09.08.2024 · IWW-Abrufnummer 243183
Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 18.06.2024 – 12 U 203/23
1. Zur Wirksamkeit der Abtretung des Rückabwicklungsanspruchs an einen Policenaufkäufer.
2. Eine Widerspruchsbelehrung im Policenmodell ist fehlerhaft, wenn dort der Fristbeginn allein an den Erhalt des Versicherungsscheins geknüpft ist. Dieser Belehrungsmangel ist nicht so geringfügig, dass er im Ergebnis folgenlos bliebe (Anschluss an BGH, Urteil vom 21.02.2024 - IV ZR 297/22; Aufgabe von OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.05.2023 - 12 U 208/22).
3. Der Versicherungsvertrag wurde im Antragsmodell gemäß § 8 Abs. 5 VVG geschlossen, wenn dem Versicherungsnehmer alle in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. genannten Unterlagen bei Antragstellung vorlagen. Dass die Garantiewerte in einem gesonderten Versicherungsvorschlag enthalten waren schadet nicht, sofern die Auslegung ergibt, dass es eine verbindliche Angabe war (Festhaltung an OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.03.2024 - 12 U 23/23).
In dem Rechtsstreit
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter:
gegen
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 10.11.2023, Az. 21 O 218/22, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.610,11 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.06.2023 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. - Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 66 % und die Beklagte 34 %.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten um Rückabwicklungsansprüche nach Rücktritt bzw. Widerspruch bezüglich fünf Lebens- bzw. Rentenversicherungsverträgen. [Redaktionelle Ergänzung: Die Klägerin ist eine Policenaufkäuferin in der Rechtsform der GmbH, die Beklagte ein Lebensversicherer].
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 19.249,87 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.06.2023 zu zahlen.
Die Klägerin sei aufgrund wirksamer Abtretungen aktivlegitimiert. Alle streitgegenständlichen Verträge seien im Policenmodell zustande gekommen. Für den Vertrag -21 sei dies unstreitig; bei den übrigen Verträgen sei unstreitig, dass die Garantiewerte nach Abschnitt I Nr. 2 Buchst. b) und d) der Anlage Teil D zum VAG a.F. nicht bei Antragstellung, sondern erst mit der Übersendung der Versicherungsscheine mitgeteilt und die Versicherungsnehmer nicht gemäß den Anforderungen des § 5a VVG a.F. belehrt worden seien. Insbesondere die zum Vertrag -21 erteilte Widerspruchsbelehrung genüge den Anforderungen des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. nicht: Sie suggeriere entgegen der damals geltenden Rechtslage, dass es für den Fristbeginn nur auf den Zugang des Versicherungsscheines ankomme. Das sei ein erheblicher Belehrungsmangel. Verwirkung sei in keinem der streitgegenständlichen Fälle eingetreten, weil die dafür erforderlichen gravierenden Umstände nicht vorlägen. Die für die Berechnung maßgeblichen Rechenschritte und Zahlen seien unstreitig. Daraus ergebe sich ein Rückforderungsbetrag von insgesamt 19.249,87 EUR.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Sie hält daran fest, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei. Diese habe die Abtretungsvereinbarungen zwischen ihr und der P. GmbH nur unvollständig vorgelegt; die Beklagte könne deren Wirksamkeit somit nur mit Nichtwissen bestreiten, aber nicht prüfen. Die Abtretungen seien aber jedenfalls deshalb nach § 134 BGB unwirksam, weil sowohl die Klägerin als auch die P. GmbH nicht über die erforderliche Befugnis nach § 2 Abs. 1 RDG, sondern nur über eine eingeschränkte Inkassoerlaubnis nach § 10 Abs. 3 RDG verfügten. Zudem liege in beiden Gliedern der Abtretungskette ein sittenwidriges und deshalb nach §138 BGB nichtiges Wuchergeschäft vor.
Der Widerspruch bzw. Rücktritt zu den Verträgen mit den Endziffern -06, -21, -75 und -27 sei verfristet.
Die Belehrung zum Vertrag H. (Endziffern -21) genüge den Anforderungen des § 5a VVG a.F. Dass "nur" der Erhalt des Versicherungsscheins als fristauslösendes Element benannt sei, sei unschädlich. Da der Versicherungsnehmer - unstreitig - alle Unterlagen erhalten habe, sei die Information, dass die Widerspruchsfrist mit Erhalt des Versicherungsscheines beginne, nicht falsch. Hilfsweise handle es sich um einen geringfügigen und daher im Ergebnis folgenlosen Belehrungsmangel.
Die Verträge mit den Endziffern -06, -75 und -27 seien im Antragsmodell geschlossen worden. Entgegen dem angefochtenen Urteil sei nicht unstreitig, dass die Garantiewerte bei Antragstellung noch nicht übergeben worden seien. Die Beklagte habe hierzu bereits mit Schriftsatz vom 09.05.2023 unter Beweisantritt vorgetragen. Die Klägerin habe die jeweiligen Vorschläge nicht zur Akte gereicht und sich nur darauf berufen, in den Vorschlägen seien "nicht verbindliche" Garantiewerte enthalten. Zudem würden Änderungen zwischen Antragstellung und Policierung nur in den Anwendungsbereich des § 5 VVG, nicht des § 5a VVG a.F., führen. Den Anforderungen des § 8 Abs. 5 VVG genügten die jeweiligen Belehrungen im Antragsformular.
Zudem stehe einem Vertragslösungsrecht der Verwirkungseinwand gemäß § 242 BGB entgegen. Dabei sei insbesondere zum Vertrag mit den Endziffern -20 (W.) zu berücksichtigen, dass die Zedentin eine Beitragsfreistellung beantragt und dann widerrufen habe; zum Vertrag mit der Endziffer -27 (R.) sei zu berücksichtigen, dass der Zedent eine Terminsverschiebung zum Ausgleich rückständiger Beiträge sowie eine Wiederaufnahme der Prämienzahlung beantragt habe. Überdies sei die Klägerin als gewerbliche Policenankäuferin nicht schutzwürdig.
