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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 11.12.2023 – 6 U 25/23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
6 U 25/23
15 HKO 39/22 LG Kiel
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 17.03.2023, Az. 15 HKO 39/22, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1. des Tenors des angefochtenen Urteils wie folgt gefasst wird:
sofern nicht tatsächlich zur Abwicklung der Kündigung zu klärende Fragen noch offenstehen.
Gründe
I.
„Bitte unterlassen Sie jegliche Form einer Kontaktaufnahme die in Bezug von (Rück-) Werbung steht. Darüber hinaus widerspreche ich jeder sonstigen Verarbeitung meiner personenbezogenen Daten….
Meine Rufnummer möchte ich gerne zu meinem neuen Anbieter mitnehmen.
Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 15.03.2022 den Eingang der Kündigung und ergänzte (Anlage 3):
„ Zu Ihrer Vertragsbeendigung haben wir noch ausstehende Fragen. Rufen Sie uns bitte einfach an: …
Bitte nennen Sie uns zu Beginn des Gesprächs Ihre persönliche Bearbeitungsnummer: 7813.“
Der Kläger nahm dies zum Anlass einer Abmahnung. Die Beklagte verweigerte die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit der Begründung, dass es im Zusammenhang mit der Kündigung eines Mobilfunkvertrages oft klärungsbedürftige Punkte gebe, die insbesondere die Mitnahme der bisherigen Rufnummer zu einem anderen Anbieter und den Zeitpunkt der Portierung sowie Probleme beim Abgleich der Adress- oder E-Maildaten beträfen.
15 HKO 39/22 LG Kiel
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
wegen Unterlassung
hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2023 für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 17.03.2023, Az. 15 HKO 39/22, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1. des Tenors des angefochtenen Urteils wie folgt gefasst wird:
Der Beklagten wird untersagt,
an einen Verbraucher, der eine Vertragsbeziehung mit der Beklagten gekündigt und die Beklagte unter Widerspruch der Verwendung seiner personenbezogenen Daten aufgefordert hat, eine Kontaktaufnahme zu unterlassen, die in Verbindung mit einer Werbung zur Kundenrückgewinnung steht, wie geschehen nach Anlage K 2, ein Schreiben zu übersenden, wie geschehen nach Anlage K 3, in dem der Verbraucher unterhalb der Betreffzeile „Ihre Kündigung" aufgefordert wird, sich bei der Beklagten unter Angabe einer persönlichen Bearbeitungsnummer telefonisch zu melden, um angeblich „noch ausstehende Fragen" in Verbindung mit der Vertragsbeendigung zu klären,sofern nicht tatsächlich zur Abwicklung der Kündigung zu klärende Fragen noch offenstehen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungstenors zu Ziffer 1. des angefochtenen Urteils in der im Urteil des Senats wiedergegebenen Fassung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckten Betrages leistet.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen Anschreiben durch die Beklagte, die sie nach der Kündigung eines mit ihr geschlossenen Mobilfunkvertrages an Verbraucher verschickt. Zudem begehrt er die Erstattung der Abmahnkosten.
Der Beklagten war mit Anerkenntnisurteil des Landgerichts Kiel vom 17.09.2020 (Anlage 6) untersagt worden, einem Verbraucher im Anschluss an seine Kündigungserklärung Anschreiben zuzusenden. Das Verbot bezieht sich auf Schreiben, in denen der Verbraucher unter dem Betreff „Ihr Kündigungswunsch“ aufgefordert wird, sich bei der Beklagten telefonisch zu melden, um anschließend eine Kündigungsbestätigung zu erhalten, obwohl der Verbraucher zuvor erklärt hatte, für andere Zwecke als zur Vertragsabwicklung nicht kontaktiert werden zu wollen.
Mit Schreiben vom 14.03.2022 (Anlage 2) kündige die Kundin der Beklagten B. ihren Mobilfunkvertrag zum 22.10.2022. Im Kündigungsschreiben erklärte sie:
Meine Rufnummer möchte ich gerne zu meinem neuen Anbieter mitnehmen.
