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  • · Nachricht · Prozessrecht

    Laufen Sie nicht in die „Gehörsrügefalle“

    | Die sog. „Gehörsrügefalle“ hat in der OLG-Rechtsprechung vor einiger Zeit eine erhebliche Rolle gespielt (vgl. OLG Düsseldorf VRR 17, 16; OLG Oldenburg VA 18, 69). Dabei geht es um die Frage, ob der Verteidiger in einem Schriftsatz einen Entbindungsantrag (§ 73 Abs. 2 OWiG) rechtsmissbräuchlich „versteckt“ hat, damit das AG ihn übersieht und nicht bescheidet, um so dem in der Hauptverhandlung ausbleibenden Betroffenen im Fall der Verwerfung seines Einspruchs die Möglichkeit der Gehörsrüge zu eröffnen. |

     

    1. Entbindungsantrag erscheint erst auf Seite 6 des Schriftsatzes

    In einem vom KG dazu jetzt entschiedenen Fall (27.7.21, 3 Ws (B) 194/21, Abruf-Nr. 224798) hatte der Verteidiger den Entbindungsantrag erst am Tag vor der Hauptverhandlung angebracht. Er ging zudem erst um 17 Uhr beim AG ein. Die Hauptverhandlung fand am nächsten Tag um 12:50 Uhr statt. Der Schriftsatz umfasste 13 Seiten. Vorangestellt waren, jeweils in Fettdruck, sechs Prozessanträge; der prozessual zentrale Entbindungsantrag war nicht darunter. Er tauchte erst auf Seite 6 des Schriftsatzes auf. Allerdings war auch er fett gedruckt, und dem Schriftsatz war auch der deutlich abgesetzte und unübersehbare Vermerk vorangestellt: „Eilt sehr! Bitte sofort vorlegen!“ Der Verteidiger hatte den Schriftsatz direkt an das Telefaxgerät der Geschäftsstelle gesandt und nicht an eine andere Nummer des AG, bei der gegebenenfalls nicht mit einer sofortigen Weiterleitung an die Geschäftsstelle und die Abteilungsrichterin zu rechnen gewesen wäre.

     

    2. Es kommt auf die jeweiligen Umstände an

    Das KG sieht Parallelen mit der Fallgestaltung des OLG Düsseldorf VRR 17, 16. Unter den Bedingungen eines üblicherweise dynamisch und komplex verlaufenden Sitzungstags (vgl. auch KG NZV 15, 253) sei auch nicht damit zu rechnen, dass die Abteilungsrichterin den Schriftsatz in der unter normalen Voraussetzungen gebotenen und üblichen Gründlichkeit und Sorgfalt liest. Auch befremdet den Senat der Aufbau des Schriftsatzes, dem zwar, einen prioritären Aufbau nahelegend, Prozessanträge vorausgestellt sind, der den an sich vorrangigen Entbindungsantrag aber erst unter ferner liefen enthielt.