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  • 01.02.2010 | Individualarbeitsrecht

    Lohnwucher kann zu Tariflohnanspruch führen

    von RA Rainer Polzin, FA Arbeitsrecht, Berlin

    Zahlt der ArbG weniger als zwei Drittel des in der Branche und der Region üblicherweise gezahlten Tariflohns so liegt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB vor mit der Folge, dass die Lohnvereinbarung nichtig ist. Allerdings müssen weitere Umstände wie eine verwerfliche Gesinnung des objektiv Begünstigen hinzukommen. Der ArbN kann dann den Tariflohn als üblichen Lohn i.S.v. § 612 Abs. 2 BGB verlangen (BAG 22.4.09, 5 AZR 436/08, Abruf-Nr 091649).

     

    Sachverhalt

    Die ArbN, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist, war - wie ihr Ehemann - von 1992 an zunächst befristet bis Ende 1993, dann ab dem 1.1.94 unbefristet bis Mai 2002 bei dem ArbG in Hamburg als Hilfskraft in dessen Gartenbaubetrieb beschäftigt. Sie erhielt gemäß dem 1992 in ihrer Muttersprache abgefassten Arbeitsvertrag einen Stundenlohn von 6,00 DM netto. Für Arbeiten am Sonntag wurde eine Zulage von pauschal 10,00 DM netto pro Arbeitstag gezahlt. Ab Januar 2002 betrug der Stundenlohn 3,25 EUR netto.  

     

    Im Klagezeitraum von Dezember 1999 bis Mai 2002 arbeitete die ArbN durchschnittlich 269 Stunden im Monat. Sie nutzte mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern eine Wohnung nebst Garten auf dem Betriebsgelände. Der anteilige Wert des Sachbezugs wurde zuletzt mit 76,25 EUR in den Lohnabrechnungen angesetzt. Mit ihrer Klage hat die ArbN die Differenz der geleisteten Zahlungen zu dem Tariflohn der Gruppe 7 des Lohntarifvertrags für Gartenbaubetriebe einschließlich aller Zulagen und Zuschläge geltend gemacht.  

     

    Der ArbG hat unter anderem eingewendet, dass allenfalls 40 % der Gartenbaubetriebe in Hamburg tarifgebunden sind und ein Familienbetrieb ohne Gefährdung seiner Existenz keine höheren Löhne zahlen könne.