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  • · Fachbeitrag · Weihnachtsgratifikation

    Advent, Advent ... Eine etwas andere arbeitsrechtliche Weihnachtsgeschichte

    von Dr. Guido Mareck, stellv. Direktor Arbeitsgericht Dortmund

    | Weihnachten und Silvester 2023 bei der Familie Prekari stehen vor der Tür: Opa Reiner, Rentner, erwartet ein Weihnachtsgeschenk von „seinem“ Betrieb, Vater Peter, Chemiker-Schichtleiter im X-Betrieb möchte dieses Jahr auch zwischen den Tagen mal frei haben. Mutter Annette fordert erstmals Weihnachtsgeld. Und als ob das nicht genug ist, verunglückt Enkel und Azubi Kevin, als er mit Kollegen nach der Weihnachtsfeier noch weiterzieht. Was meinen Sie: Wie ist die arbeitsrechtliche Rechtslage bei allen? |

    1. Anspruch auf ein Weihnachtsgeschenk

    Das Arbeitsgericht Köln (24.11.16, 11 Ca 3589/16, Abruf-Nr. 190952) beschäftigte sich mit diesem Thema. Betriebsrentner und ArbG stritten über ein Weihnachtsgeld in Höhe von 105 EUR und die Übergabe einer Marzipantorte. Aus wirtschaftlichen Gründen teilte der ArbG den Betriebsrentnern mit, dass sie ab dem Jahr 2015 weder ein Weihnachtsgeld noch eine Marzipantorte erhalten werden. Eine ausdrückliche schriftliche oder mündliche Vereinbarung über diese Weihnachtsgeschenke existierte nicht. Das Arbeitsgericht lehnte das Vorliegen einer „betrieblichen Übung“ ab, da der Betriebsrentner als darlegungs- und beweisbelastender Kläger nicht darlegen und nachweisen konnte, dass ein solcher gewohnheitsrechtlicher Anspruch bestand. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung setzt die mehrfache (mindestens dreimalige) regelmäßige Gewährung einer bestimmten Leistung mit Rechtsbindungswillen voraus. Da diese vom Betriebsrentner Reiner darzulegen und zu beweisen ist, dürfte er hinsichtlich seines Weihnachtsgeschenks schlechte Karten haben.

    2. Anspruch auf freie Tage

    Schichtleiter Peter kann einen Urlaubsantrag für den Zeitraum „zwischen den Tagen“ stellen. Hierbei ist § 7 Abs. 1 BUrlG zu beachten. Zwar muss der ArbG Urlaubswünsche berücksichtigen. Stehen aber dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer ArbN entgegen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang genießen, darf der ArbG den Urlaub ablehnen. Hier kann ArbN Peter seine familiäre Situation und seinen Verzicht in den Vorjahren ins Feld führen. Auf der anderen Seite muss ein chemischer Betrieb auch zwischen Weihnachten und Neujahr weiterlaufen und Peters Stellung ist als Schichtleiter exponiert.

    3. Anspruch auf Weihnachtsgeld

    Hinsichtlich des Weihnachtsgelds für Annette gilt das zur betrieblichen Übung bei Opa Reiner bereits Gesagte. Annette kann ihren Anspruch mangels einschlägiger tarif- oder arbeitsvertraglicher Vereinbarungen nur auf betriebliche Übung oder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Dies dürfte schwierig werden, weil sie nie Weihnachtsgeld erhalten hat.

    4. Der Unfall nach der Weihnachtsfeier

    Grundsätzlich besteht keine Teilnahmepflicht an betrieblichen Weihnachtsfeiern. Dies gilt auch, wenn die Weihnachtsfeier ganz oder teilweise während der betriebsüblichen Arbeitszeit stattfindet. Der ArbG kann dem nicht teilnehmenden ArbN keine Arbeitspflichtverletzung vorwerfen. Der ArbN ist dann verpflichtet, die geschuldete Arbeitsleistung ‒ soweit die Weihnachtsfeier (teilweise) während der Arbeitszeit stattfindet ‒ zu erbringen.

