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  • 15.07.2022 · IWW-Abrufnummer 230270

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 23.06.2022 – 3 K 606/21 Erb

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Der Schenkungsteuerbescheid auf den 11.10.2017 vom 18.06.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.02.2021 wird dahingehend geändert, dass der Nießbrauch zugunsten der Schenkerin mit einem Wert in Höhe von 1.829.463 Euro erwerbsmindernd berücksichtigt wird.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

    Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 6,5 Prozent und der Beklagte zu 93,5 Prozent.

    Die Revision wird zugelassen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
     
    Tatbestand
    1

    Die Beteiligten streiten über die schenkungsteuerliche Behandlung der unentgeltlichen Übertragung eines Kapitallebensversicherungsvertrags sowie der Berücksichtigung eines Nießbrauchs.
    2

    Die am 00.00.1956 geborene Mutter des Klägers, Frau B. N., stellte am 12.06.2017 bei der C-Versicherung […] einen Antrag auf Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung im Tarif A. Als Versicherungsnehmerin war die Mutter des Klägers und als versicherte Person der am 00.00.1981 geborene Kläger angegeben. Der Versicherungsvertrag sollte eine Laufzeit von 49 Jahren haben. Der Vertrag sah eine einmalige Beitragszahlung zu Beginn der Vertragslaufzeit in Höhe von 2,5 Millionen Euro vor, die von der Mutter des Klägers am 28.06.2017 erbracht wurde. Im Erlebensfall gewährte die Versicherung wahlweise die Auszahlung einer lebenslangen Rente oder einer einmaligen Kapitalabfindung. Im Fall des Versterbens der versicherten Person vor dem vorgesehenen Ablaufdatum wurde eine Todesfallleistung fällig. Begünstigte der Versicherung sowohl im Erlebensfall als auch im Falle des Versterbens der versicherten Person war die Versicherungsnehmerin. Bis zum vorgesehenen Ablaufdatum konnte der Vertrag zu jeder Zeit ganz oder teilweise gekündigt werden, wobei in diesem Fall der entsprechende Rückkaufswert der Rentenversicherung an die Versicherungsnehmerin ausgezahlt werden sollte. Der Versicherungsschein zum Vertrag Nr. xxx wurde am 02.08.2017 ausgestellt.
    3

    Auf die Vertragsunterlagen, insbesondere die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen“ (Bl. 40 ff. der Gerichtsakte), wird im Übrigen Bezug genommen.
    4

    Mit privatschriftlicher Vereinbarung vom 11.10.2017 übertrug die Mutter des Klägers diesem den Kapitallebensversicherungsvertrag Nr. xxx unentgeltlich im Wege der Vertragsübernahme. Die Mutter des Klägers wird im Vertrag als „Alt-Versicherungsnehmer“ oder „Nießbraucher“ und der Kläger als „Neu-Versicherungsnehmer“ bezeichnet.
    5

    Die Übertragung sollte am Tag der Genehmigung der Vertragsübernahme durch die C-Versicherung wirksam werden, die die C-Versicherung noch am gleichen Tag mündlich erklärte. Ausweislich des Nachtrags zum Versicherungsschein vom 10.03.2021 (Bl. 160 der Gerichtsakte) ist der Kläger seit dem 11.10.2017 als Versicherungsnehmer eingetragen.
    6

    Nach der Präambel des Vertrags vom 11.10.2017 beabsichtigte die Mutter des Klägers, diesem „den Kapitallebensversicherungsvertrag unter Vorbehalt des Nießbrauchs an der Rückkaufsleistung“ zu übertragen.
    7

    § 4 des Vertrags ist mit „Schenkungsabrede, Nießbrauchsvorbehalt“ überschrieben und regelt in Absatz 2, dass sich die Mutter des Klägers „den Nießbrauch an der Rückkaufsleistung nach Maßgabe des § 5“ vorbehält.
    8

    Nach § 5 Abs. 1 des Vertrags können sowohl der Kläger als auch seine Mutter den Versicherungsvertrag ganz oder teilweise kündigen, ohne dass es der Zustimmung des jeweils anderen bedürfte.
    9

