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  • · Fachbeitrag · Anti-Treaty-Shopping

    § 50d Abs. 3 EStG in Konzernen: Aktuelle Herausforderungen in der Praxis

    von StB Marc Oppermann, Düsseldorf

    | Durch das AbzStEntModG ist die Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG ab dem 9.6.21 in Kraft getreten. Die Vorschrift zielt darauf ab, die missbräuchliche Inanspruchnahme von Quellensteuervergünstigungen durch DBA sowie EU-Richtlinien durch die gezielte Zwischenschaltung substanzschwacher Gesellschaften zu verhindern. Trotz zahlreicher Rechtsunklarheiten haben sich Leitlinien herausgebildet, die einen ‒ in vielen typischen Praxisfällen ‒ sicheren Umgang mit dieser deutschen Anti-Treaty-Shopping-Regelung ermöglichen. Hierauf soll im Folgenden näher eingegangen werden. |

    1. Überblick: Prüfungsschema zu § 50d Abs. 3 EStG in Konzernstrukturen

    Nach § 50d Abs 3 EStG hat eine zwischengeschaltete Gesellschaft positiv formuliert Anspruch auf völlige oder teilweise Entlastung der nach § 50c Abs. 3 EStG (Erstattung) einbehaltenen oder nach § 50c Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG (Freistellung) einzubehaltenden deutschen Kapitalertragsteuer oder Abzugsteuer nach § 50a EStG auf der Grundlage eines DBA oder gemäß § 43b bzw. Entlastung aus § 50g sowie § 44a Abs. 9 EStG, soweit

    • 1. Personen an ihr beteiligt oder durch die Satzung, das Stiftungsgeschäft oder die sonstige Verfassung begünstigt sind, denen die Steuerentlastung zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (persönliche Entlastungsberechtigung der Beteiligten) oder
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    • 2. die Einkunftsquelle der zwischengeschalteten Gesellschaft einen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit (= über den Rahmen der Verwaltung eigenen bzw. fremden Vermögens hinausgehende Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) aufweist (sachliche Entlastungsberechtigung) oder
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    • 3. wenn die zwischengeschaltete Gesellschaft ‒ bei einer fehlenden sachlichen und fehlenden persönlichen Entlastungsberechtigung ‒ nachweist, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist (sog. Gegenbeweis/Motivtest) oder
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    • 4. wenn mit der Hauptgattung der Anteile der zwischengeschalteten Gesellschaft ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet (Börsenklausel).

     

    In Kapitalgesellschaftsstrukturen werden im Rahmen der Prüfung der „persönlichen Entlastungsberechtigung der Beteiligten“ vor dem Hintergrund des Look-Through-Approachs („wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten“) die jeweiligen Anteilseigner der zwischengeschalteten Gesellschaft zum Prüfobjekt der Vorschrift, um so zu einem sachgerechten Ergebnis zu führen.

     

    Hieraus ergibt sich folgendes Prüfungsschema:

     

     

    2. Praxisrelevante Details

    Nachfolgend wird auf die wichtigsten Detailregelungen in Anlehnung an das offizielle Merkblatt des BZSt zu § 50d Abs. 3 EStG (Stand 6/2021) eingegangen (vgl. www.iww.de/s7894).

     

    Im Rahmen der persönlichen Entlastungsberechtigung ist neben der bereits angesprochenen Fiktion für Kapitalgesellschaften als Anteilseigner der zwischengeschalteten Gesellschaft ‒ wonach die Anteilseigner selbst zum Prüfobjekt des § 50d Abs. 3 EStG werden ‒ die restriktive Auslegung des Begriffs „dieser Anspruch“ erwähnenswert. Das BZSt erkennt die persönliche Entlastungsberechtigung nur an, soweit die an ihr beteiligten Personen nach derselben Rechtsgrundlage entlastungsberechtigt wären. Ein „betragsmäßig identischer“ hypothetischer Entlastungsanspruch sei nicht ausreichend, allerdings könne dieser den Nachweis eines Gegenbeweises „erleichtern“ (vgl. Gesetzesbegründung zum AbzStEntMoG, 66).

