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  • 30.11.2010 | Versorgungsausgleich

    Erste Rechtsprechung zu den Teilungskosten und zum Ausschluss wegen Geringfügigkeit

    von VRiOLG Hartmut Wick, Celle

    Seit der Reform des Versorgungsausgleichs liegen die ersten Entscheidungen zu den Teilungskosten und dem Ausschluss des Wertausgleichs wegen Geringfügigkeit vor:  

     

    Übersicht: Erste Rechtsprechung zu den Teilungskosten (§ 13 VersAusglG)
    • Berechnung durch den Versorgungsträger: Gem. § 5 Abs. 1 und 3 VersAusglG berechnet der Versorgungsträger in seiner Auskunft an das Familiengericht den Ehezeitanteil des bei ihm erworbenen Anrechts sowie dessen Ausgleichswert.

     

    • Ausgleichswert: Dabei handelt es sich grundsätzlich um die Hälfte des Werts des Ehezeitanteils, § 1 Abs. 2 S. 2 VersAusglG.

     

    • Mitteilung: Ehezeitanteil und Ausgleichswert werden in der Bezugsgröße mitgeteilt, die in dem jeweiligen Versorgungssystem zur Bemessung der Versorgungsanrechte verwendet wird. Falls es sich dabei nicht um einen Kapitalwert handelt, muss der Versorgungsträger den Ausgleichswert in seiner Auskunft auch noch in Form eines (korrespondierenden) Kapitalwerts angeben, § 5 Abs. 3 VersAusglG.

     

    • Interne Teilung: Ist das auszugleichende Anrecht gemäß § 10 VersAusglG intern zu teilen, kann der Versorgungsträger nach § 13 VersAusglG Teilungskosten geltend machen.

     

    • Aufteilung der Teilungskosten: Diese sind hälftig mit den Anrechten beider Ehegatten zu verrechnen, also einerseits mit dem Teil, der dem Ausgleichspflichtigen verbleibt, und andererseits mit dem Teil, der auf den Ausgleichsberechtigten übertragen wird. Die Teilungskosten belasten also beide Ehegatten je zur Hälfte. Deshalb müssen sie beide daran interessiert sein, dass die Teilungskosten möglichst niedrig bleiben. Durch den Abzug der hälftigen Teilungskosten vermindert sich der dem Ausgleichsberechtigten zustehende Ausgleichswert. Dies ist auch bei der Prüfung der Geringwertigkeit nach § 18 VersAusglG zu berücksichtigen (s. unten S. 212).

     

    • Angemessenheit der Teilungskosten: § 13 VersAusglG erlaubt nur den Ansatz „angemessener“ Teilungskosten. Eine nähere Beschreibung der Angemessenheit enthält das Gesetz jedoch nicht. Nach der Gesetzesbegründung dürfen die Versorgungsträger ihre Kosten pauschalieren, wobei ein Abzug von bis zu 3 % auf den Ehezeitanteil als tolerabel angesehen wurde (BT-Drucksache 16/10144, 57). Dem hat sich das OLG Stuttgart (25.6.10, 15 UF 120/10, n.v., Abruf-Nr. 103445) angeschlossen.

     

    • Begriff der Teilungskosten: Diese sollen den Verwaltungsaufwand abgelten, der mit dem konkreten Teilungsvorgang verbunden ist. Dieser Aufwand ist grundsätzlich von der Höhe des übertragenen Anrechts unabhängig. Bei hohen Ausgleichswerten kann ein prozentualer Abzug deshalb unangemessen hoch sein. Daher liegt es nahe und wird von den Versorgungsträgern zum Teil auch so praktiziert, dass die Teilungskosten auf einen Höchstwert begrenzt werden, andererseits aber auch ein Mindestbetrag angesetzt wird (vgl. OLG Stuttgart 25.6.10, 15 UF 120/10, n.v., Abruf-Nr. 103445: Höchstbetrag von 500 EUR akzeptabel). Die kommunalen und kirchlichen Zusatzversorgungskassen kombinieren eine Pauschale von 200 EUR mit einem Prozentsatz von 0,5 % des ehezeitlichen Kapitalwerts. Dagegen bestehen keine Bedenken.
     

     

    Übersicht: Ausschluss des Wertausgleichs wegen Geringfügigkeit (§ 18 VersAusglG)
    • Bagatellklausel: Am meisten sind die Gerichte bisher mit der neuen Bagatellklausel des § 18 VersAusglG befasst worden. Sie wirft eine Fülle von Problemen auf. Nach der Vorschrift soll das Gericht gleichartige Anrechte beider Ehegatten von geringer Wertdifferenz und einzelne Anrechte von geringem Wert vom Wertausgleich ausschließen.

     

    • Ermessensentscheidung des Gerichts: Die Soll-Fassung der Vorschrift räumt dem Gericht ein Ermessen ein. Es muss in jedem Einzelfall prüfen, ob Anlass besteht, von der Anwendung der Bagatellklausel abzusehen.