    § 5 Abs. 2 enthält für den Fall der als „Rückkauf“ bezeichneten Kündigung des Versicherungsvertrags folgende Regelung: „Im Falle des Rückkaufs, gleich durch wen er veranlasst ist, steht die Nutzung des vom Versicherer ausgezahlten Rückkaufswerts dem Nießbraucher zu. Der Nießbraucher zieht den Rückkaufswert ein und das eingezogene Geld geht in sein Eigentum über. Ihm stehen die Erträge aus der Anlage dieses Geldes zu. Der Nießbraucher ersetzt dem Neu-Versicherungsnehmer jedoch zum Ablaufdatum der Kapitallebensversicherung oder, falls der Nießbraucher vorher verstirbt, an seinem Todestag, den Nominalwert des Stichtags-Rückkaufswerts.“ In § 2 Abs. 2 des Vertrags ist der „Stichtags-Rückkaufswert“ als der Rückkaufswert des Kapitallebensversicherungsvertrags definiert, den dieser am Tag der Genehmigung der Vertragsübernahme durch die C-Versicherung, also am 11.10.2017, hatte.
    10

    Nach § 5 Abs. 6 endet der Nießbrauch, wenn das versicherte Ereignis eintritt oder das vereinbarte Ablaufdatum des Kapitallebensversicherungsvertrags erreicht ist.
    11

    Die C-Versicherung teilte den Gesamtwert in Vertragswährung auf den 11.10.2017 mit 2.460.093,12 Euro mit (Bl. 89 der Gerichtsakte).
    12

    In der vom Beklagten angeforderten Schenkungsteuererklärung gab der Kläger den Wert des Erwerbs mit 630.820 Euro an.
    13

    Vor Erlass des angefochtenen Bescheids erläuterte der Beklagte, dass der Nießbrauch zugunsten der Mutter des Klägers nicht erwerbsmindernd berücksichtigt werden könne. Aus den Regelungen in §§ 4 und 5 des Vertrags vom 11.10.2017 ergebe sich, dass der Nießbrauch nur aufschiebend bedingt auf einen tatsächlichen Rückkauf des Versicherungsvertrags vereinbart worden sei. Der Mutter des Klägers stünden nämlich nur für den Fall des Rückkaufs die Nutzungen des dann von dem Versicherer auszuzahlenden Rückkaufswerts zu. Aufschiebend bedingte Lasten seien nach § 12 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) erst mit Eintritt der Bedingung, hier also erst mit dem Rückkauf des Versicherungsvertrags, zu berücksichtigen.
    14

    Mit Schenkungsteuerbescheid auf den 11.10.2017 vom 18.06.2020 setzte der Beklagte Schenkungsteuer in Höhe von 391.400 Euro fest. Der Beklagte berücksichtigte den Wert des Erwerbs mit 2.460.093 Euro und zog den persönlichen Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro ab. Ein Nießbrauch zugunsten der Mutter des Klägers wurde nicht erwerbsmindernd angesetzt.
    15

    Den dagegen erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 05.02.2021 als unbegründet zurück.
    16

    Im Klageverfahren begehrt der Kläger primär die Aufhebung des Schenkungsteuerbescheids und hilfsweise die Berücksichtigung eines steuerpflichtigen Erwerbs in Höhe von 681.400 Euro bzw. von 630.600 Euro.
    17

