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  • · Fachbeitrag · Schadenabwicklung

    Dem Versicherer das Trödeln abgewöhnen

    | Bis zu sechs Wochen Zeit gewähren die Gerichte in der Regel den Versicherern für die Prüfung eines Schadenfalles. Das ist aber nur die prozessuale Seite, mit der Sie trödelnden Versicherern „Beine machen können“. Der weitaus wirksamere Hebel zur Beschleunigung sind die Ansprüche des Geschädigten wie Nutzungsausfallentschädigung, Mietwagenkosten, Finanzierungszinsen für ein Unfalldarlehen oder Standgeld. Hier gilt die einfache Gleichung „langsame Regulierung = teure Regulierung“. Für den Versicherer sind das tickende Zeitbomben, die Sie sich zunutze machen können. |

    Sechs Wochen Zeit zur Prüfung für den Versicherer

    Eine aktuelle Entscheidung des AG Gelsenkirchen lenkt einmal mehr den Blick auf die Frage, wie lange sich ein eintrittspflichtiger Haftpflichtversicherer mit der Prüfung des Schadenfalles Zeit lassen darf. Bis zu sechs Wochen Bearbeitungszeit seien zu tolerieren, meint das Gericht (Urteil vom 9.12.2013, Az. 203 C 103/13, Abruf-Nr. 141866).

     

    Damit liegt das Gericht auf der Linie vieler anderer Gerichte:

     

    • So hat zum Beispiel das LG Berlin die untere Grenze bei sechs Wochen gezogen, das entspricht der Rechtsprechung des ihm übergeordneten Kammergerichts (LG Berlin, Beschluss vom 30.3.2009, Az. 22 W 12/09).
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    Vor Überraschungen ist man jedoch nie gefeit: Es gibt nämlich auch krass abweichende Entscheidungen in beide Richtungen:

     

    • Das LG Halle hat mit Beschluss vom 14.9.2009, Az. 1 T 55/09 ausgeführt, der Versicherer dürfe auf die Akte unbestimmt lange warten, wenn er innerhalb von vier bis sechs Wochen dem Geschädigten mitteile, dass er die Akteneinsicht benötige. Nach Eingang der Akte habe er dann weitere drei Wochen Zeit zur Prüfung.

     

    • Da ist das OLG Saarbrücken deutlich sportlicher unterwegs, denn es gewährt mit Hinweis auf die heutigen schnellen Kommunikationsmittel nur zwei Wochen Bearbeitungszeit (Urteil vom 27.2.2007, Az. 4 U 470/06-153, Abruf-Nr. 071060).

     

    Die Urteile richtig einordnen: Es geht um Prozessuales

    Diese Urteile stehen samt und sonders in folgendem Zusammenhang: Der Versicherer reagiert nicht regulierungsfördernd, der Geschädigte erhebt Klage. Es gibt eine Vorschrift in der Zivilprozessordnung (ZPO), wonach derjenige trotz Unterliegens in einem Prozess die Prozesskosten nicht zu tragen hat, der mit der Klage überfallen wurde (§ 93 ZPO).

     

    Reklamiert der Versicherer für sich, er müsse erst noch Klarheit schaffen („Die Ermittlungsakte konnten wir noch nicht einsehen…“, „Unser Versicherungsnehmer hat den Schaden noch nicht gemeldet…“), sehen die Gerichte eine Klage vor Ablauf der oben genannten Karenzen als „Überfall“ an.

     

    Schnelle Teilregulierung mit Kürzung von Positionen

    Doch viel häufiger dürfte die andere Fallgruppe sein, denn Versicherer sind ja selbst um hohes Tempo bemüht, wenn sie die Chance sehen, den „Wettlauf um den Geschädigten“ zu gewinnen und ihn in ihrem Sinne zu beeinflussen: Da werden die Rechnung und die Abtretung vorgelegt. Der Versicherer reagiert zügig und zahlt, was er für richtig hält. Wegen der offenbleibenden Positionen vertritt er die Auffassung, die Kosten seien schadenrechtlich nicht erforderlich gewesen oder es liege ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vor.