Hilfsweise hat die Beklagte geltend gemacht, die Berechnung der Ansprüche sei unzutreffend. Zwar seien die Beträge für die gezogenen Nutzungen unstreitig; das Landgericht habe es aber fehlerhaft unterlassen, Teilauszahlungen in Abzug zu bringen (Vertrag -21: 238,29 EUR; Vertrag -27: 2.022,00 EUR; Vertrag -20: 1.816,71 EUR und 1.738,00 EUR).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LG Karlsruhe vom 10.11.2023 - 21 O 218/22 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ihre Aktivlegitimation werde von den Gerichten flächendeckend anerkannt. Dem stehe die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06.09.2023 (IV ZR 93/22) nicht entgegen.
In der Sache sei eine Belehrung wie diejenige zum Vertrag -21 (H.) zuletzt vom Bundesgerichtshof für unzureichend erachtet worden (Urteil vom 21.02.2024, IV ZR 297/22).
Die übrigen Verträge seien im Policenmodell geschlossen worden, weil die maßgeblichen Garantiewerte erst zusammen mit dem Versicherungsschein übersandt worden seien. Die im Vorschlag mitgeteilten Garantiewerte seien ausdrücklich für unverbindlich erklärt gewesen und damit auch nicht geeignet, einen Vertragsschluss im Antragsmodell zu begründen. Überdies seien die Belehrungen auch nicht hinreichend hervorgehoben.
Verwirkung sei nicht eingetreten, insbesondere auch nicht zu den Verträgen -20 (W.) und -27 (R.). Beim Vertrag -20 (W.) liege nicht die Konstellation vor, dass ein beitragsfrei gestellter Vertrag vorzeitig wieder in Kraft gesetzt wurde, vielmehr habe die Zedentin den Antrag auf Beitragsfreistellung schon vor dessen Umsetzung wieder zurückgenommen. Zum Vertrag -27 (R.) sei der Zedent nur einmal (Mai 2001) mit Prämienzahlungen in Rückstand geraten. Diese Rückstände seien aber ausgeglichen worden, ohne dass die Beklagte zuvor gekündigt oder eine Vertragsbeendigung angekündigt hätte.
Wegen der Höhe der Rückforderungen sei der Vortrag der Beklagte zu den Teilauszahlungen erstmals in der Berufungsbegründung erfolgt und deshalb verspätet.
II.
Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet. Die Klägerin ist aktivlegitimiert (unten 1.) Ein Rückabwicklungsanspruch steht ihr aber nur wegen des Vertrages mit den Endziffern -21 (H.) zu; wegen der übrigen Verträge ist die Klage unbegründet (unten 2.).
1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
a. Insoweit hat das Landgericht seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt, dass die Nichtigkeit einer Abtretung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot grundsätzlich von der Partei darzulegen und zu beweisen ist, die sich auf die Nichtigkeit beruft (BGH, Urteil vom 13.01.1983 - III ZR 88/81, juris Rn. 21 ff. m.w.N.). Dem kann die Beklagte nicht allein mit der Behauptung genügen, sie gehe davon aus, dass die Klägerin nicht endgültig Inhaberin der Forderungen geworden sei und deshalb eine Inkassodienstleistung vorliege. Auch im Falle der Qualifizierung als erlaubnispflichtige Inkassodienstleistung ist eine Abtretungsvereinbarung nicht wegen Verstoßes gegen § 3 RDG nach § 134 BGB nichtig, wenn die Klägerin zur Einziehung der Forderung aufgrund ihrer Registrierung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG berechtigt ist. Die Zulassung als Inkassodienstleister deckt auch die Vornahme von mit der Inkassotätigkeit notwendig verbundenen rechtlichen Prüfungen (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2019 - VIII ZR 285/18, juris Rn. 111 ff.). Auf dieser Grundlage hat der Senat bereits wiederholt die Aktivlegitimation der Klägerin in vergleichbaren Konstellationen bejaht (Senat, Urteil vom 07.04.2022 - 12 U 128/21, vorgelegt als Anlage K32; vgl. auch Urteile vom 03.09.2020 - 12 U 93/19 und vom 30.01.2024, 12 U 103/23; jeweils beiden Parteien bekannt, nicht veröffentlicht).
b. Die hiergegen in der Berufung aufrecht erhaltenen Rügen greifen nicht durch.
aa. Die Behauptung, die Klägerin habe die Abtretungsvereinbarungen zwischen ihr und der P. GmbH nur unvollständig vorgelegt, so dass die Beklagte nicht prüfen könne, ist unzutreffend. Auf die dahingehende Rüge der Beklagten in der Klageerwiderung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.01.2023 eingehend zu den Abtretungen vorgetragen und nicht nur die Vereinbarungen zwischen ihr und der P. GmbH vorgelegt (Anlage K41 und K42), sondern auch die Kauf- und Abtretungsvereinbarungen der P. GmbH mit den jeweiligen Versicherungsnehmern (Anlagen K36 bis K40). Inwiefern diese Unterlagen unvollständig sein sollten und die Beklagte dadurch gehindert wäre, ihre Einwände gegen die Wirksamkeit der Vereinbarungen vorzubringen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
bb. Die Abtretungsvereinbarungen sind auch nicht nach § 134 BGB in Verbindung mit § 3 RDG nichtig.
(1) Ein Verstoß gegen § 3 RDG liegt schon deshalb nicht vor, weil dessen Anwendungsbereich nicht eröffnet ist. Auf beiden Stufen handelt es sich nicht um erlaubnispflichtige Inkassodienstleistungen, sondern um Forderungskäufe.
Für die Abgrenzung des (echten) Forderungskaufs von der nach §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG erlaubnispflichtigen Inkassozession kommt es entscheidend darauf an, ob das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung dem Abtretenden zugute kommen soll. Maßgeblich ist insoweit, ob die Forderung einerseits endgültig, also ohne Möglichkeit der Rückbelastung, auf den Erwerber übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das Bonitätsrisiko, das heißt das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt (BGH, Urteil vom 21.03.2018 - VIII ZR 17/17, juris Rn. 25f.; Beschluss vom 11.06.2013 - II ZR 245/11, juris Rn. 3; Offermann-Burckart, in: Krenzler/Remmertz, RDG, 3. Aufl., § 2 Rn. 92-98).
