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  • 01.10.2005 | Haftpflichtprozess

    Aktuelle Fragen der Aktivlegitimation beim Sachschaden

    von VRiOLG Dr. Christoph Eggert, Düsseldorf

    Nur noch ca. 30 % aller Neufahrzeuge (Pkw/Kombis) werden derzeit ohne Finanzierung erworben. Auch beim Gebrauchtwagenkauf vom Händler steigt der Finanzierungsanteil (Leasing und finanzierter Kauf) von Jahr zu Jahr. Wenn Eigentum, Besitz und Haltereigenschaft immer stärker auseinanderfallen, hat dies gravierende Konsequenzen auch für die Verfolgung von Ersatzansprüchen im Schadensfall. Dass der Kläger gar nicht aktivlegitimiert sei, gehört inzwischen zu den Standardrügen der KH-Versicherer. Was es mit diesem Einwand auf sich hat und wie ihm zu begegnen ist, lesen Sie im Folgenden.  

     

    Checkliste „Basiswissen kompakt“
    1. Definition: Die Aktivlegitimation ist gegeben, wenn der Kläger nach materiellem Recht Inhaber des geltend gemachten Anspruchs ist.

     

    2. Darlegungs- und Beweislast: Die Tatsachen, die die Aktivlegitimation begründen, muss der Kläger darlegen und notfalls beweisen.

     

    3. Beweiserleichterung: Von besonderer Bedeutung für den Haftpflichtprozess, vor allem im Zusammenhang mit angeblich manipulierten Unfällen, sind die – in ihrer Tragweite oft verkannten – Vermutungsregelungen des § 1006 BGB (sehr informativ BGH NJW 04, 217). Schon die Darlegungspflicht wird durch § 1006 BGB erleichtert.

     

    4. Fehlen der Aktivlegitimation: Die Klage ist nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abzuweisen.

     

    5. Prozessführungsbefugnis: Grundsätzlich ist der Inhaber einer Forderung berechtigt, sie im eigenen Namen einzuklagen. Wer Forderungsinhaber und damit aktivlegitimiert ist, ist also auch prozessführungsbefugt. Wer nicht aktivlegitimiert ist, kann gleichwohl die Prozessführungsbefugnis haben. Sie betrifft die Zulässigkeit der Klage und ist von Amts wegen zu prüfen.

     

    6. Prozessstandschaft: Von ihr spricht man, wenn ein fremdes Recht im eigenen Namen eingeklagt wird. Sie kommt als gesetzliche und als gewillkürte Prozessstandschaft vor. Voraussetzung ist im zweiten Fall außer der Ermächtigung des Rechtsinhabers ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten. Der Klageantrag lautet auf Leistung an den Rechtsträger, also nicht an den Kläger.

     

    7. Einziehungsermächtigung: Der Ermächtigte ist materiellrechtlich befugt, die – ihm nicht übertragene – Forderung im eigenen Namen geltend zu machen; auch gerichtlich (= gewillkürte Prozessstandschaft). Klageantrag: Zahlung an den Kläger.

     

    8. Ansprüche aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG: Inhaber des Anspruchs nach diesen Vorschriften und damit aktivlegitimiert ist nicht nur der Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs. Auch der berechtigte (Nur-) Besitzer kann „Verletzter“ i.S.d. § 7 Abs.1 StVG sein (st. Rspr., BGH NJW 81, 750 – Kfz-Miete). Gleiches gilt für die Fahrerhaftung nach § 18 StVG. Wer weder Eigentümer noch berechtigter Besitzer, sondern ausschließlich Halter ist, ist nicht anspruchsberechtigt nach §§ 7, 18 StVG.

     

    9. Ansprüche aus deliktischer Haftung: Nach § 823 Abs. 1 BGB geschützt sind auch „sonstige Rechte“. Dazu zählt nach h.M. auch der – rechtmäßige – Besitz, gleichviel, ob Eigen- oder Fremdbesitz. Auch der Mitbesitz und der mittelbare Besitz sind deliktsrechtlich geschützt. Nach § 823 Abs. 2 BGB ist derjenige ersatzberechtigt, dessen Schutz die verletzte Norm („Schutzgesetz“) bezweckt. Das kann neben dem Eigentümer auch der berechtigte Besitzer sein.