     

    PRAXISHINWEIS | Jetzt ist der Versicherer ja ausreichend informiert, lediglich hat er eine abweichende Rechtsauffassung. Oder er täuscht eine solche in klarer Kenntnis der Rechtslage jedenfalls vor, weil er darauf pokert, mit seiner Kürzung faktisch durchzukommen. Flattert ihm wider Erwarten eine Klage ins Haus, erkennt er in ungezählten Fällen sofort an. In der Situation muss kein Tag gewartet werden. Der Versicherer hat auch keinen Anspruch darauf, mit Samthandschuhen angefasst zu werden in dem Sinne, dass man sich auf lange vorgerichtliche Diskussionen einlässt.

     

    Materielle Fragen sind schlagkräftiger als prozessuale

    Viel entscheidender als die dargestellte prozessuale Frage sind Verteuerungen, die durch materiell-rechtliche Ansprüche als Folge von Verzögerungen entstehen. Denn die oben angesprochen Frage hat ganz und gar nichts mit den Schadenersatzpositionen zu tun, die in der Sekunde des Unfalls entstehen und gegebenenfalls lange fortdauern.

     

    Der wirksamste Hebel zur Beschleunigung ist die einfache Gleichung „langsame Regulierung = teure Regulierung“. Nutzungsausfallentschädigung oder Mietwagenkosten, Finanzierungszinsen für ein Unfalldarlehen oder Standgeld, alles das sind für den Versicherer tickende Zeitbomben.

     

    Einzuräumen ist, dass diese Waffen nicht immer scharf sind:

     

    • Nur unter der Voraussetzung, dass der Geschädigte die Unfallkosten nicht aus eigener Tasche vorfinanzieren kann, und zwar aus dem Haben, fallen Verzögerungsschäden dem Versicherer zur Last. Das also ist die Voraussetzung für alles Nachfolgende.

     

    • Und ganz wichtig: Der Versicherer muss wegen der drohenden Schadenerhöhung gewarnt werden. Sonst fallen ihm die Mehrkosten nicht zur Last. Das ergibt sich aus § 254 Abs. 2 BGB.

     

    Reparatur erst nach Klärung

    In manchen Fällen ist es sinnvoll und auch der Wunsch des Kunden, mit der Reparatur erst zu beginnen, wenn die Kostenübernahmebestätigung des Versicherers vorliegt. Denn sonst steht der Kunde am Ende im Zweifel vor einer für ihn unbezahlbaren Rechnung.

     

    Erteilt der Geschädigte bei einem Haftpflichtschaden den Reparaturauftrag unter der Bedingung, dass erst die Reparaturkostenübernahmebestätigung abgewartet werden soll, verstößt er damit auch dann nicht gegen die ihm obliegende Schadenminderungspflicht, wenn sich die Reparatur damit um zwölf Tage verzögert. Denn es liegt in der Hand des Versicherers, diesen Zeitraum zu verkürzen (LG Siegen, Urteil vom 24.8.2010, Az. 8 O 45/10, Abruf-Nr. 103851).

     

    Also ist es ein wirksamer Beschleuniger, dem Versicherer sofort mitzuteilen, dass bis zu seiner Übernahmebestätigung Nutzungsausfallentschädigung oder Mietwagenkosten und Standgeld entstehen.

     

    Das Werkunternehmerpfandrecht

    Wenn die Werkstatt sich entscheidet, das reparierte Fahrzeug erst herauszugeben, wenn die Reparaturrechnung bezahlt ist, läuft der Mietwagen- oder Nutzungsausfallanspruch des Kunden weiter. Daneben kann Standgeld berechnet werden.

     

    Und auch hier gilt: Schon die Drohung, so zu verfahren, wirkt vielfach wunder, erst recht, wenn sie aus der Feder eines Anwaltes stammt, der wegen seiner Regulierungskonsequenz von den Versicherern ernst genommen wird.

     

    Der Unfallkredit

    Ist der Kunde nicht ausreichend liquide, aber kreditwürdig, kann er - guten Willen vorausgesetzt - sein Konto überziehen und Ihre Rechnung bezahlen. Nach Eingang des dann zur Zahlung an den Kunden zu verlangenden Schadenersatzbetrags kann ihm seine Bank eine Zinsbescheinigung über die auf die notwendigen Beträge entfallenden Überziehungszinsen ausstellen. Die werden dann von der Versicherung zu ersetzen sein. Und wenn die Bank für die Erstellung der Zinsbescheinigung ebenfalls einen Betrag berechnet, geht auch das zulasten des Versicherers. Voraussetzung wieder: Der Warnhinweis nach § 254 Abs. 2 BGB.