     

    Praxishinweis: Dieses Erfordernis einer Einzelfallprüfung wird in der gerichtlichen Praxis, die die Wertgrenzen des § 18 Abs. 3 VersAusglG in der Regel unter Anwendung von Berechnungsprogrammen prüft, häufig nicht hinreichend beachtet.

     

    • Kontrollfunktion des Anwalts: Dem Anwalt des Ehegatten, der durch den Ausschluss eines Anrechts benachteiligt wird, kommt insoweit eine wichtige Kontrollfunktion zu. Die Frage, ob an sich unter die Bagatellklausel fallende Anrechte in den Wertausgleich einzubeziehen sind, sollte regelmäßig auch in der mündlichen Verhandlung thematisiert werden. Dadurch kann nicht nur Haftungsrisiken begegnet, sondern die Terminsgebühr auch für den Fall eines späteren Ausschlusses des Anrechts aus dem Wertausgleichs durch gerichtliche Feststellungsentscheidung nach § 224 Abs. 3 FamFG verdient werden.

     

    • Anwendungsfälle: § 18 VersAusglG regelt in Abs. 1 und 2 zwei Alternativen der Geringwertigkeit:

     

    • Nach Abs. 1 kommt es auf die Differenz zwischen den Ausgleichswerten von gleichartigen Anrechten beider Ehegatten an. Hier sind also die Ausgleichswerte von zwei Anrechten gegenüberzustellen und ist der Wertunterschied zu ermitteln.
    • Nach Abs. 2 ist der Ausgleichswert jedes einzelnen Anrechts der Ehegatten bedeutsam.

     

    Der Ausgleichswert versteht sich bei beiden Alternativen als der Wert, der dem Ausgleichsberechtigten im Wege interner oder externer Teilung gutzuschreiben ist. Bei der internen Teilung geht es daher um den Transferwert, der sich ggf. nach Abzug von hälftigen Teilungskosten nach § 13 VersAusglG ergibt (s. oben S. 211).

     

    • Geringfügigkeitsgrenze: § 18 Abs. 3 VersAusglG definiert die Geringfügigkeitsgrenze in Abhängigkeit von einer dynamischen Größe, nämlich der bei Ehezeitende maßgeblichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (s. dazu die Tabelle in FamRZ 10, 95). Je nachdem, in welcher Bezugsgröße der Versorgungsträger den Ausgleichswert berechnet hat, ist die Geringfügigkeitsgrenze unterschiedlich zu bestimmen. Bei einem Ehezeitende im Jahr 2010 beträgt diese Grenze
    • bei einem Rentenbetrag monatlich 25,55 EUR,
    • bei einem Kapitalbetrag 3.066 EUR.
    • Ist Bezugsgröße des Versorgungssystems weder ein Rentenbetrag noch ein Kapitalwert, ist der korrespondierende Kapitalwert (i.S. des § 47 VersAusglG) des auszugleichenden Versorgungswerts als Vergleichsgröße heranzuziehen. Deshalb ist bei Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung, die in Entgeltpunkten ausgedrückt werden, deren korrespondierender Kapitalwert und nicht etwa deren Rentenwert am Ende der Ehezeit für die Feststellung heranzuziehen, ob das Anrecht unter die Bagatellgrenze fällt (OLG Celle FK 10, 127, Abruf-Nr. 102084; OLG München FamRZ 10, 1664, Abruf-Nr. 103446; OLG Thüringen NJW 10, 3310, Abruf-Nr. 103447; OLG Dresden 9.9.10, 23 UF 478/10, n.v., Abruf-Nr. 103616; Borth, FamRZ 10, 1210, 1211; a.A. OLG Stuttgart 15.6.10, 15 UF 85/10, n.v., Abruf-Nr. 103459; Ruland, Versorgungsausgleich, Rn. 481).

     

    Die Prüfung der Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 VersAusglG ist einfacher als die der Voraussetzungen des Abs. 1, vor allem deshalb, weil die Feststellung der Gleichartigkeit von Anrechten beider Ehegatten erhebliche Probleme aufwerfen kann. Dennoch muss sich die Prüfungsreihenfolge des Gerichts nach der Reihenfolge der Bestimmungen im Gesetz richten (OLG Celle FK 10, 127, Abruf-Nr. 102084; OLG Thüringen NJW 10, 3310, Abruf-Nr. 103447). Ist Abs. 1 auf gleichartige Anrechte beider Ehegatten nicht anwendbar, weil die Differenz der Ausgleichswerte nicht gering ist, schließt dies einen Ausschluss jedes dieser Anrechte nach Abs. 2 nicht aus (OLG Celle FK 10, 127; OLG Stuttgart 15.6.10, 15 UF 85/10, n.v., Abruf-Nr. 103459, und NJW 10, 3312, Abruf-Nr. 103452; OLG Dresden FamRZ 10, 1804, Abruf-Nr. 103617; OLG Thüringen NJW 10, 3310, Abruf-Nr. 103447; AG Biedenkopf 2.7.10, 33 F 813/09, n.v., Abruf-Nr. 103448; a.A. OLG München FamRZ 10, 1664, Abruf-Nr. 103446; Ruland, a.a.O., Rn. 489).