Nach diesen Kriterien handelt es sich sowohl bei den Vereinbarungen zwischen den Versicherungsnehmern und der P. GmbH als auch bei deren Verträgen mit der Klägerin um echte Forderungskäufe. Alle Vereinbarungen enthalten die vollständige Übertragung aller Rechte aus dem jeweiligen Versicherungsvertrag. Die Möglichkeit einer Rückbelastung des jeweiligen Zedenten besteht nicht, vielmehr liegt das Eintreibungs- und Bonitätsrisiko jeweils beim Zessionar. Letzteres gilt insbesondere auch für die Vereinbarungen zwischen der P. GmbH und der Klägerin (Anlagen K41, K42). Dabei verkennt der Senat nicht, dass der darin fest vereinbarte Kaufpreisanteil von 100 EUR für eine Vielzahl von Verträgen marginal und der zweite, variable Kaufpreisanteil (70 % des jeweils durchgesetzten weiteren Anspruchs) vom Erfolg der Eintreibung abhängig ist. Mit dieser erfolgsabhängigen Vergütungsvereinbarung geht aber keine Rückbelastung des Zedenten einher, wenn nicht dieser, sondern der Zessionar die Eintreibungskosten trägt und damit das wirtschaftliche Risiko übernimmt. So liegt der Fall hier.
(2) Ungeachtet dessen geht der Einwand der Beklagten fehl, soweit sie geltend macht, die Klägerin und die P. GmbH dürften keine Rechtsdienstleistungen nach § 2 Abs. 1 RDG erbringen, weil sie nur über eine nach § 10 Abs. 3 RDG beschränkte Inkassoerlaubnis verfügten.
Dieser Einwand verkennt die Struktur der gesetzlichen Regelung. Inkassodienstleistungen sind nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG Rechtsdienstleistungen und damit nach § 3 RDG erlaubnispflichtig, unabhängig davon, ob die allgemeinen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 RDG vorliegen. Der spezielle Erlaubnistatbestand für die Erbringung von Inkassodienstleistungen findet sich in § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG, der insbesondere eine Registrierung bei der zuständigen Behörde verlangt (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2019 - VIII ZR 285/18, juris Rn. 40). Über eine solche Registrierung verfügen sowohl die Klägerin als auch die P. GmbH.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass eine Registrierung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG die Tätigkeit eines Inkassodienstleisters nicht insgesamt dem Verbot nach § 3 RDG entzieht, sondern die Grenzen der Befugnisse nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG einzuhalten sind (BGH, Urteil vom 27.11.2019 - VIII ZR 285/18, juris Rn. 42ff.). Zur Nichtigkeit nach § 134 BGB führt indes nicht jeder Verstoß, sondern nur eine erhebliche Überschreitung der von § 10 Abs. 1 RDG gezogenen Grenzen (BGH, Urteil vom 27.11.2019 - VIII ZR 285/18, juris Rn. 89ff.). Eine solche Grenzüberschreitung liegt grundsätzlich nicht in einer auf die Forderungseinziehung bezogenen rechtliche Beratung des Gläubigers, denn diese gehört zur erlaubten Inkassodienstleistung (BGH, Urteil vom 27.11.2019 - VIII ZR 285/18, juris Rn. 111ff.). Erst wenn der Inkassodienstleister über den Bereich der Forderungseinziehung hinausgeht, etwa indem er auch die Abwehr von Ansprüchen übernimmt, verlässt er den von § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG gezogenen Rahmen (BGH, Urteil vom 27.11.2019 - VIII ZR 285/18, juris Rn. 96). Dass dies hier der Fall gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Verweis der Beklagten darauf, dass die Erlaubnis der Klägerin und der P. GmbH nach § 10 Abs. 3 RDG eingeschränkt sei, liegt neben der Sache. Gemeint ist offenbar die Auflage, fremde Gelder unverzüglich an eine empfangsberechtigte Person weiterzuleiten oder auf ein gesondertes Konto einzuzahlen, die Inkassodienstleistern nach § 10 Abs. 3 Satz 2 RDG in der bis zum 30.09.2021 gültigen Fassung erteilt werden sollte und jetzt von Gesetzes wegen besteht (§ 13g RDG). Diese Einschränkung beschränkt nicht die Befugnis des Inkassodienstleisters zur Eintreibung der Forderung, sondern nur den Umgang mit dem fremden Geld nach Zahlung. Sie ist für den vorliegenden Fall deshalb jedenfalls so lange ohne Bedeutung, wie die Beklagte nicht an die Klägerin bezahlt hat.
cc. Die Abtretungen sind auch nicht als Wuchergeschäft wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig.
Ein wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein objektiv besonders grobes oder zumindest auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem ein weiterer Umstand hinzu tritt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Ein besonders grobes Missverhältnis lässt sich in der Regel annehmen, wenn der Wert der Leistung knapp beziehungsweise annähernd doppelt so hoch ist wie derjenige der Gegenleistung. Ein auffälliges Missverhältnis kann sich zudem im Zusammenspiel mit weiteren Umständen, wie beispielsweise nachteiligen Vertragsbedingungen, ergeben. Dabei ist nicht das subjektive Interesse der Vertragsparteien, sondern der objektive Wert der beiderseitigen Hauptleistungspflichten bei Vertragsschluss zu vergleichen (BGH, Beschluss vom 14.06.2017 - III ZR 487/16, juris Rn. 10).
Diese Voraussetzungen liegen bei den hier fraglichen Geschäften nicht vor. Zu Unrecht stellt die Beklagte im Verhältnis zwischen der Klägerin und der P. GmbH allein auf den festen Kaufpreis von 100 EUR ab. Es trifft zwar zu, dass dieser Betrag im Verhältnis zu den Summen, die die Klägerin einklagt, nur symbolischen Charakter hat. Er stellt aber nicht die alleinige Vergütung dar, sondern wird ergänzt um eine weitere Zahlung von 70 % aller durchgesetzten Forderungen (§ 2 der Verträge). Unter Berücksichtigung dieser überwiegenden, wenn auch erfolgsabhängigen Beteiligung der P. GmbH liegt kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Dass die in der Klausel verwendete Formulierung "Beteiligung an von der Dr. H. GmbH durchgesetzten weiterem [Anspruch]" auslegungsfähig und -bedürftig ist, ändert daran nichts.
