02.04.2019 · IWW-Abrufnummer 208045
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt: Beschluss vom 19.12.2018 – 4 Ta 135/18
1. In Verfahren wegen Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer unterliegt der Kostenfestsetzungsbeschluss des zuständigen Rechtspflegers des Landesarbeitsgerichts nicht der sofortigen Beschwerde, denn die sofortige Beschwerde ist nur gegen Entscheidungen des Arbeitsgerichts im ersten Rechtszug möglich.
2. Gemäß § 11 Abs. 2 RpflG ist gegen Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landesarbeitsgerichts die befristete Erinnerung statthaft.
3. Weil in Verfahren wegen Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer gemäß § 11 Abs. 4 ArbGG Vertretungszwang besteht, ist eine Kostenerstattung nicht durch § 12a Abs. 1 ArbGG ausgeschlossen.
Tenor:
1. Die befristete Erinnerung der Klägerin gegen den Beschluss des Rechtspflegers des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 05.09.2018 - 6 Oa 2/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Dem Verfahren liegt eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer eines vor dem Arbeitsgericht Magdeburg und dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt geführten Eingruppierungsrechtsstreits gemäß §§ 198 ff ZPO zugrunde.
Mit Anerkenntnisurteil vom 26.03.2018 hat das Landesarbeitsgericht unter dem Geschäftszeichen 6 Oa 2/17 im Wege des Anerkenntnisurteils wie folgt entschieden:
1. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 1.200,- € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2018 zu zahlen.
2. Die Klägerin trägt Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Mit Schreiben vom 10.04.2018 (Bl. 116 f. d. A.) hat der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes beantragt, Kosten in Höhe von 365,93 € gegen die Klägerin gemäß §§ 103 ff. ZPO festzusetzen.
Mit Beschluss vom 05.09.2018 (Bl. 132 ff d. A.) hat der Rechtspfleger des Landesarbeitsgerichts die von der Klägerin an das beklagte Land zu erstattenden Kosten antragsgemäß festgesetzt. Dieser Beschluss ist der Klägerin am 12.09.2018 zugestellt worden (EB Bl.135 d. A.).
Mit am 21.09.2018 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage (Bl. 139 d. A.) hat die Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 17.10.2018 hat der Rechtspfleger des Landesarbeitsgerichts die sofortige Beschwere als Erinnerung ausgelegt, dieser nicht abgeholfen und sie dem Vorsitzenden der 4. Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Zur Begründung trägt die Klägerin vor,
gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG bestehe in Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes. Bei dem Entschädigungsverfahren nach §§ 198 ff. GVG handle es sich um ein solches erstinstanzliches Verfahren, welches vor dem Landesarbeitsgericht geführt werde. Daher werde auch in dem vorliegenden Entschädigungsverfahren durch § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG eine Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren ausgeschlossen. Es sei zwar zutreffend, dass in Urteilsverfahren Parteien vor dem Arbeitsgericht gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 ArbGG den Rechtsstreit selbst führen könnten, während bei Rechtsstreitigkeiten vor dem Landesarbeitsgericht gemäß § 11 Abs. 4 S. 1 ArbGG die Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten vorgeschrieben sei. Diese Unterscheidung gelte jedoch auch bei Zivilstreitigkeiten vor den Amtsgerichten und Landgerichten, dennoch gäbe es dort keine entsprechende Ausnahmeregelung wie in § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG. Zwar sei richtig, dass der Ausschluss der Kostentragungspflicht für erstinstanzliche Urteilsverfahren in § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG sozialpolitische Gründe habe, es sei jedoch nicht ersichtlich, warum diese Gründe auch nicht für das Entschädigungsverfahren nach §§ 198 ff. GVG gelten sollten. Hieran ändere auch der vor dem Landesarbeitsgericht geltende Anwaltszwang nichts. Im Übrigen beschränke § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG die Kostentragungspflicht nicht auf Arbeitsrechtsstreitigkeiten, die die soziale Stellung des Arbeitnehmers im engeren Sinn betreffen würde, sondern betreffe alle erstinstanzlichen Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten. Daher sei § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG auch ohne weiteres auf Entschädigungsklagen anwendbar.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Landesarbeitsgerichts zum Aktenzeichen: 6 Oa 2/17 vom 05.09.2018 aufzuheben und den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.
Das beklagte Land beantragt,
die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 21.09.2018 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt von 05.09.2018 und die hilfsweise Erinnerung der Klägerin gegen diesen Beschluss zurückzuweisen.
