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  • 17.08.2006 · IWW-Abrufnummer 062452

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 21.06.2006 – XI R 50/05

    Die auf Arbeitnehmer beschränkte Steuerfreiheit für die Vorteile aus der privaten Nutzung von betrieblichen Personalcomputern und Telekommunikationsgeräten (§ 3 Nr. 45 EStG) verletzt nicht den Gleichheitssatz.


    Gründe:

    I.

    Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger war im Streitjahr 2001 als Rechtsanwalt selbständig tätig. In seiner Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) setzte er einen privaten Anteil an den Telefonkosten in Höhe von 30 v.H. (798 DM) gewinnerhöhend an. Hiergegen legten die Kläger erfolglos Einspruch ein.

    Mit der Klage machten sie geltend, die Besteuerung des privaten Nutzungsanteils an den Kosten des betrieblichen Telefons verletze im Hinblick auf die Steuerbefreiung für private Nutzungsvorteile der Arbeitnehmer (§ 3 Nr. 45 EStG) Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 21).

    Mit ihrer Revision rügen die Kläger verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Auch bei selbständig Tätigen würde sich entgegen der Auffassung des FG die Steuerfreiheit steuervereinfachend auswirken, weil auch sie gezwungen seien, ihren privaten Anteil an den Kosten für die betrieblichen Telekommunikationsgeräte zu ermitteln. Sollte ein Vollzugsdefizit im Zusammenhang mit der Verlagerung privater Aufwendungen in den betrieblichen Bereich tatsächlich bestehen, so rechtfertige dies nicht die Benachteiligung der Arbeitgeber. Die Begründung des FG, bei einem selbständig Tätigen fehle der natürliche Interessengegensatz zwischen dem Eigentümer der Geräte und dem Arbeitnehmer, bewege sich auf einfachrechtlicher Ebene und könne Verfassungsrecht nicht verdrängen. Art. 3 Abs. 1 GG enthalte zudem keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt. Auch wenn eine Nichtigkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kaum in Betracht komme, so werde dieses dem Gesetzgeber jedoch aufgeben, eine gesetzliche Regelung zu beschließen, die den privaten Nutzungsanteil der Selbständigen von der Steuer freistelle.

    Die Kläger beantragen, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Im Übrigen beantragen sie, das Urteil des FG abzuändern und den Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 28. März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2003 dahin gehend zu ändern, dass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit nur in Höhe von 16 006 DM angesetzt werden.

    Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, im Wesentlichen unter Hinweis auf die Ausführungen des FG, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Steuervereinfachung sei bei Arbeitnehmern erheblich dringlicher als bei selbständig Tätigen.

    II.

    Die Revision der Kläger ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Verfahren ist nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen. Die Beschränkung der Steuerfreiheit des § 3 Nr. 45 EStG auf private Nutzungsvorteile von Arbeitnehmern ist verfassungsgemäß.

    1. Nach § 3 Nr. 45 EStG sind steuerfrei die Vorteile des Arbeitnehmers aus der privaten Nutzung von betrieblichen Personalcomputern und Telekommunikationsgeräten. Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Tätigkeit werden vom Wortlaut nicht erfasst, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

    2. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Arbeitnehmern und selbständig Tätigen ist sachlich gerechtfertigt.

    a) Bei selbständig tätigen Steuerpflichtigen (§§ 13, 15, 18 EStG) ist der Gewinn um die anteiligen Aufwendungen für die private Nutzung einer betrieblichen Telekommunikationsanlage zu erhöhen. Dabei kann offen bleiben, ob es bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, insoweit an der betrieblichen Veranlassung der Aufwendungen i.S. des § 4 Abs. 4 EStG fehlt (so Vorentscheidung), oder eine Nutzungsentnahme vorliegt, die als fiktive Betriebseinnahme zu behandeln ist (vgl. hierzu z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. September 1986 IV R 50/86, BFHE 147, 529, BStBl II 1986, 907; vom 1. März 2001 IV R 27/00, BFHE 195, 200, BStBl II 2001, 403; vom 8. Oktober 1981 IV R 90/80, juris Nr: STRE815057260; Schmidt/Heinicke, EStG, 25. Aufl., § 4 Rz 340). Auch wenn der Senat zugunsten der Kläger davon ausgeht, dass der Gewinn um eine fiktive Einnahme erhöht wird und insoweit eine mit § 3 Nr. 45 EStG vergleichbare Form der Einnahme i.S. des § 8 Abs. 1 EStG vorliegt, verletzt die auf Arbeitnehmer beschränkte Steuerbefreiung nicht Art. 3 Abs. 1 GG.

    b) Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (z.B. BVerfG-Beschluss vom 26. Januar 1993 1 BvL 38/92, BVerfGE 88, 87, unter B.I.1. der Gründe). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich dabei unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber. Insbesondere bei sog. Lenkungsnormen, mit denen ein bestimmtes Verhalten der Bürger gefördert werden soll, das aus wirtschafts-, sozial-, umwelt- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist, ist der Gesetzgeber weitgehend frei. Zwar bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet aber nur, dass er nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich differenzieren darf (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 20. April 2004 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274, BFH/NV 2004, Beilage 3, S. 305, m.w.N.).

    c) Für die unterschiedliche steuerliche Behandlung der Nutzungsvorteile eines Arbeitnehmers einerseits und der Besteuerung privater Nutzungsentnahmen andererseits bestehen sich aus der Natur der Sache ergebende, sachlich einleuchtende Gründe (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 22. November 2000 1 BvR 2307/94, BVerfGE 102, 254, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2001, 164, m.w.N.).

