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  • 24.06.2010 | Mietwagenkosten

    Abzug wegen ersparter Eigenkosten und wenn ja, wie viel?

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    Hundert und mehr Urteilszeilen zum Aufschlag von 15 Prozent auf den Normaltarif - ein bis zwei Leerformeln zum Abschlag von 10 Prozent wegen ersparter Eigenaufwendungen, so das typische Bild. Es gerade zu hängen, hatte der BGH jahrelang keine Gelegenheit. Umso bemerkenswerter sind seine beiden Urteile vom 2.2.10 (VA 10, 75). Sie holen einen Streitpunkt aus der Versenkung, der in der Tat mehr Aufmerksamkeit als bisher verdient.  

     

    Übersicht: Die aktuelle Rechtsprechung in ihren Grundzügen
    1. Grundsatz: Der Geschädigte, der Erstattung von Mietwagenkosten verlangt, muss sich im Wege des Vorteilsausgleichs ersparte Eigenkosten anrechnen lassen (st. Rspr. seit BGH NJW 63, 1399 - Reparatur; NJW 63, 1400 - Ersatzbeschaffung). Der BGH unterscheidet zwischen den „beweglichen Betriebskosten“ (Öl, Schmierstoffe, Reifen, Reparatur-/Inspektions-Anteile) und dem „ersparten Eigenverschleiß“. Weiterer Vorteil: unterbliebener Wertverlust (nur soweit fahrleistungsabhängig, nicht zeitabhängig). Kraftstoff wird nicht eingespart, weil der Mietwagen auf Kosten des Geschädigten betankt wird.

     

    2. Bei nicht gewerblich genutzten Fahrzeugen (incl. Leasing-Pkw) erfolgt die Anrechnung üblicherweise durch einen pauschalen Abzug von den Mietwagenkosten. Der BGH, ursprünglich die konkrete Berechnung anhand von Betriebskostentabellen (z.B. des ADAC) favorisierend (NJW 63, 1399, 1400; 69, 1477), hat dieser Methode letztlich zugestimmt (NJW 96, 1958; VA 10, 75). Dabei ist sie die schlechteste aller möglichen. Ihr einziger Vorteil - leichtes Handling - ist längst verloren gegangen (siehe Tabellen 1 - 8).

     

    Vorzuziehen ist eine mietkostenfreie Berechnung, z.B. anhand der Schwackeliste „Automietwagenklassen“ (AMK). Dort sind die konkret ersparten Eigenkosten pro Tag für Pkw, Geländewagen, Transporter und Kleinbusse ausgewiesen. Beispiele: Golf V TDI: 5,05 EUR; Opel Signum 1,8: 6,18 EUR; BMW 525i: 9,01 EUR (bei Unfall in Holland lt. NL-Tabelle nur 4,52 EUR, s. AG Borken NZV 10, 252). Als taugliche Schätzgrundlage wird der AMK vom LG Schweinfurt anerkannt (24.9.09, 32 S 65/09).

     

    3. Der Höhe nach variiert der Pauschalabzug derzeit zwischen 3 und 15 Prozent der Mietwagenkosten (s. Tabellen 1 - 5); mit Tendenz Richtung 3 Prozent, allerdings bei höchst unterschiedlicher Bemessungsgrundlage: Zum Teil wird auf die erstattungsfähigen Netto-Kosten (Grundpreis) ohne Nebenkosten abgestellt. Andere Variante: Normaltarif anhand der Schwacke-Preise (incl. MwSt.), davon Abzug wegen Eigenersparnis und ggf. Erhöhung des gekürzten Betrags um einen (Unfallersatz-)Aufschlag von z.B. 20 Prozent. Weitere Variante: Abzug der Eigenersparnis von der erstattungsfähigen Gesamtsumme brutto (OLG Celle 30.9.09, 14 U 63/09, Abruf-Nr. 100338; Thür OLG SP 08, 226). Beispiel: Normaltarif plus Aufschlag zzgl. Haftungsbefreiung (vgl. AG Erfurt zfs 07, 384). Untervariante: Netto-Gesamtkosten.

     

    4. Uneinheitlich ist die Rechtsprechung auch in folgenden Punkten:
    a) Entfällt ein Abzug bei Anmietung eines klassentieferen Fahrzeugs? Dazu BGH NJW 67, 552 und NJW 83, 2694; in NJW 92, 302, 305 offengelassen für 2 Klassen niedriger. Rspr. der Instanzgerichte in den Tabellen 6 und 7. Eine Pflicht, allein wegen des Alters des Unfallfahrzeugs klassentiefer zu mieten, wird überwiegend (mit Recht) verneint, vgl. OLG Hamm NZV 01, 217 (12 J.); OLG Dresden 17.4.09, 7 U 7/09, Abruf-Nr. 091671 (14 J.); LG Würzburg 12.4.06, 42 S 148/06, Abruf-Nr. 063268 (ca. 15 J.). Trotz Klassengleichheit kein Ersparnisabzug bei 10 Prozent billigerer Miete: AG Leipzig 3.3.10, 113 C 2323/09, Abruf-Nr. 100974.

