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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Sind die Kosten einer Reparaturbestätigung erstattungsfähig?

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    | Auch wenn es nur um Beträge zwischen 30 und 150 EUR geht: Für die Haftpflichtversicherer rechnet es sich allemal, die Kosten für eine Reparaturbestätigung („Nachbesichtigung“, “Nachbericht“) zu streichen. Manche Geschädigte nehmen das klaglos hin und wer klagt, hat nicht immer Erfolg. Die Rechtsprechung ist ausgesprochen uneinheitlich. Ob und unter welchen Voraussetzungen es sinnvoll ist, eine Reparaturbestätigung einzuholen und welche Aussichten in der Erstattungsfrage bestehen, erfahren Sie im Folgenden. |

    1. Leitsätze und Erläuterungen zur Reparaturbestätigung 

    Leitsätze und Erläuterungen zur Reparaturbestätigung gibt z.B. das Institut für das Sachverständigenwesen (IfS), 3. Aufl., 2012, S. 62:

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      • Die Reparaturbestätigung dient zum Nachweis einer durchgeführten Reparatur, so der Leitsatz 1.1. Erläuternd wird hinzugefügt, dass sie in erster Linie für die Frage Bedeutung habe, inwieweit bei fiktiver Abrechnung in einem Haftpflichtschadenfall Nutzungsausfallentschädigung oder Mietwagenkosten zu erstatten sind (dazu näher Punkt 3 zu 1b).

     

      • Im IfS-Leitsatz 1.2 wird das Thema Qualität und Dauer der tatsächlich durchgeführten Reparatur angesprochen und auf die Problematik der 130-Prozent-Fälle in Abgrenzung zur „Teilreparatur“ hingewiesen.

    2. Schadensrechtlicher Ansatz 

    Anders als ein normales Schadensgutachten ist eine nachträgliche Besichtigung mit Bestätigung einer Reparatur zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung weder erforderlich noch zweckmäßig. Auch bei weitem Verständnis des Herstellungsbegriffs gehören die Kosten einer Reparaturbestätigung nicht zum Herstellungsaufwand i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

     

    Gleichwohl können sie ersatzfähig sein. Nämlich unter dem Blickwinkel, dass die Vorlage einer Reparaturbestätigung erforderlich und zweckmäßig ist, um den bzw. einen unfallbedingten Schadenersatzanspruch geltend zu machen. Unter diesem zweiten Gesichtspunkt können die Kosten zu den gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören.

    3. Gründe für die Einholung einer Reparaturbestätigung

    Für die Einholung einer Reparaturbestätigung kann es verschiedene Gründe geben:

     

    • Ausdrückliche Anforderung durch den VR
    • In diesem Fall ist die Erstattungspflicht unproblematisch.

     

    • Der VR verlangt einen Reparaturnachweis, sagt aber nicht in welcher Form
    • Pro Geschädigten ist folgende Konstellation entschieden: Der VR fordert zum Nachweis der Ausfallzeit eine Reparaturbestätigung einer Werkstatt oder die Werkstattrechnung an, zeigt aber für den Fall der - tatsächlich durchgeführten - Eigenreparatur keine Nachweisalternative auf (AG Kaufbeuren 2.12.13, 4 C 1175/13, Abruf-Nr. 133931). Sicherheitshalber sollte in einem solchen Fall beim Sachbearbeiter nachgefragt werden, bevor der Sachverständige erneut beauftragt wird.

     

    • Fälle ohne direkte oder indirekte Anforderung durch den VR
    • Hier sind drei Zwecke zu unterscheiden:

     

