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  • 23.10.2008 | Unfallschadensregulierung

    Verjährungshemmung bei 2 Streitgegenständen

    1. Die rechtliche Wirkung eines Schreibens eines Haftpflichtversicherers hinsichtlich der Auswirkungen auf die Verjährungshemmung nach § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG ist für den Fall, dass das Schreiben unterschiedliche Streitgegenstände zum Inhalt hat, in Bezug auf diese einzelnen Streitgegenstände differenziert zu betrachten.  
    2. Für den Beginn der Verjährung des Schmerzensgeldanspruchs kommt es entscheidend auf die Sicht medizinischer Fachkreise an, nicht auf den Kenntnisstand des Verletzten selbst.  
    (OLG Celle 16.7.08, 14 U 64/08, Abruf-Nr. 083188)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Nach einem Unfall hatte der Anwalt des Klägers Ansprüche auf Ersatz von Sach- und Personenschaden beim beklagten Haftpflichtversicherer angemeldet. Nach Einholung eines Rentengutachtens teilte er mit, es sei mit unfallbedingten Dauerschäden sowie mit einer dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 Prozent zu rechnen, weshalb man ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR verlange. Zwei Jahre später regulierte der Beklagte den „Gesamtanspruch“ des Klägers durch Zahlung weiterer 7.500 EUR und führte – bezogen auf das Schmerzensgeld – wörtlich aus: „Unter Berücksichtigung der Gesamtfakten (keine stationäre Behandlung) halten wir das Schmerzensgeld für angemessen... Ein höheres Schmerzensgeld halten wir für nicht begründet.“ Die angemeldeten und teilweise schon regulierten materiellen Schäden des Klägers blieben in diesem Schreiben unerwähnt. Im anschließenden Prozess verteidigte sich der Beklagte gegen die Feststellungsansprüche (Ersatz künftiger materieller und immaterieller Schäden) mit der Einrede der Verjährung. In erster Instanz war er damit erfolgreich.  

     

    Das OLG stellte die Ersatzpflicht in Bezug auf den materiellen Zukunftsschaden fest und wies nur die weitergehende Feststellungsklage ab. Nur hinsichtlich der immateriellen Schäden könne sich der Beklagte auf Verjährung berufen. Sein Schreiben habe die bis dahin bestehende Hemmung der Verjährung gem. § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG beendet. Anders sei es beim materiellen Schaden. Hier habe die Verjährungshemmung fortgedauert. Habe ein Schreiben des Versicherers unterschiedliche „Streitgegenstände“ zum Inhalt, müsse bei der Verjährung und der Hemmung differenziert werden.  

     

    Praxishinweis

    § 3 Nr. 3 PflVG (jetzt § 115 Abs. 2 VVG) ist eine Regressfalle für Anwälte von Geschädigten (s.a. OLG Düsseldorf VA 05, 44). Durch die übliche Anspruchsanmeldung nach einem Unfall wird die Verjährung zwar i.d.R. umfassend gehemmt. Das Ende der Hemmung kann, muss aber nicht en bloc eintreten. Maßgebend ist die „Entscheidung“ des Versicherers. Hier war es das Schreiben, mit dem der Versicherer unter den Komplex „Schmerzensgeld“ einen Schlussstrich zog, während der Komplex „materieller Schaden“ jedenfalls aus der Sicht des Klägers noch ohne „Entscheidung“ war. Zum Leitsatz b) s. auch OLG Brandenburg NZV 08, 155. Zu den prozessualen Problemen rund um das Schmerzensgeld s. VA 07, 64 ff.