Die Frage, ob, in welcher Höhe und auf welcher Grundlage auch die Versicherungsnehmer von der Durchsetzung von Forderungen durch die Klägerin profitieren, ist für die Bewertung der Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und der P. GmbH ohne Bedeutung. Die Klägerin hat weder direkt noch gegenüber der P. GmbH eine Zahlungsverpflichtung gegenüber den Versicherungsnehmern übernommen. In den Verträgen zwischen der P. GmbH und den Versicherungsnehmern (Anlagen K36 bis K40) ist unter § 3 als Kaufpreis das aktuelle Vertragsguthaben, bei Versicherungen der aktuelle Rückkaufswert, abzüglich eines einmaligen Bearbeitungsentgeltes bestimmt. Weshalb diese Vereinbarung sittenwidrig sein sollte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine zusätzliche, erfolgsabhängige Kaufpreiskomponente enthalten die Vereinbarungen nicht. Vor diesem Hintergrund ist es tatsächlich überraschend, dass die P. GmbH versichert hat, sie führe "jeweils die Hälfte des Betrages, der nach dem von der Dr. H. GmbH erklärten Widerspruch ausgezahlt wird", an die Zedenten ab (Anlage K50). Einer Klärung bedurfte dieser Umstand indes nicht: Mit zusätzlichen Zahlungen an die Zedenten lässt sich jedenfalls nicht begründen, dass diese in sittenwidriger Weise übervorteilt worden wären. Dasselbe gilt für die Frage, an welchem Betrag die hälftige Beteiligung der Versicherungsnehmer bemessen wird und ob etwaige Zahlungen an die Versicherungsnehmer wieder an die P. GmbH abzuführen wären.
2. Die Klägerin kann wegen des Vertrages mit den Endziffern -21 (H.) Rückabwicklung des Vertrages nach wirksamem Widerspruch verlangen, allerdings nur in Höhe von 6.610,11 EUR. (unten a.) Wegen der Verträge mit den Endziffern -06 (Ha.), -75 (He.) und -27 (R.) stehen ihr dagegen keine Ansprüche zu, weil diese im Antragsmodell geschlossen und die Rücktrittsbelehrungen wirksam waren (unten b.). Auch wegen des Vertrages mit den Endziffern -20 (W.) steht der Klägerin kein Anspruch zu, weil der Widerspruch wegen Verstoßes gegen § 242 BGB unwirksam war (unten c.).
a. Der Widerspruch gegen den Abschluss des Vertrages mit den Endziffern -21 (H.) war wirksam. Der daraus folgende Rückerstattungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB ist aber um eine Teilauszahlung von 238,29 EUR zu reduzieren.
aa. Bei unstreitigem Vertragsschluss im Policenmodell ist insoweit § 5a VVG in der Fassung vom 13.07.2001 (im Folgenden: § 5a VVG 2001) maßgeblich. Diese Vorschrift machte den Lauf der Widerspruchsfrist von einer Belehrung abhängig, die den Versicherungsnehmer in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer informieren musste (§ 5a Abs. 2 Satz 1 VVG 2001). Da die Belehrung im Policenbegleitschreiben vom 07.12.2004 (Anlage K49) diesen Anforderungen nicht genügte, wurde die Frist nicht in Lauf gesetzt und war somit auch im Jahr 2022 nicht abgelaufen.
Die Belehrung lautet wie folgt:
Widerspruchsrecht
Wie Ihnen bereits auf Grund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb einer bestimmten Frist nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag uns gegenüber in Textform widersprechen. Genaue Angaben über Beginn und Ablauf der Frist enthält die Ziffer "Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?" in der beigefügten "Verbraucherinformation zu Ihrer Fondsgebundenen Rentenversicherung nach Tarif 1FLR60". Bitte beachten Sie hierzu, dass auf Grund einer Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) die Widerspruchsfrist ab dem 01.10.2004 von 14 auf 30 Tage verlängert wurde. Diese Regelung gilt selbstverständlich auch für Ihren Vertrag. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
Diese Belehrung ist deshalb unzureichend, weil der Fristbeginn allein an den Erhalt des Versicherungsscheins geknüpft wurde. Tatsächlich setzte der Fristbeginn nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG aber zusätzlich die Überlassung der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation nach § 10a VAG in der seinerzeit geltenden Fassung voraus (BGH, Urteil vom 21.02.2024 - IV ZR 297/22, juris Rn. 10; Senat vom 02.05.2023, 12 U 208/22, juris Rn. 37; st. Rspr.).
Etwas anderes kann im Einzelfall ausnahmsweise anzunehmen sein, wenn die Widerspruchsbelehrung - etwa unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Policenbegleitschreibens - dem Versicherungsnehmer noch ausreichend deutlich macht, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt (BGH, Urteil vom 21.02.2024 - IV ZR 297/22, juris Rn. 11). Das ist hier aber nicht der Fall. Die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation werden zwar unter den "Anlagen" am Ende des Policenbegleitschreibens aufgeführt. Die Gestaltung bietet dem Versicherungsnehmer aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass auch und gerade der Erhalt dieser Dokumente - und nicht auch der anderen Unterlagen, die als "Anlagen" aufgelistet sind - für den Fristbeginn maßgeblich ist.
Dass die Belehrung einen Verweis auf die Verbraucherinformation enthält, in der die Voraussetzungen für den Fristbeginn zutreffend beschrieben werden, ändert daran nichts. In der Widerspruchsbelehrung nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG 2001 war selbst auf den Fristbeginn und die Fristdauer hinzuweisen. Eine Bezugnahme auf eine inhaltlich zutreffende, ihrerseits aber nicht hervorgehobene Belehrung in den Verbraucherinformationen genügt nicht (Senat, Urteil vom 19.01.2016 - 12 U 116/15, juris Rn. 30).
bb. Der Belehrungsmangel ist nicht so geringfügig, dass er im Ergebnis folgenlos bliebe.
