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  • 31.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234491

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 10.11.2022 – I-18 U 138/18

    1. Ein Titel auf Bucheinsicht ist grundsätzlich nach §§ 887f. ZPO zu vollstrecken; der Titel beinhaltet nicht (auch) das Recht des Handelsvertreters, Zutritt zu den Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmers zu erhalten.

    2. Der Antrag auf Bucheinsicht genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er den Umfang der begehrten Bucheinsicht genau bezeichnet und klarstellt, zu welchem Zweck (konkret) die Einsicht vorgenommen werden soll; dazu sind insbesondere die Provisionstatbestände und der betroffene Zeitraum zu benennen. Der Gegenstand der Bucheinsicht braucht nur abstrakt und nicht in allen möglichen Einzelheiten umschrieben zu werden (wie Staub/Emde, HGB, 6. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 290).

    3. Der Anspruch auf Bucheinsicht (§ 87c Abs. 4 HGB) erfordert, dass der Vertreter eine Sachlage darlegt und ggf. beweist, nach der für einen unbefangenen Dritten die Richtigkeit oder Vollständigkeit des Buchauszuges zweifelhaft ist (u.a. OLG Nürnberg, Beschl. v. 08.12.2010 – Az. 12 U 1242/10). Begründete Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit eines - zuletzt erteilten - Buchauszugs können sich auch daraus ergeben, dass zuvor unvollständige oder unrichtige Buchauszüge erteilt worden sind oder dass inhaltliche Abweichungen zwischen den vorherigen und dem zuletzt erteilten Buchauszug bestehen, wenn es dem Unternehmer nicht gelingt, die Unzulänglichkeit der früheren Buchauszüge bzw. verbleibende Divergenzen zum zuletzt erteilten Buchauszug nachvollziehbar zu erklären.

    4. Der Handelsvertreter kann den Unternehmer nicht auf Vornahme des Wahlrechts zwischen Gewährung persönlicher Einsicht und der Gewährung der Einsicht an vom Handelsvertreter bestimmter Wirtschaftsprüfer/vereidigter Buchprüfer in Anspruch nehmen, da keine Pflicht zur Ausübung des Wahlrechts besteht.


    Oberlandesgericht Hamm


    Tenor:
    Auf die Berufungen des Klägers vom 13.12.2018 und des Beklagten vom 13.12.2018 wird ‒ unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen ‒ das am 08.11.2018 verkündete Teilurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (Aktenzeichen 2 O 165/14) teilweise abgeändert.

    Der Beklagte wird ‒ unter Abweisung des Antrags im übrigen ‒ verurteilt, nach seiner Wahl entweder dem Kläger oder einem vom Kläger zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen Einsicht in die Geschäftsbücher, Urkunden, sonstigen Unterlagen bzw. Computer- und EDV-Systeme des Beklagten zur Überprüfung der Frage zu gewähren, ob der Buchauszug SG1 (überreicht mit Schriftsatz des Beklagten vom 26.05.2017) sämtliche Verträge enthält, die seitens des Klägers vom 01.01.2012 bis zum 30.04.2015 vermittelt, betreut und im Sinne des § 87 Abs. 3 Nr. 1 HGB angebahnt wurden.

    Der Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln im Sinne des § 890 ZPO (Klageantrag zu Ziffer 11.) bleibt abgewiesen.

    Hinsichtlich der Anträge des Klägers auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 94.651,98 € (Klageantrag zu Ziffer II.) und auf Ausgleichszahlung in Höhe von 61.500,00 € (Klageantrag zu Ziffer III.) sowie bezüglich des Widerklageantrags des Beklagten, gerichtet auf Zahlung von 95.609,31 €, wird das Urteil mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Dortmund zurückverwiesen.

    Die Kostenentscheidung ‒ einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens ‒ bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

    Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 € abwenden, soweit der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

    1
    GRÜNDE:

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    A.

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    Der Beklagte ist ein Versicherungsverein. Der Kläger war bis zum 31.03.2014 für den Beklagten als Versicherungsvertreter tätig. Die Parteien streiten um daraus resultierende Auskunfts- bzw. Einsichtsrechte und Zahlungsansprüche.

    4
    Der Kläger war ab dem 01.05.2010 für den Beklagten aufgrund eines Generalagenturvertrages vom 17.05.2010 tätig. Ab dem 01.07.2013 betätigte sich der Kläger für den Beklagten auf Grundlage eines zwischen den Parteien am 04.07.2013 geschlossenen Agenturvertrages. Beide Verträge enthielten die Erklärung, dass Tätigkeitsbeginn für die A Gruppe der 01.05.2010 war. Der Generalagenturvertrag sah für die Betreuung des selbstvermittelten und zugewiesenen Bestandes für die Zeit vom 01.05.2010 bis 31.12.2011 eine BBP (Bestandsbetreuungsprovision)/ANP(Provisionen aus dynamischen Anpassungen)-Garantie von monatlich 2.400,00 € vor. Der Agenturvertrag bestimmte eine BBP/ANP-Garantie des Klägers für die Betreuung des selbstvermittelten und zugewiesenen Bestandes für die Zeit vom 01.07.2013 bis 31.12.2014 in Höhe von 1.500,00 € pro Monat.

    5
    Des Weiteren ist in beiden Verträgen geregelt, dass der Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs die zwischen den Vermittlerverbänden und den Verbänden der Versicherungswirtschaft vereinbarten „Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs“ (GDV) zu Grunde gelegt werden.

    6
    Der Beklagte übersandte dem Kläger eine vorgedruckte Erklärung betreffend ein sog. „Saldenanerkenntnis“ zum 31.12.2011, die der Kläger ankreuzte und am 02.02.2012 unterschrieb. Wegen der Einzelheiten wird auf das vorgenannte Schreiben vom 02.02.2012 Bezug genommen (vgl. Anlage B1 zur Klageerwiderung vom 12.03.2014, Bl. 37 d.A.).

    7
    Das Vertragsverhältnis wurde durch ordentliche Kündigung des Beklagten vom 13.12.2013 zum 31.03.2014 beendet.

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    Der Kläger machte außergerichtlich einen Ausgleichsanspruch nach §§ 92 Abs. 2, 89b HGB gegen den Beklagten geltend, der von diesem zunächst in Höhe von 3.552,36 € und mit Schreiben vom 24.10.2014 in Höhe von 72,34 € berechnet wurde.

    9
    Mit der vorliegenden Klage vom 31.12.2013 hat der Kläger zunächst den Beklagten im Wege der Stufenklage auf Erteilung eines Buchauszugs in Anspruch genommen sowie sich daraus ergebende Ansprüche auf Provisionszahlung angekündigt.

    10
    Mit Schriftsatz vom 07.11.2014 hat der Kläger seine Klage um Auskunft zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs, hilfsweise Rechenschaft über die bereits erteilte Auskunft erweitert.

    11
    Mit Widerklage vom 11.06.2015 hat der Beklagte gegen den Kläger einen Provisionsrückzahlungsanspruch in Höhe von 95.609,31 € geltend gemacht. Insoweit hat er den Saldo des Hauptkontos Nr. Kto01, das er für den Kläger führte, zum 30.04.2015 mit 95.609,31 € zu dessen Lasten abgerechnet.

    12
    Mit am 25.06.2015 verkündetem Teilurteil hat das Landgericht Dortmund unter teilweiser Abweisung des klägerischen Antrags auf Erteilung eines Buchauszugs den Beklagten verurteilt, für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.04.2015 einen Buchauszug bezüglich im Tenor des vorgenannten Urteils bestimmter, im einzelnen angegebener Daten zu erteilen. Des Weiteren hat es die Klage bezüglich der weiteren Auskunfts- und Rechenschaftslegungsansprüche des Klägers abgewiesen.

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    Gegen das Urteil haben der Beklagte Berufung und der Kläger Anschlussberufung eingelegt. Dabei ging es den Parteien im Wesentlichen um für den Buchauszug für erforderlich bzw. für nicht erforderlich gehaltene Einzelangaben. Der Kläger wendete sich im Übrigen auch gegen die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Buchauszugs für die Zeit vor dem 01.01.2012 sowie die Abweisung der weiteren geltend gemachten Auskunfts- bzw. Rechenschaftslegungsansprüche.

    14
    Mit am 13.03.2017 verkündeten Urteil hat der Senat (Az. 18 U 106/15) ‒ unter Zurückweisung der Berufung und der Anschlussberufung im Übrigen ‒ das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und zwar im Hinblick auf einzelne begehrte Angaben im Buchauszug. Demnach ist der Buchauszug ‒ wie schon vom Landgericht angenommen ‒ auch auf das jeweilige Antragsdatum und das Geburtsdatum zu erstrecken; darüber hinaus auch auf Sondervereinbarungen zwischen dem Beklagten und den Versicherungsnehmern. Entgegen dem Urteil des Landgerichts sind im Buchauszug Informationen zu „Wertungssumme“, „Wertungsfaktor“, „Faktor bei Risikozusätzen“, „Höhe des selbst vermittelten Jahresbestandes bei der privaten Krankenversicherung“, „Höhe der von der gesetzlichen Krankenversicherung an den Beklagten gezahlten Vergütung“, „Zinsbindung Bausparverträge“ sowie „Konten“ und „Kontenfaktor“ nicht aufzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Senatsurteil vom 13.03.2017 verwiesen (Bl. 773 ff. d.A.).

    15
    Der Beklagte hat im Laufe dieses Rechtsstreits mehrere Buchauszüge erteilt. So hat er mit der Klageerwiderung einen ersten Buchauszug in digitaler Form eingereicht (CD-ROM in der Anlage zum Klageerwiderungsschriftsatz = Anlage K3 zum Schriftsatz des Klägers vom 14.07.2014). Mit Schriftsatz vom 16.06.2014 hat er eine nach eigenen Angaben „aggregierte Fassung“ des ersten Buchauszugs zur Verfügung gestellt (CD-ROM in der Anlage zum vorgenannten Schriftsatz = Anlage K4 zum Schriftsatz des Klägers vom 14.07.2014). Sodann hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 11.06.2015 einen überarbeiteten Buchauszug in Textform erteilt (blaues Sonderheft, Anlagen B9/B10). Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens vor dem Landgericht Dortmund überreichte der Beklagte mit Schriftsatz vom 11.09.2015 in der Anlage AG1 einen weiteren Buchauszug in Textform, den er in der dem Schriftsatz vom 24.02.2017 beigefügten Anlage AG1a um Lebens- und Unfallversicherungsverträge ergänzte (im Folgenden: Buchauszug AG1/AG1a). Zuletzt hat er nach dem Urteil des Senats vom 13.03.2017 mit Schriftsatz vom 26.05.2017 einen weiteren Buchauszug in der Anlage SG1 (im Folgenden: Buchauszug SG1) zur Verfügung gestellt (schwarzer Sonderordner). Gegenüber dem Buchauszug AG1/AG1a enthält der Buchauszug SG1 die nach dem Teilurteil des Senats vom 13.03.2017 zusätzlich zu erteilenden Einzelangaben, insbesondere zu etwaigen Prämien- und provisionsrelevanten Sondervereinbarungen mit Versicherungsnehmern.

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    Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Kläger auch den von ihm geltend gemachten Ausgleichsanspruch beziffert und ferner einen Schadensersatzanspruch wegen behaupteter „unzulässiger Bestandswegnahme“ geltend gemacht.

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    Der Kläger hat behauptet, die Angaben in dem Buchauszug SG1 seien weder richtig noch vollständig. Die Antragsdaten seien nicht lückenlos beauskunftet. Es fänden sich zum Teil ungenaue Angaben (Zeiträume) oder die Angaben seien unplausibel, so z.B. bei dem Datum „01.01.1995“. Teilweise fehle das Geburtsdatum (Versicherungsnehmerin B), Postleitzahlen seien unplausibel und bei 18 von 38 Fällen der Versicherungssparte „Rechtsschutz“ entspreche das Antragsdatum dem Vertragsbeginn, was nicht nachvollziehbar sei. Bei der Sparte „Reisekrankenversicherung“ fehlten Einträge in den Spalten „Adresse“ und „Geburtsdatum“.

