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  • · Fachbeitrag · Gebrauchtwagenhandel

    Sichtprüfung ist grundsätzlich ausreichend

    Wenn sich bei der äußeren Besichtigung eines Gebrauchtwagens („Sichtprüfung“) und auch sonst keine Anhaltspunkte für einen Unfallvorschaden ergeben, besteht für den Händler keine Pflicht zu weiteren Nachforschungen, damit auch nicht zu einer Abfrage bei der zentralen Datenbank des Herstellers nach einer etwa vorhandenen Reparaturhistorie (BGH 19.6.13, VIII ZR 183/12, Abruf-Nr. 132864).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Die Kl., keine Verbraucherin, hatte im Juni 2007 einen gebrauchten Audi A8 gekauft. Die Verjährung von Sachmängelansprüchen war formularmäßig auf ein Jahr reduziert. Im Bestellformular war bei den Rubriken „Zahl, Umfang und Art von Mängeln und Unfallschäden laut Vorbesitzer s. Anlage“ und „Dem Verkäufer sind auf andere Weise Mängel und Unfallschäden bekannt“ jeweils die Antwort „nein“ angekreuzt. In Wirklichkeit hatte der A8 zwei - reparierte - Heckschäden. Der zweite fiel in die Besitzzeit des bekl. Autohauses und wurde von ihm selbst beseitigt (Kostenaufwand lt. Kl. knapp 900 EUR). Den früheren Heckschaden hatte der Lieferant der Bekl. beseitigen lassen. Dass die Bekl. über diesen Vorschaden informiert war, konnte nicht festgestellt werden.

     

    Mit dem Vorwurf, die Bekl. habe entweder ins Blaue hinein oder unter bewusster Täuschung Unfallfreiheit zugesichert, hat die Kl. den Kauf angefochten, hilfsweise den Rücktritt erklärt. Die Einjahresfrist war inzwischen abgelaufen. Dagegen war der Rücktritt bei Annahme der gesetzlichen Zweijahresfrist rechtzeitig. Das LG hat der Klage unter Abzug einer Nutzungsentschädigung stattgegeben, während das OLG sie abgewiesen hat. Arglist liege nicht vor und vertragliche Ansprüche seien verjährt. Der BGH hat das Urteil aufgehoben.

     

    Der BGH sieht in beiden Fällen keine arglistige Täuschung. Der Eigenschaden (Unfall II) sei ein nicht aufklärungspflichtiger Bagatellschaden. Entgegen der Ansicht der Revision sei es nicht so, dass die Bekl. als Instandsetzungsbetrieb im Wege der sekundären Behauptungslast darzulegen habe, dass es sich nur um einen Bagatellschaden handele. Soweit die Bekl. sekundär darlegungspflichtig sei, habe sie ihrer Obliegenheit genügt.

     

    Gehalten hat der BGH die OLG-Entscheidung auch in Bezug auf den Arglistvorwurf zum früheren Heckschaden (Unfall I). Von einer positiven Kenntnis könne nicht ausgegangen werden, auch nicht von einer Behauptung ins Blaue hinein. Anders als die Revision meint, sei die Bekl. nicht verpflichtet gewesen, sich durch Einsichtnahme in die zentrale Audi-Datenbank Kenntnis von der Reparaturhistorie zu verschaffen. Ohne besondere Anhaltspunkte für einen Unfallschaden treffe einen Händler nicht die Obliegenheit, das zum Verkauf angebotene Fahrzeug auf Unfallschäden zu untersuchen. Zu mehr als einer fachmännischen äußeren Besichtigung („Sichtprüfung“) sei er grundsätzlich nicht verpflichtet. Wenn sich dabei keine Anhaltspunkte für einen Vorschaden ergäben, sei er von weiteren Nachforschungen freigestellt, damit auch von einer Abfrage bei einer Datenbank des Herstellers.

     

    Offen lässt der BGH, ob etwas anderes zu gelten habe, weil Audi seine Vertragshändler angeblich dazu verpflichte, schon beim Ankauf eines Audi-Fahrzeugs eine Checkliste abzuarbeiten, die zu einer Einsichtnahme in die Fahrzeughistorie zwinge. Insoweit habe die Bekl. allenfalls fahrlässig, nicht aber vorsätzlich gehandelt. Die Kl. auf das Unterbleiben der Audi-Abfrage nicht ausdrücklich hingewiesen zu haben, könne den Arglistvorwurf nicht rechtfertigen.

     

    Aufgehoben hat der BGH das Berufungsurteil, weil das OLG die vertraglichen Mängelansprüche zu Unrecht für verjährt gehalten hat. Die Klausel „Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung“ sei, wie bereits entschieden, auch im Bereich B2B unwirksam (§ 307 BGB).

     

    Praxishinweis

    Dass ein Autohaus sich beim Verkauf eines zweifach unfallbeschädigten Pkw dem Vorwurf der arglistigen Täuschung erfolgreich entziehen kann, lässt aufhorchen. In der Vergangenheit, zumal vor der Schuldrechtsreform, waren die Gerichte in solchen Fällen wenig zimperlich. Der umfassende Gewährleistungsausschluss ließ die Käufer in die Arglist flüchten und die Gerichte betätigten sich, oftmals mit allzu kühnen Konstruktionen, als willige Fluchthelfer.

     

    Das Freizeichnungsverbot im B2C-Bereich macht den Rückgriff auf die Arglistkeule weitgehend entbehrlich. Verlagert hat sich der Schwerpunkt in Richtung „Untersuchungspflicht“, sofern der Verkäufer auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird. Dass er den Mangel nicht zu vertreten hat, muss er darlegen und notfalls beweisen. Was er zur Vermeidung des Arglistvorwurfs tun muss und lassen darf, ist mit der vorliegenden Entscheidung ein Stück weit klarer geworden. Doch für die Schadenersatzhaftung genügt Fahrlässigkeit. Und sie wird gesetzlich vermutet. Ob der Händler auf eine ihm zugängliche Datei bzw. Online-Datenbank, etwa des Herstellers, zurückgreifen muss, um die Vermutung der Fahrlässigkeit zu widerlegen, ist weiterhin eine offene Frage. Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang eine Herstellerauflage hat, sich schon beim Ankauf kundig zu machen, ist gleichfalls noch klärungsbedürftig.

     

    Zweites Hauptthema der BGH-Entscheidung ist die Verjährung. Bekanntlich ist dem Händler gestattet, die gesetzliche Verjährung auf ein Jahr zu verkürzen. Davon wird, wie man erneut sieht, nicht immer erfolgreich Gebrauch gemacht. Erst kürzlich hat der BGH eine Verjährungsklausel in einem B2C-Fall wegen Missachtung der Vorgaben des § 309 Nr. 7 a und b BGB gekippt (VA 13, 114). Dass ein Verstoß gegen die strikten Klauselverbote eine unangemessene Benachteiligung eines gewerblichen Käufers indiziert, hat der BGH bereits vor Jahren für eine Freizeichnungsklausel entschieden (VA 08, 8). Für eine Verjährungsverkürzung, gleichfalls eine Haftungsbegrenzung, kann nichts anderes gelten.

     

    Seit 2008 (der Audi-Kauf war in 6/07) stehen dem Kfz-Handel nachgebesserte Formulare zur Verfügung. Wer Verkäufer anwaltlich berät, sollte dafür sorgen, dass sie auch zum Einsatz kommen. Eine Bestandsgarantie kann er freilich nicht geben. Die Neuklauseln standen bislang nicht auf dem BGH-Prüfstand.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Abkürzung der Verjährung siehe auch den Praxishinweis in VA 13, 114
    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 163 | ID 42301346