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  • 28.01.2005 · IWW-Abrufnummer 050189

    Landgericht Düsseldorf: Urteil vom 12.12.2002 – 21 S 262/02

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Düsseldorf, 21 S 262/02
    Datum: 12.12.2002
    Gericht: Landgericht Düsseldorf
    Spruchkörper: 21. Zivilkammer
    Entscheidungsart: Urteil
    Aktenzeichen: 21 S 262/02

    In dem Rechtsstreit hat die 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2002 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht X, die Richterin am Landgericht X und den Richter X

    für Recht erkannt:

    Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. April 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf

    48 C 15944/01 wird zurückgewiesen.

    Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten.

    Gründe

    I.

    Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO n.F. i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO n.F. i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

    II.

    Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie aufgrund der Zulassung durch das Amtsgericht gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO n.F. statthaft. Weiterhin ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. In der Sache hat die Berufung allerdings keinen Erfolg.

    Die Klage ist zulässig, insbesondere haben die Kläger das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Ein einfacheres, schnelleres und kostengünstigeres Mittel, die X wieder in den Besitz der streitgegenständlichen Vollmachtsurkunden zu bringen, ist nicht ersichtlich. Die Kläger brauchen sich nicht auf die Ausstellung weiterer Vollmachtsurkunden verweisen zu lassen, da dadurch der Besitz der Beklagten an den streitgegenständlichen Vollmachtsurkunden nicht beseitigt wird. Auch daran haben die Kläger aber ein rechtliches Interesse.

    Die Kläger haben gegen die Beklagten aus § 986 Abs. 1 S. 2 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der Vollmachtsurkunden an die X.

    Die Kläger sind Eigentümer der streitgegenständlichen Vollmachtsurkunden. Der nunmehr zweitinstanzlich erfolgte Vortrag nicht die Kläger, sondern die X sei ursprünglich Eigentümerin der Vollmachtsurkunde gewesen und diese habe das Eigentum an den Vollmachtsurkunden auf die Beklagten übertragen, ist gemäß § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO n.F. nicht zuzulassen, da die Beklagten nicht vorgetragen haben, dass dieser Vortrag im ersten Rechtszug nicht durch Nachlässigkeit unterblieben ist. Die Besitzer der Vollmachtsurkunden sind ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 20.9.2001 (Bl. 15 f. d.A.) beide Beklagten.

    Ein Recht der Beklagten zum Besitz der Vollmachtsurkunden i.S.d. § 986 BGB besteht nicht.

    Der Bevollmächtigte hat ein berechtigtes Interesse an dem weiteren Besitz der Urkunde, solange die Vollmacht nicht widerrufen ist (BGH NJW 1990, 50 (508)). Die Urkunde ist (vom Bevollmächtigten) zum Zweck des Nachweises der Vollmacht gegeben, und dieser Zweck erledigt sich (erst) mit dem Erlöschen des Vollmachtsverhältnisses (Motive I 239). Das Interesse der Beklagten an einer Einbehaltung der Vollmachtsurkunden ist dagegen rechtlich nicht geschützt.

    Gemäß § 172 Abs. 1 BGB steht es der besonderen Mitteilung einer Bevollmächtigten durch den Vollmachtsgeber gleich, wenn dieser dem Vertreter eine Vollmachtsurkunde ausgehändigt hat und der Vertreter sie dem Dritten vorlegt. Zwischen der ?Aushändigung? und der ?Vorlegung? der Urkunde wird ausdrücklich unterschieden. Vorgelegt ist die Urkunde dann, wenn sie dem Geschäftsgegner zur sinnlichen Wahrnehmung unmittelbar zugänglich gemacht wird (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Auflage, § 173 Rdnr. 6). Eine dauerhafte Zugänglichmachung ist ? im Gegensatz zur ?Aushändigung? ? auch bei Dauerschuldverhältnissen gerade nicht erforderlich.

    Ist die Vollmachtsurkunde dem Dritten vorgelegt, so bleibt die Vertretungsmacht des in der Urkunde als bevollmächtigt Verzeichneten solange bestehen, bis die Urkunde dem Schuldner zurückgegeben oder für kraftlos erklärt worden ist. Nicht notwendig ist also, dass der Vertreter bei jedem Rechtsgeschäft, welches er mit dem Dritten vornimmt, die Vollmachtsurkunde von neuem vorlegt (Planck, Bürgerliches Gesetzbuch, 3. Auflage, § 172 Anm. ?). Es genügt, dass der Bevollmächtigte die Urkunde dem Dritten überhaupt vorgelegt hat (Motive I 239). Sicher geht der Dritte allerdings nur, wenn er sich die Urkunde jedes Mal von neuem vorlegen lässt, denn die einmalige Vorlegung wirkt nur solange, als der Vertreter die Vollmachtsurkunde nicht zurückgegeben hat. Ist die Zurückgabe erfolgt, so ist die Vertretungsmacht erloschen und zwar auch dann, wenn der Dritte die Zurückgabe weder kennt noch kennen muss (Planck § 172 Anm. 2). Der Gedanke, die Wirksamkeit des Erlöschens der Vollmacht an das weiter Erfordernis zu knüpfen, dass der Vollmachtgeber diejenigen Personen, welchen der Bevollmächtigte die Vollmacht vorgezeigt, von der erfolgten Zurückgabe der Urkunde benachrichtigt haben müsse, wurde vom Gesetzgeber verworfen, weil hierdurch den Dritten auf Kosten des Vollmachtgebers ein zu weitgehender Schutz gewährt werden würde. Dem Dritten geschehe nicht zuviel, wenn ihm angesonnen werde, sich bei der Vornahme späterer Rechtsgeschäfte die Vollmacht wiederholt vorlegen zu lassen; unterlasse er dies, handele er auf eigene Gefahr (Protokolle I 149). Für ein Erlöschen der Vollmacht reicht es dementsprechend aus, wenn die Rückgabe oder die Kraftloserklärung der Vollmachtsurkunde objektiv ? unabhängig von der Kenntnis oder Unkenntnis des Dritten ? erfolgt ist.

