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  • 01.07.2007 | Haftpflichtprozess

    BGH zu Verfahrensfragen im Mietwagenkosten-Prozess

    1. Schweigen der Parteien auf die Anordnung des schriftlichen Verfahrens im vermuteten Einverständnis der Parteien bedeutet grundsätzlich keine Zustimmung gem. § 128 Abs. 2 S. 1 ZPO.  
    2. Das Gericht darf die beweisbelastete Partei nicht allein wegen einer nach Nichtzahlung eines Auslagenvorschusses (§ 379 ZPO) oder nach Versäumung einer Ausschlussfrist (§ 356 ZPO) fehlenden Möglichkeit des Sachverständigenbeweises als beweisfällig ansehen, sondern muss versuchen, vor Erlass einer Entscheidung zunächst die beweiserhebliche Frage in anderer Weise aufgrund des Parteivortrags und der verfügbaren Beweismittel zu klären.  
    3. Es ist nicht Aufgabe eines Zeugen, aufgrund von Erfahrungssätzen oder besonderen Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden Sachverhalt zu ziehen oder dem Gericht allgemeine Erfahrungssätze oder besondere Kenntnis in einem jeweiligen Wissensgebiet – wie hier einem regionalen Mietwagenmarkt – zu vermitteln.  

     

    Sachverhalt

    Noch am Unfalltag, Samstag 30.6.01, 12 Uhr 15, hatte die Klägerin für 11 Tage einen Ersatzwagen zum Unfallersatztarif gemietet. Die beklagte Versicherung erstattete nur rund 850 EUR; 695,36 EUR blieben offen. Das AG hat der Klage voll stattgegeben. Im Berufungsverfahren sollte ein Sachverständigengutachten zur betriebswirtschaftlichen Kalkulation des Unfallersatztarifs sowie zu den regionalen Normaltarifen und ihrer Erreichbarkeit eingeholt werden. Als die Klägerin den Auslagenvorschuss von 7.000 EUR (!) nicht zahlte, entschied das LG – nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens im vermuteten Einverständnis der Parteien – zugunsten der beklagten Versicherung auf Klageabweisung. Der BGH hat das Urteil aufgehoben.  

     

    Entscheidungsgründe

    Zunächst sieht der VI. ZS einen Verfahrensfehler darin, dass das LG im schriftlichen Verfahren entschieden hat. Das Schweigen der Klägerin auf die entsprechende Anordnung habe nicht als Zustimmung gewertet werden dürfen. Indessen beruhe das angefochtene Urteil nicht auf diesem Verfahrensfehler. Er könne mit Rücksicht auf die Einlassung der Klägerin zur Sache auch nicht mehr gerügt werden. Was die Erstattungsfähigkeit der strittigen Mietwagenkosten angeht, so wiederholt der BGH seine bekannten Grundsätze, insbesondere zur Frage der Zugänglichkeit eines wesentlich günstigeren (Normal)Tarifs. In diesem Zusammenhang wirft er dem LG einen weiteren Verfahrensfehler vor. Allein wegen der Nichtzahlung des Auslagenvorschusses (dessen Höhe der BGH nicht kommentiert) habe das LG die Klägerin nicht für beweisfällig erklären dürfen. Es habe versuchen müssen, anderweitig zu klären, ob der Klägerin kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich gewesen sei. Dass dies der Fall gewesen sei, beruhe auf unzureichenden tatsächlichen Feststellungen und bloßen Vermutungen. Ohne Erfolg blieb die Rüge der Revision, das LG habe zwei Zeugen, benannt zum Thema „regionaler Mietwagenmarkt in 2001“, als ungeeignete Beweismittel abgelehnt (siehe Leitsatz 3).  

     

    Praxishinweis

    Es handelt sich um jenen „Samstagmittag-Fall“, den wir im Praxishinweis VA 07, 95, als „eng“ bezeichnet haben. Bei unfalltaggleicher Anmietung, noch dazu am Wochenende, haben Geschädigte relativ gute Chancen, den dringenden Bedarf an Mobilität und damit die Eilbedürftigkeit der Anmietung (ohne vorherige Preisrecherche) plausibel zu machen. Nur: Dazu muss unter Beweisantritt substantiiert vorgetragen werden. Entgegen van Bühren, NJW 07, 1677, nur sekundär ist die Darlegungslast des Geschädigten hingegen insoweit, als es um die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer angeblich verlangten Vorauszahlung oder Kaution geht. Die Behauptung, nicht im Besitz einer Kreditkarte zu sein, hat also die Versicherung zu widerlegen.