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  • · Fachbeitrag · Berufsrecht

    Wofür braucht der Berufsstand überhaupt noch eine Berufsordnung?

    von RA Hans-Günther Gilgan, Münster

    | Der Gesetzgeber hielt eine Satzung angesichts der gesetzlichen Regelung der zentralen Berufspflichten im StBerG nicht für notwendig (vgl. Gesetzentwurf zum 5. Steuerberatungsänderungsgesetz, 11.5.90; BR-Drs. 324/90, S. 21). Dennoch wurde die Berufsordnung (BOStB) auf Wunsch des Berufsstands durch das 6. Steuerberatungsänderungsgesetz (1994) eingeführt. Im Laufe der Jahre wurde die BOStB dann immer weiter ausgehöhlt (zuletzt durch die Berufsrechtsreform, vgl. Günther KP 21, 222 ), weswegen die Frage erlaubt ist, wozu künftig eine Berufsordnung erforderlich sein soll. |

    Die allmähliche Aushöhlung der Berufsordnung

    Im Grunde genommen ist es unverständlich, warum der Berufsstand damals nicht der günstigen Ansicht des Gesetzgebers gefolgt ist und sich gegenüber den Rechtsanwälten auf das moderne StBerG berufen hat. Immerhin hatte sich der Berufsstand das StBerG schwer erkämpft und sich erst 1961 aus dem Korsett der Finanzverwaltung befreit, das er sich 30 Jahre später ‒ freiwillig ‒ mit der BOStB wieder anlegte.

     

    • BOStB war von Anfang an umstritten

    Auch in der Literatur (Engelhardt, Standesrichtlinien und Grundgesetz, StB 88, 73) und in der Rechtsprechung (BVerfG 20.4.82, 1 BvR 522/78, NJW 82, 2487; BGH 20.11.78, StbStR 1/78, StB 79, 32; BGH 20.5.85, StbStR 9/84, StB 85, 302) gab es gewichtige Stimmen, die eine satzungsrechtlich ausgestaltete Berufsordnung für überflüssig hielten und den von der Bundeskammerversammlung beschlossenen Standesrichtlinien insofern eine gewisse rechtserhebliche Bedeutung als Hilfsmittel für die Anwendung und Auslegung der generalklauselartig umschriebenen, aber gesetzlich festgelegten Berufspflichten zuerkannt hatten.

     

    Allerdings wurde durch das 6. Steuerberatungsänderungsgesetz klargestellt, dass alle Standespflichten aus den im Gesetz enthaltenen Regelungen zur Berufsausübung ableitbar sein müssen (BT-Drs. 12/6753, S. 21). Das heißt, die BOStB darf keine weiteren Einschränkungen anordnen als das StBerG! Aber gerade das war der Fall und führte in der Folge immer wieder zu Änderungen.

     

    Am 16.12.10 genehmigte dann das BMF die Neufassung der BOStB, die um die Hälfte gekürzt wurden, weil man erkannt hatte, dass die Hälfte gar keine Eingriffe enthielten und damit eine satzungsrechtliche Regelung obsolet war! Verkauft wurde das als Beitrag zum „Abbau der Bürokratie“ (die man vorher selbst eingeführt hatte)! Vergleichbares galt für die Regelungen zur Werbung. Diese wurden durch das 6. Steuerberatungsänderungsgesetz in § 57a StBerG eingefügt, obwohl nach Auffassung des BVerfG (4.2.93, 1 BvR 1313/88, DStR 93, 530) eine weitere Umschreibung als die nach § 57 StBerG nicht notwendig gewesen wäre. Damit aber war § 9 BOStB von Anfang an überflüssig. Bemerkenswert war auch der Wegfall des § 7 der BOStB a.F. „Freie Mitarbeiter“ und die Neuregelung in § 17 BOStB „Beschäftigung von Mitarbeitern“. Die rigide Auffassung, damit seien nur Mitarbeiter gemeint, die auch Berufsangehörige nach § 3 StBerG sein können, wurde von den Buchführungshelfern als eine über das Gesetz hinausgehende Einschränkung moniert und auf deren Druck hin fallen gelassen. Notwendig ist nunmehr nur noch, dass diese Personen weisungsgebunden und unter der fachlichen Aufsicht des Steuerberaters tätig werden.

     

    Jetzt kommt mit dem „Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“ (BGBl 41/21 vom 12.7.21, S. 2363 ff.), das zum 1.8.22 in Kraft tritt, eine weitere Ausdünnung des Inhalts der BOStB. § 6 BOStB (Interessenkollisionen) wird in das StBerG übernommen und ist damit als Bestandteil der BOStB überflüssig.

    Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, die BOStB abzuschaffen!

    Es ist zu erwarten, dass sich die Entwicklung fortsetzen und eine weitere Angleichung der Berufsrechte der Rechtsanwälte und der Steuerberater erfolgen wird. Wäre es da nicht sinnvoller, die BOStB abzuschaffen und Steuerberater ‒ wie alle übrigen am Rechtsverkehr Teilnehmenden ‒ lediglich dem UWG zu unterwerfen (so Gehre/Koslowski, StBerG, 6. Aufl., § 57a, Rz. 5)?

     

    Und noch ein Punkt spricht für die Abschaffung: Musste die BOStB 2010 noch durch das BMF genehmigt werden, so ist nunmehr nach § 86 Abs. 5 StBerG nur noch das Recht des BMF auf Aufhebung der BOStB vorgesehen, soweit diese ganz oder teilweise unwirksam ist, weil das BMF die Satzung oder deren Änderung nicht als gerechtfertigt, notwendig und verhältnismäßig beurteilt hat. Es schadet schlicht dem Ansehen des Berufsstands, wenn die Spitzenorganisation sich vom BMF eines Besseren belehren lassen muss.

     

    FAZIT | Die entscheidenden Fragen des Berufsstands sind in die Zukunft gerichtet: Sicherung des Geschäftsmodells Steuerberatung, Weg in die digitale Kanzlei, Gewinnung geeigneter Mitarbeiter/Entwicklung der Mitarbeiter. Eine Ordnung zu „Rechten und Pflichten bei der Ausübung des Berufs“ enthält hierauf naturgemäß keine Antworten. Bestenfalls tangiert sie diese Fragen nicht, schlimmstenfalls behindert sie kreative Lösungen. Die Abschaffung der BOStB wäre ein weiterer Beitrag zur Entbürokratisierung des Berufs, der zur Fortentwicklung Freiheit ‒ und keine Gängelung ‒ benötigt. Vorbild sind die Rechtsanwälte, die seit jeher ganz überwiegend erfolgreich für eine Lockerung ihres Berufsrechts kämpfen.

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2022 | Seite 17 | ID 47769807

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