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  • · Fachbeitrag · UWG/Arbeitsrecht

    Abwerbeanruf auf privatem Handy eines ArbN kann wettbewerbswidrig sein

    | Die höchstrichterlichen Grundsätze zur Wettbewerbswidrigkeit von Abwerbeversuchen am Arbeitsplatz gelten auch, wenn der ArbN nicht über den Dienstanschluss, sondern auf seinem privaten Handy angerufen wird. Der Anrufer müsse in diesem Fall zu Beginn des Gespräches nachfragen, ob der Angerufene am Arbeitsplatz sei. |

     

    Sachverhalt

    Die Parteien sind jeweils bundesweit tätige Personaldienstleistungsunternehmen; sie überlassen gewerbliches Personal an Dritte. Ein Mitarbeiter des beklagten Unternehmens kontaktierte einen Mitarbeiter des klagenden Unternehmens innerhalb von fünf Tagen insgesamt sieben Mal auf dessen privatem Handy zur üblichen Arbeitszeit, um ihm eine Arbeitsstelle bei der Beklagten anzubieten. Nachfragen, ob der Angerufene am Arbeitsplatz sei, erfolgten nicht. Die Klägerin begehrt von der Beklagten, es zu unterlassen, ihre Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz zum Zwecke der Abwerbung anzurufen, soweit das Gespräch über eine erste Kontaktaufnahme hinausgeht. Das Landgericht gab dem Klageantrag statt.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung des Beklagten war auch vor dem OLG Frankfurt a. M. (9.8.18, 6 U 51/18, Abruf-Nr. 205680) erfolglos. Durch die Abwerbeversuche sei die Klägerin wettbewerbswidrig gezielt behindert worden.

     

    Grundsätzlich sei das Abwerben von Mitarbeitern eines anderen Unternehmens zwar Bestandteil des freien Wettbewerbs und damit hinzunehmen. Unzulässig seien jedoch Abwerbemaßnahmen, wenn die ungestörten Betriebsabläufe beeinträchtigt werden würden. Bei der erforderlichen Abwägung, ob Anrufe während der Arbeitszeit unlauter seien, seien die Interessen aller Beteiligten ‒ also des ArbN und des ArbG ‒ zu berücksichtigen. Daraus folge, dass ein Anruf zumutbar sei, wenn er nur der ersten kurzen Kontaktaufnahme diene, bei welcher sich der Anrufer bekannt mache, den Zweck seines Anrufs mitteile und das Interesse an einem vertieften Kontakt abfrage.

     

    Folgekontakte am Arbeitsplatz seien hingegen wettbewerbsrechtlich unzulässig. Ein Personalberater, der einen Mitarbeiter am Arbeitsplatz telefonisch zum Zwecke der Abwerbung anspreche, betreibe im Betrieb des ArbG eine gegen diesen gerichtete Werbung zugunsten eines Wettbewerbers. Dies müsse ein ArbG nicht unbeschränkt dulden.

     

    Diese höchstrichterlichen Grundsätze würden auch gelten, wenn der Anruf nicht über das dienstliche Telefon, sondern über das private Handy des ArbN erfolge. In diesem Fall werde zwar nicht die technische Infrastruktur des ArbG beansprucht. Dieses Argument habe jedoch durch die Veränderung in der Arbeitswelt deutlich an Gewicht verloren.

     

    Der Personalberater könne bei einem Anruf auf einem Mobiltelefon ‒ anders als bei einem betrieblichen Festnetzanschluss ‒ zwar nicht wissen, ob der Angerufene am Arbeitsplatz sei und damit ein Eingriff in die betriebliche Sphäre des ArbG vorliege. Es sei ihm jedoch zumutbar, dies zu Beginn des Gesprächs zu erfragen, um sich ggf. auf eine erste kurze Kontaktaufnahme zur Vermeidung wettbewerbswidrigen Verhaltens zu beschränken. Diese kurze Nachfrageobliegenheit belaste den Personalberater nicht über Gebühr. Sie lasse sich zwanglos in eine höfliche Gesprächseröffnung integrieren. Gleichzeitig seien die Interessen des ArbG gewahrt, nicht über Gebühr durch gegen ihn gerichtete Maßnahmen von Wettbewerbern belästigt zu werden.

     

    Relevanz für die Praxis

    Das Abwerben von Mitarbeitern außerhalb des Arbeitsplatzes ist grundsätzlich erlaubt. Eine Kontaktaufnahme am Arbeitsplatz ist dagegen nur sehr eingeschränkt zulässig. Der Personalberater darf den potenziellen ArbN an seinem Arbeitsplatz anrufen. Bei diesem Anruf darf der Personalberater nur kurz nach einem möglichen Interesse an der ausgeschriebenen Stelle fragen und die Stelle beschreiben. Wichtig: Der Anruf darf nur den Charakter einer ersten Kontaktaufnahme haben.

     

    Was darüber hinausgeht, kann schnell als wettbewerbswidriges Verhalten gewertet werden, da es den betrieblichen Arbeitsablauf stört. Beispiele hierfür: Der Headhunter gibt sich nicht als solcher aus oder der ArbN fühlt sich belästigt, da er kein Interesse hat.

     

    Sollte der ArbN wettbewerbswidrig abgeworben worden sein, drohen dem Personalberater bzw. seinem ArbG Schadenersatzansprüche. Der bisherige ArbG muss allerdings den entstandenen Schaden nachweisen. Unter Umständen kommt auch eine Unterlassungsklage in Betracht. Der geschädigte ArbG kann möglicherweise auch bei erfolgreicher unzulässiger Abwerbung ein Beschäftigungsverbot hinsichtlich des Mitarbeiters bei dem neuen ArbG erfolgreich durchsetzen. Ein solches kommt zumindest für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist in Betracht.

     

    Quelle: Ausgabe 12 / 2018 | Seite 208 | ID 45617203