     

    10. Schadenersatz/Schadenumfang: Wer Eigentümer, aber nicht unmittelbarer Besitzer ist, kann im Fall der Beschädigung seiner Sache Ersatz seines Substanzschadens verlangen (Reparaturkosten, Wertminderung, Wiederbeschaffungskosten). Einem Nur-Besitzer (z.B. Leasingnehmer, Mieter) ist lediglich der Schaden zu ersetzen, der durch den Eingriff in das Recht zum Besitz/Nutzung entstanden ist. Dazu gehört außer dem eigentlichen Nutzungsschaden auch (als Folgeschaden) der sog. Haftungsschaden. Dabei geht es um das, was der unmittelbare Besitzer dem Eigentümer wegen der Beschädigung der Sache gesetzlich oder vertraglich zu ersetzen verpflichtet ist (BGH NJW 81, 750 – Kfz-Miete; BGH NJW 92, 553 - Leasing). Auch seinen „Haftungsschaden“ kann der Besitzer ohne Zession aus eigenem Recht einklagen und Zahlung an sich verlangen. Er kann seinen Ersatzanspruch auch an einen Dritten abtreten. Wichtig: Der Mandant muss so früh wie möglich gefragt werden, ob das Fahrzeug geleast oder finanziert ist. Wenn ja, sind die Vertragsunterlagen zu prüfen (auch mit Blick auf Abwicklungsfragen und Obliegenheiten).
     

     

    Problemfall „Leasingfahrzeug“
    1. Eigentum und Besitz: Eigentümer ist der Leasinggeber. Unmittelbarer (Fremd)Besitzer und zugleich (alleiniger) Halter ist der Leasingnehmer. Der Leasinggeber hat mittelbaren Besitz.

     

    2. Nebeneinander von Ersatzansprüchen: Wird das (regelmäßig kaskoversicherte) Leasingfahrzeug beschädigt oder zerstört, konkurrieren Ersatzansprüche des Leasinggebers aus verletztem Eigentum mit Ansprüchen des Leasingnehmers wegen Besitzverletzung. Ob sie dem Schädiger/Versicherer als Gesamt- oder als Teilgläubiger gegenüberstehen, ist strittig (Hohloch, NZV 92, 9).

     

    3. Vorausabtretung: Fahrzeugbezogene Ersatzansprüche des Leasingnehmers gegen Dritte können im Wege der Vorausabtretung auf den Leasinggeber übertragen worden sein. Umgekehrt kann eine Vorausabtretung auch zugunsten des Leasingnehmers vereinbart sein. So oder so hat dies Einfluss auf die Aktivlegitimation.

     

    4. Ermächtigung: Im Regelfall wird der Leasingnehmer vom Leasinggeber (widerruflich) ermächtigt und verpflichtet, alle fahrzeugbezogenen Ansprüche aus einem Schadenfall im eigenen Namen und auf eigene Kosten geltend zu machen, vgl. Abschn. X, 4 der gängigen Leasing-AGB für Neufahrzeuge. Diese Klausel begründet keine Aktivlegitimation, sondern nur eine (gewillkürte) Prozessstandschaft.

     

    5. Zession nach dem Unfall: Sowohl der Leasinggeber als auch der Leasingnehmer können ihre Ersatzansprüche wechselseitig, aber auch an Dritte abtreten. Zur Abtretung im Verhältnis klagende Ehefrau/Leasingnehmer während des Prozesses siehe OLG Düsseldorf 22.9.03, 1 U 175/02.

     

    6. Reparaturfall (Teilschaden): Als Substanzschaden aus der Eigentumsverletzung steht dem Leasinggeber ein Anspruch in Höhe der Reparaturkosten zuzüglich Wertminderung zu. Als Nur-Eigentümer hat er keinen Anspruch auf Ersatz von Nutzungsausfall. Der Leasingnehmer kann die Reparaturkosten (ohne Wertminderung, so die h.M.) aus eigenem Recht, also auch ohne Zession, ersetzt verlangen; ob als Nutzungsschaden im engeren Sinn oder als Haftungsschaden soll ohne praktische Relevanz sein (Hohloch, NZV 92, 7). Bei einer Werkstattreparatur, die im Innenverhältnis geschuldet wird, ist die Umsatzsteuer zu erstatten, sofern der Leasingnehmer nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist (Einzelheiten bei Pamer, Die Mehrwertsteuer beim Fahrzeugschaden, § 4 Rn. 186 ff.). Ob eine Abrechnung nach dem 130 %-Modus auch einem Leasingnehmer zugute kommt, ist vom BGH nicht entschieden, aber zu bejahen (so auch OLG München DAR 00, 121; Reinking, DAR 97, 425). Die (fiktive) Abrechnung von Reparaturkosten auf Gutachtensbasis ist grds. zulässig. Sie kann nicht von der Vorlage einer Werkstattrechnung abhängig gemacht werden (OLG Düsseldorf 11.10.04, 1 U 46/04).