Bitte bestätigen Sie mir die Kündigung schriftlich.“
Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 15.03.2022 den Eingang der Kündigung und ergänzte (Anlage 3):
„ Zu Ihrer Vertragsbeendigung haben wir noch ausstehende Fragen. Rufen Sie uns bitte einfach an: …
Bitte nennen Sie uns zu Beginn des Gesprächs Ihre persönliche Bearbeitungsnummer: 7813.“
Der Kläger nahm dies zum Anlass einer Abmahnung. Die Beklagte verweigerte die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit der Begründung, dass es im Zusammenhang mit der Kündigung eines Mobilfunkvertrages oft klärungsbedürftige Punkte gebe, die insbesondere die Mitnahme der bisherigen Rufnummer zu einem anderen Anbieter und den Zeitpunkt der Portierung sowie Probleme beim Abgleich der Adress- oder E-Maildaten beträfen.
Das Landgericht hat der Klage auf Unterlassung nebst Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 243,51 € stattgegeben. Es hat das Schreiben vom 15.03.2022 als unzumutbare Belästigung in Form von unerwünschter Werbung i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 2 UWG angesehen. Mit dem Schreiben habe die Kundin offensichtlich unter dem Vorwand angeblich noch offener Fragen zu einem Rückruf bewegt werden sollen, um sie in diesem Gespräch gegebenenfalls mit einem verbesserten Angebot weiter an die Beklagte zu binden. Die Werbungsabsicht ergebe sich schon daraus, dass nicht ersichtlich sei, welche Fragen noch hätten offen sein sollen. Die Beklagte hätte solche Fragen, bereits in dem Schreiben stellen oder zumindest im Rechtsstreit darlegen können, was nicht geschehen sei. Das Schreiben sei überdies nicht für den konkreten Fall erstellt worden. Es handele sich um ein zum Kontaktieren von kündigenden Kunden vorgefertigtes und - mit Ausnahme der Anrede der Kundin - neutral gehaltenes Standardschreiben. Die anscheinende Neutralität diene nur der Umgehung des in dem Anerkenntnisurteil ausgesprochenen Verbots.
Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte weiterhin Klagabweisung. Das Landgericht habe den Vortrag des für die Tatsache, dass das Schreiben zu Werbezwecken verschickt wurde, darlegungs- und beweisbelasteten Klägers zu Unrecht ausreichen lassen. Der Kläger habe über die Werbezwecke des Schreibens und darüber, dass die Klärungsbedürftigkeit vorgetäuscht sei, lediglich Vermutungen angestellt. Er habe bewusst davon abgesehen, einen eigenen Rechercheaufwand zu tätigen, um die wirklichen Hintergründe des Schreibens zu erfahren, obwohl eine Aufklärung unter Mithilfe der betroffenen Kundin durch einen Anruf bei der Beklagten leicht möglich gewesen wäre.
Auch aus der Tatsache, dass im Schreiben selbst keine konkreten klärungsbedürftigen Fragen aufgeführt würden und es allgemein gefasst sei, könne nicht abgeleitet werden, dass das Schreiben Werbezwecken gedient habe. Die Beklagte habe täglich eine Vielzahl von Kündigungen zu bearbeiten, so dass sie hierbei vorformulierte Schreiben verwende, um effizienter und kostengünstiger zu arbeiten. Solche vorformulierten Schreiben seien im Massengeschäft üblich und kein Zeichen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens. Die Einordnung eines Schreibens als (Rückgewinn-)Werbeschreiben sei nur dann möglich, wenn der werbliche Hintergrund die einzig denkbare Erklärung für das Schreiben wäre. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Sie - die Beklagte - treffe auch keine sekundäre Darlegungslast für die Hintergründe des Schreibens. Der Kläger habe seine eigenen Erkenntnisquellen wie etwa einen Rechercheanruf bei der Beklagten nicht genutzt und dürfe sich daher nicht auf eine sekundäre Darlegungslast ihrerseits berufen. Hinzu komme, dass sie - die Beklagte - gegenüber dem Kläger aufgrund von Art. 6 DSGVO den Klärungsgrund nicht hätte offenlegen dürfen, da derartige Anfragen im Regelfall personenbezogene Daten beträfen. Daher könne sie nur allgemein darlegen, welchen Hintergrund ein solches Schreiben haben könne, ohne auf den Einzelfall einzugehen.
