14.08.2025 · IWW-Abrufnummer 249675
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Beschluss vom 20.05.2025 – 11 CS 24.2074
1. Zur Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad in erheblich alkoholisiertem Zustand.
2. Hat der Antragsteller selbst bei der spontanen Schilderung des Unfallhergangs gegenüber der Polizei angegeben, dass er vor einem Sturz mit einem Fahrrad gefahren sei, kann er später nicht geltend macht, er könne sich an diese Aussage alkoholbedingt oder aufgrund erlittener Verletzungen nicht mehr erinnern, wenn kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich ist, weshalb er einer Trunkenheitsfahrt bezichtigt haben sollte, obwohl er nach seinen Angaben dringend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen sei.
BayVGH, Beschluss vom 20.05.2025, Az. 11 CS 24.2074
In pp.
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, A2, AM, B, BE, T und L.
Durch polizeiliche Mittteilung vom 12. Dezember 2023 wurde dem Landratsamt Dillingen bekannt, dass der Antragsteller am 29. Oktober 2023 gegen 2:50 Uhr (vor Zeitumstellung) bei einer Fahrt mit seinem Fahrrad alleinbeteiligt ohne Fremdeinwirkung vermutlich infolge seiner Alkoholisierung gestürzt sei. Beim Eintreffen der Polizeibeamten sei er bereits durch den Rettungsdienst, u.a. aufgrund einer Gesichtsverletzung, behandelt worden. Bei einer informatorischen Befragung habe er angegeben, mit dem Fahrrad vom Dorffest unweit der Unfallstelle losgefahren und aus unbekannter Ursache gestürzt zu sein, wodurch er sich die vorliegenden Verletzungen zugezogen habe. Er sei zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus eingeliefert worden. Er habe erheblich alkoholisiert gewirkt, was sich an einer verwaschenen Aussprache, deutlichem Alkoholgeruch und unsicherem Gang gezeigt habe. Ein freiwilliger Atemalkoholtest um 2:22 Uhr (nach Zeitumstellung) habe einen Atemalkoholwert von 1,09 mg/l ergeben. Aufgrund der Angaben des Antragstellers und der Schwere seiner Verletzungen habe man davon ausgehen müssen, dass er mit dem Fahrrad gefahren sei. Eine um 2:50 Uhr (nach Zeitumstellung) im Krankenhaus entnommene Blutprobe habe einen Blutalkoholwert von 2,21 ‰ ergeben. Nachdem der Antragsteller darüber telefonisch in Kenntnis gesetzt worden sei, habe er sich nicht weiter zur Sache äußern wollen. Er sei absolut fahruntüchtig gewesen. Nach seinen ersten Einlassungen vor der Belehrung als Beschuldigter sei er mit dem Fahrrad gefahren, was aufgrund des vorliegenden Verletzungsbilds habe nachvollzogen werden können. Zeugen des Sturzes hätten nicht ermittelt werden können.
Mit Beschluss vom 2. April 2024 stellte die Staatsanwaltschaft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller nach § 153a Abs. 1 StPO ein.
Mit Schreiben vom 23. Mai 2024 forderte das Landratsamt den Antragsteller gestützt auf § 46 Abs. 3 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV auf, bis 7. August 2024 ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu den Fragen vorzulegen, ob er zukünftig auch ein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und gleichzeitig einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht mehr hinreichend sicher trennen könne, falls ja, ob ein ausreichend langer Abstinenzzeitraum sowie ein gefestigter Einstellungs- und Verhaltenswandel zu Alkohol vorliege, wenn er keinen kontrollierten Umgang mit Alkohol mehr erreichen bzw. einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht mehr hinreichend sicher trennen könne.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 5. Juni 2024 ließ der Antragsteller vortragen, er sei nicht trotz Fahruntüchtigkeit mit dem Fahrrad gefahren, sondern habe dieses aufgrund der für ihn ungewöhnlichen Alkoholisierung nur geschoben. Die in der Ermittlungsakte befindlichen Lichtbilder belegten, dass er nach vorne gefallen sein müsse (Verletzung im Gesicht, verschmutztes Vorderteil des Pullovers). Bei einem Sturz mit dem Fahrrad wären dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit Verletzungen im Seitenbereich (z.B. am Arm oder an der Schulter) zu erwarten gewesen. Auch zeige das Fahrrad keinerlei Beschädigungen oder Auffälligkeiten, die auf einen Sturz beim Fahren hindeuteten. Der Antragsteller, der ansonsten von übermäßigem Alkoholgenuss absehe, sei vor dem Sturz physisch gar nicht mehr in der Lage gewesen, mit dem Fahrrad zu fahren. Er erinnere sich nicht mehr, sich gegenüber den Polizeibeamten geäußert zu haben. Dies möge sowohl an seiner damaligen Alkoholisierung als auch an den erlittenen Verletzungen gelegen haben. Möglich sei auch, dass ihn die Beamten missverstanden hätten. Nach dem Sturz sei er offenkundig auch nicht mehr dazu in der Lage gewesen, sich einer informellen Befragung zu unterziehen. Zeugen gebe es nicht. Bereits im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren habe er sich dahin eingelassen, das Fahrrad nur geschoben zu haben. Das Strafverfahren sei gemäß § 153a Abs. 1 StPO endgültig eingestellt worden.
