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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Aktuelle Betriebsprüfungsfälle mit internationalem Bezug

    von StB Marc Oppermann und Mustafa Sezer, M. Sc., beide Düsseldorf

    | Nachfolgend werden fünf weitere Betriebsprüfungsfälle aus Sicht der Finanzverwaltung sowie der Beraterschaft näher beleuchtet (zu den letzten fünf Fällen, s. Oppermann und Sezer, PIStB 24, 24 ), um kritische Aspekte und mögliche Stellschrauben herauszustellen. Diesmal werden ausschließlich Herausforderungen bei tatsächlichen sowie vermeintlichen Vorteilsgewährungen zwischen verbundenen Unternehmen diskutiert. |

    1. Vorteilszuwendungen im Konzernverbund

    In Kapitalgesellschaftskonzernen können bei Nichtbeachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes insbesondere die Regelungen zur verdeckten Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG) ‒ bei einer Vorteilsgewährung in der Beteiligungsstruktur „nach oben“ ‒ und zur verdeckten Einlage (§ 8 Abs. 3 S. 3 ff. KStG) ‒ bei einer Vorteilsgewährung in der Beteiligungsstruktur „nach unten“ ‒ Anwendung finden. Zusätzlich kann eine Berichtigung von Einkünften nach § 1 AStG bei einer Einkünfteminderung eines Steuerpflichtigen im Rahmen einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahestehenden Person aufgrund nicht fremdüblicher Bedingungen in Betracht kommen.

     

    1.1 Verbrauchstheorie in Dreieckskonstellationen

    Vorteilszuwendungen zwischen Schwestergesellschaften im Konzern führen zu einer verdeckten Gewinnausschüttung der vorteilsgewährenden Schwestergesellschaft an die gemeinsame Muttergesellschaft (BFH 26.10.87, GrS 2/86, BStBl II 88, 348). Die vGA-Grundsätze gelten auch in diesem Fall, weil die vorteilsempfangende Schwestergesellschaft eine nahestehende Person des gemeinsamen Gesellschafters ist (siehe auch R 8.5 Abs. 1 S. 3 KStR). Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass der auf Ebene der Muttergesellschaft erzielte Vorteil sodann für Zwecke der Beteiligung an der vorteilsempfangenden Schwestergesellschaft „verbraucht“ wird (sog. Verbrauchstheorie). Ist der Vermögensvorteil nicht einlagefähig, z. B. weil es sich um einen nicht bilanzierungsfähigen Nutzungsvorteil handelt, sind die durch den Vorteilsverbrauch ausgelösten Beteiligungsaufwendungen der Muttergesellschaft wegen § 8b Abs. 5 S. 2 KStG in voller Höhe als Betriebsausgabe abziehbar.

     

    1.2 Verhältnis der Korrekturnormen

    Grundsätzlich wurde von einem Vorrang der Rechtsinstitute der verdeckten Gewinnausschüttung bzw. verdeckten Einlage vor der Berichtigung nach § 1 AStG aufgrund der Formulierung „unbeschadet anderer Vorschriften“ im § 1 Abs. 1 S. 1 AStG ausgegangen, sodass § 1 AStG nur eingriff, soweit eine Korrektur nach den beiden anderen Rechtsinstituten nicht möglich war. Dieser Grundsatz wurde durch BFH-Urteil vom 27.11.19 (I R 40/19, BFH/NV 20, 1307) durchbrochen, wobei die Reichweite des Urteils ‒ insbesondere hinsichtlich dessen Anwendbarkeit außerhalb von Organschaftsfällen ‒ noch nicht gänzlich geklärt ist (s. Schnitger, IStR 20, 821 ff.). Die Finanzverwaltung verneint jedenfalls ein Wahlrecht zwischen der Anwendung des § 1 AStG und daneben anwendbaren anderen Korrekturnormen. „§ 1 AStG ist ergänzend oder in besonderen Fällen anstelle der anderen Korrekturnormen anzuwenden, soweit durch diese Korrekturnormen die Erfassung des zutreffenden Inlandsgewinns (… in einer Gesamtschau …) nicht sichergestellt wird.“ (vgl. Tz. 1.3 BMF 6.6.23, IV B 5 - S 1341/19/10017 :003, BStBl I 23, 1093, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 [VWG VP 2023]). Zur Ermittlung eines unzutreffenden Inlandsgewinns und damit zur ausschließlichen Anwendung des § 1 AStG komme es nach Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung insbesondere in Dreieckskonstellationen, wenn sich die vGA-Korrektur auf Gesellschaftsebene und der anzunehmende Vorteilsverbrauch auf Gesellschafterebene rechnerisch neutralisieren.