Schließlich rügt die Beklagte hilfsweise, dass das Verbot, ein solches Schreiben zu versenden, zu weit gefasst sei, da nicht auf die Besonderheiten im Fall B. eingegangen werde. Die Versendung eines solchen Schreibens wäre ihr künftig auch dann untersagt, wenn tatsächlich klärungsbedürftige Fragen vorlägen. Sie müsste stets schon in dem Schreiben den Beanstandungspunkt benennen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er habe ausreichend substantiiert vorgetragen. Die Beklagte hätte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näher zu den angeblich noch ausstehenden Fragen vortragen müssen. Er sieht in dem behaupteten Umstand „klärungsbedürftiger Fragen“ einen rechtsvernichtenden Einwand, für den die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet sei. Er habe diesen Umstand zulässigerweise mit Nichtwissen bestreiten dürfen. Zu eigenen Nachforschungen sei er nicht verpflichtet. Der Kläger zieht zudem daraus, dass die Beklagte inhaltsgleiche Schreiben an andere Kunden verschickt habe, den Schluss, dass die Beklagte auf diese Weise systematisch versuche, Verbraucher zum Zwecke der Rückgewinnung zu einem Anruf zu bewegen. Diesen Verdacht könne die Beklagte nur entkräften, indem sie vortrage, welche Fragen sie hätte stellen wollen. Sollte der Beklagten zugute gehalten werden, dass sie im Massengeschäft keine individualisierte Anfragen an ihre Kunden senden könne, führe dies zu einer ungerechtfertigten wettbewerbsrechtlichen Privilegierung größerer Unternehmen. Auch datenschutzrechtliche Hindernisse stünden näherem Vortrag der Beklagten nicht entgegen. Sie könne den Inhalt der noch ausstehenden Fragen umschreiben, ohne personenbezogenen Daten preiszugeben. Schließlich sei das Verbot auch nicht zu weit gefasst. Der Unterlassungsantrag nehme ausdrücklich auf das Schreiben Frau B.s an die Beklagte und der Beklagten an Frau B. und somit auf die Besonderheiten des Falles Bezug.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Der Senat hat den Unterlassungstenor des angefochtenen Urteils nur um eine Klarstellung zur Reichweite des Unterlassungsgebots ergänzt.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Der Antrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger hat mit der Beschreibung des Kündigungsschreibens von Frau B. sowie des Antwortschreibens der Beklagten, auf die er im Klagantrag ausdrücklich Bezug nimmt, konkret umrissen, welche Art von Schreiben unter welchen Begleitumständen unterlassen werden soll.
b) Die Klagebefugnis des Klägers steht außer Frage.
c) Der Klage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger verfügt mit dem Anerkenntnisurteil des Landgerichts Kiel vom 17.09.2020 noch nicht über einen Titel, mit dem er wegen des nunmehr streitgegenständlichen Vorfalls im Ordnungsmittelverfahren gegen die Beklagte vorgehen könnte. In dem Anerkenntnisurteil wird der Beklagten untersagt, die Bestätigung der Kündigung von einem vorherigen Rückruf abhängig zu machen. Das jetzt in Rede stehende Schreiben erweckt hingegen den Eindruck, der Rückruf sei zur Klärung offener Fragen erforderlich. Die Beklagte selbst geht davon aus, dass diese Sachverhalte nicht kerngleich sind.
2. Der Kläger kann von der Beklagten nach den §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. § 7 Abs. 1 S. 2 UWG verlangen, es zu unterlassen, Schreiben zu versenden, die dem als Anlage 3 vorgelegten Schreiben entsprechen, wenn der kündigende Verbraucher zuvor der Kontaktaufnahme zu Werbezwecken widersprochen hatte.
a) Unter den gegebenen Umständen stellt das Schreiben der Beklagten eine unzumutbare Belästigung in Form unerwünschter Werbung dar (§ 7 Abs. 1 S. 2 UWG).
aa) Nach § 7 Abs. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, unzulässig. Dies gilt insbesondere für erkennbar unerwünschte Werbung. Abs. 2 nennt Fallgruppen, bei denen eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen ist. Hierunter fällt nach den gleichlautenden Regelungen in § 7 Abs. 2 Nr. 2 in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung, die zur Zeit des Vorfalles galt, ebenso wie nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG n. F. die Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung. Ein solcher Fall ist jedoch nicht streitgegenständlich. Streitgegenstand ist das Schreiben der Beklagten, nicht der hierin erbetene Rückruf, zu dem es auch nicht gekommen ist. Überdies erfasst § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG nur den Fall, dass der Werbende den Verbraucher anruft. In dem Schreiben wird jedoch die Kundin gebeten, sich bei der Beklagten zu melden. Geht der Anruf von dem Verbraucher aus und nutzt der Angerufene dies zur Werbung, erfüllt dies nicht den Tatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG (Köhler/Bornkamm/Feddersen/ Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG, § 7 Rn. 144).