    Den Hauptantrag begründet der Kläger damit, dass durch den Vertrag vom 11.10.2017 keine Entreicherung der Mutter des Klägers durch eine Vermögenshingabe und entsprechend keine Bereicherung des Klägers durch eine Vermögensmehrung eingetreten und somit der objektive Tatbestand einer schenkungsteuerlichen Zuwendung nicht erfüllt sei. Die Mutter des Klägers sei nach der vertraglichen Konzeption ‒ schuldrechtlich und wegen der Anzeige der Vertragsübernahme gegenüber der C-Versicherung auch dinglich ‒ unwiderruflich die alleinige Bezugsberechtigte der Kündigungsfallleistung, ohne dass der Kläger diese Bezugsberechtigung einseitig zu seinen Gunsten ändern könnte. Dies führe nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 19.06.1996 IV ZR 243/95) dazu, dass nicht nur die Kündigungsfallleistung, sondern die gesamte Versicherungsleistung der Mutter des Klägers zustehe. Dieses Ergebnis stehe auch im Einklang mit der Wertung des § 12 Abs. 4 BewG, nach dem noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen mit dem Rückkaufswert bewertet würden. Der Rückkaufswert sei dort definiert als der Betrag, den das Versicherungsunternehmen dem Versicherungsnehmer im Falle der vorzeitigen Aufhebung des Vertragsverhältnisses zu erstatten habe. Wenn aber ‒ wie hier ‒ gar nicht der Kläger als neuer Versicherungsnehmer derjenige sei, dem das Versicherungsunternehmen im Falle der vorzeitigen Aufhebung des Vertragsverhältnisses etwas zu erstatten habe, dann sei es nur konsequent, ihn auch als (noch) nicht bereichert anzusehen.
    18

    Sofern eine Bereicherung des Kläger hinsichtlich der Ansprüche auf die Todesfall- und die Erlebensfallleistung bereits mit Übertragung der Versicherungsnehmerstellung gegeben sei, seien diese Ansprüche jedenfalls aufschiebend bedingt (auf den Tod der versicherten Person bzw. auf das Überleben der versicherten Person bis zum vertraglich Ablaufdatum der Versicherung), sodass ‒ mangels Bedingungseintritt ‒ die Schenkungsteuer nach § 9 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 ErbStG noch nicht entstanden sei.
    19

    Hilfsweise könne allenfalls die Einräumung des Ersatzanspruchs nach § 5 Abs. 2 Satz 4 des Vertrages vom 11.10.2017 als Zuwendungsgegenstand angesehen werden. Dem stehe nicht entgegen, dass dieser Anspruch aufschiebend bedingt auf den Rückkauf des Versicherungsvertrags sei, da der Kläger die aufschiebende Bedingung jederzeit selbst herbeiführen könne. Da es sich bei diesem Anspruch um eine unverzinsliche Forderung handle, deren Laufzeit mehr als ein Jahr betrage und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sei, sei nach § 12 Abs. 3 BewG der abgezinste Wert in Höhe von 681.400 Euro anzusetzen (2.460.093,12 Euro multipliziert mit dem Vervielfältiger von 0,277 aus Tabelle 1 des gleich lautenden Ländererlasses vom 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810, aufgrund der vom Kläger angenommenen statistischen Lebenserwartung der Mutter des Klägers am Stichtag von 24,32 Jahren gem. BMF-Schreiben vom 04.11.2016, BStBl. I 2016, 1166). Eine Bewertung des Ersatzanspruchs mit dem Rückkaufswert nach § 12 Abs. 4 BewG scheide aus, da sich der Anspruch nicht gegen den Versicherer, sondern gegen die Mutter des Klägers richte.
    20

    Sofern jedoch die Übertragung der Versicherungsnehmerstellung mit dem Rückkaufswert zu besteuern sei ‒ wobei sich die Diskrepanz zwischen dem Zuwendungsgegenstand (Erlebensfallleistung) und dem Bewertungsgenstand (Kündigungsfallleistung) nicht erschließe ‒, sei hierbei jedenfalls der unbedingt zurückbehaltene Nießbrauch zugunsten der Mutter des Klägers abzuziehen. Der jährliche Nutzungswert betrage nach §§ 15 Abs. 1 und 16 BewG 132.263,06 Euro (2.460.093,12 Euro geteilt durch 18,6) und der darauf nach dem BMF-Schreiben vom 04.11.2016, BStBl. I 2016, 1166, anzuwendende Vervielfältiger 13,832. Vom Rückkaufswert in Höhe von 2.460.093 Euro sei daher der Nießbrauch mit einem Wert in Höhe von 1.829.463 Euro abzuziehen.
    21

