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  • · Fachbeitrag · Fallstudie

    Das Selbstvertrauen der Mitarbeiter als Erfolgsfaktor in besonderen Zeiten

    von Ralf Ecker, Bexbach

    | Solange nichts die Kanzlei erschüttert, funktionieren viele Kanzleien wie ein eingespieltes Team. Die Rädchen greifen gut ineinander, auch wenn es mal knirschen mag. Stark standardisierte Abläufe helfen, das enorme Arbeitspensum zu bewältigen. Schwierig wird es aber, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern. Die Mitarbeiter werden dann von den Routinen, die für diesen Fall nicht gemacht wurden, im Stich gelassen und delegieren ihre Probleme gnadenlos „nach oben“. Die Inhaber fragen sich, was bloß mit den Mitarbeitern los ist. Oft steckt mangelndes Selbstvertrauen der Mitarbeiter dahinter. |

     

    • Fallstudie: Ausgangssituation

    Die Kanzlei hat zwei Partner und 17 Mitarbeiter, von denen die meisten in den Bereichen FiBu, Deklaration und LoBu tätig sind. Zwei Kolleginnen sind im Sekretariat beschäftigt, das für die gesamte Kanzlei zuständig ist und nicht nur für die beiden Chefs. Die Kanzlei erbringt im Sinne einer generalistischen Ausrichtung alle typischen Dienstleistungen einer Steuerkanzlei. Sie hat keine Spezialisierung ‒ weder auf eine bestimmte Mandantengruppe noch auf ein bestimmtes Themengebiet. Auch die Partner sind streng genommen nicht spezialisiert, sie haben das Tagesgeschäft so aufgeteilt, dass die Belastung aus der Mandatsarbeit ‒ auf Partnerebene ‒ in etwa bei beiden gleich ist. Eine Ausnahme ist jedoch die Lohnbuchhaltung. Dieses Geschäftsfeld ist einem der Partner wegen besonderer fachlicher Vorbildung insgesamt zugewiesen.

     

    Die beiden Partner möchten die Kanzlei auf Wachstumskurs bringen. Im Umfeld der Kanzlei werden in den nächsten Jahren einige Steuerberater aufhören, die voraussichtlich keine Nachfolger finden werden. Die Partner hoffen, die Mandanten dieser Berater zu übernehmen. Ihnen ist klar, dass das nicht ohne „Wachstumsschmerzen“ gehen wird und dass die Mitarbeiter den Kurs mittragen müssen. Doch sind die Mitarbeiter auch bereit dafür?

     

    Die Kanzlei hat mich in diesem Zusammenhang damit beauftragt, ein Gutachten mit Vorschlägen für Maßnahmen zu erstellen.

     

    Der Ansatz ‒ Die Personalbilanz in Aktion

    Für das Gutachten habe ich den Ansatz der Personalbilanz (Gaugler, KP 19, 198) gewählt. Dieser wissenschaftlich überprüfte Ansatz bietet sich hier an, um einerseits die Motivation der Mitarbeiter zu untersuchen und die Führungskräfte in ihrer Führungsaufgabe zu unterstützen, denn auf beide Punkte kommt es für die anstehenden Herausforderungen an.

     

    Fragebögen und strukturierte Interviews

    In einem ersten Schritt habe ich daher mit allen in der Kanzlei einen Fragebogen bearbeitet und dann auf der Grundlage der Auswertungen strukturierte Interviews von 90 bis 120 Minuten geführt. Diese Phase dauerte etwa ein Vierteljahr. Thematisiert wurden hierbei insbesondere die Auswirkungen persönlicher und kanzleiinterner Faktoren auf die persönliche Arbeitsleistung und Motivation. Weiterhin wurde mit jedem Teilnehmer besprochen, an welchen Faktoren er für sich eigenverantwortlich arbeiten sollte, denn die Erhöhung der Eigenverantwortlichkeit und der Selbstreflexion ist ein relevanter Faktor jeder Potenzialentfaltung. Jeder Teilnehmer hat eine individuelle Auswertung mit sehr vielen Empfehlungen sowie ein individuelles Entwicklungscockpit erhalten.

     

    Anamnese-Ergebnis und Diagnose

    Aus der Kombination Gutachten plus Gespräch lassen sich zudem sehr gut aktuelle Stimmungen und Mitarbeiterbedürfnisse ermitteln, um generelle Handlungsempfehlungen ableiten zu können!

