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  • 01.02.2007 | Fortbildung

    Arbeitnehmerweiterbildung: Die 21 häufigsten Fragen zum Bildungsurlaub

    von RAin Monika Hesse-Haake, Krefeld

    Erlerntes Wissen hat eine immer geringere „Haltbarkeit“. Ständige Fort- und Weiterbildung ist daher sehr wichtig. Die folgende Checkliste gibt Ihnen mit den Antworten auf die 21 häufigsten Fragen zum Bildungsurlaub einen umfassenden Überblick zu den wichtigsten allgemeinen Grundsätzen.  

     

    Da einheitliche Zielsetzung und gleicher Regelungsbedarf zu weitgehenden Gemeinsamkeiten geführt haben, wird im Folgenden nicht näher auf die einzelnen Landesgesetze eingegangen.  

     

    Checkliste: Die 21 häufigsten Fragen zum Bildungsurlaub

    1. Was bedeutet Bildungsurlaub? 

    Unter Bildungsurlaub versteht man die vom ArbG bezahlte Freistellung des ArbN zur Teilnahme an Veranstaltungen, die vornehmlich der eigenen beruflichen Weiterbildung oder der Vermittlung von Kenntnissen des allgemein tagespolitischen Geschehens dienen.  

     

    Damit steht der Bildungsurlaub neben dem Erholungsurlaub. Der übliche Erholungsurlaubsanspruch wird somit durch die Weiterbildung nicht gemindert.  

     

    2. Welche Voraussetzungen müssen für einen Anspruch auf Bildungsurlaub erfüllt sein? 

    Hierzu müssen fünf Voraussetzungen gegeben sein:  

     

    • Bestehen einer bundeslandspezifischen Regelung über Bildungsurlaub,
    • anerkannte Bildungsmaßnahme,
    • persönliche Anspruchsberechtigung,
    • Erfüllung der Wartefrist,
    • rechtzeitige Mitteilung.

     

    3. In welchen Bundesländern bestehen Regelungen über Bildungsurlaub?  

    Gegenwärtig gibt es in diesen Bundesländern entsprechende Regelungen über Bildungsurlaub:  

     

    • Berlin: Berliner Bildungsurlaubsgesetz;
    • Brandenburg: Brandenburgisches Weiterbildungsgesetz;
    • Bremen: Bremisches Bildungsurlaubsgesetz;
    • Hamburg: Hamburgisches Bildungsurlaubsgesetz;
    • Hessen: Hessisches Gesetz über den Anspruch auf Bildungsurlaub;
    • Mecklenburg-Vorpommern: Bildungsfreistellungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern;
    • Niedersachsen: Niedersächsisches Gesetz über den Bildungsurlaub für ArbN;
    • Nordrhein-Westfalen: ArbN-Weiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen;
    • Rheinland-Pfalz: Landesgesetz über die Freistellung von ArbN für Zwecke der Weiterbildung;
    • Saarland: Saarländisches Weiterbildungs- und Bildungsurlaubsgesetz;
    • Sachsen-Anhalt: Gesetz zur Freistellung von der Arbeit für Maßnahmen der Weiterbildung;
    • Schleswig-Holstein: Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz.

     

    In Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen gibt es keine Bildungsurlaubsgesetze. ArbN in diesen Bundesländern haben demnach grundsätzlich keinen Anspruch hierauf. Etwas anderes kann gelten, wenn diese ArbN einen tarif- oder arbeitsvertraglichen Anspruch auf Arbeitsfreistellung zu Bildungszwecken haben.  

     

    4. Welches Landesrecht gilt für den einzelnen ArbN? 

    Wesentlich für die Frage, ob ein Anspruch auf Bildungsurlaub für den einzelnen ArbN besteht, ist immer das an seinem Arbeitsort geltende Gesetz. Auf seinen Wohnsitz kommt es nicht an.  

     

    5. Sind alle Bildungsmaßnahmen anerkannt?  

    Der ArbN kann nicht wahllos jede Veranstaltung besuchen. Bildungsurlaub kann stets nur für solche Veranstaltungen beansprucht werden, die  

     

    • von einem offiziell anerkannten Weiterbildungsträger durchgeführt werden oder
    • von der zuständigen Behörde als anerkannte Weiterbildungsmaßnahme bestätigt worden sind.

     

    Eine solche Anerkennung des Trägers oder der Einzelveranstaltung bindet die Arbeitsgerichte nicht, soweit es um die Vereinbarkeit der Bildungsmaßnahme mit den vom BVerfG gezogenen Grenzen zulässiger Bildungsinhalte geht.  

     

    Zudem muss die Veranstaltung nach einigen Landesregelungen für jedermann zugänglich sein. Welchen zeitlichen Mindestumfang eine Veranstaltung haben muss, ist lediglich lückenhaft in den Landesgesetzen festgelegt.  

