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  • 26.10.2011

    Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 20.07.2011 – 18 Sa 1475/10

    Bodenbeschichtungs- und Bodenbelagsarbeiten fallen nur unter § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 38 VTV-Bau, wenn sie nicht nur in Zusammenhang mit baulichen Tätigkeiten erbracht werden, sondern die Belagsarbeiten und die baulichen Tätigkeiten einander bedingen (s. BAG 28.09.1988 - 4 AZR 343/88).


    Tenor:

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 07. Juli 2010 - 7 Ca 1894/09 - abgeändert.

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten um Beiträge nach dem Sozialkassentarifvertrag des Baugewerbes für das Jahr 2009.

    Die Klägerin ist organisiert in der Rechtsform einer AG. Sie war als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe bis Ende 2009 die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

    Die Beklagte zu 1) unterhält in A einen Betrieb, durch welchen dem Schwerpunkt nach Wasserschäden und deren Folgen beseitigt werden. Sie ist Franchisenehmerin der "B", welche durch ihre Franchisenehmer die Abwicklung und Instandsetzung nach Wasser- und Brandschäden anbietet. Die Beklagte zu 2) ist die Komplementär-GmbH der Beklagten zu 1).

    Die Klägerin hat die Beklagten auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 idF. vom 05. Dezember 2007 auf Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer durch zwei Mahnbescheide in Anspruch genommen, wobei die Beklagte zu 2) nach § 128 HGB neben der Beklagten zu 1) für deren Beitragsschulden einstehen soll.

    Die Klägerin hat geltend gemacht, der Betrieb der Beklagten zu 1) unterfalle dem VTV. Dazu hat sie behauptet, im Betrieb der Beklagten zu 1) seien in dem Kalenderjahr 2009 durch die beschäftigten Arbeitnehmer arbeitszeitlich überwiegend, d.h. zu mehr als 50% der persönlichen Arbeitszeit, welche zusammengerechnet auch mehr als 50% der Gesamtarbeitszeit ausmachte, folgende Arbeiten ausgeführt worden:

    - Entfeuchten von Estrichböden durch Anbringen von Bohrlöchern und Einbringen von Dämmschichttrocknern;

    - Verschließen der Installationsöffnung nach Trocknung sowie damit im Zusammenhang stehende Fliesenverleger- und Ausbesserungsarbeiten sowie Laminat- und Parkettausbesserungen;

    - Anstrich- und Tapezierarbeiten zu weniger als 50%, einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Vorbereitungs- und Nachbereitungsarbeiten.

    Die Klägerin hat daher zuletzt Beiträge für die Monate Januar bis März 2009 in Höhe von 4.182,52 € und für Juli bis September 2009 in Höhe von 7.196,05 € wegen der Beschäftigung von gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten verlangt.

    Der Kläger hat - in den durch das Arbeitsgericht Wiesbaden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren - beantragt,

    die Beklagten zu 1) und 2) wie Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 11.378,61 € zu zahlen.

    Die Beklagten zu 1) und 2) haben beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die die Beklagten zu 1) und 2) haben behauptet, im Betrieb der Beklagten zu 1) seien im Kalenderjahr 2009 nicht arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten ausgeführt worden. In diesem Jahr seien insgesamt 7035 Arbeitsstunden angefallen. Diese hätten sich wie folgt verteilt:

    Reinigungsarbeiten

    773,80 Std.

    11%

    Entrümpeln/Entsorgen von beschädigten Materialien

    281,38 Std.

    4%

    Umräumarbeiten

    140,69 Std.

    2%

    Malerarbeiten

    40%

    Tapezieren

    1.617, 94 Std.

    Streichen

    1.195, 87 Std.

    Verlegen von Teppichböden

    422,07 Std.

    6%

    Verlegen von Laminat

    422,07 Std.

    6%

    Verlegearbeiten von PVC

    351,73 Std.

    5%

    Bautrocknung

    562,76 Std.

    8%

    Im Umfang der danach noch offenen 18% haben die Beklagten bauliche Arbeiten eingeräumt, nämlich Estrichausbesserungen, Mauerausbesserungen, Fliesen- sowie Innenverputzarbeiten.

    In Bezug auf die Bautrocknungsarbeiten haben die Beklagten behauptet, diese erfolgten insbesondere nach Wasserschadensfällen durch den Einsatz von Kondensationstrocknern. Diese würden in die Räume gestellt, um das Mauerwerk auszutrocknen. Eine Einwirkung auf das Mauerwerk liege regelmäßig nicht vor.

    Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 07. Juli 2010 stattgegeben. Die Beklagten hätten durch ihren Vortrag bereits 58% bauliche Tätigkeiten an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit eingeräumt. Neben den 18% für Estrich-, Maurer-, Fliesen- und Innenverputzarbeiten, seien auch die mit 40% angegebenen Malerarbeiten als baulich zu qualifizieren. Der Betrieb der Beklagten zu 1) sei auch nicht als Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks vom Geltungsbereich des VTV gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV ausgenommen. Die Beklagten hätten nicht dargetan, dass zu mehr als 50% der Gesamtarbeitszeit Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks erbracht wurden.

    Hinsichtlich der Einzelheiten der Entscheidung sowie wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 49 - 59 d.A.) Bezug genommen.

    Gegen dieses Urteil, welches ihnen am 24. August 2010 zugestellt worden ist, haben die Beklagten mit am 24. September 2010 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingereichtem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24. November 2010 mit einem am 22. November 2010 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen Schriftsatz begründet.

    Die Beklagten wiederholen ihren Vortrag aus erster Instanz. Sie machen außerdem geltend, dass die Maler- und Lackiererarbeiten den bei weitem größten Anteil der Arbeitsleistungen ausmachten.

    Nach dem Hinweis der Kammer in der Verhandlung vom 11. Mai 2011 (vgl. Sitzungsniederschrift Bl. 108 d.A.) behaupten die Beklagten zu 1) und 2) zu den mit insgesamt 17% angegebenen Bodenbelagsarbeiten: Alle Böden seien schwimmend verlegt worden. Nur bei insgesamt 72 der für Bodenbelagsarbeiten angefallenen Arbeitsstunden seien in Zusammenhang mit diesen auch Estricharbeiten erledigt worden.

    Die Beklagten beantragen,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 07. Juli 2010 - 7 Ca 94/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie bestreitet die Behauptung der Beklagten, nur bei 6% der im Jahr 2009 ausgeführten Bodenbelagsarbeiten seien zuvor auch Arbeiten am Estrich vorgenommen worden. Dazu vertritt sie weiter die Auffassung, dass auch Bautrocknungsarbeiten und die anderen von der Beklagten zu 1) ausgeführten baulichen Tätigkeiten als Vorbereitungsarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 38 VTV anzusehen seien.

    Hilfsweise hat die Klägerin geltend gemacht, dass außerdem nach § 1 Nr. 2 Abs. 6 des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk (RTV Maler/Lackierer) Bodenbelagsarbeiten nicht den Malertätigkeiten zugerechnet werden dürften, wenn der Arbeitgeber nicht Mitglied des Hauptverbandes Farbe, Gestaltung, Bautenschutz - Bundesinnungsverband des Deutschen Maler- und Lackiererhandwerks sei. Dies sei für die Beklagte zu 1) nicht vorgetragen worden.

    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf das Protokoll der Verhandlung vom 11. Mai 2011 (Sitzungsniederschrift Bl. 108 d.A.) Bezug genommen.

    Die Parteien haben in dieser Verhandlung einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt und innerhalb der gesetzten Frist bis zum 01. Juli 2011 ergänzend schriftsätzlich vorgetragen. Die Kammer hat außerhalb mündlicher Verhandlung am 06. Juli 2011 beraten.

    Entscheidungsgründe

    Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden.

    Die Berufung hat Erfolg. Die Beklagte zu 1) war im Jahr 2009 nicht zur Zahlung von Beiträgen nach §§ 18, 19 VTV verpflichtet. Damit hat auch die Beklagte zu 2) nicht gemäß § 128 HGB wie ein Gesamtschuldner für Beitragsschulden der Beklagten zu 1) einzustehen. Der Betrieb der Beklagten zu 1) war im Kalenderjahr 2009 ein solcher des Maler- und Lackiererhandwerks.

    1. Für die Frage, ob die Beklagte zu 1) im Jahr 2009 einen Betrieb unterhalten hat, welcher nach § 1 Abs. 2 VTV iVm. § 5 Abs. 4 TVG dem Geltungsbereich des Sozialkassentarifvertrages für das Baugewerbe unterfiel, kommt es darauf an, ob ihre Arbeitnehmer in diesem Jahr arbeitszeitlich überwiegend von diesem Tarifvertrag erfasste Tätigkeiten verrichtet haben. Dabei ist nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst, aber auch nicht auf handels- und gewerberechtliche Kriterien abzustellen, sondern auf die Arbeitszeit der Arbeitnehmer (BAG Urteil vom 13. November 1991 - 4 AZR 78/91 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 01. August 2007 - 10 AZR 369/06 - veröffentlicht in juris).