     

    Die Weihnachtsfeier ist zwar keine Pflichtveranstaltung, aber eine betriebliche Veranstaltung. Als solche steht sie unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Umfasst sind alle Tätigkeiten, die während der Veranstaltung mit dem Gemeinschaftszweck vereinbar sind (BSG 5.7.16, B 2 U 19/14 R, Abruf-Nr. 187039). Unter den Schutzzweck fallen z. B. Essen, Trinken, Tanzen, Vorbereitungen etc. Die Dauer der Feier und damit den Umfang des Versicherungsschutzes bestimmt der ArbG. Beendet er das Fest offiziell, endet auch der Versicherungsschutz (LSG Frankfurt a. M. 26.2.08, L 3 U 71/06). Im dortigen Fall wurde die Entschädigungspflicht der Unfallkasse verneint. Der Weg des Klägers zur Toilette sei im Rahmen eines sich an die Weihnachtsfeier anschließenden privaten Zusammenseins erfolgt.

     

    Ziehen einzelne ArbN nach dem offiziellen Teil der Weihnachtsfeier weiter, ist dies nicht mehr vom Versicherungsschutz umfasst. Vom Versicherungsschutz ist hingegen der Nach-Hause-Weg nach Beendigung der Weihnachtsfeier umfasst, wenn der ArbN direkt nach Hause geht, keine Umwege macht und der Wegeunfall nicht auf sonstigen Gründen (Drogen, absolute Fahruntüchtigkeit bei Verkehrsunfall mit dem Kfz) beruht. Azubi Kevin hat sich nicht nach der Feier direkt nach Hause begeben. Er stand bei dem Unfall daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

     

    PRAXISTIPP | Nachfolgend einige Fakten:

    • Einen gesetzlichen Anspruch auf einen Lohnzuschlag für Arbeit an Feiertagen gibt es nicht. Solange sich keine speziellen Regelungen im eigenen Arbeitsvertrag oder in einem anwendbaren Tarifvertrag finden, muss sich der ArbN mit seinem „normalen“ Gehalt begnügen. Gerade im tariflichen Bereich finden sich aber nicht selten Regelungen zu Zuschlägen für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Auch Betriebsvereinbarungen enthalten vereinzelt Sonderregelungen zur Arbeit an Feiertagen, die Sonderprämien oder Zuschläge vorsehen können.
    • Erfordern dringende betriebliche Belange die Einstellung der Tätigkeit, kann der ArbG Betriebsferien anordnen. Ein dringender betrieblicher Grund liegt z. B. vor, wenn die Kunden ihrerseits frei haben, Saisonarbeit oder Personalmangel herrschen. Heutzutage sind ArbN oft damit nicht einverstanden. Die Argumente sind vielfältig: Der ArbN feiert kein Weihnachtsfest, Urlaub in dieser Zeit ist zu teuer, andere religiöse Feiertage etc. Argument dafür: „Zwangspause“ liegt in den Schulferien, sodass Eltern nicht benachteiligt werden.
    • Es ist unzutreffend, dass Eltern generell oder vorrangig vor anderen ArbN zwischen Weihnachten und Silvester freihaben. Sollten dringende betriebliche Gründe oder freie Tage anderer ArbN dagegen sprechen, können auch Eltern zur Arbeitsleistung an den Feiertagen verpflichtet werden. Der ArbG muss bei der Entscheidung soziale Aspekte berücksichtigen. Dazu zählt auch, wer im letzten Jahr frei hatte.
    • Ein ArbN, der an Heiligabend oder Silvester nur vormittags arbeiten möchte, ohne dass der ArbG ohnehin allen ArbN am Nachmittag frei gibt, möchte hierfür auch nur einen halben Urlaubstag nehmen. Aber: Nach dem LAG Baden-Württemberg (6.3.19, 4 Sa 73/18, Abruf-Nr. 209453) gibt es keine halben Urlaubstage. Die Gewährung halber Urlaubstage sei nicht geeignet, die Urlaubsansprüche des ArbN zu erfüllen. Folge der Gewährung eines halben Urlaubstags ist, dass sich der Urlaubsanspruch des ArbN dadurch nicht um einen halben Urlaubstag mindert, sondern dieser seinen bisherigen Urlaubsanspruch behält.
     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2023 | Seite 189 | ID 49753308