    • 1. Durchsetzung von Ansprüchen aus dem konkreten Unfallereignis 
    • Bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus dem konkreten Unfallereignis stellen sich mehrere Fragen.
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    • a) Fraglich ist zunächst, ob eine Reparaturbestätigung zur Durchsetzung des Anspruchs auf Ersatz des Fahrzeugschadens erforderlich und zweckmäßig ist.
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    • Hier muss nach dem Schadensumfang unterschieden werden. Die Arbeitshilfe Eggert/Ernst VA 12, 171 zeigt vier Stufen auf:
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      • Stufe 1: Reparaturkosten liegen unter dem Wiederbeschaffungsaufwand (WBA),
      • Stufe 2: Reparaturkosten liegen zwischen WBA und Wiederbeschaffungswert (WBW),
      • Stufe 3: Reparaturkosten liegen bis zu 30 Prozent über dem WBW,
      • Stufe 4: Reparaturkosten liegen mehr als 30 Prozent über WBW.
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    • In Fällen der Stufe 1 besteht ersichtlich keine Notwendigkeit, eine Reparaturbestätigung einzuholen; auch nicht mit Blick auf die MwSt.
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    • Auf den übrigen drei Stufen hängt die Höhe des Ersatzes dagegen von der tatsächlichen Durchführung einer Reparatur ab, auf den Stufen 3 und 4 zusätzlich von deren Qualität (fachgerecht und vollständig nach Maßgabe des Gutachtens). Letzteres lässt sich mit einer herkömmlichen Reparaturbescheinigung nur begrenzt nachweisen (s. auch die IfS-Erläuterung a.a.O. S. 62). Sie beruht auf einer bloßen Inaugenscheinnahme. Jedenfalls die Gerichte geben sich damit in 130-Prozent-Fällen nicht zufrieden und beauftragen einen Sachverständigen mit einer „richtigenr“ Qualitätsprüfung. Dem VR kann es reichen, muss es aber nicht. Aus Gründen des § 254 Abs. 2 BGB ist es zweckmäßig, den VR vor der Beauftragung des Sachverständigen zu informieren.

     

    • Zur Stufe 2: Wer konkret auf Rechnungsbasis abrechnet, braucht keine Reparaturbestätigung eines SV, auch nicht mit Blick auf die Sechsmonatsfrist. Damit reduziert sich das Thema „Reparaturbestätigung“ auf den schmalen Bereich kompletter oder teilweiser Eigenreparaturen. Darüber, ob die erneute Beauftragung des SV in diesen Fällen zur Durchsetzung des Anspruchs auf den Ersatz des Fahrzeugschadens erforderlich und zweckmäßig ist, lässt sich streiten, wie nicht zuletzt die Kontroverse in der Judikatur zeigt. Dem sichersten Weg verpflichtet, sollte der Anwalt des Geschädigten eine Reparaturbestätigung nur einholen, wenn der VR sie ausdrücklich anfordert.
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    • b) Als Zweites fragt sich, welche Relevanz in Bezug auf die Höhe des Restwerts besteht.
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    • Um bei einer Abrechnung nach dem WBA den Restwert lt. Gutachten an Stelle eines Überangebots des VR durchzusetzen, muss das Fahrzeug weitergenutzt werden (BGH NJW 07, 1674, NJW 11, 667 für Ü-130 und BGH NJW 07, 2918 für bis 130 Prozent). Dieser Sachverhalt (Behalten des Unfallfahrzeugs) kann zwar durch eine Reparaturbestätigung belegt werden. Auf die Reparaturqualität kommt es in diesem Punkt indes nicht an. Überdies ist es voreilig, eine Bestätigung einzuholen, bevor der VR ein Überangebot vorgelegt und sich zur behaupteten Weiternutzung erklärt hat.

     

    • c) Fraglich ist hier schließlich, ob eine Reparaturbestätigung zur Durchsetzung des Anspruchs auf Nutzungsausfallersatz erforderlich und zweckmäßig ist.
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    • Entgegen verbreiteter Ansicht ist das nicht der Fall. Der Schaden besteht in dem unfallbedingten Gebrauchsverlust. Der Wegfall der Fahrbereitschaft wird durch das Gutachten bewiesen. Um den Nutzungswillen nachzuweisen, ist eine Reparatur und damit auch deren Bescheinigung entbehrlich (Eggert VA 13, 151 mit Rspr.). Um das Ende der Ausfallzeit zu belegen, ist das Datum der Reparaturbestätigung bzw. der Fahrzeugbesichtigung ungeeignet. Im Übrigen kommt es bei fiktiver Abrechnung der Reparaturkosten auf denjenigen Arbeitszeitraum an, der für die Reparatur lt. Gutachten erforderlich ist, damit auf die Zeitschätzung des SV im Gutachten; eine tatsächlich längere Reparaturzeit ist belanglos (BGH NJW 03, 3480 - „kein Rosinenpicken“). Von alledem abgesehen: Selbst wenn man einer Reparaturbescheinigung im Zusammenhang mit dem Anspruch auf „abstrakte“ Nutzungsentschädigung Beweisbedeutung beimisst, so kann das, was sie beweisen soll, auch anderweitig und ohne nennenswerten Kostenaufwand nachgewiesen werden, nämlich durch ein Foto vom Fahrzeug mit Datumsangabe (ggf. Tageszeitung).