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    Der Kläger hat weiterhin behauptet, im Umfang von 539.327,00 € sei ihm im Jahr 2013 sukzessive ab Februar bzw. im Juni Bestand entzogen worden. Dadurch sei ihm ein Schaden in Höhe von 94.651,89 € entstanden, ausgehend von einer Bestandausschöpfungsquote von 30 % und einem Provisionssatz von 58,5 %.

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    Zum Ausgleichsanspruch hat der Kläger behauptet, dieser errechne sich nach den Grundsätzen des GDV/BVK in der Sparte „Unfall“ mit einem Betrag von 12.000,00 € und zwar ausgehend von einem Versicherungsbestand von 300.000,00 € Jahresprämie, einem durchschnittlichen Provisionssatz der Branche von 8 %, einem Branchenfaktor von 50 % und einem Tätigkeitsfaktor 1. In der Sparte „Haftpflicht“ errechne sich ein Ausgleichsbetrag von 43.750,00 €, ausgehend von einer Jahresprämie von 500.000,00 €, einem durchschnittlichen Provisionssatz der Branche von 17,5 %, einem Branchenfaktor von 50 % und einem Tätigkeitsfaktor 1. In der Sparte „Kraftfahrzeugversicherung“ ergebe sich ein Ausgleichsbetrag von 3.500,00 €, ausgehend von einem Versicherungsbestand von 200.000,00 € jährlich, einem durchschnittlichen Provisionssatz der Branche von 7 %, einem Branchenfaktor von 25 % und einem Tätigkeitsfaktor 1.

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    Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt,

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    2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ‒ den Kläger ‒ die sich nach Erteilung und Auswertung des Buchauszugs ergebenden Provisionsforderungen nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Fälligkeit bzw. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

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    9. den Beklagten weiter zu verurteilen, nach seiner Wahl entweder ihm ‒ dem Kläger ‒ oder einem von ihm zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen Einsicht in die Geschäftsbücher, Urkunden, sonstigen Unterlagen bzw. Computer- und EDV-Systeme des Beklagten zu gewähren, welche die durch ihn ‒ den Kläger ‒ vermittelten, betreuten und im Sinne des § 87 Abs. 3 Nr. 1 HGB angebahnten Geschäfte betreffen, und zwar für den Abrechnungszeitraum vom 01.01.2012 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, soweit dies zur Feststellung der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Buchauszüge (zuletzt Anlage AG1 und Anlage AG1a bzw. Anlage SG1) erforderlich ist;

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    10. den Beklagten zu verurteilen, sich innerhalb einer vom Gericht zu bemessenden kurzen Stellungnahmefrist darüber zu äußern, ob die Bucheinsicht durch ihn oder einen von ihm zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen durchgeführt werden soll;

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    11. dem Beklagten die Rechtsfolgen aus § 890 Abs. 1 ZPO im Wege der Zustellung von Amts wegen anzudrohen;

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    12. auszusprechen, dass der Beklagte die Vornahme der Handlung gemäß Ziffer 9 zu dulden habe und den in Ziffer 9 benannten Personen ungehinderten Zutritt zu seinen Geschäftsräumen zu gewähren habe;

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    13. ihn bzw. den Wirtschaftsprüfer bzw. den vereidigten Buchsachverständigen zu ermächtigen, unter Hinzuziehung des Gerichtsvollziehers sämtliche Geschäftsräume des Schuldners zur Auffindung der für die Einsicht gemäß Ziffer 9 benötigten Unterlagen und Schriftstücke, einschließlich der in der EDV und den Datenbanken gespeicherten Daten zu durchsuchen;

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    II. den Beklagten ferner zu verurteilen, an ihn ‒ den Kläger ‒ Schadensersatz im Zusammenhang mit der Bestandswegnahme in Höhe von 94.651,89 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2013 bzw. neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2017 zu zahlen;

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    III. den Beklagten weiterhin zu verurteilen, an ihn ‒ den Kläger ‒ 61.500,00 € zu zahlen.

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    Der Beklagte hat beantragt,

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    die Klage abzuweisen.

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    Widerklagend hat er beantragt,

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    den Kläger zu verurteilen, an ihn ‒ den Beklagten ‒ einen Betrag in Höhe von 95.609,31 € nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.06.2015 zu zahlen.

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    Der Kläger hat beantragt,

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    die Widerklage abzuweisen.

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    Der Beklagte hat behauptet, die Reduzierung des Bestandes im Jahr 2013 im Umfang von 377.970,00 € sei auf Veranlassung des Klägers geschehen. Dieser sei an ihn herangetreten und habe darum gebeten, Bestände an andere Versicherungsvertreter abzugeben, um kürzer treten zu können und nicht mehr als 1.500,00 € Bestandspflegeprovision zu verdienen. Der Kläger selbst habe seinerzeit Listen angefertigt und Verträge gekennzeichnet, die hätten abgegeben werden sollen (vgl. Anlage SG2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 15.08.2017, Bl. 896 d.A.). Insofern sei auch ‒ das ist unstreitig ‒ der Generalagenturvertrag beendet und durch einen Agenturvertrag ersetzt worden. Damit korrespondierend habe die Bestandsgröße an den Bestand einer einfachen Agentur angepasst werden sollen. Darüber hinaus habe es im Umfang von 173.019,00 € sog. „natürliche Bestandsabgänge“ gegeben.

    44
    Zur Widerklage hat der Beklagte behauptet, den Abrechnungen ab Mai 2013 seien alle relevanten Zahlen und Kontenbewegungen zu entnehmen. Zur Nachbearbeitungsverpflichtung hat er zu acht Versicherungsverträgen, bei denen die Rückbelastung mehr als 100,00 € betragen habe, behauptet, eine Nachbearbeitung sei nicht erforderlich gewesen.

    45
    Der Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, der Antrag auf Gewährung von Bucheinsicht sei bereits unzulässig, da der Antrag nicht hinreichend bestimmt sei. Im Übrigen habe der Kläger in der Sache keine begründeten Zweifel im Sinne des § 87c Abs. 4 HGB dargelegt.

    46
    Der Anspruch auf Schadenersatz wegen angeblicher „Bestandswegnahme“ sei im Übrigen verjährt.

    47
    Die 2. Zivilkammer des Landgerichts hat mit dem am 08.11.2018 verkündetem Teilurteil den Beklagten verurteilt, dem Kläger Bucheinsicht für alle im Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 30.04.2015 vermittelten, betreuten und im Sinne des § 87 Abs. 3 Nr. 1 HGB angebahnten Geschäfte zu gewähren, soweit dies zur Feststellung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Buchauszüge erforderlich ist. Weiter hat sie den Beklagten verurteilt, sich innerhalb von drei Wochen ab Zustellung des Urteils dazu zu äußern, ob die Bucheinsicht durch den Kläger oder einen Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen durchgeführt werden soll. Im Übrigen hat es die Klage hinsichtlich der Anträge zu Ziffern 11., 12., 13., II. und III. abgewiesen. Die Widerklage wurde ebenfalls abgewiesen.

    48
    Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Bucheinsicht zu, weil begründete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der bereits überreichten Buchauszüge bestünden. Denn dafür reiche die Erteilung unvollständiger Buchauszüge. Der Beklagte habe im Verlauf des Prozesses dem Kläger mehrere unvollständige Buchauszüge erteilt; unstreitig habe er mehrfach Daten nicht in die ersten Buchauszüge aufgenommen, die er im weiteren Verlauf dem Kläger teilweise mitgeteilt habe. Eine Erfüllung des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszuges habe zumindest bis nach Rechtskraft des Senatsurteils vom 13.03.2017 nicht vorgelegen. Es brauche nicht entschieden zu werden, ob alle Angaben im zuletzt erteilten Buchauszug SG1 enthalten seien, denn die begründeten Zweifel ergäben sich bereits aus der Erteilung mehrerer unvollständiger Buchauszüge, die erst nach gerichtlicher Entscheidung ergänzt worden seien.

    49
    Die Anträge des Klägers auf Zugang zu den Geschäftsräumen und Durchsuchung der Geschäftsräume seien dagegen nicht gerechtfertigt. Die Androhung nach § 890 ZPO könne nicht erfolgen, weil es sich bei der Gewährung von Einsicht in die Geschäftsunterlagen um eine nicht vertretbare Handlung handele und es mithin nicht um ein Unterlassen oder eine Duldung des Beklagten gehe.

    50
    Ein Schadensersatzanspruch im Hinblick auf übertragenen Bestand aus § 280 Abs. 1 BGB stehe dem Kläger nicht zu. Er habe weder zum Grund noch zur Höhe eines solchen Ersatzanspruchs ausreichend vorgetragen. Hinsichtlich der Pflichtverletzung sei unklar, ob die Übertragung der Bestände mit oder ohne den Willen des Klägers erfolgt sei. Der Kläger sei darlegungs- und beweisbelastet für die Voraussetzung des Schadensersatzanspruches, mithin auch für die Pflichtverletzung des Beklagten. Gegen eine Pflichtverletzung spreche, dass der Kläger mit der Herabstufung vom Generalagenten zum Agenten durch Vertrag vom 04.07.2013 einverstanden gewesen sei. Im Übrigen sei der Anspruch auch zur Höhe nicht ausreichend begründet. Eine Bestandsausschöpfungsquote von 30 % habe der Kläger auch selbst nicht erzielt. Auch eine Provision von 58,5 % sei mit ihm nicht vereinbart gewesen. Schließlich habe er keinen Beweis für die bestrittene Behauptung angetreten, der Jahresbetrag sei mit 539.327,00 € zu beziffern.

    51
    Auch den Ausgleichsanspruch habe der Kläger nicht substantiiert dargetan; aus den überlassenen Unterlagen lasse sich seine Berechnung nicht ausreichend nachvollziehen. Der Kläger gehe bei seiner Berechnung ersichtlich von einem höheren Bestand aus als bei Kündigung vorhanden gewesen sei.

    52
    Die Widerklage hat das Landgericht ebenfalls für unbegründet gehalten. Bei einer Kontokorrentabrede sei das letzte Saldenanerkenntnis der Ausgangspunkt, so dass der Beklagte die Saldenänderungen ab dem 31.12.2011, dem Zeitpunkt des letzten Saldenanerkenntnis, hätte konkret darlegen müssen. Sofern er sich nicht auf ein Saldenanerkenntnis stütze, müsse er zu den Einzelforderungen vortragen. Dies sei nicht ansatzweise geschehen. Im Übrigen sei nicht ausreichend zur Entbehrlichkeit einer Nachbearbeitung vorgetragen worden.

    53
    Gegen das Urteil des Landgerichts wenden sich der Kläger und der Beklagte mit ihren wechselseitigen Berufungen.

    54
    Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Begehren teilweise, nämlich den Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln gem. § 890 ZPO sowie die Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Versicherungsvertreterausgleich, weiter und hält sein bisheriges Vorbringen dazu aufrecht.

    55
    Insbesondere rügt er, die Kammer sei im Rahmen der Zurückweisung seines Ordnungsmittelantrags zu Unrecht davon ausgegangen, die Gewährung von Bucheinsicht erfordere ein aktives Tun. Die Gewährung von Bucheinsicht sei vielmehr rein passiv.

    56
    Das Landgericht sei auch irrig davon ausgegangen, die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch seien nicht gegeben. Er habe die wesentlichen Umstände ausreichend dargelegt und unter Beweis gestellt. Zudem habe der Beklagte die Umbuchung eines Bestandes von 377.970,00 € eingeräumt. Im Übrigen sei der Betrag von 539.329,00 € auch durch die Anlagen StA6 und StA7 zum Schriftsatz vom 30.12.2016 (roter Sonderband) belegt.

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    Im Hinblick auf den Ausgleichsanspruch wendet der Kläger ein, dieser berechne sich je Versicherungssparte nach den „Grundsätzen der Versicherungswirtschaft“. Der Ausgleichsanspruch unter Zugrundelegung der Zahlen „nach Vertragsbruch“ belaufe sich ‒ gem. im Einzelnen dargelegter Berechnung ‒ auf 171.465,72 €, von denen 61.500,00 € rechtshängig seien. Ausgehend von den Zahlen „vor Vertragsbruch“ und einer Bestandsausschöpfungsquote von 11 %, die sich bei einem Vergleich des jeweiligen Endbestandes der Jahre 2011 und 2012 errechne, ergebe sich sogar ein um 233.331,93 € höherer Betrag und damit ein (weiterer) Schadensersatzanspruch, mit dem hilfsweise die Aufrechnung gegenüber der Widerklage erklärt werde.