Nach Akteneinsicht erklärte der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 20. Juni 2024, er werde sich ‒ unter dem Vorbehalt, dass dessen Anordnung als unverhältnismäßig angesehen werde ‒ einer medizinisch-psychologischen Untersuchung unterziehen, legte jedoch in der Folge kein Gutachten vor.
Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis trug der Antragsteller vor, er sei zur Ausübung seines Berufs, zur Mithilfe im landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb seines Vaters und zur Ausübung seines Dienstes bei der Freiwilligen Feuerwehr auf die Fahrerlaubnis angewiesen.
Mit Bescheid vom 26. September 2024 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis und die Fahrberechtigung zum Führen von Einsatzfahrzeugen der Freiwilligen Feuerwehr und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds, den Führerschein und den Nachweis der Fahrberechtigung zum Führen von Einsatzfahrzeugen der Freiwilligen Feuerwehren spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.
Am 9. Oktober 2024 kam der Antragsteller seiner Abgabepflicht nach und ließ beim Verwaltungsgericht Augsburg Anfechtungsklage erheben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen. Dabei erklärte er an Eides statt, dass er am 29. Oktober 2023 gegen 3:00 Uhr sein Fahrrad geschoben und nicht gefahren habe und sich auch nicht daran erinnere, gegenüber der Polizei gesagt zu haben, gefahren zu sein.
Mit Beschluss vom 20. November 2024 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab. Der Antrag sei unzulässig, soweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung beantragt werde, und im Übrigen unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet worden und auch materiell rechtmäßig. Das Landratsamt habe die Fahrerlaubnis des Antragstellers gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV entziehen dürfen bzw. müssen. Die Beibringungsanordnung sei formell und materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV hätten vorgelegen. Die Fahrerlaubnisbehörde dürfe dies ‒ soweit sie wie hier keinen Beschränkungen nach § 3 Abs. 4 StVG unterliege ‒ eigenständig und unabhängig davon beurteilen, ob die Tat geahndet worden sei. Die herangezogenen Umstände müssten allerdings in den Verfahrensakten hinreichend dokumentiert sein, was hier in den Ermittlungsakten bzw. dem Einstellungsbeschluss geschehen sei. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung habe der Antragsteller das Führen des Fahrrads nicht bestritten. Es erscheine lebensfremd, dass er ‒ anwaltlich vertreten und beraten ‒ sowohl der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 153a Abs. 1 StPO als auch der Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zugestimmt habe, obwohl er mit dem Fahrrad angeblich nicht gefahren sei. In diesem Fall wäre zu erwarten gewesen, dass er sich bereits bei seiner ersten Befragung durch die Polizei entsprechend geäußert hätte. Damals habe er jedoch erklärt, mit dem Fahrrad gefahren zu sein, und dabei sogar angegeben, wo er losgefahren sei. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen habe er sich zur Sache nicht mehr äußern wollen. Er habe auch der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 153a Abs. 1 StPO zugestimmt, was nur in Betracht komme, wenn ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Verurteilung ausgegangen werden könne. Hätte der Antragsteller gemeint, die Tat sei nicht nachzuweisen, hätte er seine Zustimmung verweigern können, um einen Freispruch zu erreichen. Gleiches gelte für die Aufforderung zur Beibringung des Fahreignungsgutachtens. Die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK verbiete es nicht, in Verfahren mit anderer Zielsetzung Feststellungen über Tatsachen, die einen Straftatbestand erfüllten, als Grundlage für die daran anknüpfenden außerstrafrechtlichen Rechtsfolgen zu treffen. Auch im Zeitpunkt des Bescheiderlasses habe die Fahrt mit dem Fahrrad mit hinreichender Gewissheit festgestanden. Dem Vortrag im gerichtlichen Verfahren, er habe das Fahrrad geschoben, könne daher nicht gefolgt werden. Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren habe er nicht geltend gemacht, er habe das Fahrrad nicht gefahren, sondern nur erklärt, die Fahrt könne ihm mangels Zeugen nicht nachgewiesen werden; seine erste Aussage vor der Polizei direkt am Unfallort könne mangels Belehrung nicht verwertet werden. Nach der Rechtsprechung könnten die strafverfahrensrechtlichen Maßstäbe über die Rechtsfolgen von Mängeln der Beweiserhebung jedoch nicht ohne weiteres auf das ordnungsrechtliche Fahrerlaubnisverfahren übertragen werden, das andere Zielsetzungen habe und anderen Verfahrensbestimmungen unterliege. Soweit wie hier ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot nicht bestehe, sei im Einzelfall zwischen dem Integritätsinteresse des von dem Eingriff betroffenen Grundrechtsträgers und dem Gewicht der sonst zu beachtenden Belange abzuwägen. Diese Abwägung falle im Fahrerlaubnisrecht in aller Regel zu Lasten des Fahrerlaubnisinhabers aus, da im rein präventiven, auf keine Bestrafung gerichteten Fahrerlaubnisverfahren mit erheblichem Gewicht Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer zu beachten seien. Im Übrigen sprächen die Fotos in den Akten durchaus nicht für einen Sturz beim Schieben des Fahrrads. Der