Das wäre nur dann der Fall, wenn dem Versicherungsnehmer durch die fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen würde, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben. In diesem Fall wäre es unverhältnismäßig, es ihm zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen (EuGH, Urteil vom 19.12.2019, Rust-Hackner u.a., C-355/18 u.a., juris Rn. 81f.). Unter diesen (engen) Voraussetzungen liegt ein geringfügiger Belehrungsfehler vor, der einer Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 242 BGB entgegensteht (BGH, Urteil vom 15.02.2023 - IV ZR 353/21, juris Rn. 14ff.; Urteil vom 15.03.2023 - IV ZR 40/21, juris Rn. 12).
Der Bundesgerichtshof hat jedoch klargestellt, dass eine Belehrung, die den Fristbeginn allein an den Erhalt des Versicherungsscheines anknüpft, nicht nur geringfügig fehlerhaft ist und es bei der Bewertung, ob ein Belehrungsmangel nach den oben genannten Maßstäben erheblich ist, nicht auf den tatsächlichen Erhalt der Unterlagen ankommt. Dieser Umstand ändert nichts an der inhaltlichen Fehlerhaftigkeit der Belehrung, sondern betrifft allein die Auswirkung derselben auf den konkreten Fall. Für die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung kommt es auf derartige Kausalitätsfragen nicht an (BGH, Urteil vom 21.02.2024 - IV ZR 297/22, juris Rn. 16).
Soweit der Senat zuvor entschieden hat, dass es um einen geringfügigen, im Ergebnis folgenlosen Belehrungsmangel handeln könne, wenn zwar der Fristbeginn - fehlerhaft - nur an den Erhalt des Versicherungsscheines angeknüpft wird, der Versicherungsnehmer aber tatsächlich alle maßgeblichen Unterlagen vollständig erhalten hat (Senat vom 02.05.2023, 12 U 208/22, juris Rn. 40), ist daran angesichts der Klarstellung durch den Bundesgerichtshof nicht mehr festzuhalten.
Demgegenüber verweist die Beklagte erfolglos darauf, dass die Rechtslage anders zu bewerten sein kann, wenn die Frist nicht an den Erhalt des Versicherungsscheines angeknüpft wird, sondern an den Erhalt des Policenbegleitschreibens, und in dem Schreiben - außerhalb der Widerspruchsbelehrung - gleichzeitig die fristauslösenden Unterlagen aufgeführt sind. Es ist zwar zutreffend, dass einem Versicherungsnehmer, der auf diese Weise informiert wurde, nicht die Möglichkeit genommen wurde, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen auszuüben wie bei zutreffender Belehrung (BGH, Urteil vom 17.01.2024 - IV ZR 19/23, juris Rn. 12-14; BGH, Beschluss vom 21.02.2024 - IV ZR 343/22, juris Rn. 11, 15). Diese Konstellation ist aber nicht gleichzusetzen mit einer Belehrung, in der - wie hier - als fristauslösenden Umstand allein auf den Erhalt des Versicherungsscheines verwiesen wird. Auch dies hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt (BGH, Urteil vom 17.01.2024 - IV ZR 19/23, juris Rn. 15).
Auch insoweit ändert der in der vorliegenden Belehrung enthaltene Verweis auf die Verbraucherinformation die rechtliche Bewertung nicht. Informationen in weiteren Unterlagen sind in ihrer rechtlichen Bedeutung nicht gleichzusetzen mit Mitteilungen, die sich in einem knapp gefassten Policenbegleitschreiben und somit im engen Zusammenhang zur Belehrung finden (vgl. BGH, Urteil vom 17.01.2024 - IV ZR 19/23, juris Rn. 14; BGH, Beschluss vom 21.02.2024 - IV ZR 343/22, juris Rn. 11). Auch insoweit gilt die Erwägung, dass der Zweck der Widerspruchsbelehrung konterkariert würde, wenn man es genügen lassen wollte, in der Belehrung wegen der Voraussetzungen des Widerspruchsrechts auf andere, nicht hervorgehobene und damit nicht ohne weiteres auffindbare Stellen in den Versicherungsunterlagen Bezug zu nehmen, die sich der Versicherungsnehmer erst zusammensuchen muss (vgl. Senat, Urteil vom 19.01.2016 - 12 U 116/15, juris Rn. 30).
cc. Die Ausübung des Widerspruchsrechts verstößt auch nicht gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der Versicherer bei einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat. Nur ausnahmsweise kann die Geltendmachung des Widerspruchsrechts gleichwohl Treu und Glauben widersprechen und damit unzulässig sein, wenn besonders gravierende Umstände des Einzelfalles vorliegen, die vom Tatrichter festzustellen sind (BGH, Urteil vom 19.07.2023 - IV ZR 268/21, juris Rn. 9).
Solche gravierenden Umstände sind zum Vertrag mit den Endziffern -21 (H.) weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Beklagte hat sich in erster Instanz nur darauf berufen, dass der Versicherungsnehmer eine Beitragsreduzierung und einen Fondswechsel durchgeführt habe. Diese Umstände gehören aber zur "normalen" Vertragsdurchführung (vgl. Senat, Urteil vom 03.03.2020 - 12 U 53/19, juris Rn. 9, 117), mit der die Einrede des § 242 BGB nicht begründet werden kann (Senat, Urteil vom 27.09.2019 - 12 U 78/18, juris Rn. 33). Dies gilt grundsätzlich auch bei langem Zeitablauf zwischen Kündigung und Ausübung eines Rücktritts- oder Widerspruchsrechts (BGH, Urteil vom 01.06.2016 - IV ZR 343/15, juris Rn. 3, 21; BGH, Urteil vom 27.01.2016 - IV ZR 488/14, juris Rn. 2, 15). Dass die Ansprüche an einen gewerblichen Policenankäufer abgetreten und von diesem durchgesetzt werden, ändert an der Bewertung nichts Grundsätzliches und begründet jedenfalls für sich genommen die Einrede des § 242 BGB nicht. All dies hat das Landgericht zutreffend erkannt und die Beklagte hat in der Berufung auch nicht mehr geltend gemacht, dass der Widerspruch zum Vertrag mit den Endziffern -21 (H.) gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen habe.