     

    7. Merkantiler Minderwert: Er kann, da Substanzschaden, grundsätzlich nur vom Leasinggeber geltend gemacht werden (h.M.). Der Leasingnehmer braucht hierzu eine Abtretung oder eine Ermächtigung (Prozessstandschaft). Letzteres liegt regelmäßig vor (vgl. AG Aachen SP 05, 58).

     

    8. Abschleppkosten, Gutachterkosten, Pauschale: Diese Positionen kann der Leasingnehmer kraft eigenen Rechts ersetzt verlangen.

     

    9. Nutzungsausfall: Sowohl die abstrakte Nutzungsentschädigung als auch die Kosten eines Mietwagens sind dem Leasingnehmer als ureigener Nutzungsschaden zu ersetzen.

     

    10. Totalschaden: Hier ist die Regulierung aus einer Reihe von Gründen sehr viel komplizierter als im Reparaturfall (vgl. Reinking, zfs 00, 281). Eine genaue Abstimmung zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber ist unerlässlich (schon vor Inanspruchnahme des KH-Versicherers). Der Leasinggeber kann zum Ausgleich seines Substanzschadens die Netto-Wiederbeschaffungskosten geltend machen. Ersatz für entgangene Leasingraten steht ihm dagegen nicht zu (BGH NJW-RR 91, 280). Der Leasingnehmer kann zwar kraft eigenen Rechts die für die Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs erforderlichen Kosten ersetzt verlangen (BGH NJW 92, 553; OLG Hamm NZV 03, 334). Vielfach wird aber mit Zessionen oder Ermächtigungen operiert, um auf Nummer Sicher zu gehen. Umsatzsteuer ist dem nicht vorsteuerabzugsberechtigten Leasingnehmer zu erstatten, wenn und insoweit sie tatsächlich angefallen ist (so OLG Dresden 26.1.04, 1 U 2167/03 – neues Recht; Einzelheiten bei Pamer, a.a.O., Rn. 178 ff.). Abstrakte Nutzungsausfallentschädigung bzw. Mietkostenersatz steht dem Leasingnehmer wie im Reparaturfall zu. Die Kosten eines ersatzweise abgeschlossenen Leasingvertrages stellen indes ebenso wie (nutzlos) weitergezahlte Leasingraten keinen ersatzfähigen Schaden dar.
     

     

    Problemfall „Finanzierung mit Sicherungsübereignung“
    1. Eigentum und Besitz: Typischerweise wird dem Finanzierungsinstitut Sicherungseigentum übertragen, während der Käufer/Darlehensnehmer als Verwahrer oder Entleiher den unmittelbaren Besitz ausübt. Ob die grundsätzlich selbstständige Sicherungsübereignung durch das Entstehen der Forderung aufschiebend bedingt und ob die Tilgung der Forderung als auflösende Bedingung zu behandeln ist, ergibt sich zumeist aus dem Sicherungsvertrag bzw. den Allg. Darlehensbedingungen.

     

    2. Substanzschaden: Verletzter i.S.d. § 7 StVG und damit aktivlegitimiert ist die Bank als Sicherungseigentümerin. Zum Schaden siehe Kunschert, NZV 99, 517.

     

    3. Nutzungs- und Haftungsschaden: Ihn kann der Darlehensnehmer/Sicherungsgeber aus eigenem Recht geltend machen.

     

    4. Vorausabtretung: Ebenso wie beim Leasing ist auch in Fällen des finanzierten Kaufs an die Möglichkeit einer vertraglichen Vorausabtretung, hier: an die Bank, zu denken. Aufschluss geben die Kredit-AGB. Typischerweise heißt es: Im Fall des Totalschadens ist der Wiederbeschaffungswert bis zur Höhe der noch offenen Forderung an die Bank auszuzahlen.

     

    5. Zession nach dem Unfall: Um dem Versicherer gar nicht erst eine Angriffsfläche zu bieten, empfiehlt es sich, schon im Vorfeld eine ausdrückliche Abtretungserklärung oder Einziehungsermächtigung der Bank zu besorgen und vorzulegen.

