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  • 14.08.2025 · IWW-Abrufnummer 249676

    Landgericht Wiesbaden: Beschluss vom 19.05.2025 – 5 Qs 27/25

    1. Zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort.

    2. Die Wertgrenze für den bedeutenden Schaden i.S. von § 69 Abs. 1 Nr. 3 StGB liegt bei 1.600,00 EUR.


    LG Wiesbaden, Beschluss vom 19.05.2025, Az. 5 Qs 27/25

    Beschluss

    In dem Ermittlungsverfahren
    Gegen pp.

    Verteidiger:

    wegen Unfallflucht

    hat das Landgericht Wiesbaden - 5. Große Strafkammer - am 19.05.2025 beschlossen:

    Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 06.02.2025 (Geschäftsnummer: 66 Gs 2125) wird auf dessen Kosten als unbegründet verworfen.

    Gründe:

    I.

    Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, am 03.12.2024 um 21:07 Uhr in Eltville am Rhein im Parkhaus Kilians Center beim Rückwärts Ausparken mit seinem PKW, amtl. Kennzeichen pp. aus einer Parklücke mittig mit seinem Heck gegen das gegenüberliegende, ordnungsgemäß parkende Fahrzeug der Geschädigten pp. amtl. Kennzeichen pp. gestoßen zu sein und sich gleichwohl unerlaubt vom Unfallort entfernt zu haben. Durch die Kollision soll am beschädigten Fahrzeug ein Schaden von 7.993,66 Euro entstanden sein.

    Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat das Amtsgericht Wiesbaden dem Beschuldigten mit Beschluss vom 06.02.2025 vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten vom 27.03.2025, der das Amtsgericht Wiesbaden nicht abgeholfen hat.

    Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts ist rechtlich nichts zu erinnern.

    1. Gemäß § 111a Abs. 1 StPO kann einer beschuldigten Person die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß § 69 StGB endgültig entzogen werden wird. Es besteht der dringende Tatverdacht, dass er beim rückwärtsfahrenden Ausparken mit dem Heck des von ihm geführten Fahrzeugs mittig gegen das ihm gegenüber geparkte Fahrzeug der Geschädigten gefahren ist, dies bemerkte und im Anschluss den Ort des Geschehens verließ, ohne die Feststellungen zu seiner Person und die Art seiner Beteiligung zu ermöglichen oder eine angemessene Zeit zu warten.

    2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

    a) Aufgrund des gegenwärtigen Ermittlungsstandes sind derzeit dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass sich der Beschuldigte gemäß § 142 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat und ihm mithin gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB die Fahrerlaubnis entzogen werden wird.

    b) Die Fahrt selbst - sowie mehrere im Zuge des Ausparkvorgangs von ihm möglicherweise ausgeführte Rangiermanöver - hat der Beschuldigte in der Beschwerdeschrift eingeräumt. Ebenso hat er eingeräumt, nach dem Zusammenstoß weggefahren zu sein (BI. 62 d.A.). Dem steht schon nicht entgegen, dass in dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden die Kennzeichen der beteiligten Fahrzeuge verwechselt worden sind - tatsächlich handelt es sich bei dem Kennzeichen pp. um das Kennzeichen der Geschädigten und bei dem Kennzeichen pp. um das Kennzeichen des Beschuldigten - da es sich insoweit um ein offensichtliches Schreibversehen handelt.

    Soweit der Beschuldigte einwendet, die Kollision mit dem Fahrzeug der Geschädigten nicht bemerkt zu haben - sei es wegen Fehlens eines kinetischen Widerstands, dem Nichtauslösen eines Abstandswarners oder wegen lauter Musik im Fahrzeuginnenraum - so handelt es sich auch unter Berücksichtigung der mit der Beschwerde übermittelten Anlagen zu Größenverhältnissen des Fahrzeugs (Lichtbilder), technischen Daten und der Stellungnahme eines Sachverständigen zur Wahrnehmbarkeit (Anlagen Al bis A10, BI. 72 ff. d.A.) um eine widerlegte Schutzbehauptung.