bb) Im Rahmen freiwilliger Anrufe von Verbrauchern kann es zu einer unzumutbaren Belästigung des Kunden i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 2 UWG kommen, wenn der Angerufene das Gespräch zur Werbung nutzt (KBF/Köhler, § 7 Rnrn. 144, 236; Ohly/Sosnitza/Ohly, UWG, 8. Aufl. 2023, § 7 Rn. 81). Auch ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, da es nicht zu einem Telefonat kam.
cc) Das Schreiben selbst stellt jedoch eine unzumutbare Belästigung i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 2 UWG dar. Auf der Grundlage des Vortrags der Parteien steht fest, dass es allein dazu diente, der Kundin eine Werbung aufzudrängen, die sie ausdrücklich nicht wünschte.
aaa) Die Darlegungs- und Beweislast für alle Umstände, die den Unterlassungsanspruch begründen, liegen bei demjenigen, der ihn geltend macht. Dementsprechend hat der Kläger den Werbecharakter des Schreibens darzutun. Grundsätzlich ginge es somit zu seinen Lasten, wenn offenbliebe, ob das Schreiben nicht doch - wie die Beklagte behauptet - dadurch veranlasst war, dass zur Abwicklung der Kündigung noch Fragen zu klären waren. Die Tatsache, dass noch Fragen offenstanden, ist kein von der Beklagten darzulegendes tatbestandsausschließendes Merkmal, wie der Kläger meint. Dies belegt auch nicht das durch den Kläger zitierte Urteil des BGH „Mondpreise“, das im Gegenteil den Grundsatz der vollen Darlegungs- und Beweislast des Unterlassungsgläubigers für alle anspruchsbegründenden Umstände der Verletzungshandlung bestätigt (BGH, U. v. 27.11.2003, I ZR 94/01, NJW-RR 2004, 616, 617 Ziff. 3 - Mondpreise). Erst recht kann eine Partei Umstände, für die sie die Darlegungslast trägt, nicht mit Nichtwissen bestreiten (BGH, Urt. v. 02.07.2009 - III ZR 333/08 = NJW-RR 2009, 1666, Rn. 14).
Im zuvor genannten Urteil bestätigt der BGH „Mondpreise“ jedoch auch, dass dem Unterlassungsgläubiger Darlegungs- und Beweiserleichterungen in Bezug auf solche Tatsachen zukommen, die in den Verantwortungsbereich des Gegners fallen und zu denen nur er sich erklären kann (a. a. O.). Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Unterlassungsgläubigers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BGH NJW 2021, 1669 Rn. 27).
bbb) So ist es hier. Der Kläger hat alles vorgetragen, was er zur Behauptung des Werbecharakters des Schreibens vortragen kann. Er hat das Kündigungsschreiben der Kundin vorgelegt, das klare Angaben enthielt. Die Kundin nannte den beabsichtigten Zeitpunkt des Vertragsendes und äußerte den Wunsch nach Mitnahme der Telefonnummer. Ihre zur Abwicklung des Vertrages notwendigen Daten müssen aufgrund der bisherigen Vertragsbeziehung bekannt gewesen sein. Dafür, dass der Beklagten alle notwendigen Tatsachen bekannt waren, spricht zudem, dass das Vertragsverhältnis in der Folge des Kündigungsschreibens unstreitig beendet werden konnte, ohne dass es noch eines Telefonats mit der Kundin bedurfte.
Bei dieser Sachlage fehlt es an jedem Anhaltspunkt dafür, welche offenen Fragen bestanden haben könnten. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Kundin mit dem Schreiben zu einem Anruf bewegt werden sollte, der zu ihrer Rückgewinnung als Kundin genutzt werden konnte. Selbst wenn das Telefonat nur einer Zufriedenheitsbefragung hätte dienen sollen, läge darin Werbung (KBF/Köhler, § 7 Rn. 153).
ccc) Die Beklagte hätte den gegen sie sprechenden Anschein nur durch substantiierten Vortrag im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast widerlegen können. Ihre sekundäre Darlegungslast ergibt sich zwingend daraus, dass nur sie wissen kann, welche Fragen noch offengestanden haben sollen. Deshalb kann sie der Forderung nach substantiiertem Bestreiten nicht den Einwand entgegenhalten, dass der Kläger sich die notwendigen Kenntnisse unschwer selbst durch Nachfrage bei der Kundin hätte verschaffen können. Der Einwand verkennt, dass nicht die Kundin offene Fragen hatte, sondern die Beklagte solche gehabt haben will. Welche dies sein sollten, weiß nur sie.
