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  • 10.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142652

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 04.03.2014 – 9 U 181/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Hamm

    9 U 181/13

    Tenor:

    beabsichtigt der Senat, die Berufung der Klägerin gegen das am 24.07.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

    Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

    Aufgrund des Hinweisbeschlusses ist die Berufung zurückgenommen worden.

    Gründe:

    Nach § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Solches zeigt die Berufungsbegründung nicht auf. Das landgerichtliche Urteil ist vielmehr nach einstimmiger Auffassung des Senats – auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens – zutreffend. Die Sache hat ferner keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich. Schließlich erscheint auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten. Im Einzelnen:

    1.

    Der Senat hält die Berufung der Klägerin einstimmig für aussichtslos. Das Landgericht hat richtig entschieden.

    a.

    Das Landgericht ist nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Parteianhörung und Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass es sich vorliegend um einen gestellten Unfall handelt, das klägerische Fahrzeug also mit – anspruchsausschließendem – Einverständnis der Klägerin beschädigt worden ist. An diese Feststellung ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO gebunden. Sie ist nicht zu beanstanden, erscheint vielmehr auch dem Senat zutreffend. Konkrete Anhaltspunkte, welche i.S. des § 529 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts begründen könnten, zeigt die Berufung nicht auf.

    Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird vorab auf die Beweiswürdigung des Landgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, denen der Senat sich anschließt. Die Berufungsangriffe geben lediglich Anlass zu den nachfolgenden ergänzenden Bemerkungen.

    aa. In verfahrensrechtlicher Hinsicht steht der Annahme einer Unfallmanipulation zunächst nicht entgegen, dass der Beklagte zu 1) ausdrücklich ein unfreiwilliges Unfallereignis eingeräumt hat. Hierdurch war und ist die Beklagte zu 2), welche dem Beklagten zu 1) im Wege der Nebenintervention als Streithelferin beigetreten ist, nicht gehindert, den Manipulationseinwand auch namens des Beklagten zu 1) zu erheben. Gegen die Zulässigkeit der Nebenintervention und des Beitritts der Beklagten zu 2) auf Seiten des Beklagten zu 1) bestehen keine Bedenken (vgl. dazu allgemein nur BGH, NJW-RR 2012, 233 sowie Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 66, Rdn. 13 m. w. Nachw.). Beim Verdacht einer Unfallmanipulation darf der neben dem Versicherungsnehmer und/oder dem versicherten Fahrer verklagte Haftpflichtversicherer sowohl als Streitgenosse als auch als Streithelfer nach §§ 61, 69 ZPO seine eigenen Interessen wahrnehmen und dabei abweichend von der unterstützten Partei argumentieren (vgl. dazu BGH, a.a.O.). Im Übrigen ist in Fällen dieser Art ein Geständnis der vom Streithelfer unterstützten Partei ohnehin unerheblich, wenn das Gericht zu der Überzeugung kommt, dass der Unfall verabredet gewesen ist; ein Geständnis, das lediglich auf einen Betrug [hier zu Lasten der Beklagten zu 2)] zielt, ist nämlich unbeachtlich (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 67, Rdn. 9 i.V.m. Zöller/Greger, a.a.O. § 288, Rdn.3b, 7, m.w.Nachw.). Deshalb steht das Einräumen eines unfreiwilligen Unfallereignisses seitens des Beklagten zu 1) der Feststellung einer Unfallmanipulation und einer damit begründeten Abweisung der gesamten Klage nicht entgegen.