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    Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Teilurteils,

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    1. dem Beklagten die Rechtsfolgen aus § 890 Abs. 1 ZPO im Wege der Zustellung von Amts wegen anzudrohen;

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    2. den Beklagte zu verurteilen, an ihn ‒ den Kläger ‒ Schadensersatz im Zusammenhang mit der Bestandswegnahme (539.327,00 € Endbestand JAB ab inklusive 2.13, vgl. Anlage StA6 und StA7) in Höhe von 94.651,89 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2013 bzw. neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2017 zu zahlen;

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    3. den Beklagten weiter zu verurteilen, an ihn ‒ den Kläger ‒ 61.500,00 € zu zahlen.

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    Der Beklagte beantragt,

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    die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

    67
    Des Weiteren beantragt er,

    68
    unter Abänderung des angefochtenen Teilurteils die Klage auch im Umfang der Verurteilung abzuweisen und auf die Widerklage hin den Kläger zu verurteilen, an ihn ‒ den Beklagten ‒ einen Betrag in Höhe von 95.609,31 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.06.2015 zu zahlen.

    69
    Der Kläger beantragt,

    70
    die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

    71
    Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Vorbingens, soweit das Landgericht den Antrag auf Androhung von Zwangsmitteln sowie die Ansprüche auf Schadensersatz und Ausgleich abgelehnt hat.

    72
    Im Übrigen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung gegen die Verurteilung zur Gewährung von Bucheinsicht und die Abweisung der Widerklage unter Aufrechterhaltung seines dazu erfolgten erstinstanzlichen Vorbringens. Insbesondere rügt er, das Landgericht habe verkannt, dass der Antrag auf Gewährung von Bucheinsicht eine unzulässige Klageerweiterung dargestellt habe. Der Kläger habe nach Abschluss der ersten Stufe und Übergang in die zweite Stufe keine Klageerweiterung auf der ersten Stufe mehr vornehmen können. Der Kläger habe aber den Antrag auf Gewährung von Bucheinsicht nach seinen eigenen Ausführungen „auf der Auskunftsstufe“ gestellt. Im Übrigen sei der Antrag wegen fehlender Bestimmtheit schon unzulässig gewesen. Er entspreche im Wesentlichen dem Gesetzeswortlaut, der aber für sich genommen nicht hinreichend bestimmt sei. Schließlich sei der Antrag auch unbegründet gewesen. Das Landgericht habe den Anspruch ohne nähere Prüfung bejaht; insbesondere habe sich das Landgericht nicht ‒ wie erforderlich ‒ mit dem Buchauszug inhaltlich auseinandergesetzt.

    73
    Auch die Abweisung der Widerklage sei rechtsfehlerhaft erfolgt. Das Landgericht habe die Wirkungen der Kontokorrentabrede verkannt. Die Forderung des Landgerichts, der Beklagte müsse seit dem letzten Saldenanerkenntnis zu jeder Einzelbuchung vortragen, sei falsch. Wäre die Auffassung des Landgerichts zutreffend, hätte es überhaupt nicht im Wege des Teilurteils über die Widerklage entscheiden dürfen, weil dann die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nicht zu vermeiden sei. Schließlich träfe es nicht zu, dass nicht ausreichend zur Entbehrlichkeit der Nacharbeit vorgetragen worden sei.

    74
    Der Kläger verteidigt unter Aufrechterhaltung seines entsprechenden erstinstanzlichen Vorbringens das erstinstanzliche Urteil, soweit das Landgericht der Klage auf Bucheinsicht stattgegeben und die Widerklage abgewiesen hat. Der Antrag auf Bucheinsicht sei zulässig gewesen, denn er habe sich noch nicht auf der Zahlungsstufe befunden. Der Antrag sei auch hinreichend bestimmt gewesen. Er habe auch zu den begründeten Zweifeln umfassend vorgetragen, insbesondere zu der sukzessiven Erteilung von „Buchauszügen“. Des Weiteren wendet der Kläger gegen den Buchauszug SG1 ein, dass in bestimmten Spalten bewusst Eurobeträge aufgeführt worden seien, die dort nicht hingehörten, und es sich insoweit nicht um einen bloßen Formatierungsfehler handle. Außerdem lägen offensichtliche Fehler vor, soweit Datenfelder mit „nicht bekannt“ gekennzeichnet seien. Des Weiteren rügt der Kläger unter Bezugnahme auf die Anlage StA7 das Fehlen von insgesamt 561 Verträgen aus verschiedenen Sparten in dem Buchauszug SG1. Aus der Anlage StA7 ergäben sich 462 Unfallversicherungsverträge, von denen aber lediglich 152 beauskunftet worden seien. Ferner seien lediglich 21 Verträge nach dem Altersvermögensvorsorgegesetz (AVMG) beauskunftet worden, es habe allerdings 252 AVMG-Produkte gegeben. Ferner gehe es um 349 Sach-/Haftpflicht-Versicherungsverträge (ohne die Bereiche Kfz, Rechtsschutz und Reise), von denen nur 329 beauskunftet worden seien. Zudem sei die von dem Beklagten mit dem Schriftsatz vom 31.10.2020 eingereichte Anlage BB11 (Bl. 1693 ff. d.A.), die nach dem Vorbringen des Beklagten sämtliche mit dem Buchauszug SG1 beauskunftete Verträge enthalte, fehlerhaft, da dort Versicherungsverträge aufgeführt worden seien, die nicht in dem Buchauszug SG1 aufgenommen worden seien. Zur Untermauerung seines Vorbringens legt der Kläger mit Schriftsatz vom 19.11.2020 eine Liste vor (vgl. Bl. 1748 ff. d.A.) und behauptet dazu, aus der Liste ergebe sich, bei welchen in der Anlage BB11 aufgeführten Verträgen keine korrespondierenden Verträge in gleicher Zahl im Buchauszug SG1 vorhanden seien. Schließlich hat der Kläger ausgeführt, der Buchauszug SG1 enthalte keine Angaben zu den Versicherungsbeiträgen, so dass es unmöglich sei, Provisionen zu berechnen.

    75
    Das Landgericht habe die Widerklage zu Recht abgewiesen. Jedenfalls aber seien zunächst die vorbereitenden Stufen des Klägers abzuarbeiten, bevor auf der Leistungsstufe anhängige Ansprüche (Widerklage und Bestandsklage) beschieden werden könnten. Vorsorglich werde die Kontokorrenteinrede erhoben. Dass der Kläger die angeblichen Provisionsrückforderungen nicht schulde, werde sich nach Abschluss und Auswertung der Bucheinsicht ergeben.

    76
    Zu dem Vortrag der Parteien im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

    77
    B.

    78
    Die wechselseitigen und jeweils zulässigen Berufungen der Parteien haben im tenorierten Umfang Erfolg.

    79
    I.

    80
    Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg, soweit das Landgericht seine Klageanträge gerichtet auf Schadensersatz und Ausgleich nach § 89b HGB zurückgewiesen hat. Im Hinblick auf den Antrag nach § 890 ZPO hat die Berufung dagegen keinen Erfolg.

    81
    Im Einzelnen:

    82
    1.

    83
    Soweit sich der Kläger gegen die Abweisung seiner Ausgleichsforderung wendet, hat seine Berufung aus prozessualen Gesichtspunkten Erfolg. Denn das Landgericht hat über den geltend gemachten Ausgleichsanspruch im Sinne der §§ 92 Abs. 2, 89b HGB in unzulässiger Weise in der Sache im Wege des Teilurteils entschieden.

    84
    Es fehlt an der für den Erlass eines Teilurteils erforderlichen Unabhängigkeit von der Entscheidung des Reststreites und damit der Widerspruchsfreiheit in Bezug auf ein späteres Schlussurteil.

    85
    a.

    86
    Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darf auch bei der grundsätzlichen Teilbarkeit des Streitgegenstands ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ‒ auch in Folge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht ‒ ausgeschlossen ist.

    87
    Ein Teilurteil darf nicht erlassen werden, wenn die Gefahr besteht, dass sogar nur einzelne Urteilselemente, die weder in Rechtskraft erwachsen, noch das Gericht nach § 318 ZPO binden, im weiteren Verlauf des Verfahrens unterschiedlich beurteilt werden. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann (st. Rspr.: vgl. z.B. BGH, Urt. v. 26.04.1989 ‒ Az. IVb ZR 48/88, in: NJW 1989, 2821; Urt. v. 16.06.2010 ‒ Az. VII ZR 62/09, in: NJW-RR 2011, 189, Rn. 21; Urt. v. 11.05.2011 ‒ Az. VIII ZR 42/10, in: NJW 2011, 2736, Rn. 13, m.w.N.; Senat, Urt. v. 19.03.2009 ‒ Az. 18 U 137/08, Rn. 56 ff., zit. n. juris).

    88
    Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbstständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbstständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (vgl. BGH, Urt. v. 11.05.2011 ‒ Az. VIII ZR 42/10, in: NJW 2011, 2736, Rn. 14, m.w.N.).

    89
    In einem solchen Abhängigkeitsverhältnis stehen auch die Stufenklage, gerichtet auf ‒ nunmehr ‒ Bucheinsicht und Zahlung von Provisionen, sowie der Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB.

    90
    Der Ausgleichsanspruch ist die restliche, durch Provisionszahlungen bis zum Vertragsende noch nicht abgegoltene und von Billigkeitsaspekten beeinflusste Gegenleistung dafür, dass die durch den Handelsvertreter geschaffenen Kundenbeziehungen das Ende des Vertretervertrags überdauern (vgl. BGH, Urt. v. 16.06.2010 ‒ Az. VIII ZR 259/09, in: NJW 2010, 3226, Rn.15). Dementsprechend setzt die Feststellung eines Ausgleichsanspruchs eine dreischrittige Prüfung voraus. Als erstes muss festgestellt werden, inwieweit der Unternehmer aus den Geschäften mit den von dem Handels- bzw. Versicherungsvertreter geworbenen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht; als zweites muss geprüft werden, ob der im ersten Schritt errechnete Betrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der dem Vertreter entgangenen Provisionen, der Billigkeit entspricht und drittens muss der sich daraus ergebende Ausgleichsbetrag (sog. Rohertrag) mit der Höchstgrenze des § 89b Abs. 2 HGB abgeglichen werden (vgl. EUGH, Urt. v. 26.03.2009 ‒ C-348/07, in: EuZW 2009, 304, Rn. 19; Löwisch, in: EBJS, HGB 4. Aufl. 2020, § 89b, Rn. 101; Ströbl, in: MüKo, HGB, 5. Aufl. 2021, § 89b, Rn. 31)

    91
    Ausgangspunkt der von dem Handelsvertreter bzw. Versicherungsvertreter im Einzelnen darzulegenden Berechnung der Provisionsverluste sind seine Provisionseinnahmen, die er mit den Stammkunden im vorgenannten Sinne im letzten Vertragsjahr erzielt hat, sofern dieses keinen atypischen Verlauf genommen hat (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 21.07.2016 ‒ Az. I ZR 229/15, in: NJW 2017, 475, Rn. 50). Schon im Ausgangspunkt kommt es mithin für die Beurteilung des Ausgleichanspruchs auf die verdienten Provisionen an. Nichts anderes gilt für die Berechnung der sog. Kappungsgrenze, die sich gem. § 89b Abs. 2 HGB aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Vertreters erzielten Jahresprovision berechnet.