    2. Fünf weitere Praxisfälle

     

    • Fall 1

    Die M-GmbH ist als Muttergesellschaft an zwei Tochtergesellschaften zu jeweils 100 % unmittelbar beteiligt. Die Tochter 2 verkauft im Jahre 2019 an die Tochter 1 eine Maschine zum Restbuchwert von 1 EUR; erzielbar wären 100.001 EUR gewesen. Der Preisnachlass erfolgte auf Veranlassung der M-GmbH.

     

     

     

    Um besondere Problembereiche bei Auslandsfällen zu skizzieren, bietet es sich an, zunächst den „normalen“ klassischen Inlandsdreiecksfall zu beleuchten. Hier ergeben sich folgende steuerlichen Auswirkungen:

     

    • Ebene T2-GmbH: Es liegt zunächst eine vGA der T2-GmbH an die M-GmbH in Höhe der verhinderten Vermögensmehrung von 100.000 EUR vor. Folglich ist eine außerbilanzielle Korrektur nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG vorzunehmen. Eine Minderung des steuerlichen Einlagekontos im Rahmen der Verwendungsrechnung nach § 27 Abs. 1 S. 3 KStG scheidet ‒ bei Aufgriff der Vorteilszuwendung im Rahmen einer Betriebsprüfung ‒ grundsätzlich wegen § 27 Abs. 5 S. 2 EStG aus; eine Nacherhebung von Kapitalertragsteuer erfolgt aufgrund des Vorrangs des Veranlagungsverfahrens vor dem Abzugsverfahren trotzdem nicht, da eine Besteuerung der vGA im Inlandsfall zweifelsfrei feststeht (vgl. OFD Münster 7.11.07, S 2408 a-1-St 22-31, FR 08, 47) und auf Ebene der M-GmbH ohnehin eine volle KapESt-Anrechnung gemäß § 36 Abs. 2 S. 1 Buchst. b) EStG i. V. m. § 8b Abs. 1 KStG möglich wäre.

     

    • Ebene M-GmbH: Da die Vorteilszuwendung von der T2-GmbH nicht auf Ebene der M-GmbH verbleibt, sondern von dieser weitergegeben wird und es sich um ein einlagefähiges Wirtschaftsgut handelt, liegt auf Ebene der M-GmbH eine verdeckte Einlage in die T1-GmbH vor, sodass sich die Anschaffungskosten der Beteiligung an der T1-GmbH in Höhe des Teilwerts des Vorteils (hier: 100.000 EUR) nach § 6 Abs. 6 S. 2 EStG erhöhen. In der Steuerbilanz ergibt sich folgende Korrekturbuchung: Beteiligung T1-GmbH (100 TEUR) an Dividendenerträge (100 TEUR). Außerbilanziell erfolgt sodann eine 95%ige Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG von 95 TEUR.

     

    • Ebene T1-GmbH: In der Steuerbilanz ist eine Korrekturbuchung der verdeckten Einlage wie folgt geboten: Maschine (100 TEUR) an Kapitalrücklage (100 TEUR)“ bzw. „Maschine (100 TEUR) an Ertrag (100 TEUR), wobei im letzteren Fall eine außerbilanzielle Korrektur nach unten gemäß § 8 Abs. 3 S. 3 KStG geboten wäre. In beiden Fällen ist das steuerliche Einlagekonto nach § 27 Abs. 1 S. 2 KStG um 100 TEUR zu erhöhen.