     

    • Fallstudie: Zwischenergebnis nach Fragebögen und Interviews

    Der überwiegende Teil der Mitarbeiter hat eine hohe bis sehr hohe Initiative, ein hohes bis sehr hohes Einfühlungsvermögen und eine hohe Statusmotivation. Die Arbeitszufriedenheit, der Leistungsdrang und die Kritikstabilität sind ebenfalls überdurchschnittlich gut. Einige Mitarbeiter haben erhebliche private Herausforderungen und Probleme zu bewältigen, die ihre Potenziale stark blockieren und damit auch die persönliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.

     

    Viele Mitarbeiter stellen auch das Vertrauen heraus, dass ihnen die Partner entgegenbringen und die Eigenständigkeit, die das ermöglicht. Das ist wichtig an dieser Stelle, damit die nachfolgenden Wünsche und Bedürfnisse nicht als generelle Unzufriedenheit interpretiert werden. Es handelt sich um Bedürfnisse und Wünsche von engagierten Menschen, die sich teilweise noch mehr einbringen wollen, teilweise jedoch auch unter Anspannung und Stress sowie unter mangelndem Selbstvertrauen (Details später) leiden.

     

    Eine Auswahl:

    • Wunsch nach „mehr Chef“ und nach greifbareren Chefs (insbesondere vermehrte Kommunikation), damit die sehr eigenverantwortlichen Mitarbeiter effizienter arbeiten können.
    • Der Wunsch, dass die Chefs tiefer in die Prozesse mit eintauchen und erkennen, was im Detail geleistet wird und dadurch besser abschätzen können, wie viel Arbeit und Zeit in den einzelnen Dingen steckt.
    • „Mal ein Lob in einem Mitarbeitergespräch wäre schön!“ Die Chefs loben insgesamt nur zurückhaltend und sehr wenig. Daraus ergibt sich der Wunsch, dass die Chefs die individuellen Leistungen mehr wahrnehmen und klar formulieren, was sie erwarten.
    • Persönlicher Zweifel, nicht genug zu machen, nicht schnell genug zu sein, nicht gut genug zu sein. Es fehlt das Feedback, dass Dinge auch mal gut und ordentlich erledigt wurden. Solches Feedback stärkt das Selbstvertrauen.
     

    Selbstvertrauen und Motivation

    Selbstvertrauen beschreibt, wie jemand seine eigene Leistungsfähigkeit im Verhältnis zur Schwierigkeit einer bevorstehenden Aufgabe einschätzt. Auf der einen Seite beurteilt man (ganz unbewusst) die eigenen Fähigkeiten, die eigene Erfahrung usw. Auf der anderen Seite beurteilt man die Schwierigkeit der anstehenden Aufgaben: Was wird von mir erwartet? Was muss ich liefern? Bis wann? Steht beides im Einklang, beurteilt man die eigenen Fähigkeiten als ausreichend zur Erfüllung der gestellten Anforderungen, dann ist die Konsequenz Selbstvertrauen: Man traut sich die Aufgabe zu. Beide Einschätzungen, sowohl die der eigenen Leistungsfähigkeit als auch die der Schwierigkeit der bevorstehenden Aufgabe, sind zunächst einmal subjektiv.

     

    Ursachen für fehlendes Selbstvertrauen

    Fehlendes Selbstvertrauen könnte also sowohl daher rühren, dass man sich selbst und die eigenen Fähigkeiten unterschätzt oder daher, dass man die Schwierigkeit der an einen gestellten Aufgabe überschätzt ‒ oder beidem. Erschwert wird die Einschätzung dadurch, dass in der Praxis oft noch gar nicht klar ist, was genau erwartet und gefordert wird.

