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  • · Fachbeitrag · Anwaltsregress

    Diese Pflichten hat der Anwalt bei einer psychischen Beeinträchtigung des Mandanten

    Hat der Anwalt Anhaltspunkte für das Vorliegen unfallbedingter psychischer Beeinträchtigungen seines Mandanten, muss er sich näher informieren und schon in erster Instanz rechtzeitig zu den vom Mandanten geschilderten Beschwerden vortragen. Der Gefahr des Prozessverlusts wegen eines Substanziierungsmangels kann mit der Bitte um einen Hinweis nach § 139 ZPO begegnet werden (BGH 13.6.13, IX ZR 155/11, Abruf-Nr. 132423).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Wegen eines Auffahrunfalls, den er als Beifahrer erlitten hatte, hatte der Kl. sich von dem bekl. RA vertreten lassen. Das Besondere: Bereits 6 Jahre zuvor war er Opfer eines Auffahrunfalls mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen geworden. Auf psychische Auswirkungen des Zweitunfalls (Aufprallgeschwindigkeit nur 6,5 km/h) wies der Anwalt erstmals per Fax am Tag vor der letzten mündlichen Verhandlung hin. Das LG ging darauf nicht ein, sondern befasste sich nur mit den behaupteten körperlichen Unfallfolgen. Die Berufung blieb erfolglos. Das OLG hielt den erstinstanzlichen Vortrag zu den behaupteten psychischen Schäden für nicht hinreichend substanziiert. Was in II. Instanz - wiederum kurzfristig vor dem Termin - nachgeschoben wurde (privatärztliche Stellungnahme, Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens), hat das OLG als verspätet zurückgewiesen.

     

    Die Regressklage ist in beiden Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Das OLG sah zwar einen Anwaltsfehler, konnte aber nicht feststellen, dass dem Kl. dadurch ein Schaden entstanden ist. Der Unfall habe zwar zu psychischen 
Störungen mit Krankheitswert und einer daraus resultierenden dauernden 
Arbeitsunfähigkeit geführt. Dieser Schadenseintritt sei indes für den Schädiger objektiv nicht vorhersehbar gewesen, sodass eine Haftung nicht in Betracht komme. Nur die besondere Schadensanfälligkeit habe zu den unfallbedingt eingetretenen psychischen Störungen geführt.

     

    Der BGH hat das OLG-Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Auch er geht von einer schuldhaften Verletzung von Anwaltspflichten in beiden 
Instanzen aus. Nicht gelten lässt er die Einlassung des Bekl., die vom Kl. geschilderten psychischen Probleme seien ihm nicht beweisbar erschienen. Drei Möglichkeiten zeigt der BGH auf: Einholung „näherer“ Informationen beim Mandanten, Einholung und Vorlage eines Privatgutachtens und Bitte um einen Hinweis nach § 139 ZPO.

     

    Nach Ansicht des BGH hätte der Vorprozess bei pflichtgemäßem anwaltlichen Handeln zugunsten des Kl. entschieden werden müssen. Der Unfallgegner habe den Auffahrunfall unstreitig schuldhaft verursacht. Entgegen der Meinung des OLG-Regress-Senats sei auch der erforderliche haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang zu bejahen, was unter Hinweis auf die ständige Rspr. des BGH (VI. ZS) näher begründet wird.

     

    Praxishinweis

    Bei einem Auffahrunfall im sog. Harmlosigkeitsbereich an psychische Schäden zu denken, ist zwar eher fernliegend. Doch wenn der Mandant, wie hier, psychische Probleme anspricht und zudem ein Vorunfall im Spiel ist, muss es beim Anwalt klingeln. Bekanntlich darf - in Grenzen - auf Verdacht vorgetragen werden. Absichern kann sich der Anwalt durch die Bitte um einen Hinweis nach § 139 ZPO. Der Schwarze Peter liegt dann beim Gericht.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Wer sich in Sachen Psychoschäden auf den neuesten Stand bringen möchte, dem 
sei das Hermann-Lemcke-Sonderheft r+s 2011 mit einschlägigen Beiträgen von Born, Staab, Wellner und Zoll empfohlen; ferner Ernst, VA 08, 186.
    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 165 | ID 42301343