     

    Oft hilft bereits die Drohung mit einem Unfallkredit, den Versicherer zur Sofortzahlung zu veranlassen.

     

    Verzugszinsen

    Eine Variante ohne Bankbeteiligung ist, dass Sie den Kunden wegen der offenen Rechnung in Verzug setzen und ihm (dem Kunden, nicht der Versicherung!) Verzugszinsen berechnen. Auch diese sind dann als Verzugsschaden von der Versicherung zu ersetzen. Dazu ist es erforderlich, dass Sie dem Kunden eine Mahnung schicken. Das kann durchaus bereits zwei Wochen nach Rechnungstellung geschehen mit einer Erledigungsfrist von einer weiteren Woche.

     

    Alternativ ist auch der Weg über § 286 Absatz 3 BGB möglich. Danach kommt ein Gläubiger, hier also Ihr Werkstattkunde, dreißig Tage nach Fälligkeit automatisch in Verzug. Verbraucher allerdings müssen darauf gesondert hingewiesen werden. Nur bei Unternehmern als Kunden tritt die Wirkung BGB automatisch ein.

     

    PRAXISHINWEIS | Viele Unternehmen haben aufgrund dieser gesetzlichen Lage schon seit langem einen Hinweis auf allen Rechnungen, dass Verzug auch ohne Mahnung nach dreißig Tagen automatisch eintritt. Dann entfällt der „unfreundliche Akt“ dem Kunden gegenüber. Nachteil: Mancher schlitzohrige Kunde meint dann in anderen Vorgängen, nun müsse er erst nach dreißig Tagen zahlen. Wenn Sie das befürchten, kann die Lösung sein, nur bei Unfallschadenrechnungen nach § 286 Absatz 3 BGB vorzugehen.

     

    Voraussetzung insgesamt ist aber, dass Ihr Kunde auch eine Rechnung bekommt. Denn er ist derjenige, der in Verzug geraten muss. Sie müssen sich klarmachen, dass es immer um Ihre Ansprüche gegenüber dem Kunden geht, die er selbst erfüllen muss. Theoretisch zahlt er und holt sich dann das Gezahlte bei der Versicherung zurück. Dass in der Praxis direkt zwischen Werkstatt und Versicherer abgerechnet wird, ist nur eine Verkürzung des Dreiecksverhältnisses. Rechtlich bleibt das Dreieck bestehen. Sie können also den Versicherer unmittelbar nicht in Verzug setzen.

     

    Entweder nach Ablauf der in der Mahnung gesetzten Frist oder nach Ablauf von 30 Tagen laufen dann Verzugszinsen. Nach Zahlungseingang stellen Sie die dem Kunden in Rechnung. Der Versicherer muss die Zinsen erstatten.

     

    Wer „A“ sagt, muss auch „B“ sagen

    Auch dabei werden Sie auf das Hindernis stoßen, dass der Versicherer wahrscheinlich behaupten wird, er müsse die Zinsen nicht übernehmen. Und dann ist da wieder das alte Dilemma: Soll man für den relativ kleinen Betrag klagen? Eindeutige Antwort: Ja! Das geht ja auch aus abgetretenem Recht. Die trödelnden Gesellschaften müssen lernen: Mit Ihnen kann man das nicht machen! Jedenfalls die Gesellschaften, mit denen Sie oft zu tun haben, registrieren aufmerksam, welche Werkstatt konsequent agiert und welche nicht.

     

    Umweg über die Vollkaskoversicherung

    Theoretisch kann (nicht muss!!!) der Kunde auch den Umweg über seine Vollkaskoversicherung nehmen, wenn er das dem trödelnden Haftpflichtversicherer zuvor androht. Dann muss der Haftpflichtversicherer den daraus entstehenden Nachteil übernehmen. Hinsichtlich des verlorenen Schadenfreiheitsrabattes kann das für ihn sehr teuer werden. Also hilft auch hier oft bereits die Drohung, so vorzugehen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „Keine Pflicht zur Inanspruchnahme der Vollkaskos“, UE 8/2013, Seite 6
    • Beitrag „Reparaturauftrag erst nach Erteilung der RKÜ“, UE 12/2011, Seite 4
    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 7 | ID 42756145