     

    Eine sachliche Entlastungsberechtigung liegt vor, soweit die Einkunftsquelle (also das Lizenzrecht oder die Beteiligung an der deutschen Gesellschaft) einen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit des Prüfobjekts aufweist. Hieraus wird ersichtlich, dass zwei Aspekte ‒ die Wirtschaftstätigkeit sowie ein wesentlicher Zusammenhang zu dieser Tätigkeit ‒ zu beachten sind:

     

    • Sog. Durchleitungskonstruktionen, die durch das bloße Erzielen der Einkünfte und deren Weiterleitung an unmittelbare oder mittelbare Anteilseigner gekennzeichnet sind, gelten nach dem Gesetzeswortlaut nicht als Wirtschaftstätigkeit. Dies gilt ebenfalls für Tätigkeiten, soweit sie mit einem für den Geschäftszweck nicht angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb ausgeübt werden.

     

    • Ein wesentlicher Zusammenhang liegt vor, wenn das Halten des Lizenzrechts und/oder der Beteiligung an der deutschen Gesellschaft durch das Prüfobjekt in Bezug auf die übrige Tätigkeit des Prüfobjekts eine wirtschaftliche Funktion erfüllt, erfüllt hat oder aus ihr resultiert. Diese funktionale Verflechtung darf nicht von untergeordneter Bedeutung sein. „Es muss wirtschaftlich nachvollziehbar sein, warum gerade die Antragstellerin (bzw. das Prüfobjekt) das Lizenzrecht (oder die Beteiligung) hält (vgl. Gesetzesbegründung zum AbzStEntMoG, S. 67 und 68).“

     

    Soweit die persönliche und sachliche Entlastungsberechtigung nicht vorliegen, besteht die widerlegbare Vermutung eines Gestaltungsmissbrauchs. Eine Widerlegung durch den sog. Motivtest/Gegenbeweis erfordert den Nachweis durch das Prüfobjekt bzw. ihre Anteilseigner, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Dabei sollen laut Gesetzesbegründung nunmehr nicht nur deutsche Quellensteuervorteile als maßgebliche schädliche Vorteile anzusehen sein, sondern auch ausländische Steuervorteile in Bezug auf die jeweiligen abzugsteuerpflichtigen Zahlungen. Die Einstufung eines steuerlichen Vorteils als Haupt- oder Nebenzweck soll unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen.

     

    MERKE | Für Zwecke des Gegenbeweises sollte immer geprüft werden, ob ein „betragsmäßig identischer“ hypothetischer Quellensteuerentlastungsanspruch besteht, da dieser den Nachweis eines Gegenbeweises „erleichtern“ kann.

     

    Zu guter Letzt sei angemerkt, dass die Missbrauchsvermutung ebenfalls als widerlegt gilt, wenn die sog. Börsenklausel eingreift. Hinsichtlich dieses Escapes ist im Schrifttum anfangs ein Missverständnis dergestalt aufgetreten, dass die Börsenklausel in der Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG wesentlich verschärft wäre, weil die Börsennotierung mittelbar beteiligter Gesellschaften gar keine Berücksichtigung mehr finden sollte. Nunmehr besteht allerdings Klarheit, dass die Börsenausnahme zwar grundsätzlich nur noch auf Ebene der zwischengeschalteten Gesellschaft Anwendung findet. Gleichwohl gewährt das BZSt ‒ gedeckt von der Gesetzesbegründung ‒ eine Ausnahme, wenn im Rahmen der Prüfung der persönlichen Entlastungsberechtigung ein Sprung auf die Stufe des börsennotierten Anteilseigners aufgrund derselben Anspruchsgrundlage möglich ist.