     

    In der Abwandlung ‒ d. h. im Auslandsfall ‒ muss auf Ebene der M-GmbH wieder die Korrekturbuchung (Beteiligung T1-GmbH [100 TEUR] an Dividendenerträge [100 TEUR]) erfolgen. Anders als im Inlandsfall wird eine außerbilanzielle Steuerfreistellung in Höhe von 95 % nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG allerdings aufgrund des materiellen Korrespondenzprinzips (§ 8b Abs. 1 S. 2 KStG) nur dann gewährt, wenn die aus deutscher Sicht vorliegende vGA das Einkommen der leistenden Gesellschaft im Ausland tatsächlich nicht gemindert hat. Dies kann bei gänzlich oder anteilig fehlender vGA-Korrektur in den USA aber der Fall sein. Sofern wiederum glaubhaft gemacht werden kann, dass die vGA das Einkommen der vorteilsempfangenden Gesellschaft ‒ als eine dem Steuerpflichtigen nahestehende Person ‒ in den Niederlanden erhöht hat, werden die Bezüge der Muttergesellschaft gemäß § 8b Abs. 1 S. 5 KStG doch steuerfrei gestellt. Wird in den Niederlanden wie im Inlandsfall ein Ertrag gebucht, der nicht entsprechend § 8 Abs. 3 S. 3 KStG nach unten korrigiert wurde, liegt ein solcher Fall vor.

     

    Aus Beratersicht ist für die Zukunft die verdeckte Einlage in die T1-Dutch BV gesondert zu vermerken bzw. zu dokumentieren, um insoweit bei Ausschüttungen der T1-Dutch BV ggf. 100 % steuerneutrale Einlagenrückgewährungen nach § 27 Abs. 8 KStG zu ermöglichen.

     

    MERKE | Die 95%ige Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG erfordert in Dreieckskonstellationen eine fehlende Einkommensminderung bei der vorteilsgewährenden oder eine vorliegende Einkommenserhöhung bei der vorteilsempfangenden ausländischen Kapitalgesellschaft. Zudem sollte die verdeckte Einlage in die ausländische Kapitalgesellschaft entsprechend dokumentiert werden, um steuerneutrale Einlagenrückgewährungen nach § 27 Abs. 8 KStG ‒ der durch das JStG 2022 auch auf Drittstaaten ausgeweitet wurde ‒ zu ermöglichen.

     
    • Fall 2: Anti-Treaty-Shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG als Steuerfalle

    Eine im Grundfall deutsche (und in der Abwandlung niederländische) Muttergesellschaft ist an zwei Tochtergesellschaften ‒ eine T-GmbH in Deutschland sowie eine Dutch BV in den Niederlanden ‒ zu 100 % beteiligt. Im Rahmen einer Betriebsprüfung im Jahre 2023 für die Jahre 2017 bis 2020 wird die Höhe der Zinszahlungen von der T-GmbH an die Dutch BV für eine Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Schwestergesellschaft in den Niederlanden aufgrund eines Fehlers in der Benchmarkinganalyse in Höhe von 500 TEUR p. a. als zu hoch eingestuft. Fraglich sind die steuerlichen Auswirkungen in beiden Fällen.

     

     

     

    Erneut werden zunächst die steuerlichen Implikationen des Grundfalls mit einer deutschen Muttergesellschaft skizziert, um anschließend Besonderheiten bei Auslandsfällen darzustellen. Es ergeben sich folgende steuerlichen Auswirkungen im Grundfall:

     

    • Ebene T- GmbH: Es liegt zunächst eine vGA der T-GmbH an die M-GmbH in Höhe der Vermögensminderung von 500 TEUR p. a. vor. Folglich ist eine außerbilanzielle Korrektur nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG vorzunehmen. Eine nach der Verwendungsrechnung ggf. mögliche Einlagenrückgewähr aus dem steuerlichen Einlagekonto darf regelmäßig nicht nachgeholt werden (vgl. § 27 Abs. 5 S. 2 KStG). Die grundsätzlich anfallende Kapitalertragsteuer wird aufgrund des Vorrangs des Veranlagungsverfahrens bzw. der Inlandsansässigkeit der Muttergesellschaft nicht nacherhoben (s. Fall 1).