    Der Kläger beantragt,
    22

    den Schenkungsteuerbescheid auf den 11.10.2017 vom 18.06.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.02.2021 aufzuheben,
    23

    hilfsweise den Schenkungsteuerbescheid auf den 11.10.2017 vom 18.06.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.02.2021 dahingehend zu ändern, dass als Wert des Erwerbs 681.400 Euro angesetzt wird,
    24

    weiter hilfsweise den Schenkungsteuerbescheid auf den 11.10.2017 vom 18.06.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.02.2021 dahingehend zu ändern, dass als Wert des Erwerbs 630.600 Euro angesetzt wird,
    25

    weiter hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
    26

    Der Beklagte beantragt,
    27

    die Klage abzuweisen,
    28

    hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
    29

    Der Kläger sei durch die Schenkung Versicherungsnehmer geworden. Zum Stichtag 11.10.2017 liege auch bereits ein Vermögensvorteil vor, obwohl der Kläger noch nicht sofort über die Versicherungsleistung verfügen könne, da er jedenfalls einen gesicherten Anspruch aus seiner Stellung als Versicherungsnehmer auf die Erlebens- und Todesfallleistung erlangt habe, den er beispielsweise zur Besicherung von Krediten einsetzen könne. Dieser Vermögensvorteil sei mit dem mitgeteilten Rückkaufswert von 2.460.093 Euro anzusetzen. Ein Abzug des Nießbrauchs scheitere an der Vereinbarung der aufschiebenden Bedingung, die noch nicht eingetreten sei.
    30

    Am 23.06.2022 hat die mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe
    31

    Die Klage ist nur hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags begründet; im Übrigen ist die Klage unbegründet.
    32

    Der Schenkungsteuerbescheid auf den 11.10.2017 vom 18.06.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.02.2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO), als der Beklagte darin den vertraglich vorbehaltenen Nießbrauch zugunsten der Mutter des Klägers nicht erwerbsmindernd berücksichtigt hat.
    33

    1. Zutreffend hat der Beklagte die unentgeltliche Übertragung der Versicherungsnehmerstellung im Zeitpunkt der Zustimmung des Versicherers der Schenkungsteuer unterworfen.
    34

    Der Schenkungsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert ist. Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es für die Bestimmung des Zuwendungsgegenstandes einer Schenkung nicht entscheidend auf den Willen des Zuwendenden, sondern auf die tatsächliche Bereicherung an, die sich danach richtet, was der Bedachte endgültig erhalten hat (BFH, Urteil vom 30.06.1999 II R 70/97, BFHE 189, 543, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Überträgt ein Versicherungsnehmer einen Versicherungsvertrag im Wege der Vertragsübernahme auf den Bedachten, ist Zuwendungsgegenstand die Versicherung selbst (vgl. FG Münster, Urteile vom 23.10.2014, 3 K 265/12 Erb, EFG 2015, 240, und vom 27.10.2021, 3 K 799/20 Erb, EFG 2022, 180; Götz in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 118. Lieferung Mai 2021, § 7 ErbStG Rn. 90). Bei der unentgeltlichen Übertragung einer Versicherungsnehmerstellung ist der Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung, an dem gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG die Schenkungsteuer entsteht, regelmäßig der Zeitpunkt, an dem der Versicherer seine zivilrechtlich erforderliche Zustimmung zum Wechsel des Vertragspartners erklärt und der Zuwendungsempfänger somit in die Versicherungsnehmerstellung einrückt (FG Münster, Urteile vom 23.10.2014, 3 K 265/12 Erb, EFG 2015, 240, vom 13.09.2018, 3 K 2766/16 Erb, EFG 2018, 1987, und vom 27.10.2021, 3 K 1409/20 Erb, EFG 2022, 137).
    35