    2. Danach überwogen Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks.

    Werden in einem Betrieb Leistungen ausgeführt, die sowohl dem Baugewerbe auch dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnen sind, muss eine Zuordnung zu dem jeweiligen Verfahrenstarifvertrag getroffen werden können, um eine Tarifkonkurrenz zu vermeiden. Die notwendige Abgrenzung wird sowohl durch § 1 Abs. 2 Abschn. V und VII VTV als auch durch § 1 Nr. 2 Abs. 1 RTV Maler/Lackierer i.V.m § 1 Nr. 2 des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub und die Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk (VTV Maler/Lackierer) vorgenommen, wobei sämtliche Tarifverträge kraft Allgemeinverbindlicherklärung gelten. Die Tarifparteien des Baugewerbes sind bemüht, Tarifkonkurrenzen zwischen den Bautarifverträgen und den Tarifverträgen für das Maler- und Lackiererhandwerk zu vermeiden (vgl. BAG Urteil vom 01. August 2007 - 10 AZR 369/06 - veröffentlicht in juris).

    a) In § 1 Abs. 2 VTV-Bau ist - soweit erheblich - geregelt:

    "... Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

    Abschnitt I

    Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.

    Abschnitt II

    Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

    Abschnitt III

    Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.

    (...)

    Abschnitt V

    Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

    (...)

    4. Bautrocknungsarbeiten, d.h. Arbeiten, die unter Einwirkung auf das Gefüge des Mauerwerks der Entfeuchtung dienen, auch unter Verwendung von Kunststoffen oder chemischen Mitteln sowie durch Einbau von Kondensatoren;

    (...)

    11. Estricharbeiten;

    (...)

    15. Fliesen-, Platten- und Mosaik-Ansetz- und Verlegearbeiten;

    (...)

    23. Maurerarbeiten;

    (...)

    34. Stuck-, Putz-, Gips- und Rabitzarbeiten, einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;

    (...)

    38. Verlegen von Bodenbelägen in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen;

    (...)

    Abschnitt VII

    Nicht erfasst werden Betriebe

    (...)

    6. des Maler- und Lackiererhandwerks, soweit nicht Arbeiten der in Abschnitt IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden,

    (...)"

    b) In § 1 Nr. 2 RTV Maler/Lackierer, auf den nach § 1 Nr. 2 VTV Maler/Lackierer für den betrieblichen Geltungsbereich verwiesen wird, ist auszugsweise bestimmt:

    "Abs.1: (...) Dies sind Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, die (...) sowie Bodenbeschichtungs- und -belagsarbeiten ausführen. (...) Zu den Bodenbeschichtungs- und -belagsarbeiten gehören nicht das Verlegen von Bodenbelägen in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen sowie Estrich-, Fliesen-, Platten-, Mosaikansetz- und -verlege- und Terrazzoarbeiten.

    (...)

    Abs. 4: Nicht erfasst werden Betriebe bzw. selbständige Betriebsabteilungen, die Arbeiten im Sinne der Absätze 5 bis 7 ausführen und unter den dort genannten Voraussetzungen von diesem Tarifvertrag erfasst werden.

    (...)

    Abs. 6: Betriebe bzw. selbständige Betriebsabteilungen, die

    (...)

    c) Bodenbeschichtungs- und -belagsarbeiten

    (...)

    überwiegend bzw. zusammen mit anderen in Abs. 1 genannten Tätigkeiten überwiegend ausüben, werden nur erfasst, wenn sie unmittelbar oder mittelbar Mitglied des Hauptverbandes Farbe, Gestaltung, Bautenschutz - Bundesinnungsverband des Deutschen Maler- und Lackiererhandwerks sind."

    3. Es ist unstreitig, dass im Betrieb der Beklagten zu 1) im Jahr 2009 zu 18% der Gesamtarbeitszeit bauliche Tätigkeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 11, 15, 23 und 34 VTV ausgeführt wurden. Geht man mit der Klägerin davon aus, dass die Bautrocknungsarbeiten (angegeben mit 8%) solche im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 4 VTV waren, würden insgesamt 66% der Arbeitszeit auf bauliche Tätigkeiten entfallen, denn auch die Tätigkeit des Tapezierens und Anstreichens (angegeben mit 40%) ist baulich. Die Ausnahme durch § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV zeigt, dass auch solche Arbeiten zu dem Baugewerbe zählen, es sei denn sie sind wegen des Eingreifens eine konkurrierenden Tarifvertrags vom Geltungsbereich ausgenommen.