    92
    Ein Teilurteil über den von einem Versicherungsvertreter geltend gemachten Ausgleichsanspruch im Betragsverfahren ist daher wegen der Gefahr widersprechender Entscheidungen unzulässig, wenn der Vertreter darüber hinaus in demselben Rechtsstreit Provisionsansprüche geltend macht, das Gericht ‒ wie im Streitfall ‒ über die Provisionsansprüche aber noch nicht entschieden hat. Dies ergibt sich aus den vorliegend dargelegten Umständen, mithin daraus, dass jeder einzelne Provisionsposten regelmäßig auch für den Höchstbetrag des Vertreterausgleichs im Sinne des § 89b Abs. 2 HGB bedeutsam ist und zudem auch für die Höhe der fortdauernden Vorteile des Unternehmers (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB) wie auch für die Höhe der dem Vertreter verloren gehenden Provisionen und damit für den Umfang einer etwaigen Minderung des Ausgleichsanspruchs aus Billigkeitsgründen (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB) potenziell relevant sein kann (ebenso: OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.01.2011 ‒ Az. 12 U 744/10, Rn. 128, zit. n. juris).

    93
    Die Entscheidungen über den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Provisionen und seinen Anspruch auf Ausgleichszahlung sind mithin von denselben Vorfragen abhängig. Soweit die Höhe der von dem Kläger verdienten Provisionen auf der ersten Stufe seiner Klage einer Klärung unterzogen worden ist, kann die Höhe des keineswegs von vornherein ausgeschlossenen Ausgleichsanspruchs von dem Kläger ‒ ggf. unter Heranziehung einschlägiger Grundsätze der Versicherungswirtschaft (vgl. BGH, Urt. v. 08.05 2014 ‒ Az. VII ZR 282/12, in: NJW-RR 2014, 928 sowie Emde in: Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 89b, Rn. 735 ff.) ‒ dargelegt und von dem Gericht geprüft und ermittelt werden. Insofern kann im Wege des Teilurteils nicht gleichzeitig über den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB entschieden werden; vielmehr muss eine Entscheidung über den Ausgleichsanspruch dem Schlussurteil vorbehalten bleiben.

    94
    Da eine Entscheidung über den Ausgleichsanspruch mithin noch nicht zulässig ist, ist die entsprechende Entscheidung des Landgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung ist zweckmäßig, weil das Landgericht noch über die Zahlungsstufe der Stufenklage zu entscheiden hat, die dort noch anhängig ist. Im gleichen Zuge ist auf der Betragsstufe über Ausgleichsanspruch und Schadenersatzbegehren des Klägers sowie widerklagend geltend gemachte Provisionsrückzahlungsansprüche des Beklagten (siehe dazu im Folgenden und weiter unten) zu entscheiden.

    95
    2.

    96
    Die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Antrags auf Zahlung von Schadensersatz wegen entgangener Provisionen hat ebenfalls Erfolg, da das Landgericht auch über diesen Anspruch durch unzulässiges Teilurteil (§ 301 Abs. 1 ZPO) entschieden hat.

    97
    a.

    98
    Die voranstehenden Ausführungen zur „Verzahnung“ von Provisions- und Ausgleichszahlungsanspruch lassen sich auch auf das Verhältnis zwischen etwaigen Ansprüchen des Klägers auf Provisionszahlung und dem von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen vertragswidriger Bestandswegnahme übertragen. Denn ein etwaig dem Kläger zustehender Schadensersatzanspruch wegen teilweisen Entzugs des Kundenbestandes tritt an die Stelle des Provisionsanspruchs.

    99
    Gemäß § 87c Abs. 2 HGB kann der Handelsvertreter bei der Abrechnung der Provision einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 HGB Provision gebührt. Der Buchauszug soll den Handelsvertreter in die Lage versetzen, unter Vergleich mit seinen Unterlagen zu prüfen, ob die Provisionsabrechnung richtig und vollständig ist, und ihm somit eine Kontrolle aller provisionsrelevanten Vorgänge ermöglichen (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.1981 ‒ Az. I ZR 171/79, Rn. 11, zit. n. juris; Urt. v. 20.09.2006 ‒ Az VIII ZR 100/05, Rn 17, zit. n. juris). Nichts anderes gilt nach der Verweisungsvorschrift des § 92 Abs. 2 HGB für den Versicherungsvertreter.

    100
    Der Senat hält es grundsätzlich für denkbar, dass der Buchauszugsanspruch zur Vorstufe auch eines Schadensersatzanspruchs wegen entgangener Provisionen jedenfalls dann gemacht werden kann, wenn diese sich aus § 87c HGB ergebenden Ansprüche auf einer weiteren Stufe ‒ wie hier ‒ mit einem unbezifferten Provisionszahlungsanspruch verknüpft werden (vgl. Senat, Urt. v. 19.03.2009 ‒ Az. 18 U 137/08, Rn. 61, zit. n. juris; ebenso Emde in: Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 13; Löwisch, in: EBJS, HGB, 4. Aufl. 2020, § 87c, Rn. 5). Die im Buchauszug enthaltenen und gegebenenfalls durch Bucheinsicht zu verifizierenden Angaben dienen nach zutreffender Auslegung des klägerischen Klageziels mithin auch dem zulässigen Zweck, dem Kläger über die an Stelle von etwaigen Provisionsansprüchen tretenden Schadensersatzansprüche wegen entgangener Provisionen zu verschaffen.

    101
    Die nach Abschuss des Buchauszugsverfahrens auf erster Stufe gewonnenen Erkenntnisse können nicht ausschließbar Auswirkungen auf den Haftungsgrund und den Umfang einer ggf. eintretenden schadensersatzrechtlichen Einstandspflicht des Beklagten aufgrund einer vertragswidrigen Bestandswegnahme haben. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass der Buchauszug Umstände zu Tage fördert, die im Rahmen der dann gebotenen Gesamtbetrachtung Rückschlüsse auf die Richtigkeit des Vortrags des Beklagten, über eine einvernehmliche Bestandsübertragung hinaus hätten „natürliche Bestandsabgänge“ im Umfang von rund 173.000,00 € vorgelegen, zulassen könnten.

    102
    b.

    103
    Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers wegen vertragswidriger Bestandswegnahme scheidet auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verjährung von vornherein aus.

    104
    Selbst wenn ein solcher Anspruch bereits im Jahr 2013 entstanden wäre und es zur Zustellung des klageerweiternden Schriftsatzes erst am 08.02.2017 kam, so ist die Hemmungswirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. BGB durch die in § 167 ZPO angeordnete Rückwirkung bereits mit Einreichung des Klageerweiterungsschriftsatzes beim Landgericht am 30.12.2016 eingetreten, da die anschließende Zustellung noch „demnächst“ im Sinne der vorgenannten Vorschrift erfolgte.

    105
    Bei allein vom Zustellungsbetreiber verursachten Zustellungsverzögerungen ist eine Rückwirkung nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, erst dann ausgeschlossen, wenn die vorwerfbaren Umstände dazu geführt haben, dass die Zustellung sich gegenüber der normalen Dauer um mehr als 14 Tage, gemessen ab dem Ablauf der zu wahrenden Frist, verzögert hat (vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2004 ‒ Az. IX ZR 229/03, in: NJW 2005, 291; Urt. v. 10.02.2011 − Az. VII ZR 185/07, in: NJW 2011, 1227, Rn. 8; Urt. v. 25.09.2015 ‒ Az. V ZR 203/14, in: NJW 2016, 568, Rn. 9).

    106
    Solch eine schuldhafte Zustellungsverzögerung durch den Kläger liegt im Streitfall nicht vor. Nach Ausbleiben der Vorschussrechnung beantragte der Kläger bereits mit Schriftsatz vom 12.01.2017 Streitwertfestsetzung zur Berechnung des Kostenvorschusses und ersuchte unter Hinweis auf § 14 Nr. 3 lit. a. GKG um umgehende Zustellung des klageerweiternden Schriftsatzes. Die Zustellung wurde nach Einzahlung des dem Kläger berechneten Kostenvorschusses unter dem 01.02.2017 schließlich am 08.02.2017 bewirkt. Mit seiner Nachfrage und seinem Antrag nach § 14 GKG hat der Kläger nach anfänglichem Ausbleiben der Vorschussrechnung bereits das Erforderliche getan (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, 167, Rn. 15)

    107
    c.

    108
    Demnach ist eine Entscheidung über den Schadensersatzanspruch im Wege des Teilurteils ebenfalls noch nicht zulässig, so dass die Entscheidung des Landgerichts entsprechend den obigen Ausführungen auch insoweit aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist.

    109
    3.

    110
    Die Berufung des Klägers hat indes in der Sache keinen Erfolg, soweit sich er sich mit seinem Rechtsmittel gegen die Abweisung seines Antrag auf Androhung von Zwangsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO wendet.

    111
    a.

    112
    Seine Berufung ist zwar auch insoweit statthaft.

    113
    Anders als die nachträgliche Androhung von Ordnungsmitteln im Beschlusswege, die als Maßnahme der Zwangsvollstreckung anzusehen ist und allein dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde unterliegt, ist die in das Urteil aufgenommene Androhung keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern eine aus Zweckmäßigkeitsgründen in das Erkenntnisverfahren verlagerte Entscheidung, gegen die dieselben Rechtsmittel eröffnet sind wie gegen das Urteil im übrigen (vgl. BGH, Urt. v. 16.05.1991 ‒ Az. I ZR 218/89, in: NJW 1992, 749; Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich, Zwangsvollstreckung, § 890 ZPO, Rn. 74).

    114
    Dementsprechend muss auch dem Gläubiger ‒ hier dem Kläger ‒ gegen die Ablehnung seines Antrags auf Ordnungsmittelandrohung in einem erstinstanzlichen Urteil das Rechtsmittel der Berufung zustehen.

    115
    b.

    116
    Es fehlen indes die Voraussetzungen für ein Vorgehen im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 890 Abs. 1 ZPO. Die Vollstreckung eines Bucheinsichtstitels kann nach der vorgenannten Vorschrift nicht betrieben werden.

    117
    Die Androhung bringt den Willen zur zwangsweisen Durchsetzung der Unterlassungs- oder Duldungsverpflichtung zum Ausdruck. Diese kann auf Antrag des Gläubigers auch bereits im Urteil ausgesprochen werden (vgl. Seibel in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 890, Rn. 12; Stürner, in: BeckOK, ZPO, 46. Ed. 01.09.2022, § 890, Rn. 29).

    118
    Die Androhung der in § 890 Abs. 1 ZPO geregelten Rechtsfolgen setzt indes einen zu vollstreckenden Unterlassungs- oder Duldungstitel voraus (vgl. Seibel, a.a.O., Rn. 2; vgl. Gruber, in: MüKo, ZPO, 6. Aufl. 2020, § 890, Rn. 3). Ein Bucheinsichtstitel enthält diese Komponenten nicht.

    119
    aa.

    120
    Bei der Durchsetzung von Maßnahmen der Bucheinsicht sind Handlungen des Unternehmers erforderlich, die für die Durchführung Bucheinsicht wesentlich sind. Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter bzw. dessen Beauftragten die Unterlagen zugänglich zu machen. Damit das Einsichtsrecht effektiv genutzt werden kann, hat der Unternehmer die erforderlichen Unterlagen an einem für den Handelsvertreter oder seinen Beauftragten gut zugänglichen Ort bereitzustellen und gg. Einsicht in sein EDV-System zu gewähren. Im Zentrum der Betrachtung stehen damit Handlungen des Unternehmers. Soweit die Bucheinsicht auch Duldungskomponenten aufweisen mag (Duldung der Prüfung von Geschäftsunterlagen in den betreffenden Räumlichkeiten), handelt es sich um eine untergeordnete Komponente des Einsichtsvorgangs, die wertungsmäßig in Bezug auf die vorherigen aktiven Handlungen des Unternehmers zur Ermöglichung der Bucheinsicht (Bereitstellung der Unterlagen an einem bestimmten Ort) keine eigenständige Bedeutung erlangt.

