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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Anspruch auf Ersatz anteiliger Umsatzsteuer

    • 1. Wählt der Geschädigte den Weg der Ersatzbeschaffung, obwohl nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten besteht, und rechnet er den Schaden konkret auf der Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ab, steht ihm ein Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer zu, wenn bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist.
    • 2. Der Anspruch ist auf den Umsatzsteuerbetrag begrenzt, der bei Durchführung der notwendigen Reparatur angefallen wäre.

    (BGH 5.2.13, VI ZR 363/11, Abruf-Nr. 130595)

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Nach einem Unfall mit einem eindeutigen Reparaturschaden blieben drei Positionen strittig: anteilige Umsatzsteuer aus einer Ersatzbeschaffung, weitere Nutzungsausfallentschädigung und restliche Standkosten. In allen drei Punkten war die Klage erfolgreich.

     

    • Umsatzsteuer: Die Erstattung anteiliger Umsatzsteuer hatte der bekl. VR mit dem Argument abgelehnt, der Kl. könne nicht die Reparaturkosten fiktiv auf Gutachtenbasis und Umsatzsteuer konkret aus der Rechnung über die Ersatzbeschaffung abrechnen. Das sei eine unzulässige Vermengung. Auch vor dem BGH fand der Bekl. mit diesem Einwand kein Gehör. Von einer Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung könne keine Rede sein. Im Streitfall handele es sich um eine konkrete Schadensabrechnung auf der Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs. Bei einer solchen Fallgestaltung bestehe ein Anspruch auf Ersatz der tatsächlich angefallenen Umsatzsteuer, allerdings begrenzt auf den Betrag, der bei Durchführung der notwendigen Reparatur angefallen wäre.

     

    • Nutzungsausfallentschädigung: Das LG hat eine Ausfallzeit von 26 Tagen anerkannt, 10 mehr als von der Bekl. zugestanden. Maßgebend sei die im Gutachten angegebene Reparaturdauer von 8 Werktagen, beginnend ab Zugang des Gutachtens. Dass der Kl. das Ersatzfahrzeug bereits drei Tage nach Erhalt des Gutachtens gekauft hatte, damit deutlich vor Ende der fiktiven Reparatur, war für das LG kein Thema. Der BGH sieht keinen Rechtsfehler und stellt abschließend zur Position „NE“ fest: Dass der Kl. die Möglichkeit gehabt haben soll, kostenfrei auf das Fahrzeug seines Vaters zuzugreifen, beseitige den eingetretenen Schaden nicht; seine Zweitwagen-Rechtsprechung sei hier nicht einschlägig.

     

    • Standgebühren: Sie waren von der Bekl. nicht generell, sondern wohl nur mit Blick auf die Standzeit beanstandet worden. Der BGH hat das Berufungsurteil auch in diesem Punkt bestätigt. Das Fahrzeug sei nicht mehr fahrbereit gewesen und habe schon wegen der zerstörten Scheiben untergestellt werden müssen. Das sichere Unterstellen in einer Werkstatt sei eine naheliegende und angemessene Maßnahme, die anfallenden Kosten mithin erstattungsfähig.

     

    Praxishinweis

    In der Umsatzsteuerfrage stellt das Urteil im Ergebnis keine Überraschung dar, wohl aber in der Begründung. Dass ein Geschädigter in der Situation des Kl. seinen Fahrzeugschaden „konkret auf Ersatzbeschaffungsbasis“ abrechnet, ist einigermaßen irritierend. Konkret wird allein die tatsächlich angefallene Umsatzsteuer abgerechnet. Die Kosten der nicht durchgeführten Reparatur sind dagegen Gegenstand einer fiktiven Abrechnung. So hat der BGH es bislang gesehen (z.B. im Urteil v. 22.9.09, VI ZR 312/08, VersR 09, 1554 Tz. 8). Die jetzige Sichtweise „konkrete Abrechnung auf Ersatzbeschaffungsbasis“ (wobei hinzuzufügen ist: .... „mit Begrenzung auf die fiktiven Reparaturkosten“) scheint von der Überlegung geleitet, das vom Senat aufgestellte Kombinationsverbot (VI ZR 361/02, VI ZR 172/04) zu umgehen. Überzeugender wäre gewesen, das Kombinationsverbot, so es überhaupt eine Existenzberechtigung hat, in der Umsatzsteuerfrage außer Kraft zu setzen. In der Sache ist festzuhalten: „Kauf-Mehrwertsteuer“ ist in einem Reparaturschadensfall anteilig zu erstatten. Die wenigen gegenteiligen Entscheidungen (z.B. LG Paderborn SP 08, 442, AG Münster SVR 07, 262) sind spätestens jetzt überholt.

     

    Für die Position „Nutzungsausfall“ gilt der Satz: Die tatsächliche Ausfallzeit zählt, wenn sie kürzer ist als diejenige, die der Geschädigte eigentlich in Anspruch nehmen durfte (z.B. BGHZ 66, 239). Wenn der Kl. „unter“ dem 7.1.10 ein Ersatzauto gekauft hat (Urteil Tz. 2), kann er nicht ohne Weiteres Nutzungsausfallentschädigung bis zum 15.1. kassieren, nur weil eine - tatsächlich nicht durchgeführte - Reparatur nach der Prognose des Sachverständigen so lange gedauert hätte. Der BGH versucht, die falsche Zeitschiene des LG zu halten, indem er auf ein Manko im Vortrag der Bekl. hinweist. Es sei nicht vorgetragen, dass das Ersatzfahrzeug „früher“ zur Verfügung gestanden habe. Wenn der Kl. es „unter“ dem 7.1.10 gekauft hat, ist er dafür darlegungspflichtig, dass er es ab diesem Tag nicht hat nutzen können. Gründe dafür gibt es bekanntlich viele.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zum Gesamtkomplex „Mehrwertsteuerersatz und Kombinationsverbot“ siehe Eggert, VA 12, 24.
    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 55 | ID 38529970