    Die Beklagten haben jedoch dargelegt, dass der Betrieb der Beklagten zu 1) der § 1 Abs. 2 Abschn. VII Ziffer Nr. 6 VTV als ein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks von dieser Ausnahme erfasst wird. Entscheidende Bedeutung kommt dabei den Bodenbelagsarbeiten zu, wie mit den Parteien anlässlich der Verhandlung am 11. Mai 2011 erörtert. Es ist festzustellen, dass bei der Beklagten zu 1) im Jahr 2009 neben den Tapezier- und Anstreicharbeiten auch mit knapp 16% Anteil an der Gesamtarbeitszeit Bodenbelagsarbeiten ausgeführt wurden, die nicht in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen erfolgten. Damit sind zumindest 55% der von der Beklagten zu 1) ausgeführten Tätigkeiten allein dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnen.

    a) Bei dem Verlegen von Bodenbelägen ist nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 38 VTV-Bau als auch gemäß § 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 RTV Maler/Lackierer danach zu differenzieren, ob diese "in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen" erbracht werden. Als taugliches Abgrenzungskriterium können nur solche baulichen Leistungen gemeint sein, welche dem Verfahrenstarifvertrag des Baugewerbes unterfallen. Diese müssen in einer "Verbindung" zu den Bodenbelagsarbeiten stehen, also bei Ausführung durch denselben Betrieb nach der Üblichkeit im Arbeits- und Wirtschaftsleben, insbesondere aufgrund einheitlicher Auftragerteilung, zusammengehören, einander bedingen und insgesamt der Errichtung oder Instandsetzung eines Bauwerkes dienen (vgl.

    BAG Urteil vom 28. September 1988 - 4 AZR 343/88 - AP Nr. 98 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

    b) Die Beklagten haben dargelegt, dass bei den Bodenverlegearbeiten, die insgesamt 1.195,87 Stunden von 7035 Arbeitsstunden ausmachten, nur 72 Stunden auf solche Belagsarbeiten entfallen sind, bei denen zuvor der Estrich behandelt werden musste. Damit sind knapp 16% der Verlegearbeiten solche, die nicht "in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen" (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 38 VTV) ausgeführt wurden. Im Betrieb der Beklagten zu 1) sind daher mit den Tapezier- und Anstreicharbeiten insgesamt zumindest 55% Tätigkeiten angefallen, die dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnen sind, so dass die Ausnahme nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV erfüllt wurde.

    aa) Die Klägerin ist dem ergänzten Vortrag der Beklagten nicht ausreichend entgegengetreten. Sie hat nur bestritten, dass die in Verbindung mit Estricharbeiten erbrachten Bodenbelagsarbeiten lediglich 6% aller Bodenbelagsarbeiten ausmachten. Dies genügt nicht. Die Beklagten waren für die Voraussetzungen der Ausnahme nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV darlegungs- und beweisbelastet. Diese Darlegungspflicht haben sie erfüllt. Sie haben ausgeführt, dass die Verlegung sämtlicher Bodenbeläge gegensätzlich "schwimmend" erfolgte und nur in geringem Umfang der Estrich vorher bearbeitet wurde. Das bloße Bestreiten dieses Umfangs ist unzureichend, da damit nicht dargelegt wird, dass - neben den mit 40% anzusetzenden Tapezier- und Anstreicharbeiten - weniger als 10% der Gesamtarbeitszeit auf Bodenbelagsarbeiten entfallen, die gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. V Ziffer Nr. 38 VTV "in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen" ausgeführt werden. Nur dann wären die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV nicht erfüllt. Auch wenn man im Sinne der Klägerin unterstellt, dass tatsächlich mehr als 6% aller Bodenbelagsarbeiten in Verbindung mit Estricharbeiten ausgeführt wurden, so bleibt es doch bei dem Vortrag der Beklagten, dass die Beklagte zu 1) Bodenbeläge (zumindest) überwiegend "schwimmend" verlegte und keine Vorarbeiten am Untergrund notwendig waren.

    bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dies nicht unbeachtlich, weil die Beklagte zu 1) auch andere bauliche Arbeiten erledigte. Nach der angeführten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil vom 28. September 1988 - 4 AZR 343/88 - AP Nr. 98 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) genügt für § 1 Abs. 2 Abschn. V Ziffer Nr. 38 VTV nicht, dass die dort erfassten Bodenbelagsarbeiten nur in einem Zusammenhang oder gar nur bei Gelegenheit mit anderen baulichen Leistungen erbracht werden. Es muss vielmehr eine "Verbindung" bestehen. Dieser Begriff drückt eine engere Beziehung aus. Die von der Beklagten zu 1) ausgeführten Ausbesserungen an Mauern, die Fliesen- und Innenverputzarbeiten sind nicht Vorbedingung, um Bodenbeläge verlegen zu können. Auch die Bautrocknungsarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 4 VTV stehen nicht in einer notwendigen Verbindung mit den Bodenbelagsarbeiten. Zwar muss bei einem Wasserschaden das Trocknen des Bodens abgewartet werden, bevor es sinnvoll ist, einen neuen Bodenbelag aufzubringen. Bautrocknungsarbeiten beziehen sich aber nicht ausschließlich auf den Untergrund, sondern betreffen sämtliche Gebäudeteile, die entfeuchtet werden müssen. Es geht also nicht um eine zwingende Vorbehandlung allein des Bodens. Damit kann nicht bejaht werden, dass die Bautrocknungsarbeiten und das Verlegen von Bodenbelägen sich gegenseitig bedingen, wie für § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 38 VTV zu fordern.

    Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Trockenlegen von Bauwerksteilen auch im Maler- und Lackiererhandwerk anfallen kann. Nach dem Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf zum Maler und Lackierer bzw. zur Malerin und Lackiererin, Fachrichtung Bauten- und Objektbeschichtung, müssen auch Maler und Lackierer Verfahren zur Trockenlegung und Austrocknung von durchfeuchteten Bauwerken und Bauteilen einsetzen (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16. Mai 2003, Lernfeld 12 des 3. Ausbildungsjahres, zitiert nach: "www.kmk.org/fileadmin/pdf/Bildung/BeruflicheBildung/rlp/MalerLackierer.pdf").Tätigkeiten iSd. Bautarifverträge, die ebenso als Tätigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks einzuordnen sind, sind nicht geeignet, eine "Verbindung" im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 38 VTV zu begründen.

    4. Es nicht auch nicht erheblich, ob die Beklagte zu 1) unmittelbar oder mittelbar Mitglied des Hauptverbandes Farbe, Gestaltung, Bautenschutz - Bundesinnungsverband des Deutschen Maler- und Lackiererhandwerks ist, wie die Klägerin bestritten hat.

    § 1 Nr. 2 Abs. 6 c) RTV Maler/Lackierer iVm. § 1 Nr. 2 VTV Maler/Lackierer ist nicht anwendbar. Die Regelungen in § 1 Nr. 2 Abs. 4 bis 6 RTV Maler/Lackierer sind als Zusammenhang zu sehen. Dies führt dazu, dass § 1 Nr. 2 Abs. 6 RTV Maler/Lackierer als Rückausnahme nicht zu prüfen ist, da der Betrieb der Beklagten zu 1) nicht unter § 1 Nr. 2 Abs. 4 RTV Maler/Lackierer fällt. Er ist kein Betrieb des Baugewerbes.

    Betriebe, welche arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausüben, die sich sowohl als baugewerbliche nach dem VTV als auch als solche des Maler- und Lackiererhandwerks nach den RTV Maler/Lackierer darstellen, unterfallen nämlich dann dem RTV Maler/Lackierer, wenn sie zu den durch § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV erfassten Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks zählen, weil diese vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen sind. Sie gelten daher nicht als Betriebe des Baugewerbes (so: BAG Urteil vom 22. Januar 1997 - 10 AZR 223/96 - NZA 1997, 948;s. auch: BAG Urteil vom 01. August 2007 - 10 AZR 369/06 - NZA 2008, 320).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

    Eine Zulassung der Revision ist nach dem Maßstab des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht geboten.

    VorschriftenVTV-Bau § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 38, VTV-Bau § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6, RTV Maler/Lackierer § 1 Nr. 2 Abs. 4, RTV Maler/Lackierer § 1 Nr. 2 Abs. 5, RTV Maler/Lackierer § 1 Nr. 2 Abs. 6, RTV Maler/Lackierer § 1 Nr. 2 Abs. 1