    3. Typische Praxisfälle

    Nachfolgend sollen anhand typischer Praxisfälle Herausforderungen im Umgang mit der Anti-Treaty-Shopping Regelung aufgezeigt werden (zu ähnlichen Fällen vgl. Schnitger, Rasch, Holle: Nationales und internationales Unternehmenssteuerrecht im Fokus, 1. Aufl. 2022, ab S. 481). Dabei empfiehlt es sich, in der Praxis zunächst zu analysieren, ob der Börsenhandelstest eingreift und somit die Anwendbarkeit der Anti-Treaty-Shopping-Regelung verhindert werden kann. Bejahendenfalls ist eine Reduktion der deutschen Quellensteuer möglich, ohne zeit- und kostenintensive Untersuchungen mit Blick auf die sachlichen Entlastungsberechtigungen sowie Gegenbeweise zu unternehmen.

     

    3.1 Bedeutung sowie Reichweite der Börsenausnahme

     

    • Fall 1

    Die börsennotierte M-Corp. hält drei Beteiligungen an deutschen GmbHs. GmbH 1 wird zu 100 % unmittelbar von der M-Corp. gehalten, wohingegen die GmbH 2 mittelbar über eine nicht börsennotierte S-Inc. (welche ebenfalls in den USA ansässig ist) gehalten wird. Schließlich ist die M-Corp. noch zu 100 % an der niederländischen Dutch BV beteiligt, welche Alleingesellschafterin der GmbH 3 ist.

     

    Fraglich ist, ob die Kapitalertragsteuer-/Quellensteuerreduktion auf 0 % auf Basis des Art. 10 Abs. 3 DBA-USA für GmbH 1 und GmbH 2 bzw. auf Basis der Mutter-Tochter-Richtlinie des § 43b EStG für die GmbH 3 durch § 50d Abs. 3 EStG „gefährdet“ sein kann.

     

     

     

    Mit Blick auf das Prüfungsschema ergibt sich folgende Lösung:

     

    Fallvariante 1: Die Börsenausnahme nach § 50d Abs. 3 S. 2. 2. HS EStG ist direkt auf Ebene der M-Corp. als zwischengeschaltete Gesellschaft anwendbar, sodass § 50d Abs. 3 S. 1 EStG die Reduktion auf 0 % nicht ausschließt.

     

    • Fallvariante 2: Auf der Stufe der S-Inc. ist die persönliche Entlastungsberechtigung nach § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EStG zu prüfen. Diese liegt vor, da die M-Corp. „denselben Entlastungsanspruch“ auf Basis des Art. 10 Abs. 3 DBA-USA bei Direktbezug der Dividende hätte. Durch den hierdurch möglichen Sprung in der Beteiligungskette von der Stufe der S-Inc. auf die Stufe der M-Corp. kann nun wiederum die Börsenausnahme nach § 50d Abs 3 S. 2 EStG für die M-Corp. als Prüfobjekt eingreifen, sodass § 50d Abs. 3 S. 1 EStG die Reduktion auf 0 % nicht ausschließt.

     

    • Fallvariante 3: Auf der Stufe der Dutch BV ist die persönliche Entlastungsberechtigung nach § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 1 zu prüfen. Dies ist nach derzeitiger Ansicht der Finanzverwaltung ‒ mit Blick auf den „Nullsteuersatz“ ‒ zu verneinen, da der M-Corp. eine Entlastung auf Grundlage des DBA-USA und nicht nach § 43b EStG zusteht. Mangels „derselben Anspruchsgrundlage“ für die Reduktion auf 0 % gelingt hier folglich der Sprung auf die Stufe der börsennotierten M-Corp. anders als in Fallvariante 2 nicht. Damit verbleibt der Dutch BV zur vollen Quellensteuerreduktion auf 0 % noch der Weg über die sachliche Entlastungsberechtigung oder der Gegenbeweis.

     

    Beachten Sie | Ist im ungünstigsten Fall die Dutch BV substanzlos und liegen schädliche Steuervorteile im Ausland vor, ermöglicht die Börsenklausel zumindest noch eine Quellensteuerreduktion auf 15,825 %. Die Anspruchsgrundlage auf 15,825 % ist für die Dutch BV (wie für die M-Corp.) § 44a Abs. 9 EStG, sodass aufgrund derselben Anspruchsgrundlage der Sprung auf die Stufe der M-Corp. gelingt. § 50d Abs. 3 S. 1 EStG schließt die Reduktion auf 15,825 % nicht aus (ein „Strafsteuereffekt“ wird verhindert; vgl. dazu Fall 2).

