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  • · Fachbeitrag · AGG

    ArbN mit Altersteilzeitregel aus Sozialplan streichen = keine Altersdiskriminierung

    von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA ArbR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen

    | Werden wegen einer Benachteiligung aufgrund des Alters durch die Herausnahme von Beschäftigten in Altersteilzeit aus dem persönlichen Anwendungsbereich eines Sozialplans Schadenersatzansprüche geltend gemacht, ist nicht das abgebende, sondern das übernehmende Unternehmen passivlegitimiert. |

     

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten über Schadenersatz wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters. Der ArbG ist eine Konzerngesellschaft, die von konzerninternen Umstrukturierungen betroffen war. Der 1956 geborene ArbN ist langjährig beim ArbG beschäftigt und befindet sich bereits in Altersteilzeit. Verschiedene Abteilungen und Arbeitsbereiche sollten bei einer anderen Konzerngesellschaft an einem anderen Standort gebündelt werden. Dies führte zu einer erheblichen Reduzierung von Arbeitsplätzen beim ArbG. Daraufhin wurde ein Sozialplan zwischen den Betriebsparteien, dem aufnehmenden Unternehmen sowie dem Konzern und dem Konzernbetriebsrat vereinbart.

     

    Der Sozialplan galt für sämtliche am Standort des ArbG beschäftigten ArbN, deren Arbeitsaufgaben beim neuen Unternehmen gebündelt wurden. Beschäftigte, die bereits eine Altersteilzeitregelung unterschrieben hatten, waren ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen. Inhaltlich begründet der Sozialplan die Möglichkeit zum Wechsel an den neuen Standort sowie Abfindungsansprüche und weitere Leistungen für die betroffenen ArbN. Der ArbN meint, durch die Herausnahme von Altersteilzeitlern aus dem persönlichen Anwendungsbereich des Sozialplans würden diese wegen ihres Alters benachteiligt. Der ArbN verlangte das Angebot eines Wechsels zu der aufnehmenden Gesellschaft. Da kein entsprechendes Angebot unterbreitet und auch keine Abfindung angeboten wurde, begehrte er Schadenersatz. Die Vorinstanzen wiesen den Antrag des ArbN zurück (LAG Hessen 30.10.19, 18 Sa 655/19).

     

    Entscheidungsgründe

    Die Revision des ArbN vor dem BAG (16.12.21, 8 AZR 303/20, Abruf-Nr. 228754) war erfolglos. Die Klage scheiterte bereits an der Passivlegitimation des ArbG.

     

    Selbst wenn dem ArbN bei diskriminierungsfreiem Vorgehen ein Angebot auf den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags hätte unterbreitet werden müssen, wäre Schuldnerin dieses Angebots nicht der ArbG, sondern die Betriebsteilübernehmerin gewesen. Schadenersatz wegen einer pflichtwidrigen bzw. diskriminierenden Unterlassung eines solchen Angebots bzw. eines Wechselangebots würde daher nur diese und nicht der ArbG schulden.

     

    Sollte das Arbeitsverhältnis des ArbN infolge eines Betriebsteilübergangs vom ArbG auf die Übernehmerin übergegangen sein, würde ebenfalls die Passivlegitimation des beklagten ArbG fehlen. In diesem Fall wären die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis des ArbN von Gesetzes wegen automatisch auf die neue Inhaberin übergegangen. Der Übergang wäre nicht vom Willen des Veräußerers oder des Übernehmers abhängig und könne nicht durch anderslautende Abmachungen beeinflusst werden. Dann hätte die Übernehmerin den ArbN grundsätzlich vertragsgemäß einsetzen müssen. Sie hätte den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags nicht anbieten müssen. Da die Beschäftigungspflicht dann die Übernehmerin und nicht den ArbG getroffen hätte, könnte nur diese und nicht der ArbG Schuldnerin eines Schadenersatzanspruchs wegen eines diskriminierenden Unterlassens sein.

     

    Relevanz für die Praxis

    Für die Rechtspraxis wäre es von großem Interesse gewesen, wie der 8. Senat sich inhaltlich zur Frage einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters verhalten hätte. Dieser Punkt war jedoch nicht mehr entscheidungsrelevant, da es vorliegend bereits an der Passivlegitimation des ArbG fehlte.

     

    Aus dem anzuwendenden Sozialplan hätte sich ergeben können, dass die Übernehmerin dem ArbN das Angebot für eine Tätigkeit bei ihr am neuen Standort machen muss. Beklagt wurde vorliegend aber der Übergeber. Für diesen bestand eine solche Verpflichtung gerade nicht. Dies kann auch nicht der Fall sein, da es sich um zwei unterschiedliche juristische Personen handelt. Der ArbG kann nicht aus eigenem Recht ein Arbeitsverhältnis mit der Übernehmerin anbieten. Zu dem gleichen Ergebnis würde es führen, wenn nach § 613a BGB ein Betriebsübergang stattgefunden hätte. Auch diesen Punkt konnte das BAG offenlassen, da eine etwaige Beschäftigungspflicht auch in diesem Fall nur die Übernehmerin getroffen hätte. Es kann nur gemutmaßt werden, ob die getroffenen Regelungen im gegenständlichen Sozialplan eine mittelbare Altersdiskriminierung darstellen. Die besseren Argumente dürften dagegen sprechen.

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2022 | Seite 112 | ID 48413889