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  • · Fachbeitrag · Schmerztherapie

    Langfristige Einnahme von Methadon könnte zu multiplen Läsionen im Gehirn führen

    von Maria Weiß, Ärztin und Medizinjournalistin, Berlin

    | Methadon wird als langwirksames Opioid vor allem zur Substitutionstherapie bei Heroin-Abhängigen eingesetzt, z. T. aber auch bei chronischen Schmerzsyndromen. Die langfristige Einnahme könnte möglicherweise zu Hirnveränderungen mit neurologischen Symptomen führen, wie der Fall eines 40-jährigen Patienten nahelegt. |

    Pharmakodynamik

    Methadon (Buprenorphin) ist ein synthetisches, langwirksames Opioid. Es ist fettlöslich und bindet ‒ wie andere Opioide auch ‒ vor allem im limbischen System und Kleinhirn an µ-Opioid-Rezeptoren. Da die Bindung aber sehr langsam erfolgt, bleiben euphorische Gefühle aus. Aus diesem Grund wird Methadon auch zur Behandlung von Entzugssymptomen und Craving bei Heroinabhängigkeit eingesetzt. Eine langanhaltende Erhaltungstherapie mit Methadon könnte aber zu einer Kumulation im Hirngewebe mit einem negativen Einfluss auf Neuromechanismen führen.

    40-Jähriger mit chronischen Rückenschmerzen

    Als Beispiel für solche möglichen Langzeitwirkungen schildern Ulviyya Gasimova und ihr Team aus St. Louis, USA, den Fall eines 40-jährigen Patienten, der aufgrund chronischer Rückenschmerzen seit mehr als fünf Jahren eine Erhaltungstherapie mit Methadon erhalten hatte. Als Komorbiditäten waren eine erfolgreich antiviral behandelte Hepatitis C, Asthma bronchiale und eine Depression bekannt. Ein Alkohol- oder Drogenmissbrauch in der Anamnese lag nicht vor.

    Bewusstseinsstörungen, Schwäche in den Beinen und Orientierungsstörungen

    Bei der Erstvorstellung berichtete der Patient über plötzlich aufgetretene Bewusstseinsstörungen, Schwäche in den Beinen und Harninkontinenz. Es wurde eine Coronainfektion festgestellt und im Hirn-MRT zeigten sich multiple kleine vermeintliche Infarktareale der weißen Substanz im Bereich von Basalganglien, Globus pallidum und bilateral subkortikal. Die behandelnden Ärzte vermuteten eine infektiologische oder metabolische Ätiologie und entließen den Patienten mit Doxycyclin, Cefdinir und Atorvastatin nach Hause. Hier erholte sich der Mann etwas, sein mentaler Status erreichte aber nicht das Vorniveau.

     

    Drei Tage nach Entlassung kam es erneut zu Bewusstseinsstörungen und der Patient wurde in die neurologische Abteilung der Universitätsklinik von St. Louis aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war er zur Person orientiert, aber nicht zu Ort, Zeit und Situation. Die Sprache war nicht flüssig und die motorische Untersuchung zeigte eine Schwäche und einen erhöhten Muskeltonus in beiden Beinen, sowie einen Tremor in beiden Händen beim Halteversuch. Die Muskeleigenreflexe in den Beinen waren verstärkt. Nach drei Tagen entwickelte der Patient zusätzlich chorioforme Bewegungsstörungen im rechten Arm und Bein.

    Enzephalomalazie als Folge der Methadonkumulation

    Metabolische, infektiöse oder inflammatorische Ursachen konnten mittels Bildgebung und Lumbalpunktion ausgeschlossen werden. Die einzigen Veränderungen waren die schon zuvor nachgewiesen hyperintensiven Bereiche, die als zystische Enzephalomalazie interpretiert wurden, die auch schon in anderen Fällen unter der Langzeittherapie mit Methadon beschrieben worden waren. Der Patient wurde mit Topiramat, Clonazepam und Risperidon behandelt, worunter sich die Bewegungsstörungen verbesserten.

     

    Verschiedene neurotoxische Effekte einer Langzeitgabe von Methadon sind in der Literatur beschrieben. Im geschilderten Fall handelt es sich um multiple Läsionen im Bereich von weißer Substanz und Basalganglien mit Bewusstseinsstörungen- und Störungen von Aufmerksamkeit, Orientierung, Sprache und Gedächtnis. In anderen Fällen wurden ebenso kognitive Störungen einschließlich Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen, Einschränkungen bei Lernfähigkeit und exekutiven Funktionen beschrieben.

     

    Die Autoren empfehlen, Patienten unter einer Langzeittherapie mit Methadon auf diese möglichen Konsequenzen hinzuweisen und die Therapie sorgfältig abzuwägen.

     

    Quelle

    • Ulviyya Gasimova et al; Neurological Manifestations of Chronic Methadone Maintenance Therapy: A Case Report and Literature Report; Cureus. 2022 Sep 24;14(9):e29534. doi.org/10.7759/cureus.29534.
    Quelle: ID 49267098