    121
    Im Rahmen der zwangsweisen Durchsetzung eines Bucheinsichtstitels sind daher vertretbare und ggf. auch unvertretbare Handlungen nach §§ 887, 888 ZPO zu vollstrecken (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.07.2019 ‒ Az. 5 W 23/19, in: ZVertriebsR 2020, 51; Emde, in: Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 309; Löwisch, in: EBJS, HGB, 4. Aufl. 2020, § 87c, Rn. 122; Lehmann, in: BeckOK, HGB, 37. Edition, 15.07.2022, § 87c, Rn. 47). Wenn bspw. der Zugang zu den Prüfräumlichkeiten insgesamt versperrt wird und ggf. Schlösser zu brechen sind, geht es um vertretbare Handlungen, also Handlungen, die auch ein Dritter vornehmen könnte (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschl. vom 28.01.2002 ‒ Az. 5 W 2/2002, in: NJW-RR 2002, 823). Geht es um den genauen Aufbewahrungsort von seitens des Unternehmers zur Verfügung zu stellenden Unterlagen oder die Gewährung von Zugriff auf dessen EDV-System, kann nur der Unternehmer selbst die geforderten Handlungen vornehmen, da nur die für ihn tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die genauen Lagerorte der Unterlagen kennen und den Zugriff auf die EDV einrichten können, so dass insoweit unvertretbare Handlungen im Sinne des § 888 ZPO gegeben sind (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.). Soweit es auf die vorübergehende Überlassung der Geschäftsunterlagen im Geschäftslokal des Unternehmers ankommt, kann diese ggf. nach § 883 ZPO durchgesetzt werden (vgl. OLG Frankfurt a.M., a.a.O.).

    122
    bb.

    123
    Der Senat teilt die Auffassung, soweit es um den Zutritt des Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers zu den Geschäftsräumen gehe, liege eine zu duldende Handlung des Unternehmers vor, die nach § 890 ZPO vollstreckt werden könne (vgl. OLG Frankfurt a.M., a.a.O.; Hopt, HGB, 41. Aufl. 2022, § 87c, Rn. 28; Oetker, in: Busche, 7. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 34), nicht. Der auf Gewährung von Bucheinsicht gerichtete Titel beinhaltet nicht das Recht des Handelsvertreters, zu den Geschäftslokalen des Unternehmers Zutritt zu erhalten, sondern der Unternehmer ist befugt, die Unterlagen an einem anderen gut zugänglichen Ort bereitzuhalten (ebenso Emde in: Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 247; Fröhlich, in: Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, 2. Aufl. 2018, § 87c HGB, Rn. 96; offen lassend: OLG Stuttgart, a.a.O.). Wenn aber schon die in Rede stehende Duldungshandlung ‒ Duldung des Zutritts zu den Geschäftsräumen ‒ nicht Bestandteil des Einsichtsgewährungsanspruchs und -gewährungstitels ist, kommt eine Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO auch vor diesem Hintergrund nicht in Betracht.

    124
    cc.

    125
    Darüber hinaus geht es dem Kläger mit seinem Antrag auf Strafandrohung nicht um die Duldung des Zugangs bestimmter Personen zu den Geschäftsräumen des Beklagten, sondern um die Duldung der ihm in erster Instanz zuerkannten Bucheinsicht an sich, die ‒ wie oben dargestellt ‒ (vertretbare und unvertretbare) Ermöglichungs- und Mitwirkungshandlungen des Beklagten erfordert.

    126
    Der Senat hat in diesem Zusammenhang auch berücksichtigt, dass der Kläger am 17.12.2019 Maßnahmen zur Durchsetzung der ihm mit dem angefochtenen Teilurteil zuerkannten Bucheinsicht in der Lübecker Gebietsdirektion des Beklagten unternahm, wobei dieser zwei von dem Kläger beauftragten Wirtschaftsprüfern und einem der Prozessbevollmächtigten des Klägers keine Einsichtnahme gewährte. Hierbei ging es jedoch nicht darum, einer konkreten Person den Zugang zu verweigern, sondern der Beklagte verwehrte den vom Kläger beauftragten Personen generell die Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen und verwies diese aus diesem Grunde letztlich aus seinen Geschäftsräumlichkeiten.

    127
    Der Kläger ist demnach für dem Fall einer Vollstreckung des Einsichtstitels auf ein Vorgehen nach §§ 887, 888 ZPO zu verweisen.

    128
    II.

    129
    Die Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg, soweit er sich gegen die vom Landgericht in dem angefochtenen Urteil zugesprochene umfängliche Bucheinsicht wendet. Sie hat hinsichtlich der Widerklage ebenfalls Erfolg.

    130
    Im Einzelnen:

    131
    1.

    132
    Der Kläger kann von dem Beklagten lediglich insoweit gem. §§ 92 Abs. 2, 87c Abs. 4 HGB Bucheinsicht verlangen, als dass die Einsichtnahme zur Feststellung erforderlich ist, ob der Buchauszug SG1 sämtliche Verträge enthält, die seitens des Klägers vom 01.01.2012 bis zum 30.04.2015 vermittelt, betreut und im Sinne des § 87 Abs. 3 Nr. 1 HGB angebahnt wurden.

    133
    a.

    134
    Der Senat hegt keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung des Beklagten.

    135
    Das gilt auch im Hinblick auf den Wert der mit seiner Verurteilung hervorgerufenen Beschwer. Unabhängig von der Frage, ob die Werte der Beschwer von Klage und Widerklage zusammenzurechnen sind, übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes den in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genannten Betrag von 600,00 € bereits insoweit, als dass der Beklagte bezüglich der Klage teilweise unterlegen gewesen und zur Gewährung der Bucheinsicht verurteilt worden ist.

    136
    Für die Bemessung der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Bucheinsicht ist ‒ wie bei der Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszugs (vgl. BGH Beschl. v. 21.08.2014 ‒ Az. VII ZR 145/13, in: BeckRS 2014, 17434) ‒ auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert. Der Gesamtaufwand für die Vorbereitung und Begleitung der Bucheinsicht an Zeit und Kosten erfordert hier einen Aufwand von jedenfalls mehr als 600,00 €. Das folgt schon daraus, dass der Beklagte nicht nur zur Vorbereitung der Bucheinsicht Mitarbeiter abstellen muss, sondern auch während der voraussichtlich eine erhebliche Zeit in Anspruch nehmenden Einsichtnahme jedenfalls einen Mitarbeiter abzustellen haben wird, der als Ansprechpartner für die Prüfer zur Verfügung steht (vgl. das Schreiben des Wirtschaftsprüfers Rosenkranz vom 10.12.2019, Bl. 1365 d.A.).

    137
    b.

    138
    Der Berufungsangriffe des Beklagten gegen die Zulässigkeit des klägerischen Antrags auf Bucheinsicht gehen fehl. Der Antrag ist zulässig.

    139
    aa.

    140
    Der vom Kläger gestellte Antrag auf Bucheinsicht ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

    141
    (1)

    142
    Der Klageantrag bestimmt Art und Umfang des Rechtsschutzbegehrens. Er bindet das Gericht und bestimmt durch Erfolg oder Nichterfolg die Kostenfolge. Daher muss er, obwohl der Auslegung zugänglich, eindeutig sein. Grundsätzlich ist ein Klageantrag hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des (teilweisen) Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 253, Rn. 13, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).

    143
    Der Antrag auf Bucheinsicht muss daher zur Vermeidung der Unzulässigkeit den Umfang der begehrten Bucheinsicht genau bezeichnen und klarstellen, zu welchem Zweck (konkret) eingesehen werden soll; es sind insbesondere die Provisionstatbestände und der betroffene Zeitraum zu benennen. Der Gegenstand der Bucheinsicht braucht nur abstrakt und nicht in allen möglichen Einzelheiten umschrieben zu werden (vgl. vgl. Emde in: Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 290; Löwisch, in: IHR 2017, 1929).

    144
    Diesen Anforderungen wird der Antrag des Klägers gerecht. Er umschreibt die konkreten Provisionstatbestände, bestimmt den relevanten Zeitraum und benennt abstrakt den Gegenstand der Einsichtnahme. Zudem wird der Umfang der begehrten Einsicht („soweit …“) in genügender Form beschrieben.

    145
    bb.

    146
    Die Klage auf Bucheinsicht ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Auskunftsstufe nach Auffassung des Beklagten bereits „abgeschlossen“ sei und der Kläger mit seinem Begehren „auf eine vorherige Stufe der Stufenklage zurückgehe“.

    147
    Ein solches „Zurückgehen“ läge nur dann vor, wenn der Kläger nach der Gewährung von Bucheinsicht einen Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs geltend machen würde (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.08.2007 ‒ Az. 16 W 44/07, zit. n. juris).

    148
    Hier geht es indes um den umgekehrten Fall. Der Kläger macht nach seinem Verlangen auf Erteilung eines Buchauszugs ein Bucheinsichtsrecht geltend. Das ist gerade die Konstellation, die der Gesetzgeber mit der Schaffung des Bucheinsichtsrechts vor Augen hatte. Das Recht auf Bucheinsicht geht von seiner Konzeption her nämlich weiter als der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs. Es baut auf dem Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs auf (vgl. BGH, Urt. v. 31.01.1979 ‒ Az. I ZR 8/77 in: DB 1979, 1455). Die Bucheinsicht als im Vergleich zum Buchauszug weitergehendes Recht soll der Kontrolle der Abrechnung oder des Buchauszuges dienen und den Handels- und Versicherungsvertreter in die Lage versetzen, Gewissheit über die provisionspflichtigen Geschäfte zu erlangen (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.1959 ‒ Az. II ZR 192/57, in: BeckRS 2008, 24497; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.08.2007 ‒ Az. 16 W 44/07, in: NJOZ 2008, 525). In dieser Funktion ist die Bucheinsicht ein besonders gestalteter Hilfsanspruch (vgl. BGH, Urt. v. 16.05.1960 ‒ Az. VII ZR 206/59, in: NJW 1960, 1662). Sie soll dem Gläubiger schnell und unmittelbar Kenntnis von den der Auskunftspflicht unterliegenden Tatsachen verschaffen (vgl. BGH, Urt. v. 20.01.1971 ‒ Az. VIII ZR 251/69, in: NJW 1971, 656).

    149
    cc.

    150
    Der Senat hegt des Weiteren auch keine Bedenken daran, dass für das Bucheinsichtsbegehren des Klägers das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis besteht. Das mag zwar zunächst problematisch gewesen sein, da der Kläger mit dem rechtskräftigen Teilurteils des Senats vom 13.03.2017 einen Buchauszug erstritten hatte und aus diesem Titel zunächst nicht vollstreckte, sondern umgehend Bucheinsicht beantragte. Jedenfalls mit Einreichung des Buchauszuges SG1, dessen Richtigkeit und Vollständigkeit der Kläger anzweifelt, liegt das Rechtsschutzbedürfnis zweifellos vor.

    151
    c.

    152
    In der Sache hat der Kläger im tenorierten Umfang ein Recht zur Bucheinsicht aus §§ 92 Abs. 2, 87c Abs. 4 HGB. Soweit der Bucheinsichtsantrag des Klägers über den hier zugesprochenen Umfang hinausgeht, ist er ‒ entgegen der Auffassung des Landgerichts ‒ nicht begründet; insoweit ist die Berufung des Beklagten erfolgreich.

    153
    Im Einzelnen:

    154
    aa.

    155
    Die Voraussetzungen für die Bucheinsicht liegen vor, da sich begründete Zweifel an der Vollständigkeit des Buchauszugs SG1 im Hinblick darauf ergeben, ob dieser sämtliche Verträge enthält, die seitens des Klägers vom 01.01.2012 bis zum 30.04.2015 vermittelt, betreut und im Sinne des § 87 Abs. 3 Nr. 1 HGB angebahnt wurden. Weitergehende Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Buchauszug SG1 sind von dem Kläger hingegen nicht dargelegt worden.

    156
    (1)

    157
    Voraussetzung des Bucheinsichtsrechts nach § 87c Abs. 4 HGB sind „begründete Zweifel“ an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des erteilten Buchauszugs.

    158
    (a)

    159
    Ein Buchauszug ist dann unvollständig, wenn er nicht sämtliche oder falsche Angaben zu provisionsrelevanten Umständen enthält. In den einem Handelsvertreter zu erteilenden Buchauszug sind alle Angaben über die vermittelten Geschäfte und ihre Ausführung aufzunehmen, die nach der zwischen dem Handels- bzw. Versicherungsvertreter und dem Unternehmer getroffenen Provisionsvereinbarung für die Provision von Bedeutung sind (Provisionsrelevanz), nicht jedoch Tatsachen, die nicht die Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und seinen Kunden betreffen, sondern allein dem Vertragsverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Vertreter entspringen (vgl. BGH, Urt. v. 21.03.2001 ‒ Az. VIII ZR 149/99, in: NJW 2001, 2333).

