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  • 02.01.2008 | Blutentnahme

    Anordnung der Blutentnahme durch die Polizei

    Wird eine Blutentnahme nur von der Polizei angeordnet, führt das nicht zu einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des Blutalkohol-Gutachtens (LG Hamburg 12.11.07, 603 Qs 470/07, Abruf-Nr. 073785).

     

    Sachverhalt

    Der Beschuldigte soll am 20.9.07 zwischen 11.45 und 12.00 Uhr eine Trunkenheitsfahrt begangen haben. Er wurde um 12.10 Uhr in seiner Wohnung angetroffen. Um 12.30 Uhr wurde eine AAK von 1,83 ‰ gemessen. Der Beschuldigte wurde zum Polizeikommissariat verbracht: Dort wurde um 14.05 Uhr eine Blutentnahme vorgenommen, die von der Polizei angeordnet wurde, ohne zuvor StA oder Gericht einzuschalten. Der Verteidiger hat im § 111a-Verfahren ein Beweisverwertungsverbot geltend gemacht. Das LG hat dieses verneint.  

     

    Entscheidungsgründe

    Es ist zwar richtig, dass nach der Entscheidung des BVerfG vom 12.2.07 in 2 BvR 273/06 die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig versuchen müssen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen. „Regelmäßig“ bedeutet aber, dass es Ausnahmen von der Regel geben muss, und zwar dann, wenn der Untersuchungserfolg durch die Einholung einer richterlichen Entscheidung gefährdet wäre. Das ist bei allen Fällen des begründeten Verdachts von Trunkenheitsfahrten der Fall. Wegen des Abbaus des Blutalkoholgehalts führt jede zeitliche Verzögerung bei der Blutentnahme zu größeren Ungenauigkeiten oder gar zur Unmöglichkeit der Rückrechnung und damit zu größeren Ungenauigkeiten bei der Feststellung des Blutalkoholgehalts im Tatzeitpunkt. Die Gefährdung des Untersuchungserfolges und die Dringlichkeit ist auch evident. Es ist auch in Zeiten moderner Telekommunikationsmittel illusorisch und nicht durchführbar, innerhalb kürzester Zeit eine richterliche Entscheidung zu erlangen. Dafür reicht es nämlich nicht aus, dass die Polizeibeamten telefonisch die StA informieren und über diese telefonisch an den Eilrichter herantreten, um innerhalb einer Stunde bis zum Eintreffen des Arztes eine richterliche Anordnung in Händen halten zu können. Keinem Richter könne zugemutet werden, ohne Aktenkenntnis, ohne schriftliche Entscheidungsgrundlage, nur aufgrund telefonischer Anhörung der Beteiligten eine Entscheidung zu fällen.  

     

    Praxishinweis

    Der Verteidiger hatte sich auf die Entscheidung des BVerfG vom 12.2.07, 2 BvR 237/07, VA 07, 109, Abruf-Nr. 071267) bezogen. Das LG hat diese für auf Trunkenheitsfahrten nicht anwendbar angesehen. Dem ist zu widersprechen. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung keine Einschränkungen gemacht. Es ist auch in der Praxis – entgegen der Auffassung des LG – möglich, rechtzeitig eine richterliche Anordnung der Blutentnahme zu erlangen. Hier haben zwischen dem Erscheinen der Polizei bei dem Beschuldigten und der Blutentnahme fast zwei Stunden gelegen, in denen zumindest eine mündliche Anordnung durch einen Richter hätte getroffen werden können. Das wäre aber – ebenso wie bei der Durchsuchung – ausreichend gewesen (BGH NJW 05, 1060; StRR 07, 145; Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 4. Aufl., 2006, Rn. 534 m.w.N.). Die fehlende richterliche Anordnung führt zu einem Beweisverwertungsverbot, und zwar zumindest dann, wenn noch nicht einmal der Versuch unternommen worden ist, eine solche Anordnung zu erlangen, obwohl genügend Zeit dafür war.