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  • 23.09.2010 | Blutentnahme

    Anforderungen an die Annahme von „Gefahr im Verzug“ bei der Anordnung einer Blutentnahme

    „Gefahr im Verzug“ und die damit begründete Eilzuständigkeit der Polizei für die Anordnung einer Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO) lässt sich nicht mit generalisierenden Überlegungen und Erwägungen begründen (BVerfG 11.6.10, 2 BvR 1046/10, Abruf-Nr. 102140).

     

    Entscheidungsgründe und Praxishinweis

    Kurz nach Redaktionsschluss für unseren Beitrag in VA 10, 140 zur Bestandsaufnahme der (obergerichtlichen) Rechtsprechung zu den mit § 81a Abs. 2 StPO zusammenhängenden Fragen, hat das BVerfG seine dritte Entscheidung zu dieser Problematik veröffentlicht (vgl. auch BVerfG VA 07, 109; 08, 192). Das zeigt - obwohl es sich um einen Sachverhalt aus Dezember 2007 gehandelt hat - dass die Problematik in der Praxis immer noch von Bedeutung ist. Die Entscheidung lässt sich wie folgt zusammenfassen:  

     

    Checkliste: Eckwerte bei der Anordnung einer Blutentnahme
    • Die Ermittlungsbehörden müssen im Rahmen des § 81a Abs. 2 StPO zunächst regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen. Nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehenden Verzögerung besteht auch eine Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und - nachrangig - ihrer Ermittlungspersonen.
    • Eine mündliche Anordnung der Maßnahme ist zulässig (vgl. dazu VA 10, 141).
    • Die Gefahrenlage muss mit auf den Einzelfall bezogenen Tatsachen begründet werden, die in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist. Generalisierende Erwägungen (z.B. bei Trunkenheitsfahrt wegen des Alkoholabbaus immer Gefahr im Verzug) sind unzulässig (dazu schon OLG Hamburg NJW 08, 2597; OLG Jena DAR 09, 283).
    • Der Versuch, einen richterlichen Beschluss zu erlangen, muss immer unternommen werden. Offen bleibt die Frage der Erforderlichkeit des nächtlichen richterlichen Eildienstes (vgl. zu diesen Fragen VA 09, 100; 09, 210; OLG Bamberg DAR 10, 97; weit. Nachw. in VA 10, 142 ).
    • Die Verletzung des Richtervorbehalts bei Anordnung der Blutentnahme führt nicht zwingend dazu, dass die Blutprobe als Beweismittel nicht verwertet werden darf. Ob ein solches Verwertungsverbot vorliegt, ist von den Gerichten im Strafverfahren zu prüfen (s. auch schon BVerfG VA 08 192).
     

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2010 | Seite 173 | ID 138658