     

    • Fall 2

    In Anlehnung an den Fall des FG Köln vom 16.2.22 (2 K 1483/19; NZB I B24/22; hier Fallvariante 1) sei die abgewandelte Fallvariante 2 wie folgt: Eine substanzlose und damit nicht sachlich entlastungsberechtigte spanische Kapitalgesellschaft hält 100 % der Anteile an einer deutschen GmbH. Diese Spain S.L. hat zwei Anteilseigner, allerdings nicht wie im FG-Fall zwei natürliche Personen B und B1, sondern neben der Person B1 eine börsennotierte M-Corp.

     

     

     

    • Fallvariante 1 ‒ FG Köln (Kurzfassung): Dem auf 0 % lautenden Freistellungsantrag auf Grundlage des § 43b EStG sowie der bis zum 8.6.21 alten Fassung des § 50d Abs. 3 EStG hat das BZSt zu Recht nur i. H. v. 15,0 % entsprochen, da das DBA-Spanien bei Direktbezug der Dividende durch die Brüder B und B1 15 % Quellensteuer ermöglicht. Mit Blick auf die aktuelle Fassung des § 50d Abs. 3 EStG und den in der Gesetzesbegründung angeführten „Strafsteuereffekt“ ist zweifelhaft, ob das BZSt bei einem ab dem 9.6.21 auf 0 % lautenden Freistellungsantrag auf Grundlage des § 43b EStG überhaupt eine Reduzierung von 26,375 % auf 15 % gewähren würde.

     

    • Fallvariante 2: Wie unter Fallvariante 1 aufgeführt, besteht bei einem ab dem 9.6.21 auf 0 % lautenden Freistellungsantrag durch die Spain S.L. auf Grundlage des § 43b EStG für den 50 %-Anteil des B1 die Gefahr, dass als „Strafe“ gar keine Reduzierung von 26,375 % auf 15 % gewährt wird. Für den 50 %-Anteil der M-Corp. wird hingegen in jedem Falle zumindest eine Reduzierung auf 15,825 % nach Maßgabe des § 44a Abs. 9 EStG möglich sein.

     

    PRAXISTIPP | Um einem nach Gesetzesbegründung (angeblich) aus der Rechtsprechung des EuGH gebotenen „Steuerstrafeffekt“ zu entgehen, sollte für diesen Fall 2 im Freistellungs- oder Erstattungsantrag offen auf die Substanzlosigkeit hingewiesen werden und insoweit für die beteiligten natürlichen Personen auch nur eine Reduzierung auf 15 % beantragt werden. Dann ist m. E. nach allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen eine vollkommene Versagung einer Quellensteuerreduktion überschießend.

     

    3.2 Sachliche Entlastungsberechtigung

    Der Anwendungsbereich der sachlichen Entlastungsberechtigung soll nachfolgend an Vertriebsfällen dargestellt werden.

     

    • Fall 3

    Die nicht börsennotierte M-Inc. ist zu 100 % an den niederländischen Produktionsgesellschaften (A-BV, B-BV und C-BV) beteiligt. Der Vertrieb erfolgt durch drei GmbHs.

     

     

     

    • Fallvariante 1 („erfüllt“): Die A-BV produziert nur Spinning Bikes, welche die GmbH 1 vertreibt. Weitere Geschäftsfelder übt die GmbH 1 nicht aus.Das Halten der Anteile an der Vertriebs-GmbH erfüllt eine wirtschaftliche Funktion in Bezug auf die Produktionstätigkeit der A-BV als Antragstellerin/Prüfobjekt, sodass ein wesentlicher Zusammenhang und damit die sachliche Entlastungsberechtigung vorliegt.