Antragsteller habe erhebliche Gesichtsverletzungen, hauptsächlich in der rechten Gesichtshälfte, und blutende Platz- bzw. Schürfwunden, nicht nur bloße Prellungen davongetragen. Die Verschmutzungen der Oberbekleidung befänden sich nicht nur an der Vorderseite, sondern auch seitlich am Ärmel. Außerdem sei es auch möglich, bei einem Sturz vom Fahrrad nach vorne zu stürzen. Der an einer Stelle zentral aufgetretene Blutfleck spreche ebenfalls nicht gegen einen Sturz vom Fahrrad, sondern lediglich gegen einen Sturz bei hoher Geschwindigkeit. Eine solche sei bei der erheblichen Alkoholisierung des Antragstellers aber auch nicht zu erwarten gewesen. Im Übrigen komme es auf die Frage, ob der Antragsteller das Fahrrad tatsächlich „geführt“ habe, im Rahmen der Entscheidung nach § 11 Abs. 8 FeV nicht mehr an; entscheidend sei allein, ob die Behörde bei Anforderung des Gutachtens davon habe ausgehen dürfen. Die geltend gemachte „Verwirkung“ komme bei einer Beibringungsanordnung nur wenige Wochen nach Einstellung des Strafverfahrens offenkundig nicht in Betracht. Unabhängig davon führe auch eine von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der widerstreitenden Interessen zu dem Ergebnis, dass dem öffentlichen Vollzugsinteresse ein größeres Gewicht einzuräumen sei, als dem Interesse des Antragstellers, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Es entspreche der Pflicht des Staates zum Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben, nur solche Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, deren Fahreignung gewährleistet sei. Beim Antragsteller, der erheblich alkoholisiert im Straßenverkehr auffällig geworden sei, könne nicht die Rede davon sein, dass das von ihm ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liege. Die Entziehung der Fahrberechtigung zum Führen von Einsatzfahrzeugen der freiwilligen Feuerwehr habe lediglich deklaratorische Wirkung, weil sie mit der unanfechtbaren oder sofort vollziehbaren Entziehung der allgemeinen Fahrerlaubnis der Klasse B erlösche (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Erteilung einer Fahrberechtigung an Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren, nach Landesrecht anerkannten Rettungsdienste und technischen Hilfsdienste), was allerdings ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids führe.
Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, der Eilbeschluss sei rechtsfehlerhaft, weil das Verwaltungsgericht vorliegend den Begriff des „Führens" eines Fahrzeugs im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV verkannt habe. Es habe zutreffend darauf abgestellt, dass das Schieben eines Fahrrads nicht den Begriff des „Führens" erfülle und mit hinreichender Gewissheit feststehen müsse, dass der Betroffene das Fahrzeug geführt habe. Auch wenn die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nur der Vorbereitung der Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde diene, bedeute dies mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip und die mit einer medizinisch-psychologischen Begutachtung für den Betroffenen verbundenen Belastungen nicht, dass bereits ein vager Verdacht die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertige. Allein das Verhalten des Antragstellers im Strafverfahren bzw. seine Zustimmung zur Verfahrenseinstellung nach § 153 a Abs. 1 StPO sei kein ausreichendes Indiz für eine Trunkenheitsfahrt. Eine solche Einstellung sei im Hinblick auf die Vermeidung von Anwaltsgebühren üblich und habe keine präjudizierende Wirkung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren. Sie legitimiere nicht die Beibringungsanordnung. Die entsprechende Aussage des Antragstellers gegenüber der Polizei im polizeilichen Ermittlungsverfahren sei definitiv nicht verwertbar gewesen, so dass auch nicht durch Zeugenaussage eines Dritten ‒ im Unterschied zum Verfahren aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. September 2023 (11 CS 23.1298) ‒ ein entsprechendes Indiz aus einem Strafverfahren vorliege. Auch die von der Ausgangsbehörde angenommene „erhebliche Verletzung im Gesicht" sei kein tragfähiges Indiz dafür, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des Aufpralls auf dem Boden mit dem Fahrrad gefahren sei. Insbesondere verkenne das Ausgangsgericht die Tatsache, dass nur an einer einzigen Stelle ein Blutverlust habe festgestellt werden können. Bei einem Sturz vom fahrenden Fahrrad sei schon von der Schwerkraft her ein Blutverlust im Rahmen einer „Schleifspur" denklogisch notwendig. Wenn das Ausgangsgericht dagegen einwende, dass eine solche Blutspur nur bei „hoher Geschwindigkeit" entstehe, was bei „der erheblichen Alkoholisierung des Antragstellers nicht zu erwarten“ gewesen sei, werde insofern offensichtlich die Beurteilung des Entlastungsarguments mit der subjektiven Annahme eines nicht bewiesenen und indiziell nicht zwingend notwendigen Vorgangs vermeintlich widerlegt, was nicht nachvollziehbar sei. Es stehe daher nicht mit hinreichender Gewissheit fest, dass der Antragsteller das Fahrzeug geführt habe. Insofern sei nicht zum Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern ein medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen gewesen, zumal der Antragsteller auch in der Vergangenheit nie alkoholbedingt aufgefallen sei. Weder sei er im Seitenbereich (Arm oder Schulter) verletzt gewesen noch sei das Fahrrad beschädigt worden, was beides bei einem Sturz vom Fahrrad zu erwarten gewesen wäre. Auch die Verletzung im Gesicht und insbesondere der nur an einer Stelle vorhandene Blutfleck sprächen dagegen, dass der Antragsteller beim Sturz gefahren sei. Insofern sei daher die Erforderlichkeit und Rechtmäßigkeit der Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aus sachfremden Erwägungen angenommen worden.