft noch hinnehmen kann/will oder nicht. Hierzu muss er sich folgende Fragen stellen:

    • Sind die Erkrankungen möglicherweise auf betriebliche Ursachen zurückzuführen?
    • Ist das Arbeitsverhältnis zwischen den beiden je ungestört verlaufen und wenn ja, wie lange?
    • Wie alt ist der Mitarbeiter, in welchen familiären Verhältnissen lebt er, bestehen Unterhaltspflichten oder eine Schwerbehinderung?
     

    Auf den Fall bezogen heißt das für die erste Stufe, dass aufgrund der erheblichen Ausfallzeiten des ArbN in der Vergangenheit eine negative Zukunftsprognose gegeben ist. A muss, sofern keine anderen Anhaltspunkte bestehen, mit ähnlichen Fehlzeiten auch künftig rechnen. Auf der zweiten Stufe muss A die Entgeltfortzahlungskosten exakt darlegen. Gleiches gilt für die durch die Ausfallzeiten verursachten weiteren Belastungen. Auch kann der ArbN seine Bronchial- und Darmerkrankungen wohl nicht auf die Arbeit und sein Umfeld zurückführen. Wenn keine positive Prognose der behandelnden Ärzte vorliegt, etwa eine durchgeführte Therapie angeschlagen hat, kann eine Kündigung erfolgen, die als sozial gerechtfertigt anerkannt werden wird. Dies gilt vor dem Hintergrund des relativ niedrigen Lebensalters des ArbN und der erst sechsjährigen Betriebszugehörigkeit, die auf der dritten Stufe (Interessenabwägung) Berücksichtigung findet.

    PRAXISHINWEIS | ArbG A sollte nach § 84 Abs. 1 SGB IX das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement (BEM) ordnungsgemäß durchführen. Ansonsten verschärfen sich im Prozess Darlegungs- und Beweislast zu seinen Ungunsten. Der ArbG muss mit den zuständigen Interessenvertretungen (Krankenkasse, Integrationsamt, Betriebsrat) und den betroffenen ArbN klären, ob und wie der Arbeitsplatz so umgestaltet werden kann, dass erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt wird und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Dies gilt aber nicht, wenn der ArbN die Teilnahme am BEM ablehnt (hierzu aktuell: LAG Hamm 26.4.13, 10 Sa 24/13).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Im nächsten Beitrag zum Sonderthema „Personenbedingte Kündigung“ beantworten wir die wichtige Frage, wann eine Abmahnung erforderlich ist
    Quelle: ID 43313502