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  • 01.12.2005 | Unfallschadensregulierung

    Dauerstreitpunkt „Stundenverrechnungssätze“

    1. Wer seinen Fahrzeugschaden fiktiv auf Gutachtenbasis abrechnet, kann vom Haftpflichtversicherer nicht auf eine freie Werkstatt verwiesen werden, die zu Stundensätzen abrechnet, die deutlich unter den Verrechnungssätzen von Markenwerkstätten laut Gutachten liegen.  
    2. Der pauschale Hinweis, ein bestimmtes Fahrzeugteil sei nicht erneuerungsbedürftig, stellt keinen substanziierten Einwand i.S.d. BGH-Rspr. dar.  
    (LG Bochum 9.9.05, 5 S 79/05, Abruf-Nr. 053168)  

     

    Sachverhalt

    Nach einem Unfall mit voller Einstandspflicht des beklagten Versicherers kürzte dieser die gutachtenbasierte Abrechnung des Fahrzeugschadens um 851 EUR. Begründung: a) Der örtliche Fachbetrieb X mache es wesentlich billiger, an ihn müsse der Kläger sich verweisen lassen, zumal sein Fahrzeug schon acht Jahre alt sei. b) Die hintere Seitenwand sei nicht erneuerungsbedürftig, so dass die entsprechende Gutachtenposition komplett zu streichen sei. Das AG hat der Klage auf den strittigen Restbetrag stattgegeben. Die Berufung der Versicherung blieb erfolglos.  

     

    Entscheidungsgründe

    Was den Haupteinwand der Versicherung angeht, lässt das LG offen, ob die besagte Alternativwerkstatt tatsächlich für alle Kunden und in jedem Fall die genannten Stundenverrechnungssätze berechnet. Schon aus grundsätzlichen Erwägungen könne der Kläger nicht auf diese Sätze bzw. diese Werkstatt verwiesen werden. Zur Begründung zieht das LG die BGH-Rspr. heran, insbesondere das Porsche-Urteil (VA 03, 79, Abruf-Nr. 031071 = NJW 03, 2086). Dessen Relevanz hatte die Versicherung aus einer Reihe von Gründen bestritten; zu Unrecht, wie das LG meinte. Das Argument „für Alte (Autos) nicht das Beste “ sei nicht stichhaltig. Ebenso zurückgewiesen wurde der Hinweis der Beklagten, die genannte Alternativwerkstatt sei ein Fachbetrieb. Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit i.S.d. BGH-Rspr. bedeute in der Regel eine markengebundene Fachwerkstatt. Dieses Kriterium erfüllte die „Versicherungswerkstatt“ unstreitig nicht. Den zweiten Einwand der Beklagten – keine Erneuerung einer Seitenwand – hat das LG mangels Konkretisierung zurückgewiesen. Die Erneuerung sei angesichts der Schadenfotos die Regel, für die Ausnahme sei die sachverständig beratene Beklagte darlegungspflichtig.  

     

    Praxishinweis

    Das überzeugend begründete Urteil hat nur einen Schönheitsfehler: Man hätte die Revision zulassen sollen. Denn in der Porsche-Entscheidung (dazu auch Eggert, VA 03, 96) ist offen geblieben, ob auch eine nicht markengebundene („freie“) Werkstatt als gleichwertige Alternative in Betracht kommen kann. Was im Fall eines konkreten Versicherungshinweises auf eine preisgünstigere Werkstatt in der Nähe des Geschädigten zu gelten hat, geht aus dem Porsche-Urteil gleichfalls nicht, jedenfalls nicht klar, hervor. Gerade diese Konstellation (dazu auch AG Aachen VA 05, 150, Abruf-Nr. 052296) sorgt derzeit häufig für Abrechnungsstreit.