     

    • Ebene M-GmbH: Da die Vorteilszuwendung von der T-GmbH nicht auf Ebene der M-GmbH verbleibt, sondern von dieser weitergegeben wird und es sich um ein einlagefähiges Wirtschaftsgut (Geld) handelt, liegt auf Ebene der M-GmbH eine verdeckte Einlage in die Dutch BV vor, sodass sich die Anschaffungskosten der Beteiligung an der Dutch BV um TEUR 500 p. a. erhöhen; die Korrekturbuchung in Steuerbilanz lautet „Beteiligung Dutch BV (TEUR 500) an Dividendenerträge (TEUR 500)“. Außerbilanziell erfolgt sodann eine 95%ige Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG von 475 TEUR.

     

    • Ebene Dutch BV: Für deutsche steuerliche Zwecke ist für die Zukunft zudem die verdeckte Einlage in die niederländische Gesellschaft gesondert zu vermerken bzw. zu dokumentieren, um insoweit bei Ausschüttungen der Dutch BV ggf. 100 % steuerneutrale Einlagenrückgewährungen nach § 27 Abs. 8 KStG an die M-GmbH zu ermöglichen.

     

    In der Abwandlung ‒ d. h. im Falle einer ausländischen Muttergesellschaft ‒ wird bei fehlender Freistellungsbescheinigung i. S. d. § 50c Abs. 2 EStG grundsätzlich Kapitalertragsteuer in Höhe von 26,375 % (hier 131.875 EUR) gemäß §§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG nacherhoben (vgl. Ditz/Wassermeyer, in: F/W/B/S, § 8 KStG, Rz. 25.3 [März 2023]). Der Kapitalertragsteuerabzug kann in Abhängigkeit vom DBA und/oder dem Eingreifen der Anti-Treaty-Shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG bei schädlicher Zwischenschaltung zwecks Generierung von Abkommens- oder Richtlinienvorteilen eine definitive Wirkung entfalten (vgl. zu den Herausforderungen der Anti-Treaty-Shopping-Regelung bspw. Oppermann, PIStB 23, 158).

     

    PRAXISTIPP | Auch wenn keine offenen Gewinnausschüttungen aus Deutschland an den ausländischen Anteilseigner geplant sind, sollte in Dreieckskonstellationen mit ausländischen Anteilseignern immer vorsorglich eine Freistellungsbescheinigung beim BZSt beantragt werden. Nur so müssen im Falle (vermeintlicher) vGA zunächst keine überhöhten Kapitalertragsteuern an das BZSt abgeführt werden, die anschließend nur in einem zeitaufwendigen Erstattungsprozess teilweise bzw. vollständig reduziert werden können.

     
    • Fall 3: Korrespondierende Gegenberichtigung für Zwecke der HZB

    Die M-GmbH vergibt ein Darlehen in Höhe von 1 Mio. EUR an eine Tochterkapitalgesellschaft im niedrig besteuerten Ausland zu einem fremdunüblich niedrigen Zinssatz (0 %, fremdüblich wären unstreitig 5 %). Die ausländische Tochtergesellschaft ist Zwischengesellschaft i. S. d. §§ 7 ff. AStG; ihre gesamten Einkünfte sind als passiv zu qualifizieren.

     

    In Betriebsprüfungen wird diese Vorteilsgewährung in der Beteiligungskette „nach unten“ regelmäßig aufgegriffen. Zwar erfüllt die unentgeltliche Nutzungsüberlassung mangels einlagefähigen Wirtschaftsguts nicht den Tatbestand der verdeckten Einlage. Allerdings liegt ein klassischer Anwendungsfall des § 1 AStG vor, sodass auf Ebene der M-GmbH eine außerbilanzielle Gewinnkorrektur in Höhe von 50 TEUR p. a. geboten ist. Die Einkünfte der Zwischengesellschaft fallen im Ausland aufgrund der Unterverzinslichkeit des Darlehens höher aus als bei Fremdüblichkeit. Die Zinsen unterliegen insoweit als Teil der passiven Einkünfte der Gesellschaft grundsätzlich auch der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 7 ff. AStG im Inland, sodass eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Zinsen droht.

