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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Ersatzanspruch bei (Zweit-)Schädigung eines Fahrzeugs mit unrepariertem Erstschaden

    • 1. Hat der Eigentümer eines unfallbeschädigten Fahrzeugs die zur Reparatur erforderlichen Kosten als Schadenersatz erhalten, so muss er sich diese Leistung nicht anrechnen lassen, wenn er wegen eines nachfolgenden Verkehrsunfalls, bei dem das nicht reparierte Fahrzeug im Bereich des Vorschadens - abgrenzbar - erneut beschädigt wird, Schadenersatz von dem Zweitschädiger verlangt.
    • 2. Der Anspruch kann entsprechend den Grundsätzen über den Abzug „neu für alt“ gemindert sein.

    (LG Saarbrücken 2.5.14, 13 S 198/13, Abruf-Nr. 142352)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Bei einem früheren Unfall war der Pkw des Kl. vorne links beschädigt worden (oberflächlicher Schürfschaden). Nach einem AG-Urteil in einem Vorprozess belief sich der Reparaturaufwand auf netto 783,10 EUR. Als das Fahrzeug des Kl. erneut beschädigt wurde, wiederum vorne links, war der Erstschaden nicht beseitigt. Gestützt auf einen Kostenvoranschlag hält der Kl. einen Betrag von netto 2.720,96 EUR für erforderlich, um den Zweitschaden zu beheben. Er rechnet auf fiktiver Basis so ab: 2.720,96 EUR (Reparaturkosten Zweitschaden) minus 783,10 EUR (Erstschaden) minus 200 EUR (Zahlung der Bekl. für anteilige Lackierkosten). Nach Einholung eines Gutachtens hat das AG der Klage nur teilweise stattgegeben. Die Berufung des Kl. hatte überwiegend Erfolg.

     

    Den vom Zweitschädiger/VR geschuldeten Betrag setzt die Kammer auf 1.765,15 EUR abzüglich eines Wertausgleichs von 200 EUR fest. Die Grundvoraussetzung für den Ersatz eines Zweitschadens, die Abgrenzbarkeit vom Erstschaden, war in II. Instanz nicht mehr im Streit. Auf dem Boden der Differenzhypothese führt das LG aus: Der Kl. könne nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er vermögensmäßig mit den zum Unfallzeitpunkt vorhandenen Altschäden, aber ohne den Zweitschaden stünde. Geschuldet seien deshalb nur die Kosten für eine „zeitwertgerechte“ Reparatur. Unter den gegebenen Umständen sei es allerdings nicht zu beanstanden, wenn das AG zunächst von den Kosten einer fachgerechten und vollständigen Reparatur mit Neuteilen ausgegangen sei. Um dem Bereicherungsverbot Rechnung zu tragen, müsse indes ein Abzug gemacht werden.

     

    Dabei mit dem AG von den Kosten zur Behebung des Gesamtschadens diejenigen Positionen abzuziehen, die bereits bei der Instandsetzung des Vorschadens anfallen würden, sei der falsche Weg. Richtig, so das LG weiter, sei ein Abzug nach den Grundsätzen „neu für alt“. Die erste Voraussetzung dafür sei eine messbare Erhöhung des Fahrzeugwerts durch die Reparatur des Zweitschadens. Das sieht das LG, sachverständig beraten, als erwiesen an. Diesen Wertzuwachs auszugleichen, sei dem Kl. auch zumutbar, zumal er den Zweitschaden fiktiv abrechne. Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass die Kosten für den nach dem Zweitschaden eingeholten Kostenvoranschlag von 100 EUR mangels Zweckmäßigkeit nicht ersatzfähig seien.

     

    Praxishinweis

    Vorschäden zu instrumentalisieren, um seine eigene Haftung wenigstens der Höhe nach zu begrenzen, ist aus Sicht des Zweitschädigers verständlich. Die Verteidigungslinien reichen vom Manipulationsvorwurf über das Leugnen der haftungsbegründenden wie der -ausfüllenden Kausalität bis hin zum Ohnehin-Einwand bzw. der Vorteilsanrechnung. Zumal bei einem „offenen“ Vorschaden, wie im konkreten Fall, kann der Zweitgeschädigte derart in die Defensive gedrängt sein, dass er am Ende leer ausgeht.

     

    Kein Zweitschadenersatz ohne Abgrenzbarkeit vom Erstschaden sagt das LG unter Hinweis auf drei unveröffentlichte Kammerbeschlüsse (ebenso OLG Hamm DAR 14, 326). Doch was besagt das konkret - für den Sachverständigen in Bezug auf sein Schadengutachten, für den Anwalt des Geschädigten (auch mit Blick auf die Darlegungs- und Beweislast) und für den Schadensrichter? Ein „offener“ (ganz oder teilweise unreparierter) Vorschaden am Heck ist für die Ermittlung des Reparaturkostenersatzes belanglos, wenn der zweite Schaden an der Fahrzeugfront liegt. Die technische wie rechnerische Trennbarkeit ist evident (so auch OLG Hamm DAR 14, 326). Relevant ist der Vorschaden nur für die Ermittlung des WBW (zur Darlegung OLG Hamm a.a.O.), des RW und einer Wertminderung. Besonders heikel sind die Fälle mit völliger oder teilweiser Überlagerung (Überdeckung), typisch in Heckschadensfällen. Trotz der Nähe der Schadenzonen im „linken Frontbereich“ war dem LG eine Abgrenzung möglich, wozu die Dokumentation des Erstschadens und die Ermittlung des insoweit erforderlichen Reparaturaufwands sicherlich beigetragen haben. Gibt es vom Erstschaden Fotos, gar ein Gutachten, wenigstens eine Rechnung? Dies sollte der Anwalt eines Zweitgeschädigten abklären. Was steht im Zweitschaden-Gutachten über einen Vorschaden? Vorschäden (reparierte und unreparierte) sind incl. Reparaturumfang und -qualität zu beschreiben und durch Fotos zu dokumentieren, so die Arbeitsanleitung für Sachverständige.

     

    Von der Verursachung eines neuen, eigenständigen und abtrennbaren Zweitschadens ist die Variante der bloßen Erweiterung (Intensivierung) des Erstschadens zu unterscheiden. Danach ist der Sachverständige zu fragen, wenn es in der Abgrenzungsfrage eng wird. Bei erfolgreicher „Beulensortierung“ geht es auf der nächsten Stufe um die nicht minder problematische Bemessung des Zweitschadens. Hier liegt der eigentliche Schwerpunkt der LG-Entscheidung. Sie macht deutlich, dass es ganz unterschiedliche Herangehensweisen gibt. So wie es der Anwalt des Klägers gemacht hat (Kosten II minus Kosten I) geht es gewiss nicht. Das AG (Gesamtschaden minus Einzelpositionen Erstschaden) hat es in den Augen des LG auch nicht richtig gemacht. Seine eigene NfA-Lösung ist ein brauchbarer Kompromiss, auch wenn die Feststellung einer Wertverbesserung bezogen auf das Gesamtfahrzeug mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist, faktischen wie rechtlichen. Den Wertausgleich damit zu begründen, dass der Kläger eine ohnehin notwendige Reparatur des Erstschadens erspart hat, war aus tatsächlichen Gründen nicht möglich.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 165 | ID 42935143