     

    Liegt eine Anerkennung vor, kann Bildungsurlaub normalerweise für jede Veranstaltung genommen werden, die der beruflichen, politischen oder gesellschaftspolitischen Weiterbildung dient. In einigen Ländern sind auch solche Veranstaltungen anerkannt, die zur Wahrnehmung von Ehrenämtern qualifizieren. Im Einzelnen weichen die Landesgesetze voneinander ab.  

     

    6. Wer gehört zum Kreis der persönlichen Anspruchsberechtigten? 

    Grundsätzlich kann jeder ArbN Bildungsurlaub beantragen, sofern er in einem Bundesland mit einem jeweiligen Landesgesetz arbeitet.  

     

    In Nordrhein-Westfalen etwa sind Auszubildende nicht anspruchsberechtigt. Dies ist sachgerecht, da bereits das Ausbildungsverhältnis auf die Vermittlung beruflicher Bildung ausgerichtet ist.  

     

    7. Welche Wartezeit muss in der Regel erfüllt sein? 

    Der Anspruch auf Bildungsurlaub entsteht nach den landesrechtlichen Regelungen nahezu einheitlich erstmals nach sechsmonatigem Bestand des Arbeitsverhältnisses. Lediglich in Rheinland-Pfalz muss der ArbN für den erstmaligen Erwerb des Bildungsurlaubs eine 2-jährige Wartezeit absolvieren, für Auszubildende beträgt die Wartezeit dort lediglich ein Jahr.  

     

    8. Bestehen Meldefristen?  

    In den meisten Bundesländern muss der ArbN den Bildungsurlaub sechs Wochen vor Beginn der Fortbildungsmaßnahme anmelden. Es gibt aber auch kürzere und längere Meldefristen.  

     

    9. Was gilt bei verspätet zugegangenem Antrag? 

    Geht dem ArbG der Antrag verspätet zu, ist er nicht zur Freistellung zum gewünschten Zeitpunkt verpflichtet. Der ArbN kann den Bildungsurlaub später nachholen, sofern er sich zumindest dann rechtzeitig anmeldet.  

     

    10. Welchen Umfang hat der Bildungsurlaub? 

    In Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz haben ArbN einen Anspruch auf Bildungsurlaub im Umfang von 10 Arbeittagen innerhalb von zwei Kalenderjahren.  

     

    In Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt sowie Schleswig-Holstein besteht ein Bildungsurlaubsanspruch von fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr.  

     

    Arbeiten Teilzeitkräfte an mehr oder weniger als fünf Arbeitstagen in der Woche, haben sie nur Anspruch auf entsprechend weniger Bildungstage. Der Anspruch ist entsprechend umzurechnen.  

     

    11. Was gilt bei einem Arbeitsplatzwechsel? 

    Bei einem Arbeitsplatzwechsel wird eine bereits gewährte Freistellung beim neuen ArbG angerechnet. Doppelansprüche werden durch eine Bildungsurlaubsbescheinigung des alten ArbG vermieden.  

     

    12. Wann ist der Bildungsurlaub auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen?  

    Grundsätzlich gilt: Wird der Bildungsurlaub nicht im laufenden Kalenderjahr beantragt und genommen, verfällt er zum Jahresende. Auch wenn die meisten Landesgesetze eine Übertragungsmöglichkeit vorsehen, muss der ArbN die Übertragung rechtzeitig vor Jahresende schriftlich beantragen.  

     

    13. Wie wird der Anspruch auf Bildungsurlaub durchgeführt?  

    Zur Erfüllung des Bildungsurlaubsanspruchs hat der ArbG den ArbN bei Vorliegen der Voraussetzungen von der Arbeitsleistung bezahlt freizustellen. Die Kosten für die Veranstaltung und die Anreise trägt der ArbN. Ein Selbstbeurlaubungsrecht des ArbN besteht nicht. Eine ungerechtfertigte Verweigerung der Freistellung führt zur Schadenersatzpflicht des ArbG.  

     

    14. Wann kann der ArbG den Bildungsurlaub verweigern?  

    Als Ablehnungsgründe kommen i.d.R. nur betriebliche Belange in Betracht, wobei sich trotz unterschiedlicher Wortwahl (dringende/zwingende) kaum Unterschiede feststellen lassen:  

     

    • Kleinbetriebsklausel (z.B. Nordrhein-Westfalen; Sachsen-Anhalt),
    • Überlastungsschutz-/Quotenregelung (z.B. Brandenburg; Hessen),
    • wesentlicher Grund (z.B. Weihnachtszeit im Einzelhandel; fristgerechte Erledigung wichtiger Aufträge; Saisongeschäft),
    • entgegenstehende Urlaubswünsche anderer ArbN, die aus sozialen Gründen Vorrang haben.