dd. Den Rückabwicklungsanspruch nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1; 818 Abs. 1 BGB hat das Landgericht offensichtlich anhand der Berechnung festgesetzt, die die Klägerin im Schriftsatz vom 06.06.2023 vorgelegt hat:
Summe der Prämien 57.963,60 EUR
Abzüglich Risikokosten Lebensversicherung - 987,05 EUR
Abzüglich BUZ-Beiträge - 8.611,20 EUR
Nutzungen aus Sparanteil 13.163,91 EUR
Abzüglich Rückzahlungen - 51.507,27 EUR
Abzüglich Kapitalertragssteuer - 3.008,32 EUR
Abzüglich Solidaritätszuschlag - 165,27 EUR
Summe 6.848,40 EUR
Zu Recht rügt die Beklagte allerdings, dass von der Zahlungssumme noch ein weiterer Betrag von 238,29 EUR abgezogen werden muss, der dem Versicherungsnehmer nach Ablauf der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zum 01.12.2020 ausbezahlt wurde. Die hiergegen vorgebrachte Verspätungsrüge greift nicht durch. Der Vortrag ist nicht neu, da die Beklagte die Auszahlung der weiteren 238,29 EUR schon in der Klageerwiderung vom 15.12.2022 vorgetragen und sie mit Anlage B10 belegt hat. Überdies hat das Landgericht die Zahlung im Tatbestand des angegriffenen Urteils aufgeführt und sie ist auch in der Berufung unstreitig und deshalb unabhängig von den Voraussetzungen der §§ 529, 531 ZPO zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 23.06.2008 - GSZ 1/08, juris Rn. 10; st. Rspr.).
Somit reduziert sich der Zahlungsbetrag auf 6.610,11 EUR (6.848,40 EUR - 238,29 EUR). Dieser Betrag ist - wie das Landgericht zutreffend und unangegriffen erkannt hat - nach §§ 288 Abs. 1, 291 BGB ab dem 15.06.2023 zu verzinsen.
b. Wegen der Verträge mit den Endziffern -06 (Ha.), -75 (He.) und -27 (R.) ist die Berufung begründet. Diese Verträge wurden im Antragsmodell geschlossen (unten aa.). Nachdem die Versicherungsnehmer in den Antragsformularen wirksam belehrt wurden (unten bb.), war die 14-tägige Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG in der Fassung vom 21.07.1994 längst abgelaufen, als der "Widerspruch" erklärt wurde.
aa. Die Verträge mit den Endziffern -06 (Ha.), -75 (He.) und -27 (R.) wurden im Antragsmodell geschlossen, weil den Versicherungsnehmern alle in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. genannten Unterlagen bereits bei Antragstellung übergeben wurden.
(1) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Versicherungsnehmer bereits bei Antragstellung jeweils einen "Vorschlag für Ihre Start-Ziel-Police" erhalten haben, der - nach dem Muster in Anlage K60 - in einer "Garantiewerttabelle" Angaben zum garantierten Rückkaufswert und zur garantierten beitragsfreien Versicherungssumme enthielt.
Die Beklagte hat hierzu in der Berufungsbegründung - unter Verweis auf ihren erstinstanzlichen Vortrag - ausgeführt, die Garantiewerte seien bereits vor Antragstellung in einem "Vorschlag" an die Versicherungsnehmer ausgehändigt worden. Die Klägerin ist dem nicht entgegen getreten. Sie hat - im Gegenteil - bestätigt, dass in einem "Vorschlag zum Antrag" Garantiewerte enthalten waren, hierzu auf die bereits in erster Instanz vorgelegte Anlage K60 verwiesen und ausgeführt, dieser Geschehensablauf sei unstreitig. Bei Anlage K60 handelt es sich um einen "Vorschlag für Ihre Start-Ziel-Police" vom 24.09.1999, der unter Ziffer 7 eine entsprechende Garantiewerttabelle enthält.
(2) Umstritten ist zwischen den Parteien lediglich, ob die Angaben in den Vertragsvorschlägen den Anforderungen des Abschnitts I Nr. 2 Buchst. d) der Anlage Teil D zum VAG a.F. genügten.
Insoweit macht die Klägerin geltend, die Angaben in den Vorschlägen seien unbeachtlich, weil sie ausdrücklich für unverbindlich erklärt worden seien. Daher hätten die Versicherungsnehmer die Informationen zu den maßgeblichen Garantiewerten - auf die es allein ankomme - erst mit dem Versicherungsschein erhalten. Damit wirft sie keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage auf, die im Ergebnis nicht in ihrem Sinne zu beantworten ist. Das hat der Senat zuletzt für eine vergleichbare Fallgestaltung mit ausführlicher Begründung entschieden (Urteil vom 21.03.2024, 12 U 23/23, juris Rn. 26ff.). Im Hinblick auf die im vorliegenden Verfahren vorgebrachten Rügen sind dabei folgende Erwägungen maßgeblich:
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird davon ausgehen, dass "Garantiewerte", die in einem Angebot als solche ausgewiesen sind, auch verbindlich sein sollen, wenn sie nicht ausnahmsweise als unverbindlich gekennzeichnet sind. Letzteres ist bei der Darstellung der Garantiewerte unter Ziffer 7 des Versicherungsvorschlags (Anlage K60) nicht der Fall - anders als bei der "Modellrechnung" zu den möglichen Auszahlungen unter Ziffer 6 (vgl. Senat, Urteil vom 21.03.2024, 12 U 23/23, juris Rn. 27).
Aus Ziffer 2 des Versicherungsvorschlags ergibt sich nichts anderes. Dort heißt es:
In Verbindung mit dem Antrag erhalten Sie die Verbraucherinformation und die für den Vertrag rechtlich verbindlichen Versicherungsbedingungen:
- Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Fondsgebundene Lebensversicherung nach Tarif 8FLG und 8FLGT, im folgenden AVB genannt
Dieser Vorschlag ergänzt die Verbraucherinformation. Dieser entnehmen Sie bitte weitere Informationen über die Start-Ziel-Police.
Nach Erhalt des Versicherungsscheins sind zudem die dort genannten Werte, Angaben und die dem Versicherungsschein beigefügten Anlagen rechtlich verbindlich.
Der Vorschlag gilt unter der Voraussetzung, daß die Versicherung zu den in diesem Vorschlag angegebenen Bedingungen angenommen werden kann.