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Antragsgegner macht zu Recht geltend, dass der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung nicht der vom Gericht vorgenommenen reinen Interessenabwägung in Randnummer 55 des angefochtenen Beschlusses entgegengetreten ist, die unabhängig von der materiell-rechtlichen Bewertung des Bescheids die Ablehnung des Antrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO trägt. Hierbei geht es um eine erfolgsunabhängige Abwägung zwischen dem schutzwürdigen Suspensivinteresse des Betroffenen und dem öffentlichen Vollzugsinteresse in der Annahme offener Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 93; Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2024, § 80 Rn. 373 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit dieses Stufensystems BVerfG, B.v. 11.6.2008 ‒ 2 BvR 2062/07 ‒ NVwZ-RR 2008, 657 = juris Rn. 14; B.v. 29.5.2007 ‒ 2 BvR 695/07 ‒ NVwZ 2007, 1176 = juris Rn. 31). Ist die Entscheidung ‒ wie hier ‒ auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, kann die Beschwerde nur Erfolg haben, wenn der Beschwerdeführer im Hinblick auf jeden der für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblichen Gründe in der Beschwerde etwas Durchgreifendes vorträgt (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2024 ‒ 6 CE 24.829 ‒ juris Rn. 5; B.v. 15.1.2024 ‒ 10 CS 23.2320 ‒ juris Rn. 4; B.v. 31.7.2023 ‒ 11 CS 23.1229 ‒ juris Rn. 12; Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 146 VwGO Rn. 13c; Kaufmann in BeckOK VwGO, Stand 1.1.2020, § 146 Rn. 14; Guckelberger, a.a.O. § 146 Rn. 77 f. jeweils m.w.N.).
2. Weiter ist aber auch die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, es stehe mit hinreichender Gewissheit fest, dass der Antragsteller das Fahrrad geführt habe. Nachdem der Antragsteller dies bei der spontanen Schilderung des Unfallhergangs gegenüber der Polizei selber angegeben hat, handelt es sich hierbei nicht um einen vagen Verdacht. Dem steht weder die Beweiswürdigung im Verfahren 11 CS 23.1298 entgegen noch, dass der Antragsteller nunmehr geltend macht, er könne sich an diese Aussage alkoholbedingt oder aufgrund der erlittenen Verletzungen nicht mehr erinnern. Vielmehr ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, weshalb er sich am 29. Oktober 2023 einer Trunkenheitsfahrt bezichtigt haben sollte, obwohl er nach seinen Angaben dringend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen sei. Aus dem polizeilichen Bericht ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für ein Missverständnis. Vielmehr war der Antragsteller trotz seiner Alkoholisierung durchaus noch in der Lage, über die Fahrtstrecke und die Unfallursache zu reden, zu gehen und einen Atem-alkoholtest durchzuführen. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang auch nachvollziehbar gewürdigt, dass er die ursprüngliche Angabe auch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht sogleich widerrufen hat, sondern sich nach der Beschuldigtenbelehrung zunächst nicht zur Sache geäußert und dann darauf zurückgezogen hat, eine Trunkenheitsfahrt könne ihm mangels Zeugen nicht nachgewiesen werden. Hinzu kommt das Verhalten im Strafverfahren, in dem er der Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a Abs. 1 StPO gegen eine Geldauflage zugestimmt hat, und im Verwaltungsverfahren, in dem er der mit Kosten verbundenen Beibringungsaufforderung, wenn auch unter Vorbehalt, nachkommen wollte (vgl. BayVGH, B.v. 8.3.2022 ‒ 11 CS 22.166 ‒ juris Rn. 19). Eine Gesamtwürdigung dieser Indizien lässt das Bestreiten der Trunkenheitsfahrt im Entziehungsverfahren als nicht glaubhaft erscheinen. Entgegen der Darstellung des Antragstellers ist das Verwaltungsgericht nicht davon ausgegangen, dass allein die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a Abs. 1 StPO ein ausreichendes Indiz für eine Trunkenheitsfahrt sei, sondern hat dies nur nachvollziehbar als eines von mehreren Indizien dahingehend gewertet.
Soweit er pauschal behauptet, seine Angaben gegenüber der Polizei am Unfalltag seien „definitiv nicht verwertbar“, setzt er sich nicht mit den gerichtlichen Ausführungen und der hierfür angeführten Rechtsprechung auseinander, wonach Erkenntnisse ‒ selbst wenn sie unter Verstoß gegen strafprozessuale Beweiserhebungsvorschriften gewonnen worden seien ‒ im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren grundsätzlich keinem Verwertungsverbot unterliegen (BA Rn. 50; vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2021 ‒ 11 CS 20.2643 ‒ juris Rn. 30; B.v. 22.1.2024 ‒ 11 CS 23.1451 ‒ juris Rn. 19 jeweils m.w.N.; SächsOVG, B.v. 6.6.2023 ‒ 6 A 83/21 ‒ juris Rn. 7; Hühnermann in Burmann/Heß/ Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 2024, § 24a StVG, Rn. 16). Gründe, weshalb dies hier ausnahmsweise anders zu sehen sein sollte, sind nicht dargelegt.