    160
    Der Anspruch auf Bucheinsicht erfordert objektive, begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des Buchauszugs. Die bloße subjektive Meinung des Vertreters oder allgemeine Behauptungen oder Vermutungen ohne Anhalt, der Buchauszug sei unrichtig oder unvollständig, genügen hierfür nicht. Der Vertreter muss vielmehr eine Sachlage darlegen und ggf. beweisen, nach der für einen unbefangenen Dritten die Richtigkeit oder Vollständigkeit des Buchauszuges zweifelhaft ist (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 08.12.2010 ‒ Az. 12 U 1242/10, nicht veröffentlicht; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 25.09.2014 ‒ Az. 16 U 124/13, in: BeckRS 2015, 8272, Rn. 14; OLG München, Urt. v. 10.03.2021 ‒ Az. 7 U 1711/19, in: BeckRS 2021, 52184, Rn. 17; Emde in: Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 236; Ströbl, in: MüKo, HGB, 5. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 78).

    161
    Es genügt dabei das Bestehen von begründeten Zweifeln, die sich auf einen nicht ganz unerheblichen Punkt beziehen und Auswirkungen auf einen Zahlungsanspruch des Handelsvertreters haben können (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.02.2000 ‒ Az. 16 U 107/99, in: BeckRS 2000, 16658, Rn. 101; OLG Köln, Urt. v. 11.08.2000 ‒ Az. 19 U 84/00, in: BeckRS 2000, 30126514; OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Frankfurt a.M., a.a.O.; OLG München, a.a.O.; Hopt, HGB, 41. Aufl. 2022, § 87c, Rn. 25; Löwisch, in: EBJS, 4. Aufl. 2020, § 87c, Rn. 98; Thume in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, § 87c, Rn. 38).

    162
    (b)

    163
    Ausgangspunkt der Betrachtung ist hier für den Senat der Buchauszug SG1, den der Beklagte eingereicht hatte, nachdem er mit Senatsurteil vom 13.03.2017 rechtskräftig zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt worden war. An diesem Buchauszug müssen begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit bestehen.

    164
    Nach Auffassung des Senats führt dieser Gesichtspunkt aber nicht dazu, dass im Rahmen der Betrachtung die weiteren, zuvor von dem Beklagten erteilten Buchauszüge keine Rolle spielen würden. Sie sind im Rahmen der anzustellenden Bewertung vielmehr ebenfalls zu berücksichtigen. Begründete Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit eines zuletzt erteilten Buchauszugs können sich demnach auch aus dem Umstand ergeben, dass zuvor unvollständige oder unrichtige Buchauszüge erteilt wurden und diese Umstände Zweifel daran entstehen lassen, dass der Unternehmer seinerzeit einen vollständigen und richtigen Buchauszug erteilen wollte bzw. erteilt hat. Ebenfalls können begründete Zweifel anzunehmen sein, wenn inhaltliche Abweichungen zwischen den vorherigen und dem zuletzt erteilten Buchauszugs bestehen. Etwas anderes kann im Einzelfall dann gelten, wenn es dem Unternehmer gelingt, eine plausible Erklärung für die Fehlerhaftigkeit der älteren Buchauszüge bzw. die Divergenzen zu vorherigen Buchauszügen zu geben, und er Zweifel, der nunmehr erteilte Buchauszug sei ebenfalls fehlerbehaftet, ausräumen kann.

    165
    Für diesen vom Senat eingenommenen Standpunkt und gegen eine rein formale Betrachtung allein des aktuell erteilten Buchauszugs spricht, dass sich im Gesetz keine Stütze für eine Handhabung findet, nach der ein früheres Verhalten des Unternehmers und/oder zuvor erteilte Buchauszüge bei der Beurteilung nicht heranzuziehen sind. Nach dem Wortlaut des § 87c Abs. 4 HGB kommt es auf das Bestehen von begründeten Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des Buchauszugs an. Einschränkungen dahingehend, die Zweifel dürften allein aus dem zuletzt erteilten Buchauszug hergeleitet werden und nicht dem vorherigen Verhalten des Unternehmers, finden im Gesetzwortlaut keinen Anhalt. Dementsprechend wird auch vom Oberlandesgericht Nürnberg und diversen erstinstanzlichen Gerichten die zutreffende Ansicht vertreten, das gesamte Verhalten des Unternehmers und mithin auch frühere Buchauszüge nebst den Umständen ihrer Erteilung seien für die Beurteilung der Frage, ob Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des letztlich erteilten Buchauszugs bestehen, von Relevanz (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O., zustimmend für den Fall erheblicher Fehler mit Provisionsrelevanz: Emde, in: Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 238). Dem schließt sich der Senat an. Eine andere Sichtweise würde auch dem Gesetzeszweck zuwider laufen, dem Handels- oder Versicherungsvertreter bei jeden begründeten Zweifeln die Kontrolle zu ermöglichen, ob alle ihm zustehenden Provisionen und sonstigen Vergütungen lückenlos erfasst sind.

    166
    (2)

    167
    Dem Senat ergeben sich bei Betrachtung des Buchauszugs SG1 und der zuvor erteilten Buchauszüge begründete Zweifel an der Vollständigkeit des Buchauszugs SG1 bezüglich der Anzahl der beauskunfteten Verträge. Es ist mithin zweifelhaft, ob dieser Buchauszug sämtliche Verträge enthält, die seitens des Klägers vom 01.01.2012 bis zum 30.04.2015 vermittelt, betreut und angebahnt wurden.

    168
    (a)

    169
    Die Anzahl der beauskunfteten Verträge weicht zwischen den seitens des Beklagten erteilten Buchauszügen in erheblicher Weise ab.

    170
    Bezüglich des primär maßgeblichen Buchauszugs SG1, der weitgehend dem Buchauszug AG1/AG1a entspricht, gibt der Beklagte mit Schriftsatz vom 31.10.2020 unter Verweis auf die Anlage BB11 (Bl. 1693 ff. d.A.) die Anzahl der beauskunfteten Verträge ‒ von dem Kläger bestritten ‒ mit 1.851 an. Dagegen waren in den ersten beiden Buchauszügen, die der Beklagte im Jahr 2014 ebenfalls zum Zwecke der Erfüllung des klägerischen Buchhauszugsbegehren erteilte (Ausgangsfassung und „aggregierte Fassung“), erheblich weniger Verträge aufgeführt. So hat der Kläger mit Schriftsatz vom 07.11.2014 behauptet, es seien 1.547 Verträge beauskunftet worden. Dem ist der Beklagte nicht qualifiziert entgegengetreten. Die beauskunftete Vertragsanzahl ist von ihm ‒ obwohl er über die entsprechende Kenntnis verfügt haben muss ‒ nicht benannt worden. Mit Schriftsatz vom 11.12.2014 hat er lediglich erklärt, man könne die klägerische Behauptung wegen des enormen Umfangs nicht in zumutbarer Weise prüfen. Im ersten Buchauszug ‒ so der Beklagte weiter ‒ fänden sich 1.302 Einträge, wenn man die Versicherungs- und Risikonummern berücksichtige, und die „aggregierte Fassung“ weise 1.151 Einträge auf, wenn man auf die Versicherungs- und Risikonummern abstelle. Ob es sich bei diesen Zahlen um die beauskunftete Anzahl der Verträge handeln soll, bleibt unklar, kann aber dahinstehen. Denn selbst wenn es sich um die Gesamtzahl der Verträge handeln sollte, wäre die Differenz zu dem Buchauszug SG1 noch größer. In dem mit Schriftsatz des Beklagten vom 11.06.2015 gleichsam zum Zwecke der Erfüllung erteilten dritten Buchauszug (Anlagen B9/B10) finden sich insgesamt 1.837 Eintragungen in den Zeilen. Demnach müssen 14 Verträge weniger beauskunftet worden sein, als im Buchauszug SG1.

    171
    (b)

    172
    Eine nachvollziehbare Erklärung für die unterschiedliche Anzahl der beauskunfteten Verträge in den verschiedenen Buchauszügen hat der Beklagte nicht abgegeben. Er hat ‒ abgesehen von dem Buchauszug SG1 (siehe Anlage BB11) ‒ nicht einmal von sich aus die jeweilige Gesamtzahl der beauskunfteten Verträge transparent gemacht. Eine einleuchtende Erklärung für die Abweichung in der Anzahl der Verträge hat der Beklagte lediglich im Verhältnis der Buchauszüge AG1 und AG1a dargeboten, indem er im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens vor dem Landgericht mit Schriftsatz vom 24.02.2017 auf einen Druckfehler hingewiesen hat. Aufgrund einer falschen Definition des Druckbereichs seien Einträge zu Verträgen aus dem Bereich Lebens- und Unfallversicherung nicht ausgedruckt worden und hätten keinen Eingang in den Buchauszug AG1 gefunden, so dass dieser um die fehlenden Vertragseintragungen ergänzt worden sei (AG1a). Eine vergleichbar plausible Erklärung hat der Beklagte für die Divergenzen zwischen den ersten beiden Buchauszüge (Ausgangsfassung und „aggregierte Fassung“) mit rund 1.547 beauskunfteten Verträgen einerseits zu dem dritten Buchauszug mit 1.837 Eintragungen sowie dem zuletzt erteilten Buchauszug SG1 mit ‒ nach dem klägerseits bestrittenen Vortrag des Beklagten ‒ 1.851 beauskunfteten Verträgen andererseits, nicht gegeben.

    173
    (c)

    174
    Hinzu kommt, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 19.11.2020 zutreffend darauf hingewiesen hat, dass für die Versicherungsnehmerin C in der Anlage BB11 des Beklagten neun Verträge unter dem Stichwort „Kfz“ aufgeführt sind, aber in dem Buchauszug SG1 nur drei Kraftfahrzeugversicherungsverträge der vorgenannten Kundin Eingang gefunden haben.

    175
    Zwar hat sich für den Senat der weitere klägerische Vortrag, dieses „Phänomen“ trete auch bei weiteren Versicherungsnehmern auf (vgl. Aufstellung des Klägers auf Bl. 1748 ff. d.A.), nach Prüfung seines Einwands nicht bestätigt. Das ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass jedenfalls nach eigenem Vorbringen des Beklagten (Anlage BB11) eine zu geringe Anzahl an Versicherungsverträgen aus dem Bereich „Kfz“ für die Kundin C Eingang in den Buchauszug SG1 gefunden habe. Das nährt jedenfalls in Zusammenschau mit der aufgezeigten Problematik der divergierenden Vertragszahlen auch insoweit begründete Zweifel an der Vollständigkeit des Buchauszugs SG1 bezüglich der Anzahl der beauskunfteten Verträge.

    176
    (d)

    177
    Die Zweifel an der Vollständigkeit des Buchauszugs SG1 hinsichtlich der Frage, ob dort sämtliche im Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 30.04.2015 von dem Kläger vermittelte, betreute und angebahnte Verträge aufgeführt sind, sind von erheblichem Gewicht. Die Anzahl der Verträge wirkt sich unmittelbar auf eine dem Kläger ggf. noch zustehende Provision aus. In den Buchauszug müssen zwingend alle provisionspflichtigen Geschäfte mit ihrem wesentlichen Inhalt ohne Rücksicht auf den Stand ihrer Abwicklung aufgenommen werden (vgl. Emde, in: Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 173).

    178
    (3)

    179
    Weitergehende Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Buchauszugs SG1 hinsichtlich der darin enthaltenen Angaben zu den beauskunfteten Verträgen sind von dem Kläger nicht dargelegt worden.

    180
    Der Senat hat die Einwendungen des Klägers geprüft und hat keine Veranlassung anzunehmen, die beauskunfteten Daten seien unvollständig oder unrichtig.

    181
    Im Einzelnen:

    182
    (a)

    183
    Allein der Umstand an sich, dass von dem Beklagten nach und nach überarbeitete Buchauszüge vorgelegt worden sind, vermag insoweit keine Zweifel dahingehend begründen, der Buchauszug SG1 sei insgesamt unvollständig oder unrichtig.