    Ebensowenig lässt sich bis zum Erlöschen der Vollmacht ein Recht zum Besitz für die Beklagten aus § 174 BGB herleiten. Nach § 174 S. 2 BGB ist eine Zurückweisung ausgeschlossen, wenn der Vollmachgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Dafür genügt jedoch die Vorlage der Vollmachtsurkunde (Palandt § 174 Rdnr. 2).

    Ein Recht zum Besitz ergibt sich auch nicht aus § 175 BGB. Die Vorschrift betrifft unmittelbar nur das Verhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten. § 175 BGB wird nach der herrschenden Meinung seinem Zweck entsprechend und erweiternd auch gegen den dritten Besitzer angewendet, wenn sich dieser ? sei es bestimmungsgemäß oder nicht bestimmungsgemäß ? nach dem Erlöschen der Vollmacht im Besitz der Urkunde befindet. Bleibt ein Dritter nach dem Erlöschen der Vollmacht im Besitz der Urkunde, ist der Vollmachtgeber der Gefahr ausgesetzt, dass der in der Urkunde Ausgewiesene die (Schein-)Vollmacht missbraucht, nachdem er sie von dem Dritten wiedererlangt hat (Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 4. Auflage § 175 Rdnr. 7). Zudem kann sich der Dritte als dieser Bevollmächtigte ausgeben oder sich auf eine Unterbevollmächtigung berufen (Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Auflage, § 175 Rdnr. 4). Aus dieser Rückgabepflicht kann demnach nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass vor dem Erlöschen der Vollmacht ein Besitzrecht des Dritten gegeben ist. Vielmehr verbleibt es bei dem berechtigten Interesse des Bevollmächtigten am Besitz der Urkunde.

    Ob diese Grundsätze während des Bestehens des Vollmachtsverhältnisses genauso gelten, wenn der Vertreter zur Aushändigung der Vollmachtsurkunde an den Dritten ermächtigt war (vgl. RGRK, Das Bürgerliche Gesetzbuch, 12. Auflage, § 175 Rdnr. 3), bedarf hier mangels Vortrags einer entsprechenden Ermächtigung keiner Entscheidung.

    Die Beklagten haben ebenfalls kein Recht zum Besitz aus § 242 BGB. Gemäß §§ 810, 811 BGB können sie bei einem entsprechenden rechtlichen Interesse Einsicht in die Vollmachtsurkunden verlangen. Die prozessualen Rechte der Beklagten sind durch §§ 422 ff. ZPO gewahrt. Zudem lassen sich die von ihnen vorgetragenen praktischen Schwierigkeiten und rechtlichen Unsicherheiten durch die bloße Einbehaltung der Vollmachtsurkunden nicht beseitigen. Denn die Kraftloserklärung gemäß § 176 BGB ist der Rückgabe vom Gesetzgeber völlig gleichgestellt, ihre Wirkung ist die Fiktion der Rückgabe der Vollmacht (v. Kujawa, Die Bedeutung der Kraftloserklärung der Vollmachtsurkunde gemäß § 176 BGB, Gruchot 45, 493 (495). Daher muss jeder Dritte, wie er an die Möglichkeit der Rückgabe der Vollmachtsurkunde denken und sich bei einem Rechtsgeschäft vergewissern muss, dass die Urkunde nicht zurückgegeben ist, ebenso mit der Möglichkeit der Kraftloserklärung rechnen und feststellen, dass diese nicht erfolgt ist, wenn er mit dem Vertreter in rechtsgeschäftliche Verbindung tritt. Auch hier würde er wie bezüglich der Rückgabe bei einer Unterlassung lediglich auf eigene Gefahr handeln. Die Einsicht der Vollmachtsurkunde schützt dann nicht, falls inzwischen die Kraftloserklärung der Vollmachtsurkunde erfolgt ist. So störend und hemmend dies für den Verkehr erscheinen mag, so sehr das Institut die Vollmacht an praktischem Werte einbüßen mag, wer sich bei einer Verhandlung mit dem Bevollmächtigten nicht etwa der Gefahr der Doppelzahlung oder der Unwirksamkeit des Geschäfts dem Vollmachtgeber gegenüber aussetzen will, muss nach der Lage der Gesetzgebung neben dem weiteren Verbleib der Vollmachtsurkunde in den Händen des Vertreters auch die Frage der Kraftloserklärung prüfen (v. Kujawa Gruchot 45, 493, 495 f.).

    Die Kläger haben auch einen Anspruch auf Herausgabe an die X. Leitet der Besitzer sein Besitzrecht von einem Dritten ab und war das Besitzrecht des Besitzers gegenüber dem Dritten nicht wirksam begründet oder ist es beendet, so gilt § 986 Abs. 1 S. 2 BGB (Palandt, § 986 Rdnr. 6).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

    Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß, § 543 Abs. 2 ZPO n.F.

    Streitwert der Berufung: 1.200 DM.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 172 BGB