     

    • Fallvariante 2 („erfüllt hat“): Die B-BV produziert seit Jahren immer weniger Rennräder, welche ausschließlich durch die GmbH 2 vertrieben wurden und werden. Aufgrund des rückläufigen Rennradgeschäfts verlagert die B-BV die Produktion der Rennräder auf eine Tochtergesellschaft in der Slowakei. Auch hier liegt ein wesentlicher Zusammenhang vor, da das Halten der Anteile an der Vertriebs-GmbH eine wirtschaftliche Funktion in Bezug auf die frühere Produktionstätigkeit der B-BV ‒ welche nun seit der Übertragung der Produktion auf die Slowakei nicht mehr besteht ‒ erfüllt hat.

     

    • Fallvariante 3 („resultieren“): Die C-BV hat aus der Produktion sowie aus dem Vertrieb von Laufbändern über Jahre Gewinne erwirtschaftet, aus denen sie die Beteiligung an einer GmbH 3 erwirbt, welche Tennisschläger produziert und vertreibt. Mit Blick auf die im Merkblatt des BZSt enthaltene Forderung ‒ dass es wirtschaftlich nachvollziehbar sein muss, warum gerade die Antragstellerin die Beteiligung hält ‒ ist der wesentliche Zusammenhang unstrittig zu bejahen, wenn die Anteile an der deutschen Gesellschaft durch eigens erwirtschaftete Gewinne der Antragstellerin / des Prüfobjekts erworben werden. Schließlich stellt der Erwerb eines neuen Geschäftszweigs eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Risikodiversifikation dar.

     

    In Weiterführung des Falls 3 werden nachfolgend im Fall 4 Fallvarianten aufgezeigt, in denen die sachliche Entlastungsberechtigung ggf. kritisch ist.

     

     

    • Fallvariante 1 („unkritisch“): Die D-BV erzielt Einkünfte aus zwei Tätigkeiten, der Produktion von Skibedarf sowie aus Kryptowährungsgeschäften. Die GmbH 4 vertreibt den Skibedarf. Die sachliche Entlastungsberechtigung liegt vor. Unschädlich ist, dass die D-BV mit den Kryptowährungsgeschäften eine weitere Tätigkeit unterhält. Schließlich muss für das Vorliegen der sachlichen Entlastungsberechtigung nur ein Zusammenhang zu „einer übrigen“ Tätigkeit der Antragstellerin / des Prüfobjekts bestehen.

     

    • Fallvariante 2 („kritisch“): Die E-BV erzielt Einkünfte aus der Produktion von Tischtennisschlägern, die von der GmbH 5 vertrieben werden. Daneben erzielt die GmbH 5 30 % ihrer Einkünfte aus Kryptowährungsgeschäften. In diesem Fall sollte die sachliche Entlastungsberechtigung zu 30 % nicht vorliegen. Schließlich ist wirtschaftlich ‒ auf den ersten Blick ‒ nicht nachvollziehbar, warum gerade die Antragstellerin / das Prüfobjekt mit Blick auf das Kryptowährungsgeschäft der GmbH 5 die Anteile an der deutschen GmbH hält. Damit müsste für 30 % der Quellensteuerreduktion der Escape über den Gegenbeweis angestrebt werden.

     

    • Fallvariante 3 („kritisch“): Die F-Production BV produziert nur Rudergeräte, welche die GmbH 6 vertreibt. Die Anteile an der deutschen GmbH werden aber nicht von der F-Production BV, sondern von der F-Holding BV ‒ welche eine niederländische Schwestergesellschaft der F-Production BV ist ‒ gehalten. Eine sachliche Entlastungsberechtigung sollte nicht vorliegen; insbesondere wird die F-Holding BV mangels mindestens zweier Tochtergesellschaften, gegenüber denen langfristige Führungsentscheidungen erbracht werden, das Kriterium der sachlichen Entlastungsberechtigung auch nicht über das Rechtskonstrukt der geschäftsleitenden Management-Holding erfüllen können. Allerdings wurde § 50d Abs. 3 S. 2 EStG a. F., wonach Konzernverhältnisse für Zwecke der Anwendung des Satzes 1 außer Betracht bleiben, nicht in die Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG übernommen. Vielmehr wird in der Gesetzesbegründung nun darauf hingewiesen, dass „Konzernverhältnisse“ für die Führung des Gegenbeweises berücksichtigt werden können. Das Halten der Anteile an der deutschen Vertriebsgesellschaft durch eine niederländische Holdinggesellschaft sollte daher einen Gegenbeweis ermöglichen, wenn wie im Beispielsfall auch die Produktion in den Niederlanden bei der Schwestergesellschaft erfolgt.

