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  • · Nachricht · OWI-Recht

    Überlegungsfrist beim Bilden einer Rettungsgasse?

    | Das OLG Oldenburg musste sich mit der Frage befassen, wie das Wort „sobald“ in § 11 Abs. 2 StVO aufzufassen ist. Danach ist eine Rettungsgasse zu bilden „sobald Fahrzeuge … mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden.“ Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass der Verkehrsteilnehmer eine Überlegungsfrist hat, um die Rettungsgasse zu bilden. |

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG Oldenburg hat das verneint (20.9.22, 2 Ss (OWi) 137/22, Abruf-Nr. 231673). Zwar muss die Rettungsgasse gemäß § 11 Abs. 2 StVO nicht bereits bei stockendem Verkehr gebildet werden. Dies ist erst erforderlich, sobald Fahrzeuge mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich im Stillstand befinden. Die Rettungsgasse ist aber zu bilden, „sobald Fahrzeuge … mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden.“ Soweit das AG Tübingen (DAR 21, 406) die Auffassung vertreten hat, der Verstoß gegen § 11 Abs. 2 StVO setze eine gewisse zeitliche Komponente des Stillstands oder der Schrittgeschwindigkeit voraus, teilt das OLG diese Auffassung nicht. Der Wortlaut des § 11 Abs. 2 StVO ist eindeutig. Laut duden.de bedeutet das Wort „sobald“ „in dem Augenblick, da …“ bzw. „gleich wenn“. Damit wird hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass keine Überlegungsfrist besteht. Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse greift vielmehr sofort ein, nachdem die in § 11 Abs. 2 StVO beschriebene Verkehrssituation eingetreten ist.

     

    Dies galt hier nach Auffassung des OLG umso mehr, als der Betroffene wegen des vom AG festgestellten Stop-and-go‒Verkehrs damit rechnen musste, dass die Phasen des Stillstands auch länger andauern könnten. Würde man einem Fahrzeugführer in einer Situation, in der der vor ihm befindliche Verkehr zum Erliegen gekommen ist, eine Überlegungsfrist zubilligen, während der er zunächst noch die Rettungsgasse blockieren dürfte, hätte dies nach Auffassung des OLG zur Konsequenz, dass er nach Erkennen der Verkehrssituation und Ablauf einer Überlegungsfrist erst noch möglicherweise zeitaufwendig rangieren müsste, um die Rettungsgasse freizugeben.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung ist im Hinblick auf die Formulierung in § 11 Abs. 2 StVO zutreffend. Alles andere würde auch, was beim OLG sicherlich auch eine Rolle gespielt hat, zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Denn wenn man eine Überlegungsfrist zubilligen würde, würde sich auch immer die Frage stellen: Hat der Betroffene die erforderliche Rettungsgasse noch innerhalb der Überlegungsfrist gebildet und wie lang ist die Frist überhaupt?

     

    Für Betroffene kann die Entscheidung von erheblicher Bedeutung sein, denn die Folgen bei einem Verstoß gegen § 11 Abs. 2 StPO können erheblich sein. Es drohen ‒ je nach Schwere des Verstoßes: möglicherweise Behinderung, Gefährdung, Sachbeschädigung ‒ Geldbußen zwischen 200 und 320 EUR. Außerdem drohen zwei Punkte im FABS und ein Fahrverbot von einem Monat.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2022 | Seite 218 | ID 48649114