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob sich aus dem Verletzungsbild des Antragstellers hinreichende Schlüsse auf den Unfallhergang ziehen lassen. Jedenfalls hat der Antragsteller nicht nachvollziehbar dargelegt, dass das Verletzungsbild eine Fahrt mit dem Fahrrad ausschließt.
3. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.2, 46.3 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
In pp.
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, A2, AM, B, BE, T und L.
Durch polizeiliche Mittteilung vom 12. Dezember 2023 wurde dem Landratsamt Dillingen bekannt, dass der Antragsteller am 29. Oktober 2023 gegen 2:50 Uhr (vor Zeitumstellung) bei einer Fahrt mit seinem Fahrrad alleinbeteiligt ohne Fremdeinwirkung vermutlich infolge seiner Alkoholisierung gestürzt sei. Beim Eintreffen der Polizeibeamten sei er bereits durch den Rettungsdienst, u.a. aufgrund einer Gesichtsverletzung, behandelt worden. Bei einer informatorischen Befragung habe er angegeben, mit dem Fahrrad vom Dorffest unweit der Unfallstelle losgefahren und aus unbekannter Ursache gestürzt zu sein, wodurch er sich die vorliegenden Verletzungen zugezogen habe. Er sei zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus eingeliefert worden. Er habe erheblich alkoholisiert gewirkt, was sich an einer verwaschenen Aussprache, deutlichem Alkoholgeruch und unsicherem Gang gezeigt habe. Ein freiwilliger Atemalkoholtest um 2:22 Uhr (nach Zeitumstellung) habe einen Atemalkoholwert von 1,09 mg/l ergeben. Aufgrund der Angaben des Antragstellers und der Schwere seiner Verletzungen habe man davon ausgehen müssen, dass er mit dem Fahrrad gefahren sei. Eine um 2:50 Uhr (nach Zeitumstellung) im Krankenhaus entnommene Blutprobe habe einen Blutalkoholwert von 2,21 ‰ ergeben. Nachdem der Antragsteller darüber telefonisch in Kenntnis gesetzt worden sei, habe er sich nicht weiter zur Sache äußern wollen. Er sei absolut fahruntüchtig gewesen. Nach seinen ersten Einlassungen vor der Belehrung als Beschuldigter sei er mit dem Fahrrad gefahren, was aufgrund des vorliegenden Verletzungsbilds habe nachvollzogen werden können. Zeugen des Sturzes hätten nicht ermittelt werden können.
Mit Beschluss vom 2. April 2024 stellte die Staatsanwaltschaft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller nach § 153a Abs. 1 StPO ein.
Mit Schreiben vom 23. Mai 2024 forderte das Landratsamt den Antragsteller gestützt auf § 46 Abs. 3 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV auf, bis 7. August 2024 ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu den Fragen vorzulegen, ob er zukünftig auch ein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und gleichzeitig einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht mehr hinreichend sicher trennen könne, falls ja, ob ein ausreichend langer Abstinenzzeitraum sowie ein gefestigter Einstellungs- und Verhaltenswandel zu Alkohol vorliege, wenn er keinen kontrollierten Umgang mit Alkohol mehr erreichen bzw. einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht mehr hinreichend sicher trennen könne.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 5. Juni 2024 ließ der Antragsteller vortragen, er sei nicht trotz Fahruntüchtigkeit mit dem Fahrrad gefahren, sondern habe dieses aufgrund der für ihn ungewöhnlichen Alkoholisierung nur geschoben. Die in der Ermittlungsakte befindlichen Lichtbilder belegten, dass er nach vorne gefallen sein müsse (Verletzung im Gesicht, verschmutztes Vorderteil des Pullovers). Bei einem Sturz mit dem Fahrrad wären dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit Verletzungen im Seitenbereich (z.B. am Arm oder an der Schulter) zu erwarten gewesen. Auch zeige das Fahrrad keinerlei Beschädigungen oder Auffälligkeiten, die auf einen Sturz beim Fahren hindeuteten. Der Antragsteller, der ansonsten von übermäßigem Alkoholgenuss absehe, sei vor dem Sturz physisch gar nicht mehr in der Lage gewesen, mit dem Fahrrad zu fahren. Er erinnere sich nicht mehr, sich gegenüber den Polizeibeamten geäußert zu haben. Dies möge sowohl an seiner damaligen Alkoholisierung als auch an den erlittenen Verletzungen gelegen haben. Möglich sei auch, dass ihn die Beamten missverstanden hätten. Nach dem Sturz sei er offenkundig auch nicht mehr dazu in der Lage gewesen, sich einer informellen Befragung zu unterziehen. Zeugen gebe es nicht. Bereits im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren habe er sich dahin eingelassen, das Fahrrad nur geschoben zu haben. Das Strafverfahren sei gemäß § 153a Abs. 1 StPO endgültig eingestellt worden.
Nach Akteneinsicht erklärte der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 20. Juni 2024, er werde sich ‒ unter dem Vorbehalt, dass dessen Anordnung als unverhältnismäßig angesehen werde ‒ einer medizinisch-psychologischen Untersuchung unterziehen, legte jedoch in der Folge kein Gutachten vor.
Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis trug der Antragsteller vor, er sei zur Ausübung seines Berufs, zur Mithilfe im landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb seines Vaters und zur Ausübung seines Dienstes bei der Freiwilligen Feuerwehr auf die Fahrerlaubnis angewiesen.
Mit Bescheid vom 26. September 2024 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis und die Fahrberechtigung zum Führen von Einsatzfahrzeugen der Freiwilligen Feuerwehr und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds, den Führerschein und den Nachweis der Fahrberechtigung zum Führen von Einsatzfahrzeugen der Freiwilligen Feuerwehren spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.
Am 9. Oktober 2024 kam der Antragsteller seiner Abgabepflicht nach und ließ beim Verwaltungsgericht Augsburg Anfechtungsklage erheben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen. Dabei erklärte er an Eides statt, dass er am 29. Oktober 2023 gegen 3:00 Uhr sein Fahrrad geschoben und nicht gefahren habe und sich auch nicht daran erinnere, gegenüber der Polizei gesagt zu haben, gefahren zu sein.
Mit Beschluss vom 20. November 2024 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab. Der Antrag sei unzulässig, soweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung beantragt werde, und im Übrigen unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet worden und auch materiell rechtmäßig. Das Landratsamt habe die Fahrerlaubnis des Antragstellers gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV entziehen dürfen bzw. müssen. Die Beibringungsanordnung sei formell und materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV hätten vorgelegen. Die Fahrerlaubnisbehörde dürfe dies ‒ soweit sie wie hier keinen Beschränkungen nach § 3 Abs. 4 StVG unterliege ‒ eigenständig und unabhängig davon beurteilen, ob die Tat geahndet worden sei. Die herangezogenen Umstände müssten allerdings in den Verfahrensakten hinreichend dokumentiert sein, was hier in den Ermittlungsakten bzw. dem Einstellungsbeschluss geschehen sei. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung habe der Antragsteller das Führen des Fahrrads nicht bestritten. Es erscheine lebensfremd, dass er ‒ anwaltlich vertreten und beraten ‒ sowohl der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 153a Abs. 1 StPO als auch der Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zugestimmt habe, obwohl er mit dem Fahrrad angeblich nicht gefahren sei. In diesem Fall wäre zu erwarten gewesen, dass er sich bereits bei seiner ersten Befragung durch die Polizei entsprechend geäußert hätte. Damals habe er jedoch erklärt, mit dem Fahrrad gefahren zu sein, und dabei sogar angegeben, wo er losgefahren sei. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen habe er sich zur Sache nicht mehr äußern wollen. Er habe auch der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 153a Abs. 1 StPO zugestimmt, was nur in Betracht komme, wenn ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Verurteilung ausgegangen werden könne. Hätte der Antragsteller gemeint, die Tat sei nicht nachzuweisen, hätte er seine Zustimmung verweigern können, um einen Freispruch zu erreichen. Gleiches gelte für die Aufforderung zur Beibringung des Fahreignungsgutachtens. Die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK verbiete es nicht, in Verfahren mit anderer Zielsetzung Feststellungen über Tatsachen, die einen Straftatbestand erfüllten, als Grundlage für die daran anknüpfenden außerstrafrechtlichen Rechtsfolgen zu treffen. Auch im Zeitpunkt des Bescheiderlasses habe die Fahrt mit dem Fahrrad mit hinreichender Gewissheit festgestanden. Dem Vortrag im gerichtlichen Verfahren, er habe das Fahrrad geschoben, könne daher nicht gefolgt werden. Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren habe er nicht geltend gemacht, er habe das Fahrrad nicht gefahren, sondern nur erklärt, die Fahrt könne ihm mangels Zeugen nicht nachgewiesen werden; seine erste Aussage vor der Polizei direkt am Unfallort könne mangels Belehrung nicht verwertet werden. Nach der Rechtsprechung könnten die strafverfahrensrechtlichen Maßstäbe über die Rechtsfolgen von Mängeln der Beweiserhebung jedoch nicht ohne weiteres auf das ordnungsrechtliche Fahrerlaubnisverfahren übertragen werden, das andere Zielsetzungen habe und anderen Verfahrensbestimmungen unterliege. Soweit wie hier ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot nicht bestehe, sei im Einzelfall zwischen dem Integritätsinteresse des von dem Eingriff betroffenen Grundrechtsträgers und dem Gewicht der sonst zu beachtenden Belange abzuwägen. Diese Abwägung falle im Fahrerlaubnisrecht in aller Regel zu Lasten des Fahrerlaubnisinhabers aus, da im rein präventiven, auf keine Bestrafung gerichteten Fahrerlaubnisverfahren mit erheblichem Gewicht Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer zu beachten seien. Im Übrigen sprächen die Fotos in den Akten durchaus nicht für einen Sturz beim Schieben des Fahrrads. Der Antragsteller habe erhebliche Gesichtsverletzungen, hauptsächlich in der rechten Gesichtshälfte, und blutende Platz- bzw. Schürfwunden, nicht nur bloße Prellungen davongetragen. Die Verschmutzungen der Oberbekleidung befänden sich nicht nur an der Vorderseite, sondern auch seitlich am Ärmel. Außerdem sei es auch möglich, bei einem Sturz vom Fahrrad nach vorne zu stürzen. Der an einer Stelle zentral aufgetretene Blutfleck spreche ebenfalls nicht gegen einen Sturz vom Fahrrad, sondern lediglich gegen einen Sturz bei hoher Geschwindigkeit. Eine solche sei bei der erheblichen Alkoholisierung des Antragstellers aber auch nicht zu erwarten gewesen. Im Übrigen komme es auf die Frage, ob der Antragsteller das Fahrrad tatsächlich „geführt“ habe, im Rahmen der Entscheidung nach § 11 Abs. 8 FeV nicht mehr an; entscheidend sei allein, ob die Behörde bei Anforderung des Gutachtens davon habe ausgehen dürfen. Die geltend gemachte „Verwirkung“ komme bei einer Beibringungsanordnung nur wenige Wochen nach Einstellung des Strafverfahrens offenkundig nicht in Betracht. Unabhängig davon führe auch eine von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der widerstreitenden Interessen zu dem