     

    In vielen Fällen rührt das mangelnde Selbstvertrauen der Mitarbeiter von einer Mixtur aus eigenem Erwartungsdruck und Fristendruck her. Vielen Mitarbeitern ist nicht so wirklich bewusst, wo sie selbst fachlich stehen. Sie haben eine recht hohe Erwartungshaltung an sich selbst, die mit der latenten Unsicherheit kollidiert, dass man im Steuerrecht nie alles wissen kann. Auch im Service-, Assistenz- und Sekretariatsbereich ist mangelndes Selbstvertrauen weit verbreitet. Meist können die Servicekräfte ihre eigene Leistung, die Wahrnehmung ihrer Leistung durch die Führungskräfte und durch die „Produktivkräfte“ und ihr eigenes Standing in der Kanzlei schwer abschätzen. Gerade der permanente Fristendruck und die Sorge, nicht den Erwartungen gerecht zu werden, nagt am Selbstvertrauen. Eine derartige Situation finde ich häufiger in Steuerkanzleien vor. Sie hat also nicht in erster Linie etwas mit den Führungskräften oder mit der speziellen Kanzleisituation zu tun. Auch rührt der Mangel an Selbstvertrauen meist nicht von objektiv mangelndem Fachwissen her, sondern ist häufig in der subjektiven Erwartungshaltung oder in mangelndem Feedback begründet.

     

    Negatives Auto-Feedback

    Menschen unterschätzen sich meist selbst, machen sich die Einschätzung anderer zu eigen, die ihnen wenig zutrauen oder vergleichen sich mit den Falschen. So etwas geschieht häufig, weil wir einer verzerrten Wahrnehmung unterliegen: Wir erledigen unsere Aufgaben zu 99 % korrekt ‒ und nehmen das nicht groß wahr, denn das ist ja „selbstverständlich“. Darüber verliert keiner ein Wort. Sobald aber etwas schief geht, dann bekommen wir das zu hören und zu spüren. Als Folge davon kommt bei uns nur das negative Feedback an.

     

    Negatives Feedback geben wir uns meist selbst. Wir sind oft selbst unsere schärfsten Kritiker ‒ und „schlimmer“ als jeder Chef oder die Eltern oder die Lehrer, auf die wir es gerne schieben. Dies führt zu einer Überbetonung der Fehler und zu einer Verschleierung dessen, was wir alles Gutes geleistet und erreicht haben. Die Wahrnehmung wird vor allem auf die Fehler gelenkt, nicht auf das Erreichte. Gerade in Steuerkanzleien kommt dies häufig vor; denn das Steuerrecht ist derart komplex und der Fristendruck so hoch, dass ein latentes Gefühl der Unsicherheit besteht.

     

    • Fünf Quick-Wins für mehr Selbstvertrauen

    1. Erfolgstagebuch führen

    2. Individuelle gemeinsame Zielvereinbarungen

    3. Objektiv die Erfolge täglich den Misserfolgen gegenüberstellen

    4. Erfolgskommunikation trainieren - sich selbst positives Feedback geben

    5. Lernen, andere um Unterstützung zu bitten

     

    Die Rolle der Führungskraft

    Kommunikation und Feedback sind die beiden wichtigsten Werkzeuge einer Führungskraft. Sprechen Sie mit den Mitarbeitern. Geben Sie mehr Feedback, sowohl positives als auch fachlich förderndes Feedback, wenn dies notwendig ist. Stehen Sie den Mitarbeitern für Nöte und Sorgen zur Verfügung. Loyalität ist wichtig, ebenso das Gefühl, dass Sie für Ihre Mitarbeiter da sind. Führen Sie bitte regelmäßig kurze Feedbackgespräche.

     

    • Sechs Regeln für formal richtiges Feedback

    Formal gutes Feedback ist ...

     

    • 1. Gut vorbereitet: Führen Sie keine Adhoc-Feedbackgespräche, sondern bereiten Sie inhaltlich gut darauf vor.
    • 2. Beschreibend, nicht wertend: Der Sachverhalt wird neutral wiedergegeben. Vorsicht vor Begriffen, die bereits eine Wertung implizieren (Beispiel: Köter statt Hund).
    • 3. Konkret, nicht spekulativ/generalisierend: Der Sachverhalt, meist handelt es sich ja um Verhalten, wird beschrieben. Es macht keinen Sinn, dabei über Motive zu spekulieren. Vorsicht vor verallgemeinernden sprachlichen Wendungen wie immer, dauernd etc.
    • 4. Umsetzbar: Dem Empfänger des Feedbacks muss es möglich sein, daraufhin etwas ändern zu können, zum einen weil er darauf Einfluss hat und zum anderen weil das Feedback die Änderungsrichtung konkret aufzeigt.
    • 5. Erbeten: Im Vorfeld (z. B. in einem Mitarbeitergespräch) sollte Feedback vereinbart sein. Unerbetenes Feedback ist so unerwünscht wie unerbetener Rat.
    • 6. Wertschätzend: Was für die Wahrheit gilt (nicht wie ein nasses Handtuch um die Ohren hauen, sondern in den Mantel helfen) gilt auch für das Feedback.
     