     

    Die Fristen und Formvorschriften für die Ablehnung sind landesrechtlich unterschiedlich festgelegt. Die Ablehnung muss regelmäßig schriftlich und unter Angabe der Gründe erfolgen. Erfolgt die Ablehnung nicht form- und/oder fristgerecht, gilt die Freistellung als erteilt.  

     

    15. Kann genehmigter Bildungsurlaub nachträglich widerrufen werden? 

    In einigen Bundesländern dürfen ArbG in dringenden Fällen ihre Zustimmung zu einer bereits genehmigten Bildungsfreistellung zurücknehmen. In diesen Fällen trägt der ArbG die Stornierungsgebühren.  

     

    16. Wie kann der Anspruch prozessual durchgesetzt werden? 

    Lehnt der ArbG die Bildungsfreistellung ab, muss sie der ArbN grundsätzlich gerichtlich beim Arbeitsgericht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG) durchsetzen. Eine Ausnahme besteht in Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, die unter bestimmten Voraussetzungen die Freistellungserklärung des ArbG fingieren.  

     

    Die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt der ArbN. Soweit der ArbG die Freistellung aus zwingenden betrieblichen oder dienstlichen Gründen oder auf Grund vorrangiger Urlaubswünsche anderer ArbN oder wegen Erfüllung etwaiger Freistellungshöchstquoten abgelehnt hat, trägt er dafür die Darlegungs- und Beweislast.  

     

    Die Vollstreckung eines obsiegenden Urteils erfolgt nach § 894 ZPO. Erst nach Rechtskraft ist der Kläger also berechtigt, den Bildungsurlaub anzutreten. Dies erweist sich bei längerer Prozessdauer als Nachteil. Mit Ablauf des Zeitraums wird die Klage unbegründet.  

     

    Dem ArbN verbleibt daher nur die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes (§§ 935, 940 ZPO). Aufgrund der befriedigenden Wirkung einer einstweiligen Verfügung, die den ArbN von der Arbeitspflicht zur Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme befreit, handelt es sich hier um Ausnahmefälle.  

     

    Die Arbeitsvertragsparteien können auch eine sog. Freistellungsvereinbarung dahin treffen, dass der ArbG dem ArbN unbezahlten Urlaub gewährt und der Entgeltfortzahlungsanspruch gerichtlich eingeklagt wird. Hier lässt das BAG ausnahmsweise eine Feststellungsklage zu, weil sich aus der begehrten Feststellung Rechtsfolgen für die Gegenwart/Zukunft (Vergütungspflicht) ergeben (siehe: Moll/Jacobsen, MAH, § 27, Rn. 9).  

     

    17. Wie kann der ArbG die Teilnahme überprüfen?  

    Der ArbG kann eine Teilnahmebescheinigung des ArbN verlangen.  

     

    18. Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht?  

    Der Bildungsurlaub nach den Landesregelungen ist Urlaub i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG. Der Betriebsrat hat deshalb bei der Aufstellung allgemeiner Freistellungsgrundsätze und des Freistellungsplans sowie ggf. bei der Festsetzung der zeitlichen Lage des Bildungsurlaubs bei widerstreitenden Urlaubswünschen mehrerer ArbN im Einzelfall mitzubestimmen.  

     

    19. Was geschieht bei Krankheit während des Bildungsurlaubs? 

    Im Falle der Erkrankung während des Bildungsurlaubs werden die nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Bildungsurlaub angerechnet. Die Bildungsurlaubsgesetze von Berlin, Brandenburg und Hessen verweisen insoweit auf § 9 BUrlG, die übrigen Landesgesetze enthalten eine dem § 9 BUrlG vergleichbare Regelung. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung richtet sich für die Krankheitstage nach § 3 EFZG und nicht nach dem Entgeltfortzahlungstatbestand des Landesgesetzes.  

     

    20. Können die Landesgesetze abbedungen werden?  

    Die Landesgesetze sind einseitig zwingendes Recht. Der Anspruch auf Bildungsurlaub ist ein Mindestanspruch. Abweichungen durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag sind grundsätzlich nur zugunsten der ArbN möglich.  

     

    Eine Sonderregelung besteht in Nordrhein-Westfalen (§ 5 Abs. 3 AWbG NRW) und im Saarland (§ 26 Abs. 4 WbG Saarland).  

     

    21. Besteht ein Abgeltungsanspruch hinsichtlich des Bildungsurlaubs?  

    Nimmt der ArbN den Bildungsurlaub nicht in Anspruch, erlischt er mit Ablauf des Zeitraums, auf den er befristet ist. Eine Abgeltung erfolgt nicht.