    184
    Denn ‒ wie bereits oben ausgeführt ‒ kommt es darauf an, in welchen konkreten Punkten die vorhergehenden Buchauszüge ergänzt oder abgeändert worden sind und inwieweit hierfür eine plausible Erklärung auf der Hand liegt oder von dem Unternehmer abgegeben wird. Zudem können begründete Zweifel im Sinne des§ 87c Abs. 4 HGB nicht aus Flüchtigkeitsfehlern in zuvor erteilten Buchauszügen oder nebensächlichen Unrichtigkeiten und Unklarheiten hergeleitet werden, die der Unternehmer mit einem Folge-Buchauszug korrigiert. Auch eine zunächst abweichende Rechtsauffassung des Unternehmers über den Umfang eines Buchauszugs, die dann bei der Erteilung eines späteren Buchauszug aufgegeben wird, vermag ohne weiteres begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des späteren Buchauszugs nicht zu nähren.

    185
    Anders kann der Fall hingegen liegen, wenn der Unternehmer zuvor bewusst unvollständige, völlig ungeeignete oder unübersichtliche „Buchauszüge“ erteilt und nach objektiven Maßstäben der begründete Eindruck fortwirkt, der Unternehmer wolle dem Handelsvertreter eine Prüfung ihm ggf. zustehender Provisionen erheblich erschweren oder sogar unmöglich machen.

    186
    Solch eine Fallgestaltung liegt hier indes nicht vor. Zwar waren die ersten beiden im Jahr 2014 erteilten Buchauszüge des Beklagten (Ausgangsfassung und „aggregierte Fassung“) von der geforderten geordneten, systematischen und übersichtlichen Zusammenstellung (vgl. dazu Emde, in: Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 176) weit entfernt und damit untauglich. Auch der von dem Beklagten im Jahr 2015 erteilte Buchauszug in den Anlagen B9/B10 wies nach den Feststellungen des Senats in dem Teilurteil vom 13.03.2017 noch wesentliche Mängel auf und stellte mithin keine Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB dar. Diese Feststellung bezog sich allerdings bereits nur noch auf fehlende Einzelangaben. Im Übrigen entsprach dieser Buchauszug den grundlegenden Anforderungen an eine geordnete und übersichtliche Zusammenstellung. Das gilt auch für die schließlich erteilten Buchauszüge AG1/AG1a und SG1. Befürchtungen, der Beklagte habe dem Kläger eine Prüfung seiner Provisionsansprüche bewusst erschweren und schlechthin unmöglich machen wollen, mögen im Jahr 2014 noch gerechtfertigt sein. Sie waren aber spätestens mit Erteilung des Buchauszugs AG1/AG1a ab dem Jahr 2015 ausgeräumt, so dass heute aus dem bereits mehrere Jahre zurückliegendem Verhalten des Beklagten keine begründeten Zweifeln mehr dahingehend hergeleitet werden können, die in dem Buchauszug SG1 ausgewiesenen Angaben zu den beauskunfteten Verträgen seien nicht richtig oder unvollständig. Wie der Senat weiter oben bereits dargelegt hat, gilt allerdings etwas anderes, soweit es um den konkreten Aspekt der Anzahl der beauskunfteten Verträge geht.

    187
    (b)

    188
    Einen greifbaren Anhaltspunkt für die Fehlerhaftigkeit der in dem Buchauszug SG1 enthaltenen Angaben sieht der Senat auch nicht darin begründet, soweit bezüglich der Sparte „Reisekrankenversicherung“ bei den Versicherungsdaten Adresse und Geburtsdatum der jeweiligen Versicherungsnehmer fehlen. Sofern dort die Angaben „Antrag per Überweisung ohne Adresse“ und „Antrag per Überweisung ohne Geb.-Datum“ niedergelegt sind, lässt sich daraus keine Unvollständigkeit im Sinne des § 87c Abs. 4 HGB folgen. Denn Daten, die dem Unternehmer nicht bekannt sind, kann und braucht er nicht mitzuteilen. Der Buchauszug muss „nur“ Auskunft über diejenigen Umstände geben, die dem Unternehmer aus verfügbaren Unterlagen im Zeitpunkt der Ausstellung des Buchauszuges über die fraglichen Geschäfte bekannt sind (vgl. Senat, Urt. v. 17.08.2015 ‒ Az. 18 U 182/14, Rn. 88, zit. n. juris).

    189
    Entsprechendes gilt im Hinblick auf das fehlende Geburtsdatum der Kundin B (Kraftfahrzeugversicherung), bei der im Buchauszug SG1 „Geburtsdatum nicht bekannt“ niedergelegt ist. Soweit bei der vorgenannten Kundin zudem unter der Spalte Antragsdatum „zwischen 22.08.2012 (Versicherungsbestätigung für“ angegeben ist, reicht diese ggf. unvollständige Angabe mangels Erheblichkeit noch nicht aus, um einen Anspruch auf Bucheinsicht zu begründen. Mit diesen Angaben wird der gebotene Informationsgehalt, nämlich die erforderliche Identifizierung des Vertrages und die Beantwortung der Frage, ob der Kläger an dem Zustandekommen des Vertrages beteiligt war, nicht verfehlt. Ein Nachteil für die Provisionsberechnung kann ausgeschlossen werden. Nichts anderes gilt für die Beanstandung des Klägers, es seien „unplausible Postleitzahlen“ angegeben worden.

    190
    (c)

    191
    Auch der weitere Einwand des Klägers, bei 18 von 38 Rechtsschutzversicherungsverträgen entspreche das Antragsdatum dem Vertragsbeginn, reicht nicht aus, um Zweifel an der Richtigkeit der Angaben im Buchauszug SG1 zu begründen.

    192
    Zum einen ist grundsätzlich denkbar, dass Antragsdatum und Versicherungsbeginn zusammenfallen.

    193
    Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass sich Auswirkungen auf etwaige Provisionsansprüche des Klägers ergeben. Denn die ausweislich von dem Kläger beanstandeten Daten liegen zeitlich bis auf den Fall der Versicherungsnehmerin D deutlich vor dem 01.05.2010 und damit vor dem gemäß dem Generalagenturvertrag vom 17.05.2010, dort § 27, und dem Agenturvertrag vom 04.07.2013, dort § 28, zugrunde zu legenden Tätigkeitsbeginn des Klägers bei dem Beklagten. Zudem sind ‒ wie im Urteil des Senats vom 13.03.2017 bindend festgestellt ‒ aufgrund des „Saldenanerkenntnisses“ des Klägers vom 02.02.2012 nur Auskünfte für die Zeit ab dem 01.01.2012 geschuldet und auch nur für diesen Zeitraum kann es um ‒ noch nicht feststehende und in diesem Rechtsstreit verfolgte ‒ Provisionsansprüche gehen. Demzufolge kommt es auf Abschlussprovisionen aus der Zeit vor dem 01.01.2012 nicht an, so dass die Frage, ob der Kläger an den jeweiligen Vertragsabschlüssen vor dem 01.01.2012 beteiligt war, keine Provisionsrelevanz aufweist. Besteht aber keine Relevanz für Provisionsansprüche, besteht auch kein Informationsbedürfnis des Vertreters (vgl. dazu Senat, Urt. v. 14.05.2018 ‒ Az. 18 U 85/17, in: ZVertriebsR 2018, 375).

    194
    Auch die Angaben zu dem in den provisionsrelevanten Zeitraum fallenden Vertrag der Kundin D (Antrag und Vertragsbeginn am 08.03.2013) genügen nicht, um insoweit begründete Zweifel an der Richtigkeit des Buchauszuges SG1 anzunehmen. Es handelt sich um eine unwesentliche Information, die keine Auswirkungen auf etwaige Provisionsansprüche des Klägers hat.

    195
    (d)

    196
    Auch der Einwand des Klägers, es könne nicht zutreffend sein, dass ausgerechnet am „01.01.1995“ 15 Verträge beantragt worden seien, ist ihm nicht behilflich. Es fehlt wiederum an der Provisionsrelevanz. Denn auch wenn dieses Antragsdatum unplausibel sein mag, ist es für die möglichen Zahlungsansprüche des Klägers im Hinblick auf dessen Tätigkeitsbeginn zum 01.05.2010 und dem Saldenanerkenntnis vom 02.02.2012 ohne Bedeutung.

    197
    (e)

    198
    Auch die Beanstandung des Klägers, teilweise sei das Antragsdatum mit dem Zeichen „<“ beauskunftet worden, gereicht ihm nicht zum Vorteil.

    199
    Zum einen ergibt sich daraus nicht zwangsläufig eine Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der erteilten Information, wenn sich konkretere Angaben den Unterlagen des Beklagten nicht entnehmen lassen (s.o.).

    200
    Zum anderen liegen die Versicherungsdaten zwischen den Jahren 1960 und 1997 und damit vor dem Tätigkeitsbeginn des Klägers für den Beklagten, so dass das Antragsdatum für den Zahlungsanspruch des Klägers im Hinblick auf Abschlussprovisionen nicht relevant sein kann. Dass mit den angegebenen Informationen eine Identifizierung der Verträge nicht hinreichend möglich ist, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist es durchaus plausibel, dass bei Verträgen, die eine Laufzeit von mehreren Jahrzehnten aufweisen, Antragsunterlagen nicht mehr vorhanden sind, denen man das konkrete Antragsdatum entnehmen könnte.

    201
    (f)

    202
    Soweit der Kläger weiter beanstandet, im Rahmen eines Vertrages sei „Eingangsstempel 25.11.1999“ statt des konkreten Antragsdatums angegeben worden, begründet dies ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der in dem Buchauszug SG1 enthaltenen Angaben. Dass die in Rede stehende Angabe unrichtig ist, ist bereits nicht ersichtlich oder von dem Kläger vorgetragen worden. Sie ist auch nicht feststellbar unvollständig, sondern besagt aus objektiver Sicht eines verständigen Dritten, dass sich ein konkretes Antragsdatum nicht feststellen lässt, sondern nur der Eingang des Antrags.

    203
    Dieselben Erwägungen gelten für die Versicherungsverträge der E GmbH, soweit dort unter der Spalte „Antragsdatum“ in zwei Fällen das Datum des Eingangsstempels angegeben ist. Auch ist es plausibel, sofern für die GmbH kein „Geburtsdatum“ angegeben worden ist.

    204
    (g)

    205
    Begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des Buchauszugs SG1 lassen sich auch nicht daraus herleiten, dass in dem dem Gericht vorliegenden Exemplar des Buchauszugs bei der Sparte „Unfallversicherung“ zwischen den Seiten, die mit dem Versicherungsnehmer „F“ enden bzw. dem Kunden „G“ beginnen, die ersten zwei Spalten nicht mitausgedruckt worden sind. Insoweit handelt es sich um einen offensichtlichen drucktechnischen Fehler, der unstreitig nur bei dem dem Gericht zur Verfügung gestellten Exemplar des Buchauszugs gegeben ist. Auch nach erfolgter Einsicht in das gerichtliche Exemplar des Buchauszugs SG1 hat der Kläger keinen weiteren Aspekte vorgetragen, die die von ihm zunächst geäußerte Vermutung, der Beklagte habe dem Gericht und dem Kläger unterschiedliche Exemplare zur Verfügung gestellt, erhärten könnten.

    206
    (h)

    207
    Die weiteren Einwendung des Klägers, aus dem Buchauszug SG1 sei nicht ersichtlich, inwieweit eine „Umbuchung“ von Verträgen auf einen anderen Versicherungsvertreter erfolgt sei, ist unerheblich. Denn dabei handelt es sich um einen Umstand, der das Verhältnis zwischen Vertreter und Unternehmer betrifft. Der Buchauszug muss sich aber nur zu Umständen verhalten, die das Vertragsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und (Versicherungs-)Unternehmer betreffen, nicht dagegen zu Umständen, die das Verhältnis von Versicherungsvertreter und Unternehmer betreffen (vgl. BGH, Urt. v. 21.03.2001 ‒ Az. VIII ZR 149/99, Rn. 24, zit. n. juris; Senat, Urt. v. 13.03.2017 ‒ Az. 18 U 106/15, Rn. 142, zit. n. juris).