     

    Aus Beratersicht sollte allerdings eine korrespondierende Gegenberichtigung ‒ d. h. ein fiktiver Zinsabzug bei der Ermittlung der hinzurechnungspflichtigen Einkünfte gemäß § 10 Abs. 3 AStG ‒ mit Verweis auf Tz. 1.8 in den VWG VP 2023 eingefordert werden können. Entsprechend reduziert sich dann aber folgerichtig auch der Betrag der gemäß § 12 Abs. 1 AStG anrechenbaren, also der auf die passiven Einkünfte tatsächlich entfallenden Steuern (so auch im Ergebnis Kudert/Strus, PIStB 24, 17 [Fall 7]).

     

    In Anlehnung an Fall 3 soll eine unentgeltliche Darlehensgewährung seitens der M-GmbH (Variante A) bzw. der Organgesellschaft T-GmbH (Variante B) an die Dutch BV erfolgen. Die Dutch BV soll im vorliegenden Fall mangels passiver Einkünfte bzw. Erfüllung der Substanzanforderungen nach § 8 Abs. 2 AStG keine Zwischengesellschaft i. S. d. § 7 AStG darstellen.

     

     

    In der internationalen Gestaltungspraxis wurden bewusste Vorteilszuwendungen in Form der verbilligten Darlehensgewährung vielfach durch die Organgesellschaft (Variante B) gewährt. Denn bei direkter Vorteilsgewährung durch die Muttergesellschaft (Variante A) führt eine außerbilanzielle Korrektur nach § 1 AStG auf Ebene der M-GmbH in jedem Fall zu einer sachgerechten Erhöhung des im Inland steuerpflichtigen Gewinns. In Variante B wurde aus Beratersicht die Auffassung vertreten, dass zwar auf Ebene der T-GmbH unzweifelhaft eine vGA an die M-GmbH vorliege (vorrangig gegenüber § 1 Abs. 1 AStG), sodass eine Gewinnerhöhung nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG eingreift. Aus der Weiterreichung des Vorteils auf Ebene der M-GmbH resultiert aber ein abziehbarer Aufwand in gleicher Höhe (sog. Vorteilsverbrauch), da die Nutzungsüberlassung nicht als einlagefähiges Wirtschaftsgut qualifiziert. Insgesamt ergäbe sich damit für die Organschaft keine Erhöhung des im Inland steuerpflichtigen Gewinns. Anders als in Variante A greife auf Ebene der M-GmbH nämlich § 1 Abs. 1 AStG aufgrund der fehlenden „Geschäftsbeziehung“ nicht ein.

     

    Mit Urteil vom 27.11.19 (I R 40/19) hat der BFH seine Sichtweise zum strikten Anwendungsvorrang der vGA gegenüber der Berichtigung nach § 1 AStG ‒ trotz der im § 1 Abs. 1 AStG verwendeten Formulierung „unbeschadet anderer Vorschriften“ ‒ aufgegeben. Nach Ansicht des BFH erfolgt auf Ebene der Organgesellschaft eine Berichtigung nach § 1 Abs. 1 AStG, da es kein Rangverhältnis zugunsten der vGA gebe und nur § 1 Abs. 1 AStG in dem vorliegenden Fall die Besteuerung des „zutreffenden Inlandsgewinns“ ermögliche (so auch FG Hamburg 24.3.23, 6 K 241/21, EFG 23, 1363). Mangels vGA entfällt dann aber auch der Einbehalt von Kapitalertragsteuer. Die Auffassung des BFH wurde in Tz. 1.3 der VWG WP 2023 übernommen.

     

    MERKE | Der internationalen Gestaltungspraxis von Vorteilszuwendungen in Dreieckskonstellationen ist durch die BFH-Rechtsprechung vom 27.11.19 (I R 40/19) die Grundlage entzogen worden. Bewusste Vorteilszuwendungen ohne steuerliche Korrektur des zutreffenden Inlandsgewinns sind danach nicht mehr möglich.