    § 3 Nr. 45 EStG sollte ausweislich der Gesetzesbegründung vornehmlich eine sog. Lenkungsnorm sein. Der Finanzausschuss des Bundestages hatte die Regelung vorgeschlagen, um die Verwendung und Verbreitung des Internets mittels einer Steuervereinfachung zu fördern (BTDrucks 14/4626, S. 3; v. Beckerath, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 45 Rdnr. B 45/15). Den Arbeitgebern sollte die Möglichkeit gegeben werden, ihren Arbeitnehmern die private Nutzung betrieblicher Personalcomputer und Telekommunikationsgeräte zu erlauben, ohne dies durch den mit der steuerlichen Erfassung des sog. Sachbezugs (vgl. § 8 Abs. 1, § 41 EStG; zu privaten Ferngesprächen: BFH-Urteil vom 22. Oktober 1976 VI R 26/74, BFHE 120, 379, BStBl II 1977, 99; z.B. der --später wieder aufgehobene-- sog. Telefonkostenerlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. Mai 2000 IV C 5 -S 2336- 13/00, BStBl I 2000, 613; siehe hierzu auch Fischer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2001, 201) verbundenen Verwaltungsaufwand zu erschweren (BTDrucks 14/4626, S. 6). Dementsprechend sind nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 3 Nr. 45 EStG nur die Vorteile der Arbeitnehmer von der Steuer freigestellt, die diese aus der privaten Nutzung von betrieblichen Personalcomputern und Telekommunikationsgeräten ziehen. Barzuschüsse des Arbeitgebers für die Anschaffung von eigenen Personalcomputern oder Telekommunikationsgeräten durch die Arbeitnehmer, die gleichermaßen der Verbreitung des Internets und der Verbesserung seiner Akzeptanz dienen würden, sind nicht steuerbefreit (vgl. z.B. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 3 "Arbeitsmittelgestellung durch Arbeitgeber" b) bb); v. Beckerath, a.a.O., § 3 Nr. 45 Rdnr. B 45/51; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 3 Rn 1701; Macher, Deutsche Steuerzeitung 2002, 315). Daher ist auch der Zuschuss des Arbeitgebers für einen privaten Telefonanschluss des Arbeitnehmers nicht steuerfrei. Sollte es sich im Streitfall um die anteiligen Kosten eines privaten Anschlusses handeln, fehlte es daher schon an einer Ungleichbehandlung.

    Die mit der privaten Nutzung betrieblicher Personalcomputer und Telekommunikationsgeräte durch Arbeitnehmer verbundene notwendige Überwachung stößt faktisch und arbeitsrechtlich an Grenzen (Utescher/Herden, Der Betrieb 2000, 1366; Welling, DStR 2001, 650; Albert, Finanz-Rundschau 2000, 931). Insoweit ist die Situation eines selbständig Tätigen, der seine betrieblichen Geräte privat nutzt, nicht vergleichbar. Zum einen fehlen naturgemäß insoweit die mit der Kontrolle Dritter bestehenden tatsächlichen und arbeitsrechtlichen Probleme, zum anderen der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehende Interessengegensatz. Ein Arbeitnehmer bedarf zur unentgeltlichen privaten Nutzung betrieblicher Geräte einer Erlaubnis seines Arbeitgebers. Der Arbeitgeber hat auch nach Erteilung einer Erlaubnis regelmäßig ein betriebliches oder finanzielles Interesse daran, die private Mitbenutzung seiner betrieblichen Telekommunikationsgeräte in Grenzen zu halten. Bei einem selbständig Tätigen besteht ein vergleichbarer Kontrollmechanismus nicht. Auch liegt das Interesse eines selbständigen Steuerpflichtigen erfahrungsgemäß eher darin, betriebliche Einrichtungen zu Lasten des steuerlichen Gewinns privat zu nutzen (im Ergebnis wie hier: Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 45 EStG Anm. 2; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 3 Rn 1672; a.A. v. Beckerath, a.a.O., § 3 Nr. 45 Rdnr. B 45/15). Der Gesetzgeber kann die Begünstigung nach alledem auf Arbeitnehmer beschränken, weil typischerweise davon auszugehen ist, dass sich die private Nutzung betrieblicher Geräte durch Arbeitnehmer in einem begrenzten Rahmen bewegt und daher eine Gleichstellung von Selbständigen nicht geboten ist, vielmehr zu einer Ungleichbehandlung derjenigen Steuerpflichtigen führen würde, denen keine private Nutzung betrieblicher Geräte eröffnet ist.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 3 Nr. 45