     

    6. Nachricht an Versicherer: Sobald die letzte Rate gezahlt ist und die Bank damit nicht mehr Sicherungseigentümer ist, muss der Versicherer benachrichtigt werden. Andernfalls kann er mit befreiender Wirkung an die Bank zahlen.
     

    Problemgruppe „manipulierter Unfall“
    1. Vorbemerkung: Besonders intensiv wird erfahrungsgemäß über die Aktivlegitimation gestritten, wenn der Versicherer den Verdacht hat, der „Unfall“ sei manipuliert (zu den einzelnen Erscheinungsformen siehe VA 01, 185 ff.). Im Zentrum steht dann der Eigentumsnachweis. Dass auch ein Nicht-Eigentümer in seiner Eigenschaft als (berechtigter) Besitzer aktivlegitimiert sein kann (Nutzungs-/Haftungsschaden), wird oft übersehen.

     

    2. Eigentumsnachweis: In der Regel trägt der Kläger vor, sein Fahrzeug sei bei dem Unfall beschädigt worden. Wenn der Versicherer das Eigentum bestreitet, muss er versuchen, seine Eigentümerposition (im Unfallzeitpunkt) durch Vorlage von Urkunden (z.B. Fahrzeugbrief, Vertrag über den Ankauf des Fahrzeugs, Rechnung des Verkäufers, Vertrag über Wrack-Veräusserung, Steuer-/Versicherungsunterlagen) zu belegen oder durch Zeugen (Verkäufer/Schenker u.a.) nachzuweisen. Es empfiehlt sich, vom Gericht einen Hinweis zu erbitten, falls Zweifel am Eigentum fortbestehen.

     

    3. Eigentumsvermutung zugunsten des Anspruchstellers: Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er der Eigentümer der Sache sei (§ 1006 Abs. 1 S. 1 BGB). Der Besitzer braucht nur den gegenwärtigen bzw. früheren (unmittelbaren) Besitz darzulegen und zu beweisen, nicht aber die den Eigentumserwerb begründenden Tatsachen. Für den unmittelbaren Besitzer spricht die Vermutung, dass er Eigenbesitzer ist (dazu und zur Bedeutung des Kfz-Briefes siehe BGH NJW 04, 217). Wenn der Kläger nach seinem eigenen Vortrag oder erwiesenermaßen nicht Eigenbesitzer, sondern Fremdbesitzer war bzw. ist, z.B. bei einem Fahrzeug aus einem finanzierten Kauf mit Sicherungsübereignung, entfällt die Vermutungswirkung (OLG Düsseldorf 16.6.03, 1 U 200/02).

     

    4. Eigentumsvermutung auch zugunsten des Versicherers? Die Beweisvermutung nach § 1006 BGB wird mitunter von Versicherern gegen die Kläger ins Feld geführt. Typisch ist der Vortrag, ein Dritter habe das Fahrzeug ständig benutzt, er sei der wahre Eigentümer. Da der Versicherer nicht das Eigentum des Dritten nachweisen muss, sondern der Kläger sein eigenes, zielt der Vortrag des Versicherers in Wirklichkeit auf die von der Gegenseite behauptete Vermutungsbasis des eigenen Besitzes. Insoweit ist der Vortrag erheblich; die Besitzverhältnisse sind zu klären.

     

    5. Aktivlegitimation ohne Eigentum kraft Besitzes: Dass Kläger ihre Schadensersatzklagen von vornherein nur auf Ansprüche aus Besitzverletzung stützen, ist selten. Nicht einmal hilfsweise geschieht das. Sobald der Eigentumsnachweis aber gescheitert ist oder zu scheitern droht, kann es ratsam sein, mit der Verletzung (berechtigten) Besitzes einen neuen Klagegrund einzuführen.

     

    6. Zession: Statt die Zweifel an seiner Eigentümerstellung auszuräumen, kann der Kläger das Problem auch durch eine Zession lösen. Bei einer Klage aus abgetretenem Recht muss er sich jedoch die Einwendungen entgegenhalten lassen, die der Versicherer gegenüber dem früheren Gläubiger hat.

     

    7. Strenge Prüfung: Wenn der Manipulationsvorwurf des Versicherers einige Substanz hat, legen die Gerichte an den Eigentumsnachweis häufig einen sehr strengen Maßstab an. Schon in erster Instanz muss der Anwalt des Klägers die notwendigen Fakten besonders sorgfältig vortragen und unter Beweis stellen. Auf § 1006 BGB sollte er nicht zu stark setzen.
     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2005 | Seite 172 | ID 91039