    Sorgen Sie zudem für Zielklarheit. Ist jedem Mitarbeiter klar, was Sie von ihm erwarten? Gerade Menschen mit weniger ausgeprägtem Selbstvertrauen ist es wichtig, nicht nur zu wissen, warum sie etwas machen sollen, sondern auch was konkret und wie. Hier ist die Führungskraft gefordert, Orientierung zu geben und die Anforderungen und Ziele klar zu formulieren. Nur wenn ich weiß, was von mir erwartet wird, kann ich mein Bewältigungspotenzial für die Aufgabe einschätzen und entwickle das nötige Selbstvertrauen.

     

    Nichts blockiert mehr, als gar nicht zu wissen, was genau erwartet wird: Mache ich die Buchhaltung gut genug? Mache ich genügend Abschlüsse oder müsste ich mehr machen? Wie nimmt mich die Kanzleileitung wahr? Was muss ich leisten? Bis wann? In welcher Qualität? In welcher Genauigkeit? Muss das Ganze schon absolut fehlerfrei und fein ausgearbeitet sein? Oder reicht erst eine Skizze, ein Entwurf? Zugegeben: Manchmal ist aufgrund der Situation noch nicht genau klar, was kommt und was genau gefordert ist ‒ das muss dann auch so kommuniziert werden.

    Wie kann das Personalbilanz-Coaching unterstützen?

    Kommunikation und Feedbackkultur sind niemals die einzigen t„Baustellen“ in einer Kanzlei. Meist kommen eine ganze Reihe von Faktoren zusammen z. B. die arbeitsbedingte Stressbelastung oder eine gewisse Perspektivlosigkeit/mangelnde Entwicklungsmöglichkeit. Diese und andere Faktoren können mit der Personalbilanz aufgedeckt und adressiert werden. Bereits durch die Art der Datenerhebung (Fragebogen und strukturiertes Interview) und erst recht im Gespräch über die Auswertung werden der betroffenen Person (Führungskraft wie Mitarbeiter) die Dinge viel klarer. Auf dieser auch von den Betroffenen akzeptierten, weil gemeinsam erarbeiteten, Grundlage kann mit dem Berater ein individueller Entwicklungsplan erstellt werden.

     

    • Fallstudie: Wie geht es in der Kanzlei konkret weiter?

    Für die Kanzlei wurde ein individuelles Maßnahmenbündel geschnürt, aus dem ich zwei Maßnahmen hervorheben möchte:

     

    • Kommunikation: In Dreier Gesprächen (Partner ‒ Mitarbeiter ‒ Personalbilanzberater) wird sowohl an der Beziehung, als auch an konkreten Themen, wie Zielvereinbarungen, Strukturen und Abläufen, Feedback und konkreten Fragen gearbeitet. Häufig hören die Mitarbeiter zum ersten Mal, wie sehr sie der Chef schätzt und wie zufrieden er ist. Auch der Chef ist ein Mensch und ist ebenfalls meist sehr erfreut, wenn auch er endlich einmal positives Feedback vom Mitarbeiter erhält. Diese Dreier-Gespräche sind eine wichtige Basis, um Erwartungen zu klären und die Beziehung zu festigen. Sie sind der Humus, auf dem das Selbstvertrauen gedeiht.

     

    • Mitarbeiter-Mentoring: Mitarbeiter mit einem ausgesprochen niedrigen Selbstvertrauen erhalten regelmäßige Potenzialentwicklungs-Sprechstunden. Diese finden je nach Bedarf zwei- bis dreimal im Quartal statt und dauern etwa 15 ‒ 30 Minuten pro Teilnehmer.
     

    Weiterführende Hinweise

    • Personalentwicklung ‒ Werden Sie zum Mentor Ihrer Mitarbeiter! (Ecker, KP 19, 214)
    • Personalentwicklung ‒ Entwickeln Sie Ihre Mitarbeiter ‒ Sie haben auf mittlere Sicht nur diese! (Gaugler, KP 19, 198)
    • Mit Wissen(schaft) führen ‒ Change-Management: Veränderungen beginnen im Kopf (Pracher-Hilander, KP 19, 119)
    Quelle: Ausgabe 06 / 2020 | Seite 105 | ID 46287067

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