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  • · Kinderzahnheilkunde

    Folgeschäden durch kariös zerstörte Milchmolaren: Extraktionszeitpunkt entscheidend

    Bild: ©Davizro Photography - stock.adobe.com

    | Tief zerstörte oder pulpitische Milchmolaren können Schäden an den nachfolgenden Prämolaren verursachen. Werden sie extrahiert, kann sich die entstandene Lücke für die nachfolgenden Prämolaren verengen. Eine Studie an brasilianischen Schulkindern untersuchte retrospektiv die Folgeschäden an Prämolaren, die kariös zerstörte Milchmolaren verursacht hatten. Das Alter der Kinder zum Zeitpunkt der Extraktion spielte dabei eine wichtige Rolle. |

    Wissenschaftlerinnen nutzten Daten aus Vorläuferstudie

    Die niederländisch-brasilianische Autorengruppe nutzte für ihre retrospektive Betrachtung Daten aus einer anderen Studie, die von 2013 bis 2016 lief und damals vier- bis zehnjährige Kinder mit mehrflächiger Karies an Milchmolaren untersuchte. Die Kinder entstammten brasilianischen Familien mit niedrigem sozialökonomischem Status, waren in der Mehrzahl der Fälle noch nie beim Zahnarzt gewesen und hatten ein hohes Kariesrisiko. Die Wissenschaftlerinnen hatten seinerzeit zwei unterschiedliche Therapieprotokolle (ART= atraumatic restorative treatment oder NRA = non restorative approach) zur Kariesbehandlung durchgeführt und den Erfolg drei Jahre lang dokumentiert. Daher waren sie nun in der komfortablen Situation, Zugriff auf Patientendaten mit den geforderten Kriterien für die hier vorgestellte Studie zu haben: mindestens ein durchgebrochener Prämolar, dessen Vorgänger-Milchmolar pulpitische Beschwerden bereitet hatte.

    Extraktionszeitpunkt beeinflusst die Verengung der Lücke

    Die Forscherinnen der Abteilungen für Kinderzahnheilkunde der Universitäten Amsterdam und Rio de Janeiro wollten mit ihrer Studie klären:

     

    • Wie sich der Extraktionszeitpunkt auf die regelrechte Einstellung des nachfolgenden bleibenden Prämolaren in den Zahnbogen auswirkt und
    • ob es nach der Extraktion von tief zerstörten und/oder pulpitischen Milchmolaren zu Schmelzdefekten an den bleibenden Prämolaren kommt.

     

    Aus den vorliegenden Daten bildeten die Forscherinnen drei Gruppen.

    • 1. Testgruppe 1: alle 8-jährigen und älteren Kinder
    • 2. Testgruppe 2: alle bis zu 7-jährigen Kinder
    • 3. Kontrollgruppe

    Ergebnisse zu Extraktionszeitpunkt und korrekter Einstellung in den Zahnbogen

    Über die statistische Analyse ergab sich ein signifikanter Unterschied für die Einstellung der Prämolaren in den Zahnbogen, je nachdem, ob die Milchmolaren vor oder mit/nach dem achten Lebensjahr gezogen wurden.

     

    • Das Risiko einer Fehleinstellung von Prämolaren in den Zahnbogen war dreimal höher, wenn der Vorgänger-Milchmolar vor dem achten Lebensjahr entfernt werden musste.
    • Zwischen der Entfernung mit acht Jahren und älter und dem natürlichen Ausfall des Milchmolaren ergab sich statistisch kein Unterschied hinsichtlich des regelrechten Einstellens des Prämolaren in den Zahnbogen.
    • Das Risiko einer Fehlausrichtung im Zahnbogen war bei den zweiten Prämolaren doppelt so hoch wie bei den ersten Prämolaren.

    Ergebnisse: Schmelzschäden an den bleibenden Prämolaren

    Von den 110 im Hinblick auf das Vorkommen von Schmelzschäden untersuchten Prämolaren hatten 41 (37 %) der Vorläufer-Milchmolaren keine pulpitischen Symptome und 69 (63 %) hatten pulpitische Beschwerden bereitet.

     

    • Insgesamt zeigten sich bei 11 Prämolaren (10 %) Schäden (= abgegrenzte Opazitäten) und bei 99 (90 %) nicht.
    • Es gab keinen statistischen Unterschied für das Auftreten von Schmelzopazitäten zwischen der Extraktion des Milchmolar-Vorläufers vor, mit oder nach dem siebten Lebensjahr.
    • Tendenziell zeigten sich die Schäden eher an den Zahnkronen der OK-Prämolaren.

     

    Dass die Forscher tendenziell mehr Schmelzschäden an Oberkiefer-Prämolaren beobachtet hatten, könnte daran liegen, dass der Oberkieferalveolarknochen weniger dicht als der des Unterkiefers ist, wodurch sich Entzündungsprozesse vielleicht leichter ausdehnen und auf die bleibenden Zahnkeime Einfluss nehmen können.

     

    Einschränkend räumen die Studienautorinnen ein, dass einige Zähne mit großen Defekten mit pulpaler Beteiligung kurz nach der Diagnose extrahiert wurden, andere blieben aufgrund der Vorläuferstudie länger in situ. Die Dauer eines Entzündungsprozesses an Milchmolaren könnte ein prädiktiver Faktor sein, der in nachfolgenden Studien untersucht werden sollte.

     

    FAZIT |

    • 1. Fehlausrichtungen von Prämolaren im Zahnbogen treten häufiger auf, wenn die Milchmolaren-Vorgänger vor dem Alter von 8 Jahren extrahiert werden. Zahnärzte sollten bei jüngeren Kindern erwägen, ob solche Zähne möglicherweise noch bis zu diesem Alter erhalten werden könnten.
    • 2. Sind bei Kindern jünger als 7 Jahre schon pulpale Entzündungen an Milchmolaren gegeben, sollten diese unbedingt behandelt werden, denn sie scheinen zu mehr Schäden am Zahnkeim des nachfolgenden Prämolaren ‒ besonders im Oberkiefer ‒ zu führen, als dies bei älteren Kindern der Fall ist.
     

    Quelle

    • F. N. van der Weijden, D. Hesse, G. Caldeira Andrade Americano, V. Mendes Soviero, C. Calil Bonifacio: The effect of pulp inflammation and premature extraction of primary molars on the successor permanent teeth. A retrospective study. International Journal of Paediatric Dentistry, 08.08.2019, doi.org/10.1111/ipd.12568
    Quelle: Ausgabe 12 / 2020 | Seite 11 | ID 46967721