     

    • 2. Absicherung gegen den Vorschaden-Einwand im künftigen Schadensfall 
    • Eine Reparaturbescheinigung könnte insoweit zweckmäßig sein, als sie den Geschädigten im Fall eines weiteren Unfalls in die Lage versetzt, einen etwaigen Vorschadeneinwand des Zweitschädigers/VR zu entkräften. Angesichts des neuen Hinweis- und Informationssystems (HIS) ist ein solcher Einwand keine fernliegende Möglichkeit, wie das LG Heidelberg (VA 13, 202) zu Recht betont. Von HIS-auffälligen Geschädigten verlangen die VR den Nachweis, dass der Vorschaden fachgerecht und vollständig beseitigt worden ist. Ob ein VR, der eine Manipulation wittert, sich mit einer Reparaturbescheinigung zufrieden gibt, wird vom Einzelfall abhängen. Die Gerichte jedenfalls halten den Beweiswert solcher Dokumente für sehr fragwürdig (z.B. OLG Hamburg VA 13, 184; LG Frankfurt a.M. 15.7.13, 2-24 O 299/12; LG Hagen/W. 27.8.12, 2 O 93/12). Ob das HIS-Argument in Fällen ohne aussagekräftige Werkstattrechnung anerkannt wird, um die Einholung einer Reparaturbescheinigung als Vorsorgemaßnahme zu rechtfertigen, bleibt abzuwarten. Ein geschädigtenfreundlicher Trend in der aktuellen Rspr. ist unübersehbar (s. Rechtsprechungsübersicht).

     

    • 3. Dokumentation mit Blick auf einen Weiterverkauf des Fahrzeugs 
    • Soweit ersichtlich, hat bisher nur das AG Stuttgart-Bad Cannstatt mit dem Schutz beim Weiterverkauf des - bisher unfallfreien - Fahrzeugs einen weiteren Zukunftsaspekt anerkannt (Abruf-Nr. 131905). Rein statistisch ist ein Weiterverkauf wahrscheinlicher als ein Zweitunfall. Ob unter diesem Gesichtspunkt - allein oder in Verbindung mit dem HIS-Argument - die Ausstellung einer Reparaturbescheinigung als wirtschaftlich vernünftig anzusehen ist, ist eine offene Frage. Mangelfreiheit wird durch den Unfallschaden als solchen aufgehoben; die fachgerechte Beseitigung ist nur ein Nebenaspekt. Allenfalls bei vollständiger oder teilweiser Eigenreparatur ist ein Beweissicherungs- und Dokumentationsinteresse anzuerkennen. Bei einer Werkstattreparatur dürfte dem Schadensrichter die Rechnung reichen.

    4. Fazit

    Nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung (siehe die folgenden Übersichten) ist es derzeit in der Regel nicht empfehlenswert, den Sachverständigen mit einer - vom VR nicht angeforderten - Reparaturbestätigung zu beauftragen. Die Chance der Kostenerstattung liegt unter 50 Prozent.

     

     

    Rechtsprechungsübersicht / Entscheidungen pro Geschädigten

    Sachverhalt/Gründe
    Entscheidung

    Reparatur in Eigenregie, fiktive Abrechnung laut Gutachten; Reparaturbestätigung zur Schadensbeseitigung erforderlich, da Hilfe im Zweitschadensfall.

    LG Heidelberg 23.8.13, 2 O 75/12,

    Abruf-Nr. 133469, VA 13, 202

    Reparaturbestätigung nötig, weil Abrechnung von Reparaturkosten bei wirtschaftlichem Totalschaden.

    LG Stendal SP 12, 117

    Reparaturbestätigung auch mit Blick auf künftigen Schaden/Vorschadeneinwand sinnvoll.

    AG Dortmund 31.1.14, 436 C 1027/13, Abruf-Nr. 141510

    Ü-130-Fall: Kl. lässt nach Reparatur „Betriebs- und Verkehrssicherheit5“ bestätigen; Kl.-Abrechnung nach WBA mit Gutachten-Restwert.