     

    3.3 Gegenbeweis bei betragsmäßig identischem hypothetischem Entlastungsanspruch

    In dem abschließenden Fall 5 hält die börsennotierte M-Corp. (Fallvariante 1) bzw. eine nicht börsennotierte M-Inc. (Fallvariante 2) eine deutsche Produktions-GmbH über eine direkte Tochterkapitalgesellschaft in den Niederlanden und eine indirekte Tochterkapitalgesellschaft in der Schweiz. In der M-Inc.-Gruppe wird der Vertrieb sämtlicher Produkte der Produktions-GmbH von der H-BV ausgeführt.

     

    Fraglich ist wiederum, ob eine Kapitalertragsteuer-/Quellensteuerreduktion auf 0 % auf Basis des Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz durch § 50d Abs. 3 EStG „gefährdet“ sein kann.

     

     

    Die Börsenklausel der M-Corp. sowie die sachliche Entlastungsberechtigung der H-BV kommen nicht (direkt) zur Anwendung, da bereits die G-BV (bzw. H-BV) die Prüfung der persönlichen Entlastungsberechtigung nach oben in der Beteiligungskette unterbricht, weil die G-BV (bzw. H-BV) nicht nach dem DBA-Schweiz als derselben Rechtsgrundlage entlastungsberechtigt wäre. Mit Blick auf die zwei Fallvarianten stellt sich die Frage, ob der Gegenbeweis allein dadurch geführt werden kann, dass der indirekte Anteilseigner einen betragsmäßig identischen hypothetischen Entlastungsanspruch aufgrund der Börsenklausel (Fallvariante 1) bzw. aufgrund der sachlichen Entlastungsberechtigung (Fallvariante 2) hat.

     

    Laut der Gesetzesbegründung soll der Umstand eines betragsmäßig identischen Entlastungsanspruchs den Gegenbeweis „erleichtern“. Daher sollte zum einen im Freistellungsantrags- bzw. Erstattungsverfahren beim BZSt darauf hingewiesen werden, dass in den vorliegenden Fällen direkt ersichtlich und absolut unstreitig ist, dass durch die Struktur keine steuerliche Statusverbesserung mit Blick auf die deutsche Kapitalertragsteuer eingetreten ist. Das DBA-Schweiz sowie die Mutter-Tochter-Richtlinie würden bei Direktbezug einen „Nullsatz“ gewähren, ebenso wie das DBA-USA. Zum anderen sollten wirtschaftliche Gründe für die Struktur aufgeführt werden (z. B. Organisations- und Führungsüberlegungen, Gründe der Risikostreuung etc.). Das BZSt kann dann mit Blick auf den durch den Steuerpflichtigen kaum zu führenden Negativnachweis des Nichtvorliegens ausländischer Steuervorteile zumindest zu der Schlussfolgerung gelangen, dass vermeintliche ausländische Steuervorteile ‒ wenn sie doch vorlägen ‒ nur einen „Nebenzweck“ darstellen.

     

    FAZIT | Trotz einiger Rechtsunklarheiten lassen sich in Konzernstrukturen viele Fälle ‒ wie aufgezeigt ‒ rechtssicher gestalten, sodass mit Blick auf § 50d Abs. 3 EStG keine zusätzlichen Quellensteuern drohen. Für den Fall, dass ausnahmsweise eine teilweise oder ‒ wegen des (angeblich) unionsrechtlich gebotenen Steuerstrafeffekts ‒ eine vollständige Quellensteuerentlastung versagt wird, verbleibt noch der Rückgriff auf typische Abwehrmaßnahmen und Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. hierzu Oppermann/Gaßmann PIStB 21, 193).

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2023 | Seite 158 | ID 49309458

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