     
    • Fall 5: Hinzurechnungsbesteuerung bei Abspaltungen im Ausland

    Die in Deutschland ansässige Konzernobergesellschaft M-GmbH betreibt Direktinvestitionen in den USA. Ihre Beteiligungen an den operativen Gesellschaften hält sie mittels einer zwischengeschalteten US-Holdinggesellschaft. Die Enkelgesellschaft US-Corporation 1 spaltet einen ‒ aus deutscher außensteuerlicher Sicht passiven ‒ Geschäftsbereich im Rahmen eines sog. Spin-off steuerneutral zu Buchwerten auf ihre Schwestergesellschaft US-Corporation 2 ab. Die hierfür erhaltenen Anteile an der Schwestergesellschaft teilt die US-Corporation 1 unmittelbar ihrem Gesellschafter, der US-HoldCo, zu. Der vorliegende Spin-off vollzieht sich in zwei Rechtsakten im Wege der Einzelrechtsnachfolge.

     

     

     

    Der vorliegende steuerneutrale Spin-off-Vorgang nach dem US-Recht weist mangels Übertragung von Inlandsvermögen keinen tatsächlichen Inlandsbezug auf. Dennoch wird der Vorgang regelmäßig in Betriebsprüfungen hinsichtlich etwaiger Konsequenzen innerhalb der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung aufgegriffen. In diesem Fall droht eine Besteuerung der in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven in Deutschland.

     

    Sämtliche Konzerngesellschaften werden von der inländischen M-GmbH gemäß § 7 Abs. 2 AStG beherrscht. Weil die Umstrukturierung in den USA steuerneutral durchgeführt wurde und die begünstigenden Vorschriften des UmwStG bei der Niedrigsteuerprüfung gemäß § 10 Abs. 3 S. 4 AStG i. V. m. § 8 Abs. 5 S. 1 AStG nicht angewendet werden dürfen, liegt aus deutscher Sicht eine Niedrig- bzw. sogar „Nichtbesteuerung“ vor (vgl. Förster/Schmidtmann, in: Brähler/Lösel, FS Djanani, 2008, 56). Ein befreiender Substanznachweis kann im Drittstaatenfall gemäß § 8 Abs. 3 AStG zumindest gemäß der Rechtslage post ATADUmsG nicht erbracht werden (vgl. auch die Gesetzesbegründung BT-Drs. 19/28652, 51; kritisch mit Blick auf die Kapitalverkehrsfreiheit aber Schmidtmann, IWB 20, 185). Fraglich ist insbesondere, ob der US-Spin-off zu passiven Einkünften führt.

     

    Die vorgelagerte Einkünftequalifikation ist zunächst nach allgemeinen steuerlichen Vorschriften vorzunehmen. Die in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven führen zu außensteuerlich relevanten „Einkünften“. Während die Literatur insoweit überwiegend von einer fiktiven Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter entsprechend Tz. 00.02 des UmwStE ausgeht, wird in Betriebsprüfungen häufig vertreten, dass Abspaltungen zu einer Sachausschüttung bzw. verdeckten Gewinnausschüttung des übertragenen Vermögens an den Gesellschafter führen (vgl. auch Becker/Loose, IStR 10, 389). Bezüglich der Aktiv- bzw. Passivqualifikation der Einkünfte nach § 8 Abs. 1 AStG ist zwischen der Gesellschaftsebene (operative US-Corp. 1) und der Gesellschafterebene (US-HoldCo) zu differenzieren.

     