    Aufgrund des Vertrags vom 11.10.2017 und der am gleichen Tag erteilten Zustimmung des Versicherers ist der Kapitallebensversicherungsvertrag auf den Kläger im Wege der Vertragsübernahme übergegangen. In diesem Zeitpunkt hat der Kläger die Versicherungsnehmerstellung seiner Mutter unentgeltlich übernommen. Damit sind alle Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertragsverhältnis, insbesondere alle Ansprüche gegen den Versicherer, unentgeltlich auf ihn übergegangen.
    36

    Sofern der Kläger eine fehlende Entreicherung der Schenkerin und entsprechend eine fehlende Bereicherung des Klägers geltend macht, vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Zuwendungsgegenstand ist vorliegend die Versicherung selbst. Hinsichtlich ihrer Stellung als ursprüngliche Versicherungsnehmerin ist die Mutter des Klägers dadurch entreichert, dass sie diese Stellung und damit sämtliche Ansprüche aus der Versicherung unwiderruflich mit Zustimmung des Versicherers auf den Kläger übertragen hat. Spiegelbildlich stellt die Übernahme der Versicherungsnehmerstellung mit sämtlichen gegen die Versicherung gerichteten Ansprüchen die Bereicherung des Klägers dar. Soweit der Kläger einwendet, seine Mutter sei aufgrund der weiteren vertraglichen Vereinbarung die alleinige Bezugsberechtigte der im Falle der Kündigung der Versicherung fälligen Leistung, führt dies ‒ im Wegen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ‒ zu einer Vermengung der Erwerbs- und der Belastungsseite der Schenkung. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise ändert zudem nichts daran, dass dem Kläger die unmittelbare Inhaberschaft auch hinsichtlich des Anspruchs gegen den Versicherer für den Fall der Kündigung der Versicherung übertragen wurde.
    37

    Der Auffassung des Klägers, die Schenkungsteuer sei, soweit sie die aufschiebend bedingten Ansprüche aus der Versicherung, insbesondere auf die Todesfall- und die Erlebensfallleistung, betreffe, gemäß § 9 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 ErbStG mangels Bedingungseintritt noch nicht entstanden, vermag der Senat ebenfalls nicht zu folgen. Jedenfalls hinsichtlich der nach dem Ende der Laufzeit zu erbringenden Versicherungsleistung liegt keine aufschiebend bedingte, sondern lediglich eine noch nicht fällige, allenfalls durch den Tod der versicherten Person oder die Kündigung des Versicherungsvertrags vor dem maßgeblichen Ablaufdatum auflösend bedingte Forderung gegen den Versicherer vor. Aus der bewertungsrechtlichen Behandlung (§ 12 Abs. 1, 3 und 4 BewG) folgt, dass die Schenkungsteuer für noch nicht fällige Ansprüche, die zu einem bestimmten (feststehenden) Zeitpunkt fällig werden, dem Regelfall des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entsprechend bereits mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung entsteht (vgl. BFH, Urteile vom 16.01.2008 II R 30/06, BStBl. II 2008, 626, und vom 07.10.2009 II R 27/07, BFH/NV 2010, 891, jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung; FG Münster, Urteil vom 27.10.2021, 3 K 1409/20 Erb, EFG 2022, 137). In diesen Fällen ist ein Bereicherungszustand bereits im Zeitpunkt des Erwerbs eingetreten und dessen Wert auf den Stichtag festzustellen.
    38

    Ebenfalls ist dem Kläger insoweit nicht zu folgen, als er den Ersatzanspruch nach § 5 Abs. 2 Satz 4 des Vertrages vom 11.10.2017 als Zuwendungsgegenstand erachtet. Dieser nicht gegen den Versicherer, sondern gegen die Mutter des Klägers gerichtete Anspruch entsteht erst im Fall der Kündigung der Versicherung und ist daher als aufschiebend bedingter Anspruch nach § 4 BewG zum Stichtag unbeachtlich.
    39

    Hinsichtlich der Bewertung der Erwerbs mit dem vom Versicherer für den Bewertungsstichtag mitgeteilten Rückkaufswert nach § 12 Abs. 4 BewG bestehen keine Bedenken.
    40