Ergebnis, dass dem öffentlichen Vollzugsinteresse ein größeres Gewicht einzuräumen sei, als dem Interesse des Antragstellers, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Es entspreche der Pflicht des Staates zum Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben, nur solche Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, deren Fahreignung gewährleistet sei. Beim Antragsteller, der erheblich alkoholisiert im Straßenverkehr auffällig geworden sei, könne nicht die Rede davon sein, dass das von ihm ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liege. Die Entziehung der Fahrberechtigung zum Führen von Einsatzfahrzeugen der freiwilligen Feuerwehr habe lediglich deklaratorische Wirkung, weil sie mit der unanfechtbaren oder sofort vollziehbaren Entziehung der allgemeinen Fahrerlaubnis der Klasse B erlösche (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Erteilung einer Fahrberechtigung an Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren, nach Landesrecht anerkannten Rettungsdienste und technischen Hilfsdienste), was allerdings ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids führe.
Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, der Eilbeschluss sei rechtsfehlerhaft, weil das Verwaltungsgericht vorliegend den Begriff des „Führens" eines Fahrzeugs im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV verkannt habe. Es habe zutreffend darauf abgestellt, dass das Schieben eines Fahrrads nicht den Begriff des „Führens" erfülle und mit hinreichender Gewissheit feststehen müsse, dass der Betroffene das Fahrzeug geführt habe. Auch wenn die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nur der Vorbereitung der Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde diene, bedeute dies mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip und die mit einer medizinisch-psychologischen Begutachtung für den Betroffenen verbundenen Belastungen nicht, dass bereits ein vager Verdacht die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertige. Allein das Verhalten des Antragstellers im Strafverfahren bzw. seine Zustimmung zur Verfahrenseinstellung nach § 153 a Abs. 1 StPO sei kein ausreichendes Indiz für eine Trunkenheitsfahrt. Eine solche Einstellung sei im Hinblick auf die Vermeidung von Anwaltsgebühren üblich und habe keine präjudizierende Wirkung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren. Sie legitimiere nicht die Beibringungsanordnung. Die entsprechende Aussage des Antragstellers gegenüber der Polizei im polizeilichen Ermittlungsverfahren sei definitiv nicht verwertbar gewesen, so dass auch nicht durch Zeugenaussage eines Dritten ‒ im Unterschied zum Verfahren aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. September 2023 (11 CS 23.1298) ‒ ein entsprechendes Indiz aus einem Strafverfahren vorliege. Auch die von der Ausgangsbehörde angenommene „erhebliche Verletzung im Gesicht" sei kein tragfähiges Indiz dafür, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des Aufpralls auf dem Boden mit dem Fahrrad gefahren sei. Insbesondere verkenne das Ausgangsgericht die Tatsache, dass nur an einer einzigen Stelle ein Blutverlust habe festgestellt werden können. Bei einem Sturz vom fahrenden Fahrrad sei schon von der Schwerkraft her ein Blutverlust im Rahmen einer „Schleifspur" denklogisch notwendig. Wenn das Ausgangsgericht dagegen einwende, dass eine solche Blutspur nur bei „hoher Geschwindigkeit" entstehe, was bei „der erheblichen Alkoholisierung des Antragstellers nicht zu erwarten“ gewesen sei, werde insofern offensichtlich die Beurteilung des Entlastungsarguments mit der subjektiven Annahme eines nicht bewiesenen und indiziell nicht zwingend notwendigen Vorgangs vermeintlich widerlegt, was nicht nachvollziehbar sei. Es stehe daher nicht mit hinreichender Gewissheit fest, dass der Antragsteller das Fahrzeug geführt habe. Insofern sei nicht zum Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern ein medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen gewesen, zumal der Antragsteller auch in der Vergangenheit nie alkoholbedingt aufgefallen sei. Weder sei er im Seitenbereich (Arm oder Schulter) verletzt gewesen noch sei das Fahrrad beschädigt worden, was beides bei einem Sturz vom Fahrrad zu erwarten gewesen wäre. Auch die Verletzung im Gesicht und insbesondere der nur an einer Stelle vorhandene Blutfleck sprächen dagegen, dass der Antragsteller beim Sturz gefahren sei. Insofern sei daher die Erforderlichkeit und Rechtmäßigkeit der Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aus sachfremden Erwägungen angenommen worden.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Antragsgegner macht zu Recht geltend, dass der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung nicht der vom Gericht vorgenommenen reinen Interessenabwägung in Randnummer 55 des angefochtenen Beschlusses entgegengetreten ist, die unabhängig von der materiell-rechtlichen Bewertung des Bescheids die Ablehnung des Antrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO trägt. Hierbei geht es um eine erfolgsunabhängige Abwägung zwischen dem schutzwürdigen Suspensivinteresse des Betroffenen und dem öffentlichen Vollzugsinteresse in der Annahme offener Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 93; Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2024, § 80 Rn. 373 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit dieses Stufensystems BVerfG, B.v. 11.6.2008 ‒ 2 BvR 2062/07 ‒ NVwZ-RR 2008, 657 = juris Rn. 14; B.v. 29.5.2007 ‒ 2 BvR 695/07 ‒ NVwZ 2007, 1176 = juris Rn. 31). Ist die Entscheidung ‒ wie hier ‒ auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, kann die Beschwerde nur Erfolg haben, wenn der Beschwerdeführer im Hinblick auf jeden der für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblichen Gründe in der Beschwerde etwas Durchgreifendes vorträgt (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2024 ‒ 6 CE 24.829 ‒ juris Rn. 5; B.v. 15.1.2024 ‒ 10 CS 23.2320 ‒ juris Rn. 4; B.v. 31.7.2023 ‒ 11 CS 23.1229 ‒ juris Rn. 12; Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 146 VwGO Rn. 13c; Kaufmann in BeckOK VwGO, Stand 1.1.2020, § 146 Rn. 14; Guckelberger, a.a.O. § 146 Rn. 77 f. jeweils m.w.N.).