Im letzten Satz wird der Vorschlag ausdrücklich für verbindlich erklärt ("Der Vorschlag gilt ..."). Dass die im Versicherungsschein genannten Werte und Angaben "zudem" verbindlich sein sollen (vorletzter Satz), ändert daran nichts. Dies verdeutlicht dem Versicherungsnehmer nur - zutreffend - dass es bei der Prüfung und Annahme des Angebots durch den Versicherer noch zu Änderungen oder Ergänzungen kommen kann (vgl. Senat, Urteil vom 21.03.2024, 12 U 23/23, juris Rn. 32).
Angesichts dessen wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht - wie die Klägerin im Schriftsatz vom 29.04.2024 geltend macht - davon ausgehen, die Beklagte habe im ersten Satz die Worte "rechtlich verbindlich" bewusst selektiv eingesetzt, und auch nicht den Umkehrschluss ziehen, die Verbraucherinformation sei folglich unverbindlich. Ungeachtet dessen kommt es für die hier zu entscheidende Frage nicht auf die Verbindlichkeit der Verbraucherinformation an, sondern auf die Verbindlichkeit der Garantiewerte, die im Vertragsvorschlag genannt sind.
Der Versicherungsschein kann das Verständnis des Antragsformulars nicht bestimmen, weil er diesem zeitlich nachfolgt. Ungeachtet dessen ergibt sich aus dem Versicherungsschein auch nicht der Erklärungsinhalt, den ihm die Klägerin beimisst. Insbesondere die Formulierung im Versicherungsschein, die Verbraucherinformationen würden "ergänzt und vervollständigt durch die Angabe der garantierten Rückkaufswerte und der garantierten beitragsfreien Versicherungssummen (...) in Anlage GW" signalisiert lediglich, dass es seit der Antragstellung Änderungen gegeben hat. Solche nachträglichen Änderungen waren auch dann möglich, wenn bereits bei Antragstellung verbindlichen Angaben gemacht wurden. Sie führen nicht in den Anwendungsbereich des § 5a VVG a.F., sondern sind nach § 5 VVG zu bewerten (vgl. Senat, Urteil vom 21.03.2024, 12 U 23/23, juris Rn. 33-35).
(3) Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht ausdrücklich als unstreitig festgestellt hat, bei diesen Verträgen seien die Anlagen GT (Garantierte Todesfallsummen) und GW (Garantierte Rückkaufswerte) erst mit dem Versicherungsschein übersandt worden.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Beklagte die erstinstanzlichen Feststellungen in der Berufung nicht ohne Weiteres rügen kann. Unrichtigkeiten des Tatbestandes - wozu auch gehört, dass streitiges Vorbringen zu Unrecht als unstreitig dargestellt wird - sind einer Korrektur über § 529 ZPO nicht zugänglich. Hierfür steht allein der gesetzliche Weg des § 320 ZPO offen. Wird ein Antrag nach § 320 ZPO auf Berichtigung des Tatbestands unterlassen, so muss wegen der Beweiskraft des Tatbestands von der Richtigkeit des dort wiedergegebenen Tatsachenvortrags ausgegangen werden (Senat, Urteil vom 20.02.2003 - 12 U 211/02, juris Rn. 21; Zöller-Heßler, ZPO, 35. Aufl. § 529 Rn. 6).
Die Bindungswirkung des Tatbestandes nach § 314 ZPO verwehrt es den Parteien jedoch nicht, in der Berufungsinstanz Vortrag zu ändern, fallen zu lassen oder unstreitig zu stellen (Wulf, in: BeckOK-ZPO, Stand: 01.03.2023, § 529 Rn. 6). Daher sind die erstinstanzlich festgestellten Tatsachen nach § 529 Abs. 1 ZPO zu überprüfen und das Berufungsgericht hat gegebenenfalls abweichende oder neue Feststellungen zu treffen, wenn der Parteivortrag dafür Anlass gibt (BGH, Urteil vom 10.06.2021 - III ZR 38/20, juris Rn. 19). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Parteien in der Berufungsinstanz übereinstimmende Tatsachen vortragen, die von den erstinstanzlichen Feststellungen abweichen. Unstreitiges Vorbringen ist - ungeachtet der Voraussetzungen der §§ 529, 531 ZPO - vom Berufungsgericht stets zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 23.06.2008 - GSZ 1/08, juris Rn. 10; st. Rspr.). So liegt der Fall hier.
(4) Aus den von der Klägerin angeführten Entscheidungen (BGH, Urteil vom 23.09.2015, IV ZR 179/14, juris Rn. 11; Senat, Urteil vom 17.08.2021,12 U 39/21, juris, Rn. 55-60) ergibt sich nichts anderes. Dort wurde - ggf. aufgrund anderen Parteivortrages - jeweils festgestellt, dass bei Antragstellung keine Garantiewerte übergeben wurden. Damit lag der zu entscheidende Sachverhalt anders als im vorliegenden Fall, bei dem bei Antragstellung Garantiewerte mitgeteilt, diese aber bei Policierung geändert wurden.
bb. Den Anforderungen des § 8 Abs. 5 VVG in der für alle Verträge maßgeblichen Fassung vom 21.07.1994 (im Folgenden: VVG 1994) genügten die jeweiligen Belehrungen.
(1) Die bei Antragstellung erteilten Belehrungen finden sich jeweils unter der Überschrift "Wichtige Hinweise", vor den Unterschriften, und waren wie folgt gestaltet:
- im Antrag der Zedentin Ha. (Vertrag -06) vom 27.09.1999 (Anlage B1):
olg_karlsruhe_20240618_12u20323_urteil_as1
- im Antrag der Zedentin He. (Vertrag -75) vom 22.04.1998 (Anlage B13):
olg_karlsruhe_20240618_12u20323_urteil_as2
- im Antrag des Zedenten R. (Vertrag -27) vom 14.10.1998 (Anlage B17):
olg_karlsruhe_20240618_12u20323_urteil_as3
(2) Damit genügten sie den formellen Anforderungen.