    • Ebene US-Corp. 1: Auf Ebene der übertragenden Gesellschaft können die stillen Reserven als aktive Einkünfte aus „Umwandlungen“ unter § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG subsumiert werden (dagegen geht die Finanzverwaltung im neuen AStG-Anwendungsschreiben vom 22.12.23 unter Kap. 8.1.9.1., Rn. 425 u. E. unzutreffend davon aus, dass Spin-off-Vorgänge bei Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge schon begrifflich keine „Umwandlung“ i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG darstellen). Die Aktivqualifikation gelingt jedoch nicht, soweit die Einkünfte ‒ wie hier ‒ auf der Übertragung von passiven Wirtschaftsgütern beruhen. Allerdings kann der Steuerpflichtige nachweisen, dass die Umwandlung im Inland zu Buchwerten hätte erfolgen können und im Ausland tatsächlich zu Buchwerten erfolgt ist (sog. doppelte Buchwertverknüpfung). Letztere Voraussetzung ist vorliegend aufgrund der Buchwertübertragung in den USA erfüllt. Schwieriger gestaltet sich der Nachweis darüber, dass die Umwandlung im Inland zu Buchwerten hätte erfolgen können. Neben der fiktiven Erfüllung der Buchwertvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 UmwStG i. V. m. § 15 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 UmwStG ist hierfür insbesondere erforderlich, dass die Umstrukturierung in den sachlichen Anwendungsbereich des UmwStG fällt.
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    • Der ausländische Spin-off muss gesellschaftsrechtlich mit einer Abspaltung i. S. d. § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar sein. Die Finanzverwaltung setzt insofern u. a. eine Übertragung des Vermögens im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge voraus. Die abweichende Entscheidung des BFH vom 1.7.21 (VIII R 9/19 (NV), DStR 21, 2392), wonach es bei Drittstaatenabspaltungen im Rahmen des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG für einkommensteuerpflichtige Kleinanleger nicht auf das Konstrukt der Gesamtrechtsnachfolge ankomme, wurde von der Finanzverwaltung für Abspaltungen i. S. d. § 15 UmwStG ausdrücklich nicht übernommen (vgl. BMF 19.5.22, IV C 2 - S 1978-b/20/10005 :004, BStBl I 22, 844 sowie BMF 11.10.23, IV C 2 - S 1978/19/10001 :013, Rn. 01.38). Im Ergebnis kann unter dieser strengen Sichtweise eine Aktivqualifikation der Umwandlungsergebnisse auf Ebene der übertragenden Gesellschaft nicht erreicht werden, sodass es gemäß § 10 Abs. 1 AStG zu einer Hinzurechnungsbesteuerung der in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven im Veranlagungszeitraum der Umstrukturierung (§ 10 Abs. 2 S. 1 AStG) kommt.

     

    • Ebene der US-HoldCo: Auf der Gesellschafterebene ist ebenfalls eine Aktivqualifikation der Umwandlungsergebnisse zu prüfen. Eine Subsumtion der Sachausschüttung bzw. verdeckten Gewinnausschüttung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG auf Gesellschafterebene unter § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG scheidet aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit des Vorgangs erneut aus. Denkbar ist aber eine Aktivqualifikation gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG. Aufgrund der Implementierung des materiellen Korrespondenzprinzips in die Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATADUmsG scheidet dies jedoch nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) AStG aus, soweit die Bezüge das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben.
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    • Infolge der Vermögensübertragung zu Buchwerten liegt in Höhe der stillen Reserven eine verhinderte Vermögensmehrung im Ausland vor und damit tatbestandlich auch eine Einkommensminderung bei der leistenden Körperschaft. Soweit die übertragende Körperschaft aber wie im vorliegenden Fall bereits Zwischengesellschaft in Bezug auf die übertragenen stillen Reserven ist, werden die Bezüge auf Gesellschafterebene gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) S. 2 Doppelbuchst. aa) AStG zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung doch aktiv gestellt. Eine Hinzurechnungsbesteuerung von Umwandlungsergebnissen auf Ebene der Holdinggesellschaft tritt somit sachgerecht nicht ein.

     

    PRAXISTIPP | In der Gestaltungsberatung sollten ausländische Umwandlungen so gestaltet werden, dass die betreffende ausländische Umwandlung mit einer Umwandlung i. S. d. UmwStG vergleichbar ist und somit § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG Anwendung findet (vgl. zu den Vergleichskriterien Rn. 01.20 ff. des Entwurfs eines aktualisierten BMF-Schreibens zum UmwStG, BMF 11.10.23, IV C 2 - S 1978/19/10001 :013, Rn. 01.38). Bei Übertragung passiver Wirtschaftsgüter sollte zudem sichergestellt werden, dass die Umwandlung im Ausland tatsächlich zu Buchwerten erfolgt.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2024 | Seite 114 | ID 49862238

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