    208
    (i)

    209
    Zweifel an der Unrichtigkeit des Buchauszugs SG1 folgen des Weiteren auch nicht daraus, dass in der Spalte „Tarif“ zum Teil auf den ersten Blick keine Tarifangaben, sondern Eurobeträge angegeben sind.

    210
    Denn bei diesen in der Spalte 7e der Sparte „Sachversicherungen (Schaden, Transport, Haftpflicht einschließlich Ventilgeschäft)“ sowie (auch) der Spalte 7e der Auskunft „Ergänzung Lebensversicherung“ ‒ ebenso wie in der Spalte „PLZ“ der Sparte „Rechtschutz“ ‒ aufgeführten Eurobeträge handelt es sich nach den überzeugenden Darlegungen des Beklagten um offensichtliche Formatierungsfehler. Sein Vorbringen ist plausibel, denn es sind nicht durchgängig Eurobeträge angegeben, sondern nur dann, wenn mehrere Tarifnummern in einer Spalte aufgeführt sind, eine entsprechende Bezeichnung als vierstelliger Eurobetrag gerade nicht erfolgt ist. Aus der Übereinstimmung der angeblichen Eurobeträge mit den in den anderen Fällen angegebenen Tarifnummern zeigt sich zudem, dass es sich um die vierstelligen Tarifnummern handelt. Offensichtliche Schreib- und Formatierungsfehler sind nicht geeignet, hinreichende Zweifel an der Richtigkeit des Buchauszuges begründen.

    211
    (j)

    212
    Soweit der Kläger im Senatstermin vom 10.11.2022 behauptet hat, der Buchauszug SG1 lasse Angaben zu Versicherungsbeiträgen vermissen, so dass eine Berechnung der Provisionen nicht möglich sei, entbehrt dieser Einwand einer Tatsachengrundlage. In der Spalte 8 des Buchauszugs SG1 („Nettobeiträge“ und „Zahlweise“) sind die wiederkehrend („monatlich“, „jährlich“, etc.) zu zahlenden Versicherungsbeiträge durchweg niedergelegt. Bei Versicherungsprodukten, die eine Beitragsdynamik aufweisen, sind ebenfalls Angaben zu Zeitpunkt und Höhe der Beitragserhöhung niedergelegt.

    213
    bb.

    214
    Der Anspruch des Klägers auf Bucheinsicht ist nach den voranstehenden Ausführungen auf die Frage zu beschränken, ob der Buchauszug SG1 sämtliche Verträge enthält, die seitens des Klägers vom 01.01.2012 bis zum 30.04.2015 vermittelt, betreut und angebahnt wurden. Nur insoweit ergeben sich Zweifel an der Vollständigkeit des Buchauszugs SG1.

    215
    Im Ausgangspunkt erstreckt sich das Einsichtsrecht grundsätzlich auf die gesamten Geschäftsunterlagen des Unternehmers: Dem Einsichtsrecht unterliegen alle Bücher und Unterlagen, in denen Tatsachen festgehalten sein können, welche die von § 87c HGB erfassten Zahlungsansprüche des Vertreters aus dem Vertretervertrag betreffen können (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.07.1999 ‒ Az. 16 W 29/99, Rn. 5, zit. n. juris). Wie schon der Gesetzeswortlaut zeigt, besteht das Einsichtsrecht aber nicht uneingeschränkt (vgl. Ströbl, in: MüKo, HGB, 5. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 82). Der Anspruch reicht nur so weit, wie die Einsicht zur Feststellung der (Un-)Richtigkeit oder (Un-)Vollständigkeit der Abrechnungen oder des Buchauszuges erforderlich ist, also nicht ohne weiteres, sondern nur nötigenfalls in sämtliche Bücher (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.07.2019 ‒ Az. 5 W 23/19, in: ZVertriebsR 2020, 51; Hopt, HGB, 6. Aufl. 2019, § 87c, Rn. 25). Die Bucheinsicht ist damit durch ihren Kontrollzweck begrenzt. In den einzusehenden Geschäftsbüchern oder Unterlagen müssen sich damit Anhaltspunkte für die konkret zu treffenden Feststellungen ‒ hier die Frage, ob sämtliche von dem Kläger in dem hier in Rede stehenden Zeitraum vermittelten, betreuten und angebahnten Geschäfte in dem hier relevanten Buchauszugs SG1 enthalten sind ‒ finden lassen (vgl. Emde in: Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 244).

    216
    cc.

    217
    Soweit das Landgericht auf Antrag des Klägers in den Urteilstenor mitaufgenommen hat, der Beklagte müsse sich binnen drei Wochen dazu äußern, durch wen die Bucheinsicht durchgeführt werden soll, liegt ein Rechtsfehler vor.

    218
    Es handelt sich um eine Verurteilung zur Vornahme des dem Unternehmer zustehenden Wahlrechts. Eine Klage auf Vornahme des Wahlrechts zwischen persönlicher Einsicht des Versicherungsvertreters oder einer solchen durch Wirtschaftsprüfer oder Buchsachverständigen ist nicht statthaft sein, da keine Pflicht zur Ausübung des Wahlrechts besteht. Es muss außergerichtlich nach § 264 BGB vorgegangen werden (vgl. Emde in: Staub, HGB, 6. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 290; Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 264, Rn. 1; Krüger, in: MüKo, BGB, 9. Aufl. 2022, § 264, Rn. 1). Daher kann auch der Beklagte nicht dazu verurteilt werden, die Person des Einsichtnehmenden auszuwählen.

    219
    Zudem hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 07.12.2018 sein Wahlrecht zwischenzeitlich ausgeübt und erklärt, dass eine Bucheinsicht unmittelbar durch den Kläger nicht in Betracht komme.

    220
    2.

    221
    Die Berufung des Beklagten hat ebenfalls Erfolg, soweit er sich gegen die Abweisung seiner Widerklage wendet.

    222
    Der Senat braucht dabei nicht darüber befinden, ob die Widerklageabweisung in der Sache richtig war. Denn das Landgericht war noch nicht befugt, eine Sachentscheidung über die Widerklageforderung zu treffen. Insoweit liegt ein unzulässiges Teilurteil vor.

    223
    a.

    224
    Das Landgericht hat über die Widerklage durch Teilurteil endgültig entschieden. Das war nach den Ausführungen weiter oben nur dann zulässig, wenn die Widerklage unabhängig von der Klage zur Entscheidung reif war und die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen zwischen den widerklagend geforderten Provisionsrückforderungen und dem mit der Klage in der Leistungsstufe geltend gemachten Restprovisionsanspruch nicht besteht.

    225
    Das ist hier nach den bereits dargestellten Grundsätzen zur Gefahr einander widersprechender Entscheidungen bei dem Erlass von Teilurteilen nicht der Fall. Dabei gilt im Hinblick auf Klage und Widerklage der Grundsatz, dass ein Teilurteil über die Klage oder die Widerklage nur dann zulässig ist, wenn die Entscheidung unabhängig davon ist, wie das Schlussurteil über den noch anhängigen Teil des Rechtsstreits entscheidet, die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen im Teilurteil und im Schlussurteil also nicht besteht (vgl. BGH, Urt. v. 16.06.2010 ‒ Az. VIII ZR 62/09, in: NJW-RR 2011, 189; Urt. v. 18.07.2007 ‒ Az. VIII ZR 236/05, in: WM 2007, 1901, in: BeckRS 2007, 16936, Rn. 25, m.w.N.).

    226
    Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbstständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbstständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind. Das ist hier auch im Verhältnis der Klage zur Widerklage der Fall, weil der mit der Widerklage geltend gemachte Provisionsrückzahlungsanspruch des Beklagten und der auf der letzten Stufe der Widerklage verfolgte Anspruch des Klägers auf Zahlung weiterer Provision auf das gleiche Rechtsverhältnis gestützt sind (vgl. BGH, Urt. v.16.06.2010 ‒ Az. VIII ZR 62/09, in: NJW-RR 2011, 189, Rn. 22). Wie der Senat in anderer Sache bereits entscheiden hat, ist es daher geboten, die Rangordnung zwischen Auskunftsanspruch und Provisionszahlungsanspruch bei der Stufenklage auch im Verhältnis zwischen dem Auskunftsanspruch und dem damit verzahnten, vom Gegner des Auskunftsanspruchs geltend gemachten Provisionsrückzahlungsanspruch zu berücksichtigen (vgl. Senat, Teilurt. v. 10.02.2020 ‒ Az. 18 U 27/16, Rn. 69, zit. n. juris).

    227
    b.

    228
    Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen aufgrund der unterschiedlichen Beurteilung von sich stellenden gemeinsamen Vorfragen wäre vorliegend ausnahmsweise nur dann nicht gegeben, wenn Streitgegenstand allein ein Saldoanspruch des Beklagten aufgrund eines vorausgegangenen Anerkenntnisses des Klägers wäre, weil dann ein von den einzelnen Provisions- und Provisionsrückforderungen unabhängiger Anknüpfungspunkt gegeben wäre, der isoliert von den ursprünglich in dem dann anerkannten Saldo eingegangenen Einzelforderungen beurteilt werden könnte.

    229
    Das ist hier jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat den beklagtenseits im Rahmen der Widerklage geltend gemachten Saldo zu keinem Zeitpunkt anerkannt sondern in Abrede gestellt. Gleich ob hier ein Kontokorrent oder ein kontokorrentähnliches Verhältnis vorgelegen haben sollte, kommt es auf die gebuchten Einzelforderungen an. Denn derjenige, der aus einem Saldo vorgeht, hat bereits dann näher zu den von ihm vorgenommenen Belastungsbuchungen vorzutragen, wenn der Gegner den Saldo „global oder unter Angabe von Einzelheiten“ bestreitet (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.09.2017 ‒ Az. 15 U 7/17, Rn. 40, zit. n. juris; Senat, Beschl. v. 16.04.2018 ‒ Az. 18 W 7/18, Rn. 11, zit. n. juris). Es kommt daher im Einzelnen auf die von dem Beklagten vorgenommenen Belastungsbuchungen an. Damit besteht allerdings die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen zwischen der Entscheidung über die Widerklage und der Entscheidung über die Leistungsstufe der Stufenklage.

    230
    c.

    231
    Da demnach über die Widerklage erst gemeinsam mit den Anträgen auf der Leistungsstufe der Klage zu entscheiden ist, ist das erstinstanzliche Urteil insoweit aufzuheben und an die Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

    232
    Insoweit macht der Senat von der Möglichkeit der Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht nach § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO Gebrauch. Es ist eine einheitliche Entscheidung durch das Landgericht über die Leistungsstufe der Stufenklage nebst der ebenfalls rechtshängigen Ausgleichsklage einerseits und der Widerklage andererseits geboten.

    233
    III.

    234
    Die wechselseitig beantragten Schriftsatznachlässe waren nicht zu bewilligen, da in den jeweiligen Schriftsätzen vom 07.11.2022 (Beklagter) und 09.11.2022 (Kläger), hinsichtlich derer der Schriftsatznachlass beantragt wurde, kein neuer für diese Entscheidung relevanter Sachvortrag enthalten war.

    235
    IV.

    236
    Wegen des Grundsatzes einheitlicher Kostenentscheidung hat das Landgericht über die Kosten insgesamt ‒ einschließlich der Rechtsmittelkosten ‒ im Schlussurteil zu entscheiden (vgl. Jaspersen, in: BeckOK, ZPO, 46. Ed. 01.09.2022, § 97, Rn. 23).

    237
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bezüglich der Gewährung der Bucheinsicht beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

    238
    Der Senat lässt die Revision gegen dieses Urteil gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zu. Die über den vorliegenden Einzelfall hinaus bedeutsame Frage, ob begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit eines Buchauszuges im Sinne des 87c Abs. 4 HGB auch aus zuvor erteilten Buchauszügen hergeleitet werden können, ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Gleiches gilt für die Frage der „Verzahnung“ von Schadensersatzansprüchen des Handels- oder Versicherungsvertreters mit dessen Provisionsansprüchen sowie der Frage der Vollstreckung eines Bucheinsichtstitels nach § 890 ZPO.

    RechtsgebieteHGB, ZPOVorschriften§ 87 c HGB, §§ 887 f. ZPO