    bb. Grundsätzlich indiziert die Verletzung eines Rechtsgutes (hier die vom Landgericht zunächst angenommene Eigentumsverletzung) die Rechtswidrigkeit. Der Geschädigte muss lediglich den äußeren Tatbestand einer Rechtsgutsverletzung darlegen und gegebenenfalls beweisen. Es ist dann Sache des Schädigers (bzw. der Versicherung des Schädigers) darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Sache mit Zustimmung des Berechtigten beschädigt worden ist. In der Regel ist es schwer, wenn nicht unmöglich, den lückenlosen Beweis zu führen, dass ein Unfall gestellt ist. Der Beweis der Unfallmanipulation kann indes durch den Nachweis einer ungewöhnlichen Häufung von typischen Umständen erbracht werden, die in ihrem Zusammenwirken vernünftigerweise nur den Schluss zulassen, dass der Anspruchsteller bzw. der Fahrzeugführer in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat. Mit anderen Worten: Es genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, d.h. ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie mathematisch lückenlos auszuschließen. Demnach ist eine Häufung der für eine Manipulation sprechenden Beweisanzeichen und Indizien geeignet, die Überzeugung des Gerichts zu begründen, ein „gestellter“ Unfall liege vor. Dabei darf keine Addition einzelner Indizien erfolgen, sondern es muss die richterliche Überzeugungsbildung als eine Gesamtschau auf der Grundlage aller feststehenden Indizien erfolgen (vgl. zum Ganzen nur Geigel-Kunschert, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 25, Rn. 8, 11 m. w. Nachw.).Nach diesen Grundsätzen ist der Senat hier bei der gebotenen Gesamtschau mit dem Landgericht davon überzeugt, dass die hier in Rede stehende Eigentumsverletzung abgesprochen war, also mit Einverständnis der Klägerin herbeigeführt worden ist. Dabei sind im Wesentlichen die nachfolgend zusammengefasst angeführten feststehenden Indizien und Auffälligkeiten zu berücksichtigen:

    - Die hier in Rede stehende Unfallkonstellation mit – bei Annahme eines unfreiwilligen Ereignisses – grobem Fahrfehler des Schädigers und dementsprechend klarer Haftungslage und nach den Ausführungen des Sachverständigen geringem gesundheitlichem Gefährdungspotential für die Fahrzeuginsassen ist manipulationstypisch.- Gleiches gilt für den Umstand, dass keine unabhängigen Zeugen zur Verfügung stehen.- Ebenfalls manipulationstypisch sind die beteiligten Fahrzeuge, die zudem bezeichnenderweise beide für eine Nachbesichtigung nicht mehr zur Verfügung standen (wobei das Klägerfahrzeug ausweislich der Mitteilung der Veräußerung im Schriftsatz vom 28.08.2012 entgegen der diesbezüglichen Andeutungen in der Berufungsbegründung zur Veräußerungszeit bereits spätestens im August 2012 veräußert worden sein muss). - Beim Schädigerfahrzeug handelt es sich um einen VW-Kastenwagen älterer Bauart - (T 4). Das Fahrzeug der Klägerin war mehrfach – und zwar insbesondere auf der auch jetzt vor allem betroffenen rechten Seite – vorgeschädigt. Die jeweils fiktiv abgerechneten Vorschäden sollen in Eigenregie vom Ehemann der Klägerin kostengünstig repariert worden sein, wobei allerdings keine näheren Angaben zur konkreten Art und Weise der Reparatur gemacht worden sind. Nach den Feststellungen des Sachverständigen lagen – wie im angefochtenen Urteil i.e. ausgeführt – in größerem Umfang auch noch unreparierte Vorschäden in den jetzt betroffenen Bereichen vor.- Aus den vorgenannten Vorschäden und der auch jetzt erfolgten fiktiven Schadensabrechnung ergibt sich ein nachvollziehbares Motiv für eine Unfallmanipulation; es liegt insgesamt ein rentierlicher Schaden vor.- Die Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes zum Nichtvorhandensein von unreparierten Vorschäden – abgesehen von dem im Schadensgutachten aufgeführten Kratzer an der hinteren linken Seitenwand – sind durch das bereits angesprochene nachvollziehbare und überzeugende Gutachten des Sachverständigen C eindeutig widerlegt.- Auch die Darstellung des konkreten Unfallhergangs weist Ungereimtheiten auf. So hat die Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung ausdrücklich angegeben, dass sie jedenfalls erst nach der Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug gebremst habe; wenn das so war kann aber nach den Ausführungen des Sachverständigen C keine – nur bei Annahme einer Vollbremsung des Klägerfahrzeugs zum Kollisionszeitpunkt darstellbare – kompatible Höhenzuordnung der beiderseitigen Fahrzeugschäden aufgezeigt werden. Ferner ist es auch für den Senat ungeachtet der seit dem Schadensereignis verstrichenen Zeit nicht nachvollziehbar, dass sich weder die Klägerin noch ihr Ehemann an herrschenden Gegenverkehr zum Unfallzeitpunkt haben erinnern können, obwohl der Beklagte zu 1) herannahendem Gegenverkehr ausgewichen sein und es dabei nach seinen Angaben so eng zugegangen sein soll, dass der Gegenverkehr sogar noch ausweichen musste.- Äußerst auffällig erscheint es schließlich auch aus Sicht des Senats, dass das klägerische Fahrzeug (wie i.e. im angefochtenen Urteil ausgeführt) zwischen Februar 2009 und Juli 2011 in insgesamt 7 Vorunfälle verwickelt war und die – zum Teil dieselben Fahrzeugbereiche wie jetzt betreffenden – Schäden jeweils fiktiv ab- gerechnet und (wenn überhaupt) allenfalls kostengünstig repariert worden sind. Nach alledem ist bei der gebotenen Gesamtschau die landgerichtliche Feststellung, dass das streitgegenständliche Schadensereignis gestellt und mit Einverständnis der Klägerin herbeigeführt worden ist, nicht zu beanstanden, vielmehr auch aus Sicht des Senats zutreffend.