    Der Parkplatz an der Örtlichkeit des Zusammenstoßes liegt im Bereich einer Videokamera (Lichtbildmappe Bildausschnitte, BI. 16 ff. d.A.). Auf den in der Akte befindlichen Bildausschnitten der Aufzeichnung sind mehrfache Rangiermanöver des Beschuldigten zu sehen, sowie dass der Beschuldigte beim Rangieren nach dem Zusammenstoß durch die Windschutzscheibe frontal auf das Fahrzeug der Geschädigten blickt. Zudem wurden Aufzeichnungen von der Polizei im Rahmen der Ermittlungen ausgewertet (Ermittlungsbericht, BI. 10 d.A.). Ausweislich des Ermittlungsberichts habe sich bei dem Ausparkmanöver des Beschuldigten und dem mittigen Anstoß das Heck seines Fahrzeugs deutlich angehoben und die Ladefläche des Fahrzeugs des Beschuldigten sich teilweise über die Motorhaube des Fahrzeugs der Geschädigten geschoben haben. Ebenso sei das Fahrzeug der Geschädigten ein Stück zurückgeschoben worden. Nach mehreren Rangiermanövern habe der Beschuldigte das Parkhaus verlassen, ohne aus dem Fahrzeug auszusteigen. Vor diesem Hintergrund erscheint es unwahrscheinlich, dass der Beschuldigte die Kollision mit dem Fahrzeug der Geschädigten, sei es haptisch oder akustisch, nicht vernommen hat.

    c) Die für einen vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO erforderliche Schadenshöhe ist ebenfalls erreicht. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Landgerichts Wiesbaden (vgl. 6 Qs 4/21, 6 Qs 8/23) liegt die Wertgrenze bei nunmehr 1.600,00 Euro; angesichts des aus dem Schadensgutachten des Kfz-Sachverständigen pp. ersichtlichen Netto-Schadens i. H. v. 7.933,66 Euro (BI. 29 ff. d.A.) ist diese Grenze überschritten. Es ist auch davon auszugehen, dass der Beschuldigte zumindest wissen konnte, dass bei dem Unfall an fremden Sachen ein bedeutender Schaden i. S. d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 entstanden ist. Infolge der Kollision hob sich das Heck des von ihm geführten Fahrzeugs, schob sich teils über die Motorhaube des Geschädigtenfahrzeugs und schob dieses ein Stück zurück, was für die Verursachung eines nicht unerheblichen Schadens an äußeren Zonen wie Lack und Kühlergrill sowie tieferliegenden Schäden am beeinträchtigten Fahrzeug spricht.
    d) Unter Berücksichtigung vorstehender Erwägungen sind aus Sicht der Kammer auch dringende Gründe vorhanden, dass die Maßregel gern. § 69 StGB angeordnet werden wird. Der Beschuldigte ist aufgrund des dringenden Tatverdachts einer Katalogtat gern. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

    Es sind gegenwärtig auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte dargetan oder sonst ersichtlich, aufgrund derer die Indizwirkung vorliegend als widerlegt anzusehen wäre. Ebenso bestehen keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Maßnahme im Sinne des § 111a Abs. 1 Satz 2 StPO.

    Das berufliche Angewiesensein auf den Führerschein stellt für sich genommen keine berücksichtigungsfähige überdurchschnittliche Härte dar (BGH, Vorlagebeschluss vom 26.08.2004, NJW 2004, 3497 [3502]; LG Berlin, Beschluss vom 01.03.2018 - 538 Qs 22/18, BeckRS 2018, 13522). Im Übrigen läge eine solche Härte im vorliegenden Fall auch nicht vor, da der Beschuldigte - wie er selbst in der Beschwerde ausführen lässt - in der Zwischenzeit einen Fahrer beschäftigen kann.

    Nach alledem erweist sich die vorläufige Maßnahme gern. § 111a StPO des Amtsgerichts Wiesbaden als gerechtfertigt.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Eine weitere Beschwerde findet nicht statt, § 310 Abs. 2 StPO.