Die Beklagte hat nicht andeutungsweise fallbezogen vorgetragen, welche Fragen noch klärungsbedürftig gewesen sein sollen. Ihr Vortrag erschöpft sich in allgemeinen Darlegungen, welche Fragen bei einer Kündigung auftreten können. Sie hat lediglich behauptet, dass sie das streitgegenständliche Schreiben an Kunden verschickt, wenn bei diesen nach einer Kündigung noch offene Fragen bestehen. Sie hat aber noch nicht einmal behauptet, dass es im konkreten Fall überhaupt irgendwelche klärungsbedürftigen Fragen zur Kündigung gegeben habe.
An näherem Vortrag war die Beklagte nicht aus datenschutzrechtlichen Gründe gehindert. Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie Gefahr laufe, unter Verstoß gegen die Voraussetzungen rechtmäßiger Datenverarbeitung nach Art. 6 DSGVO Einzelheiten zum Vertragsverhältnis offenzulegen (Berufungsbegründung S. 6). Es erschließt sich schon nicht, weshalb die Beklagte nicht zumindest hätte darlegen können, welche Umstände noch klärungsbedürftig gewesen seien. Für solchen Vortrag müssen keine personenbezogenen Daten der Kundin preisgegeben werden. Vor Allem aber greift der Einwand nicht durch, weil nach dem unstreitigen Sachverhalt feststeht, dass nicht etwa datenschutzrechtliche Gründe die Beklagten an einer Darlegung der angeblich offenen Fragen hinderten, sondern der Umstand, dass es solche Fragen nicht gab. Davon ist der Senat gerade auch nach den ausführlichen Darlegungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugt.
Schriftsätzlich hatte die Beklagte vorgetragen, dass der Rückruf „von der Kündigung abgekoppelt“ sei und die Kündigung auch dann bearbeitet werde, wenn die Kundin nicht anrufe (Klagerwiderung S. 3). In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte klargestellt, dass dies nicht in dem Sinne zu verstehen sei, dass die Kündigung in jedem Fall durchgeführt wird. Vielmehr könne das Ergebnis der Bearbeitung auch die Zurückweisung der Kündigung sein.
Dies war hier jedoch unstreitig nicht der Fall. Die Kündigung wurde durchgeführt. Rückfragen waren nicht vonnöten. Hierzu wiederum hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ausgeführt, dass es auch denkbar sei, dass nach Eingang einer Kündigung zunächst noch offene Fragen bestanden haben könnten, die sich bei ausbleibendem Rückruf des Kunden aber doch noch durch interne Nachforschungen klären ließen. Dies ist nichts anderes als eine Umschreibung der Tatsache, dass es letztendlich keine offenen Fragen gab.
b) Die Wiederholungsgefahr wird vermutet.
c) Der Senat hielt allerdings eine Klarstellung zur Reichweite des Unterlassungsgebots für veranlasst.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, dass die Klägerin der Beklagten nur eine unerwünschte Kontaktaufnahme zu Werbezwecken untersagen lassen wolle. Nicht untersagt werden solle eine Kontaktaufnahme in Fällen, in denen tatsächlich noch offene Fragen bestünden. Auch aus dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin hatte sich nicht entnehmen lassen, dass sie ein auch solche Fälle betreffendes, uneingeschränktes Unterlassungsgebot erstrebe. Da die notwendige Einschränkung dem Unterlassungstenor nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen war, hat der Senat ihn neu gefasst. Ein Teilunterliegen der Klägerin ist damit nicht verbunden. Sie hatte keine weitergehende Unterlassung erstrebt.
3. Da die Klage bereits nach Wettbewerbsrecht Erfolg hat, kann offenbleiben, ob sich der Anspruch ‒ wie die Klägerin meint ‒ auch aus Art. 21 Abs. 2 DSGVO begründen ließe.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
5. Die Revision ist nicht zuzulassen.
Die Entscheidung des Senats berührt keine höchstrichterlich klärungsbedürftigen datenschutzrechtlichen Fragen. Der Senat ist bei seiner Entscheidung nicht davon ausgegangen, dass die Beklagte im Rechtsstreit datenschutzrechtlich sensible Angaben ihr Kundin hätte offenlegen müssen, sondern dass ihr selbst auf der Grundlage ihres eigenen Vortrags alle zur Durchführung der Kündigung notwendigen Angaben vorlagen.