     

    b) Welche Rolle spielt der Umstand, dass der Geschädigte mit dem Mietwagen nur eine geringe Fahrstrecke zurückgelegt hat und/oder ihn nur kurze Zeit benutzt hat? Grundlegend dazu BGH NJW 63,1399 und NJW 63,1400 (mit wichtiger Differenzierung zwischen den beweglichen Betriebskosten und der Verschleißersparnis, die bei 646 km messbar nicht anfalle). BGH NJW 83, 2694 passt nur indirekt (NW-Abrechnung). Instanzgerichte s. Tabelle 8.

     

    5. Darlegungs- und Beweislast: Für die Voraussetzungen eines Vorteilsausgleichs ist der Schädiger/VR nach Grund und Höhe darlegungs- und beweispflichtig (BGH NJW 85, 1539, 1544; LG Köln 9.9.09, 13 S 59/09, Abruf-Nr. 093088). Wird kein Abzug geltend gemacht, muss er unterbleiben (a.A. LG Arnsberg 2.12.08, 5 S 70/08, Abruf-Nr. 090706).

     

    6. Prozessuales Vorgehen: Bei klassenniedriger = billigerer Miete kann der Anwalt des Klägers unter Hinweis auf die aktuelle Rspr. (Tabelle 6) von einem Selbstabzug absehen, eventuell schon kraft Absprache zw. VR und Vermieter. Bei einem klassengleichen oder -höheren Mietwagen steht er vor dem Problem: Selbstabzug oder 100 Prozent? Erste Frage: Mietwagenkilometer unter oder über 1.000 km? Wenn unter, wie meist, hilft die Rspr. in Tabelle 8 mit Hinweis auf BGH NJW 63, 1400 (642 km-Fall) und BGH NJW 83, 2694. Weitere Argumente: Verlängerung der Wartungsintervalle/Ölwechsel, längere Haltbarkeit von Verschleißteilen wie Reifen und Bremsen, kein signifikanter Wertverlust bei älterem Pkw (ab 5 Jahre/100.000 km). Ist ein Abzug unumgänglich, wird das Prozesskostenrisiko einzuschätzen sein (Rechtsschutz? Gebührensprung?). Wenn das zuständige Gericht nur 3 bis 5 Prozent abzieht, wird eine Teilabweisung kostenmäßig oft folgenlos sein (§ 92 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ZPO).

     

    7. Sonderbehandlung von Leasingfahrzeugen? Dass auch ein Leasingnehmer, der (aus eigenem Recht) Mietkostenersatz verlangt, sich ersparte Aufwendungen anrechnen lassen muss, steht grds. außer Streit. Ungeklärt sind Umfang und Berechnung des anzurechnenden Vorteils. Für Sonderbehandlung (konkrete Berechnung) AG Wiesbaden VersR 87, 320, für Pauschalabzug wie im Regelfall OLG Stuttgart SP 99, 162 (3 Prozent); zum Problem Ch. Huber VersR 93, 1329.

     

    8. Sonderfall: Ausfall eines Taxis. Bei der Gegenüberstellung des voraussichtlichen Verdienstausfalls und der Netto-Miettaxikosten im Rahmen des § 251 Abs. 2 BGB sind die fiktiven Mietkosten um ersparte Eigenaufwendungen zu kürzen (BGH NJW 93, 3321), und zwar i.H.v. von 25 Prozent (KG zfs 04, 560). Für einen Abzug von 20 Prozent bei konkreter Abrechnung OLG Hamm NZV 01, 218.
     

     

    Tabelle 1: 3 Prozent Eigenersparnis
    • OLG Stuttgart (7. ZS) SP 99, 162 (Leasingfahrzeug),
    • OLG Karlsruhe DAR 96, 56 (anders der 1. und der 14. ZS),
    • LG Offenburg 26.1.10, 1 S 125/09 (Basis: Brutto-Grundpreis),
    • LG Ansbach 30.6.09, 1 S 376/09,
    • LG Halle 1.10.09, 1 S 4/09, Abruf-Nr. 093486,
    • LG Aachen 5.3.09, 12 O 388/07,
    • AG Nürnberg 30.3.10, 31 C 9639/09,
    • AG Ingolstadt 16.3.10, 12 C 2004/09 (Basis: Netto-Mietkosten ohne NK),
    • AG Buchen 9.12.09, 1 C 374/09.