    b. Die Klage kann im Übrigen auch deshalb keinen Erfolg haben, weil es an einem hinreichend sicher feststellbaren abgrenzbaren Schaden fehlt. Unstreitig war das klägerische Fahrzeug – insbesondere aufgrund des letzten Vorunfalles – auch in den Bereichen beschädigt worden, in welchen sich die nach den Ausführungen des Sachverständigen C jetzt möglicherweise kompatiblen und ersatzfähigen Schäden befinden. Ob diese Vorschäden sach- und fachgerecht repariert worden waren, hat der Sachverständige mangels Verfügbarkeit des Fahrzeugs nicht überprüfen und feststellen können. Bei einem erneuten Unfallschaden in einem vorgeschädigten Bereich trägt indes der Geschädigte – hier also die Klägerin – die Darlegungs- und Beweislast für die behauptete fachgerechte Behebung des Vorschadens; erst wenn er dieser Darlegungslast hinreichend konkret nachgekommen ist, kann er (bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen) fiktiv auf Basis gutachterlich kalkulierter Reparaturkosten abrechnen. Dabei muss zur Art und Weise der Reparatur des Vorschadens – insbesondere dann, wenn diese (wie hier) zur Besitzzeit des Geschädigten und sogar (wie hier) durch diesen oder einen Angehörigen selbst in Eigenregie erfolgt ist – schon konkret vorgetragen werden und reichen pauschale Angaben nicht aus; ohne einen solchen konkreten Vortrag laufen Beweisantritte für eine fachgerechte und ordnungsgemäße (und nicht nur kosmetische) Reparatur auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus, denn es ist Sache des darlegungspflichtigen Geschädigten, zunächst einmal die maßgeblichen Anknüpfungstatsachen vorzutragen (vgl. zum Ganzen allgemein nur OLG Düsseldorf, RuS 2013, 46; OLG Köln, Schaden-Praxis 2011, 187; KG, VRS 119, Nr. 28 sowie LG Aachen, Urteil v. 14.11.2012 – 10 O 487/11, zitiert nach juris).

    Vorliegend ist die Klägerin mit ihrem lediglich pauschalen Vorbringen bereits dieser Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen, so dass es auch an der Feststellbarkeit eines abgrenzbaren unfallbedingten Schadens fehlt.

    2.

    Die Berufung ist nach alledem aussichtslos.

    Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung; ferner erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Die maßgebenden Fragen sind solche des Einzelfalles.Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung verspricht sich der Senat angesichts dessen, dass es keiner weiteren Beweisaufnahme bedarf, keine neuen Erkenntnisse. Auch ansonsten erscheint eine mündliche Verhandlung nach einstimmigem Votum des Senats nicht geboten.

    Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.