2. Weiter ist aber auch die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, es stehe mit hinreichender Gewissheit fest, dass der Antragsteller das Fahrrad geführt habe. Nachdem der Antragsteller dies bei der spontanen Schilderung des Unfallhergangs gegenüber der Polizei selber angegeben hat, handelt es sich hierbei nicht um einen vagen Verdacht. Dem steht weder die Beweiswürdigung im Verfahren 11 CS 23.1298 entgegen noch, dass der Antragsteller nunmehr geltend macht, er könne sich an diese Aussage alkoholbedingt oder aufgrund der erlittenen Verletzungen nicht mehr erinnern. Vielmehr ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, weshalb er sich am 29. Oktober 2023 einer Trunkenheitsfahrt bezichtigt haben sollte, obwohl er nach seinen Angaben dringend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen sei. Aus dem polizeilichen Bericht ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für ein Missverständnis. Vielmehr war der Antragsteller trotz seiner Alkoholisierung durchaus noch in der Lage, über die Fahrtstrecke und die Unfallursache zu reden, zu gehen und einen Atem-alkoholtest durchzuführen. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang auch nachvollziehbar gewürdigt, dass er die ursprüngliche Angabe auch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht sogleich widerrufen hat, sondern sich nach der Beschuldigtenbelehrung zunächst nicht zur Sache geäußert und dann darauf zurückgezogen hat, eine Trunkenheitsfahrt könne ihm mangels Zeugen nicht nachgewiesen werden. Hinzu kommt das Verhalten im Strafverfahren, in dem er der Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a Abs. 1 StPO gegen eine Geldauflage zugestimmt hat, und im Verwaltungsverfahren, in dem er der mit Kosten verbundenen Beibringungsaufforderung, wenn auch unter Vorbehalt, nachkommen wollte (vgl. BayVGH, B.v. 8.3.2022 ‒ 11 CS 22.166 ‒ juris Rn. 19). Eine Gesamtwürdigung dieser Indizien lässt das Bestreiten der Trunkenheitsfahrt im Entziehungsverfahren als nicht glaubhaft erscheinen. Entgegen der Darstellung des Antragstellers ist das Verwaltungsgericht nicht davon ausgegangen, dass allein die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a Abs. 1 StPO ein ausreichendes Indiz für eine Trunkenheitsfahrt sei, sondern hat dies nur nachvollziehbar als eines von mehreren Indizien dahingehend gewertet.
Soweit er pauschal behauptet, seine Angaben gegenüber der Polizei am Unfalltag seien „definitiv nicht verwertbar“, setzt er sich nicht mit den gerichtlichen Ausführungen und der hierfür angeführten Rechtsprechung auseinander, wonach Erkenntnisse ‒ selbst wenn sie unter Verstoß gegen strafprozessuale Beweiserhebungsvorschriften gewonnen worden seien ‒ im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren grundsätzlich keinem Verwertungsverbot unterliegen (BA Rn. 50; vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2021 ‒ 11 CS 20.2643 ‒ juris Rn. 30; B.v. 22.1.2024 ‒ 11 CS 23.1451 ‒ juris Rn. 19 jeweils m.w.N.; SächsOVG, B.v. 6.6.2023 ‒ 6 A 83/21 ‒ juris Rn. 7; Hühnermann in Burmann/Heß/ Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 2024, § 24a StVG, Rn. 16). Gründe, weshalb dies hier ausnahmsweise anders zu sehen sein sollte, sind nicht dargelegt.
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob sich aus dem Verletzungsbild des Antragstellers hinreichende Schlüsse auf den Unfallhergang ziehen lassen. Jedenfalls hat der Antragsteller nicht nachvollziehbar dargelegt, dass das Verletzungsbild eine Fahrt mit dem Fahrrad ausschließt.
3. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.2, 46.3 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).