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  • · Fachbeitrag · Einstellungsverfahren

    Frage an Bewerber nach eingestellten Ermittlungsverfahren ist i.d.R. unzulässig

    von Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, Prof. Dr. Jesgarzewski & KollegenRechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen

    Der ArbG darf den Stellenbewerber grundsätzlich nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Stellt der ArbG die Frage dennoch und verneint der Bewerber in Wahrnehmung seines informationellen Selbstbestimmungsrecht wahrheitswidrig, dass gegen ihn Ermittlungsverfahren anhängig waren, darf der ArbG das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis nicht wegen dieser wahrheitswidrig erteilten Auskunft kündigen (BAG 15.11.12, 6 AZR 339/11, Abruf-Nr. 123728).

    Sachverhalt

    Der ArbG, das Bundesland Nordrhein-Westfalen, hat im Rahmen eines Fragebogens im Auswahlverfahren für Lehrkräfte einen Bewerber nach seinen Vorstrafen und in den letzten drei Jahren anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gefragt. Der Bewerber hat die Frage insgesamt verneint. Er und das Land haben daraufhin ein Arbeitsverhältnis begründet. Anschließend hat der ArbG erfahren, dass innerhalb der letzten drei Jahre mehrere Ermittlungsverfahren gegen den ArbN nach den §§ 153 ff. StPO eingestellt wurden. Das Land hat daraufhin außerordentlich und hilfsweise ordentlich gekündigt.

     

    Entscheidungsgründe

    Das BAG hat im Kündigungsschutzverfahren die Unwirksamkeit beider Kündigungen festgestellt und die Rechtmäßigkeit der Frage verneint. Entscheidend sei der Umstand, dass die Erhebung von für das Arbeitsverhältnis nicht relevanten, unspezifizierten personenbezogenen Daten der Einwilligung oder einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfe, um mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung nach den Datenschutzrechten des Bundes und der Länder vereinbar zu sein. Die Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren seien nicht erforderlich für die Einstellung als Lehrer.

     

    Praxishinweis

    Das BAG hat das Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellungsverfahren weiter eingeschränkt. Im Ergebnis stellen die Richter darauf ab, dass außerhalb eines Tätigkeitsbezugs nur solche Fragen zulässig sind, die aufgrund gesetzlicher Ermächtigung oder durch ausdrückliche Einwilligung des Bewerbers in die Datenerhebung gestellt und beantwortet werden. Damit bleibt eine Rechtsunsicherheit im Einzelfall vorhanden, da die Grenze des Fragerechts sich maßgeblich aus der zu besetzenden Stelle ergibt. Die Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren dürfte jedenfalls von Relevanz und daher stets zulässig sein, wenn die Ermittlungsverfahren wegen Delikten geführt wurden, die die Eignung des Bewerbers für die konkrete Stelle in Frage stellen.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2013 | Seite 10 | ID 37230700