· Künstliche Intelligenz, Teil 1
KI im Arbeitsverhältnis: Der zulässige Einsatz

| Mittlerweile wird Künstliche Intelligenz (KI) in vielen Unternehmen eingesetzt. ArbN und ArbG kommen mit den unterschiedlichen KI-Tools ‒ dank zahlreicher Online-Tipps und -Tutorien ‒ gut zurecht. Doch was ist mit den arbeits- und datenschutzrechtlichen Anforderungen? Die dreiteilige Serie zum Thema „KI im Arbeitsverhältnis“ beantwortet diese Fragen. |
1. Darf der ArbN KI im Arbeitsalltag nutzen?
Die Nutzung von KI-Tools (z. B. Chatbots, Übersetzungssoftware, Automatisierungstools) ist nur zulässig, wenn keine entgegenstehenden vertraglichen Regelungen oder betrieblichen Vorgaben bestehen. Hierbei ist zu beachten:
- Arbeitsvertragliche Einschränkungen: Viele Verträge enthalten Klauseln zur Nutzung von Arbeitsmitteln oder Fremdsoftware.
- Betriebsanweisungen: ArbG dürfen den Einsatz fremder Software aus Gründen des Datenschutzes, der IT-Sicherheit oder der Qualitätskontrolle verbieten (§ 106 GewO, Weisungsrecht).
- Urheber- und Geheimnisschutz: Nutzung von KI kann Geschäftsgeheimnisse offenlegen (§§ 2, 4 GeschGehG).
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Ein Kundenbetreuer verwendet ohne Freigabe ChatGPT zur Formulierung von Angeboten. Dabei gelangen vertrauliche Kundendaten an externe Server ‒ das kann eine vertragswidrige Handlung sein und eine Abmahnung oder Kündigung rechtfertigen. |
2. Kann der ArbG anordnen, KI zu nutzen?
Der ArbG kann die Nutzung von KI im Rahmen seines Direktionsrechts (§ 106 GewO) anordnen, sofern die Nutzung zumutbar ist, keine Gesundheitsgefahren bestehen und keine rechtswidrigen Inhalte verarbeitet werden. Die Grenzen hierbei sind:
- Die Schulungspflicht: Der ArbG muss die ArbN, die die KI zukünftig nutzen möchten, vor dem Einsatz schulen (§ 12 ArbSchG, § 3 Abs. 2 ArbSchG).
- Die Barrierefreiheit: Bei gesundheitlichen Einschränkungen muss eine alternative Arbeitsweise angeboten werden (§ 164 SGB IX).
- Die Mitbestimmung: Der Betriebsrat ist bei der Einführung mitbestimmungsberechtigt (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
3. Was gilt bei Einstellung, Beförderung, Kündigung mit KI?
Bei KI-Einsatz bei Einstellungen gilt Art. 22 DSGVO. Er verbietet automatisierte Einzelentscheidungen ohne menschliche Einflussnahme, wenn sie erhebliche Auswirkungen haben (z. B. Bewerbungsablehnung). KI darf nur unter menschlicher Kontrolle eingesetzt werden. Bei Beförderungen und Kündigungen verhält es sich so, dass eine rein KI-generierte Entscheidung nichtig ist. Es muss eine eigenständige Ermessensausübung des ArbG erfolgen.
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Der ArbG nutzt ein Scoring-System, das Bewerbungen automatisch nach Schlüsselwörtern filtert. Werden Kandidaten mit Migrationshintergrund systematisch benachteiligt, liegt ein Verstoß gegen das AGG (§§ 1, 7 AGG) vor. |
4. Kann wegen Effizienzsteigerung durch KI gekündigt werden?
Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung wegen Rationalisierung (§ 1 Abs. 2 KSchG) sind der dauerhafte Wegfall des Arbeitsplatzes, eine Unternehmerentscheidung zur Umstrukturierung und eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG. Fehlt eine belastbare Organisationsentscheidung, ist die Kündigung angreifbar.
5. Was ist mit den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats?
Das Arbeitsgericht Hamburg (16.1.24, 24 BVGa 1/24, Abruf-Nr. 239886) lehnte die Mitbestimmung des Betriebsrats beim Einsatz von KI-Systemen ab. Es erklärte, dass die Nutzung von ChatGPT nur die Art und Weise der Arbeitsausführung betreffe und somit das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten berühre. Das Ordnungsverhalten sei nicht betroffen. Ein weiterer zentraler Punkt des Urteils war die Frage, ob ChatGPT als eine technische Einrichtung i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu betrachten ist, die zur Überwachung der ArbN eingesetzt werden kann. Ein Überwachungstatbestand liegt vor, wenn die technische Einrichtung objektiv dazu geeignet ist, Informationen über Verhalten oder Leistung der Beschäftigten zu sammeln, zu speichern oder weiterzuverarbeiten. ChatGPT erfüllte hier keine solche Überwachungsfunktion, da die Beschäftigen ChatGPT ausschließlich über ihre privaten Accounts verwenden durften. Aber: Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn eine KI dazu bestimmt ist, die Leistung oder das Verhalten von ArbN zu überwachen. Der ArbG muss nach § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG den Betriebsrat bereits über den bloßen Plan zur Einführung von KI unterrichten. Die Herausforderungen im Verfahren sind dabei:
- KI-Systeme sind oft komplex ‒ der Betriebsrat benötigt Sachverständige (§ 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG).
- Datenschutzfolgenabschätzungen nach Art. 35 DSGVO müssen vor Einführung erstellt werden.
Musterformulierung / KI in der Betriebsvereinbarung (Auszug) |
„Der Einsatz von KI-gestützten Tools zur Leistungsbewertung erfolgt ausschließlich zur Unterstützung der Führungskraft. Automatisierte Einzelentscheidungen sind ausgeschlossen. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist auf das erforderliche Minimum zu beschränken.“ |