§ 8 Abs. 5 VVG 1994 stellte insoweit keine besonderen Voraussetzungen auf. Um dem gesetzlichen Zweck gerecht zu werden und dem Aufklärungsziel Rechnung zu tragen, musste die Belehrung aber darauf angelegt sein, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (BGH, Beschluss vom 17.05.2017 - IV ZR 501/15, juris Rn. 10; st. Rspr.).
Nach diesem Maßstab sind die Belehrungen hinreichend dadurch hervorgehoben, dass sie unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" vollständig in Fettdruck gehalten und zudem umrahmt sind. Sie fallen auch durch die Positionierung unmittelbar über der Unterschriftenzeile besonders in den Blick. Von dem Hinweis auf die Schlusserklärung, der sich ebenfalls unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" befindet, sind die Belehrungen durch die jeweils eigenständige Umrahmung deutlich abgesetzt. Dadurch ist noch hinreichend gewährleistet, dass die Rücktrittsbelehrung zur Kenntnis genommen wird (vgl. Senat, Urteil vom 21.03.2024 - 12 U 23/23, juris Rn. 50-52).
(3) Auch die inhaltlichen Anforderungen des § 8 Abs. 5 VVG 1994 sind eingehalten.
Eine Belehrung über die einzuhaltende Form war entbehrlich, weil vom Versicherer nicht verlangt werden konnte, die insoweit unklare gesetzliche Bestimmung des § 8 Abs. 5 VVG a.F. auszulegen (BGH, Urteil vom 29.06.2016 - IV ZR 24/14, Rn. 15). Vielmehr reichte es aus, wenn er sich bei der Formulierung der Belehrung am Gesetzestext orientierte (Senat, Urteil vom 15.08.2017 - 12 U 97/17, juris Rn. 66), was hier geschehen ist.
Aus den jüngsten Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich nichts anderes, wie der Senat wiederholt entschieden hat (zuletzt Senat, Urteil vom 21.03.2024 - 12 U 23/23, juris Rn. 54-61). Dem ist nichts hinzuzufügen, zumal die Klägerin keine inhaltlichen Rügen gegen die Belehrungen vorbringt.
d. Auch wegen des Vertrages mit den Endziffern -20 (W.) ist die Berufung erfolgreich.
aa. Bei diesem Vertrag ist von einem Abschluss im Policenmodell auszugehen, da die Beklagte die dahingehende Feststellung des Landgerichts nicht angegriffen hat. Eine wirksame Belehrung nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG in der für den Vertragsschluss maßgeblichen Fassung vom 13.07.2001 wurde der Versicherungsnehmerin nicht erteilt. Eine solche Belehrung behauptet die Beklagte schon nicht.
bb. Der Ausübung des Widerspruchsrechts steht aber § 242 BGB entgegen. Hinsichtlich des Vertrages mit den Endziffern -20 (W.) liegen besonders gravierende Umstände vor, aufgrund derer der Versicherer ausnahmsweise trotz unzureichender Belehrung auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, so dass die Ausübung des Widerspruchsrechts gegen Treu und Glauben verstößt.
Einen hinreichend gravierenden, vertrauensbegründenden Umstand kann es insbesondere darstellen, wenn der Versicherungsnehmer nach einer Beitragsfreistellung die prämienpflichtige Fortführung des Versicherungsvertrages beantragt (BGH, Beschluss vom 08.09.2021 - IV ZR 133/20, juris Rn. 18). So liegt der Fall hier. Die Zedentin hat mit Schreiben vom 26.08.2002 die Beitragsfreistellung beantragt (Anlage B27) und diesen Antrag mit Schreiben vom 24.09.2002 von sich aus widerrufen (Anlage B28). Dass die Beklagte den Antrag auf Beitragsfreistellung vor dem Widerruf noch nicht umgesetzt hatte, steht der Bewertung des Widerrufs als gravierendem Umstand nicht entgegen. Ob der Versicherer den Antrag schon zur Kenntnis genommen und bearbeitet hat, ist für den Versicherungsnehmer nicht ersichtlich und für die Bewertung auch nicht ausschlaggebend. Unabhängig davon, ob der Widerruf des Antrags auf Beitragsbefreiung den Vertrag (noch) in Kraft hält oder ihn (wieder) in Kraft setzt, kommt in ihm der erklärte Wille des Versicherungsnehmers zum Ausdruck, an dem Vertrag festzuhalten (Senat, Urteil vom 03.11.2022 - 12 U 199/21, beiden Parteien bekannt, nicht veröffentlicht).
Der Widerruf eines Antrags auf Beitragsfreistellung trägt in der gebotenen Gesamtwürdigung jedenfalls dann den Einwand des § 242 BGB, wenn er mit weiteren Umständen zusammentrifft, die zwar für sich genommen nicht gravierend sind, aber dennoch das Vertrauen in den Fortbestand des Vertrages begründen. Solche weiteren Umstände liegen hier in der Inanspruchnahme zweier von der Beklagten vertragsgemäß angebotener vorzeitiger Teilauszahlungen in Höhe von 1.816,71 EUR im Jahr 2012 und in Höhe von 1.738,00 EUR im Jahr 2017 (Anlagen B29 bis B32). Die Inanspruchnahme von Leistungen aus dem Versicherungsvertrag in Form von Teilauszahlungen setzt einen wirksamen Versicherungsvertrag voraus und erweckt bei dem Versicherer den Eindruck, der Versicherungsnehmer wolle an dem Vertrag festhalten. Teilauszahlungen können deshalb als weiterer vertrauensbildender Umstand berücksichtigt werden, auch wenn sie für sich genommen nicht ausreichen, um den Einwand des § 242 BGB zu begründen (OLG Brandenburg, Urteil vom 11.09.2019 - 11 U 198/18, juris Rn. 26-28; OLG Dresden, Beschluss vom 14.08.2019 - 4 U 1146/19, juris Rn. 7; Senat, Beschluss vom 22.12.2020 - 12 U 242/20, nicht veröffentlicht).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1; 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), bestand nicht. Insbesondere die rechtlichen Maßstäbe bei der Beurteilung, ob ein Belehrungsfehler in dem Sinne erheblich ist, dass er dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit nimmt, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, und die Anwendung dieser Maßstäbe auf die hier vorliegende Konstellation sind durch die genannten höchstrichterlichen Entscheidungen geklärt.