    2. Allerdings hat der Beklagte den zurückbehaltenen Nießbrauch zugunsten der Mutter der Klägerin zu Unrecht nicht erwerbsmindernd berücksichtigt.
    41

    Der Senat teilt nicht die Auffassung des Beklagten, dass der Nießbrauch lediglich aufschiebend bedingt für den Fall der Kündigung der Versicherung ‒ gleich durch wen sie erfolgt ‒,vereinbart wurde. Es handelt sich vielmehr um einen unbedingten Nießbrauch.
    42

    Für diese Auslegung spricht insbesondere § 5 Abs. 6 des Vertrags vom 11.10.2017, wonach der Nießbrauch der Mutter endet, sobald das versicherte Ereignis eintritt oder das vereinbarte Ablaufdatum des Kapitallebensversicherungsvertrags erreicht ist. Diese Ereignisse sind für den vorliegenden Kapitallebensversicherungsvertrag nur relevant, wenn der Vertrag nicht vorab gekündigt wurde. Die Regelung, dass der Nießbrauch der Mutter der Klägerin mit dem Eintritt eines dieser ‒ sich gegenseitig ausschließenden ‒ Ereignisse enden soll, erfährt nur dann einen Sinn, wenn der Nießbrauch unabhängig von der Kündigung der Versicherung ‒ die denknotwendig die anderen beiden Ereignisse ausschließt ‒ vorab wirksam entstanden ist.
    43

    Auch im Übrigen lässt sich dem Vertragstext die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung nicht entnehmen. Soweit der Beklagte sich zur Begründung seiner Auffassung insbesondere auf die Formulierung „Für den Fall des Rückkaufs“ in § 5 Abs. 2 des Vertrags vom 11.10.2017 bezieht, wird dadurch nur der allein mögliche Anwendungsfalls des Nießbrauchs konkretisiert.
    44

    Der Nießbrauch ist dabei mit einem Wert von 1.829.463 Euro abzuziehen.
    45

    Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Kapitalwert unter anderem von Nutzungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, mit dem aus Anlage 9a zum BewG zu entnehmenden Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Ist die Dauer des Rechts außerdem durch das Leben einer oder mehrerer Personen bedingt, darf gemäß Satz 2 der nach § 14 BewG zu berechnende Kapitalwert nicht überschritten werden.
    46

    Gemäß § 15 Abs. 1 BewG ist der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme, wenn kein anderer Wert feststeht, grundsätzlich zu 5,5 Prozent anzunehmen. Nach § 16 BewG kann bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzung eines Wirtschaftsguts der Jahreswert dieser Nutzungen jedoch höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des BewG anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. Die Vorschrift ist auch nach dem Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.2008 (BGBl. I 2008, 3018) weiterhin anzuwenden, soweit es um die Ermittlung des Steuerwerts nach dem Bewertungsgesetz
    47

    geht (BFH, Urteil vom 09.04.2014 II R 48/12, BStBl. II 2014, 554).
    48

    Ausgehend vom Rückkaufswert zum Stichtag in Höhe von 2.460.093,12 Euro ergibt sich ein Jahreswert von 132.263,07 Euro (2.460.093,12 Euro geteilt durch 18,6). Bei einer am Stichtag noch verbleibenden Restlaufzeit der Lebensversicherung von vollen 48 Jahren ergibt sich nach Anlage 9a zum BewG ein Vervielfältiger in Höhe von 17,326. Der nach § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG in Verbindung mit dem BMF-Schreiben vom 04.11.2016, BStBl. I 2016, 1166, aufgrund des Alters der Nießbraucherin am Stichtag von 60 Jahren anzuwendende Vervielfältiger beträgt 13,832. Aufgrund der Begrenzung in § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG ist der niedrigere Vervielfältiger anzuwenden. Der abzuziehende Wert des Nießbrauchs beträgt somit aufgerundet 1.829.463 Euro.
    49

    3. Die Berechnung der zu ändernden Steuer wird dem Beklagten übertragen, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
    50

    4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
    51

    5. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.