· Fachbeitrag · Krankentagegeldversicherung
BGH: Gesunkenes Nettoeinkommen ‒ Versicherer kann Krankentagegeld nicht einseitig kürzen
| Ein privater Krankenversicherer darf die Höhe des vereinbarten Krankentagegeldes nicht einseitig herabsetzen, wenn die zugrunde liegende vertragliche Kürzungsklausel unwirksam ist. Eine spätere Ersetzung dieser Klausel durch neue Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) ist nur dann wirksam, wenn das Festhalten am Vertrag für den Versicherer eine unzumutbare Härte darstellt. Dies hat der BGH entschieden. |
BGH sah in erster Klausel Verstoß gegen das Transparenzgebot
Der Versicherer hatte dem Vertrag ursprünglich eine Klausel zugrunde gelegt, die es ihm erlaubte, das Krankentagegeld bei gesunkenem Einkommen zu kürzen. Die Regelung entsprach § 4 Abs. 4 MB/KT 2009. Diese Klausel hatte der BGH wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 BGB) bereits 2016 für unwirksam erklärt (BGH, Urteil vom 06.07.2016, Az. IV ZR 44/15, Abruf-Nr. 187620) .
BGH hält auch neue Klausel für nicht wirksam
In Reaktion auf diese Rechtsprechung ersetzte der Versicherer die Klausel im Jahr 2018 durch eine neue Fassung, die detailliertere Maßgaben zur Bemessung des Nettoeinkommens enthielt. Die neue, ebenfalls vom BGH geprüfte Regelung lautete auszugsweise: „Sinkt das durchschnittliche Nettoeinkommen der versicherten Person in einem Zeitraum von zwölf Monaten unter die Höhe des dem Vertrag zugrunde gelegten Nettoeinkommens, kann der Versicherer, auch wenn der Versicherungsfall bereits eingetreten ist, das Krankentagegeld und den Beitrag entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen herabsetzen. […] Die Herabsetzung des Krankentagegelds und des Beitrags wird von Beginn des zweiten Monats nach Zugang der Herabsetzungserklärung beim Versicherungsnehmer wirksam.“
Der BGH urteilte, dass die neue Klausel nicht wirksam in den Vertrag einbezogen wurde. Zwar könne ein Versicherer grundsätzlich eine unwirksame Klausel durch eine neue ersetzen (§§ 164 Abs. 1 S. 1, 204 Abs. 4 VVG). Das geht jedoch nur dann, wenn
- eine echte Regelungslücke besteht und
- die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung erfüllt sind, insbesondere das Festhalten am Vertrag ohne die Regelung für eine Partei unzumutbar wäre (§ 306 Abs. 3 BGB).
Diese Voraussetzungen verneinte der BGH. Eine potenzielle Überversicherung ‒ also die Möglichkeit, dass der Versicherungsnehmer im Krankheitsfall mehr erhält als zuvor netto verdient ‒ sei kein Grund für eine unzumutbare Härte. Eine solche Differenz sei vielmehr typisches Risiko der Summenversicherung, zu der auch die Krankentagegeldversicherung zählt. Der Versicherungsnehmer hat aus diesem Grund auch kein Anpassungsrecht, wenn er deutlich mehr als ursprünglich angenommen verdient, so der BGH (Urteil vom 12.03.2025, Az. IV ZR 32/24, Abruf-Nr. 247058).