     

    • Gleichartigkeit: Gleichartig i.S. des § 18 Abs. 1 VersAusglG sind nach den Vorstellungen des Gesetzgebers Anrechte, die in den wesentlichen Punkten strukturell übereinstimmen, insbesondere im Leistungsspektrum, im Finanzierungsverfahren und in den Anpassungen an die wirtschaftliche Entwicklung (BT-Drucksache 16/10144, 32, 55; 16/11903, 54). Deshalb können einerseits Anrechte bei verschiedenen Versorgungsträgern als gleichartig und andererseits mehrere Anrechte bei demselben Versorgungsträger, die auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen basieren, als nicht gleichartig zu beurteilen sein. Verschiedenartig sind z.B. angleichungsdynamische (Ost-) Anrechte und regeldynamische (West-) Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung (OLG Celle FK 10, 127, Abruf-Nr. 102084; OLG Thüringen NJW 10, 3310, Abruf-Nr. 103447), ebenso gesetzliche Rentenanwartschaften, die in der allgemeinen Rentenversicherung erworben worden sind, und Anrechte, die in der knappschaftlichen Rentenversicherung erworben worden sind (BT-Drucks. 16/10144 S. 55, 100; Ruland, a.a.O., Rn. 335). Dem gegenüber werden regeldynamische gesetzliche Rentenanwartschaften und Anrechte der Beamtenversorgung als gleichartig angesehen (Ruland, a.a.O., Rn. 488; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, § 18 VersAusglG Rn. 5; zweifelhaft).

     

    • Interessenabwägung des Gerichts: Bei der Ermessensausübung hat das Gericht das Interesse des betroffenen Versorgungsträgers an einer Verwaltungsvereinfachung gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger (zusätzlicher) Anrechte abzuwägen (so schon BGH FamRZ 89, 37, 39; 90, 1097, 1098 zu § 3c VAHRG a.F.):

     

    • Es ist schon zweifelhaft, ob der Ausschluss von Anrechten bei öffentlich-rechtlichen Versorgungsträgern überhaupt mit dem verfassungsrechtlich geschützten Halbteilungsprinzip zu vereinbaren ist.

     

    • Jedenfalls wenn der Ausschluss eines Anrechts ersichtlich keinen Verwaltungsaufwand verringert, fehlt es an einer sachlichen Rechtfertigung für die mit der Anwendung des § 18 VersAusglG stets verbundenen Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes.

     

    • Haben beide Ehegatten gleichartige gesetzliche Rentenanwartschaften erworben (also entweder Entgeltpunkte oder Entgeltpunkte [Ost]), ist daher von einem Ausschluss nach § 18 VersAusglG abzusehen (OLG Celle FK 10, 127, Abruf-Nr. 102084; AG Biedenkopf 2.7.10, 33 F 813/09, n.v., Abruf-Nr. 103448; Borth, FamRZ 10, 1210, 1212).

     

    • Treffen bei einem Ehegatten regeldynamische und angleichungsdynamische Anrechte zusammen, ist es nicht gerechtfertigt, eines dieser beiden (wegen ihrer Ungleichartigkeit) jeweils gesondert an der Bagatellgrenze zu messenden Anrechte wegen Geringfügigkeit vom Ausgleich auszuschließen und nur das andere auszugleichen. Denn die einzelnen Anrechte stellen jeweils nur einen Teil der gesamten auf dem Versicherungskonto gespeicherten Anwartschaft dar (OLG Celle, a.a.O.; OLG München FamRZ 10, 1664; OLG Dresden FamRZ 10, 1804; OLG Dresden 9.9.10, 23 UF 478/10, n.v., Abruf-Nr. 103616; OLG Koblenz 21.7.10, 11 UF 403/10, n.v., Abruf-Nr. 103450; AG Erfurt FamRZ 10, 1665, Abruf-Nr. 103451; a.A. OLG Stuttgart 15.6.10, 15 UF 85/10, n.v., Abruf-Nr. 103459, und NJW 10, 3312, Abruf-Nr. 103452).

     

    • Eine abweichende Handhabung kann angebracht sein, wenn der andere Ehegatte seinerseits ein (andersartiges) Anrecht von geringem Ausgleichswert erworben hat, das im Gegenzug vom Ausgleich ausgenommen werden kann (OLG Celle, a.a.O.).

     

    • Ausschluss des Ausgleichs wegen grober Unbilligkeit: Sind die Voraussetzungen des § 18 VersAusglG nicht erfüllt, kann der Ausgleich (ganz oder z.T.) wegen grober Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG ausgeschlossen werden. Unzulässig ist es dagegen, den Ausgleich eines Anrechts zunächst (gedanklich) nach § 27 VersAusglG herabzusetzen und den sich daraus ergebenden verringerten Ausgleichswert anschließend in (erneuter) Anwendung des § 18 VersAusglG ganz auszuschließen (ebenso Hoppenz, FamRZ 10, 1342; a.A. AG Kerpen FamRZ 10, 981 mit zust. Anm. Borth).