    AG Neu-Ulm 20.1.14, 3 C 1358/13,

    Abruf-Nr. 140504

    VR fordert Nachweis der Ausfallzeit durch Vorlage eines Werkstattpapiers, nennt aber keine Alternative bei Eigenreparatur.

    AG Kaufbeuren 2.12.13, 4 C 1175/13, Abruf-Nr. 133931

    Schaden in Eigenregie beseitigt; kein Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB.

    AG Braunschweig 24.7.13, 114 C 469/13, Abruf-Nr. 132757, VA 13, 168

    Einholung der Reparaturbestätigung unter keinem rechtlichen Aspekt zu missbilligen.

    AG Esslingen 28.8.12, 10 C 994/12, Abruf-Nr. 122754, VA 12, 184

    Erstattungsfähigkeit mit Blick auf Weiterverkauf und Zweitschaden bejaht.

    AG Stuttgart-Bad Cannstatt 29.5.13,

    4 C 712/13, Abruf-Nr. 131905

    Erforderlich, um Anspruch auf Ersatz von Vorhaltekosten durchzusetzen.

    AG Heidenheim 23.11.12, 8 C 1047/12, Abruf-Nr. 132891

    Fiktive Abrechnung nach wirtschaftlichem Totalschaden; Reparaturbestätigung zum Nachweis der Fahr- und Betriebssicherheit.

    AG Heidenheim 24.2.12, 8 C 232/11, Abruf-Nr. 120807

    Kl. verlangt Nutzungsentschädigung, Reparaturnachweis erforderlich.

    AG Herne-Wanne SP 09, 187

     

     

    Rechtsprechungsübersicht / Entscheidungen pro Schädiger/Haftpflichtversicherer

    Sachverhalt/Gründe
    Entscheidung

    Abrechnung von Reparaturkosten auf Gutachten-Basis; Geschädigter holt Reparaturbestätigung ein, legt sie aber im Prozess nicht vor, weshalb die Kosten schon deshalb nicht anerkannt werden.

    OLG Düsseldorf 15.1.13, I-1 U 153/11, Abruf-Nr. 131516

    Streit um Höhe der fiktiv abgerechneten Reparaturkosten und Dauer der Ausfallzeit. OLG sieht keinerlei Beweisbedeutung.

    OLG München 13.9.13, 10 U 859/13, Abruf-Nr. 133874, VA 14, 4

    Geschädigter verlangt Nutzungsausfall mit der Behauptung einer Reparaturdauer von 14 Tagen. Da Reparaturzeitraum in Reparaturbestätigung nicht genannt, kein Ersatz.

    OLG Frankfurt NZV 10, 525

    Eine nicht angeforderte Reparaturbestätigung ist ohne konkrete Anzeichen für ein Bestreiten der Reparatur nicht erforderlich.

    AG Wetter 28.5.13, 9 C 116/12, Abruf-Nr. 141511

    Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB.

    AG Essen SP 13, 81

    Nach Reparatur in Eigenregie Abrechnung auf Gutachten-Basis, keine Angabe in der Reparaturbestätigung zur Dauer der Instandsetzung.

    AG Saarlouis SVR 12, 389 = SP 13, 81

    SV bestätigt Reparatur bei wirtschaftlichem Totalschaden; Berechnung der Nutzungsausfalldauer laut Gutachten (!).

    AG Ratingen SVR 12, 388

    Kosten einer nicht angeforderten Reparaturbestätigung i.d.R. nicht erstattungsfähig.

    AG Mainz 15.5.12, 86 C 113/12, Abruf-Nr. 141512

    Bei nicht angeforderter Reparaturbestätigung Verstoß gegen § 254 Abs. 2 BGB.

    AG Schwabach 22.11.12, 2 C 999/12, Abruf-Nr. 141513

    Keine Kostenerstattung, obwohl VR einen Reparaturnachweis verlangt hat.

    AG Hamburg-Harburg SP 11, 403

    Eine vom VR nicht verlangte Reparaturbestätigung ist nicht erforderlich, um bei einer Eigenreparatur Nutzungsausfallersatz geltend zu machen.

    AG Frankfurt a.M. SVR 11, 429

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Die Abrechnung des Fahrzeugschadens nach BGH - Übersicht mit Arbeitshilfe für alle anfallenden Schadensmöglichkeiten: Eggert/Ernst, VA 12, 171.
    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 95 | ID 42686219