Das beklagte Land trägt vor,
gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG bestehe in Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes. Die Vorschrift gelte in allen Verfahren des § 2 ArbGG einschließlich der Mahnverfahren und den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Welche Verfahren im Urteilsverfahren zu entscheiden seien (§ 2 Abs. 5 ArbGG), ergebe sich abschließend aus § 2 Abs. 1 bis 4 ArbGG. Mit Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges seien nach der Intention des Gesetzgebers ausschließlich die in § 2 ArbGG aufgeführten Verfahren vor dem Arbeitsgericht gemeint, nicht die erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht oder vor dem Bundesarbeitsgericht. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG enthalte keine Verweisung auf Verfahren wegen einer Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer gemäß den §§ 198 bis 201 GVG. § 9 Abs. 2 S. 2 ArbGG enthalte lediglich eine Bezugnahme auf die §§ 198 bis 201 GVG und bestimme daneben, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht und an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz trete. Der Ausschluss der Kostentragungspflicht in § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG habe sozialpolitische Gründe. Die soziale Stellung des Arbeitnehmers solle auch unter Zuhilfenahme der Gerichte möglichst kostengünstig gesichert werden können. Insoweit würde sich ein Verfahren vor den Arbeitsgerichten auch von Zivilstreitigkeiten vor den Amtsgerichten unterscheiden, da vor den Amtsgerichten nahezu das gesamte Spektrum zivilrechtlicher Streitigkeiten verhandelt werde und dort die soziale Stellung eines Arbeitnehmers regelmäßig keine Rolle spiele. Dem Arbeitnehmer, der ein Verfahren führe, das den Bestand seines Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand habe, solle nicht das Risiko zugewiesen werden, die Kosten des Prozessbevollmächtigten seines Verfahrensgegners, des Arbeitgebers, zu tragen. In den Verfahren wegen einer Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer gehe es nicht um die Sicherung der sozialen Stellung des Arbeitnehmers, sondern um einen davon losgelösten Schadensersatzanspruch gegen den Staat. Zu beachten sei auch noch, dass in Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten die Parteien den Rechtsstreit gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 ArbGG selbst führen könnten, während sich die Parteien in Verfahren wegen einer Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren zwingend vor dem Landesarbeitsgericht gemäß § 11 Abs. 4 S. 1 ArbGG durch Prozessbevollmächtigen vertreten lassen müssten. Die Parteien hätten daher nicht die Wahl, das Verfahren kostengünstig selbst zu führen. Es erscheine sachgerecht, dass § 12a ArbGG einer Partei, die sich, obgleich sie den Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht selbst führen könnte, durch einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten vertreten lasse, die Erstattung der Kosten der Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten versagt bleibe, während in Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht, in denen sich die Parteien durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen müssen, die Kosten der Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten gemäß §§ 91 ff. ZPO zu erstatten seien.
II.
1.
Die als befristete Erinnerung auszulegende sofortige Beschwerde der Klägerin vom 21.09.2018 ist zulässig.
a)
Über den Kostenfestsetzungsantrag des beklagten Landes entscheidet nach § 104 Abs. 1 S. 1 ZPO das Gericht des ersten Rechtszuges. Für Verfahren wegen einer Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer, die sich gegen ein Land richten, ist gemäß § 201 Abs. 1 S. 1 GVG das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Nach § 9 Abs. 2 ArbGG sind die Vorschriften des 17. Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes, also die §§ 198 bis 201 GVG, in der Arbeitsgerichtsbarkeit mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgerichts tritt. Erstinstanzliches Gericht bei Verfahren wegen einer Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer in der Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes Sachsen-Anhalt ist daher das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt. Gemäß § 21 Nr. 1 RPflG sind dem Rechtspfleger die Kostenfestsetzungsverfahren der §§ 103 ff ZPO übertragen, vorliegend ist der Rechtspfleger des Landesarbeitsgerichts - als das bei Verfahren wegen einer Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer erstinstanzliche Gericht - zuständig.
b)
Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers unterliegt nicht der sofortigen Beschwerde gemäß § 11 Abs. 1 RPflG in Verbindung mit § 104 Abs. 4 S. 1 ZPO, da diese Bestimmung ein nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften statthaftes Rechtsmittel voraussetzt. Daran fehlt es, wenn wie hier, der Rechtspfleger des Landesarbeitsgerichts den Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen hat, denn die sofortige Beschwerde ist nur gegen Entscheidungen des Arbeitsgerichts im ersten Rechtszug statthaft (BAG 21.06.2006 - 3 AZB 65/05, Rn. 9). In einem solchen Fall ist gemäß § 78 ArbGG iVm. § 567 Abs. 1 1. HS ZPO kein Rechtsmittel eröffnet, mit der Folge, dass § 11 Abs. 2 RPflG anwendbar ist. Danach ist gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss nur die befristete Erinnerung statthaft (OLG Koblenz 12.03.2010 - 2 Sch 9/09, Rn. 5; Hintzen in Arnold/Meyer-Stolte, Kommentar zum Rechtspflegergesetz, 8. Aufl., § 11 Rn. 54). Die 2-Wochen-Frist des § 11 Abs. 2 RPflG ist vorliegend gewahrt.
2.
In der Sache wendet sich die Klägerin und Antragsgegnerin ohne Erfolg gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.09.2018.
Zwar ist der Klägerin zuzustimmen, dass nach dem Wortlaut des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG auch bei Entschädigungsverfahren keine Erstattung von Parteikosten stattfindet, weil es sich auch hier um Verfahren erster Instanz handelt, obwohl die Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht bzw. Bundesarbeitsgericht geführt werden. Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen jedoch gegen einen Ausschluss der Kostenerstattung bei Entschädigungsverfahren. Durch den Ausschluss der Kostenerstattung soll dem Arbeitnehmer ermöglicht werden, den Rechtsweg ohne das Risiko, die Kosten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers zu tragen, zu beschreiten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass vor dem Arbeitsgericht die Rechtsverfolgung ohne Hinzuziehung eines Vertreters erfolgen kann. Demgegenüber besteht bei Klagen nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren Vertretungszwang (so Schleusener, GK-ArbGG, § 12a, Rn. 17 unter Hinweis auf GMP/Germelmann/Künzl, § 12a Rn. 2 u.a.).
Auch die sozialpolitischen Gründe sind nicht gegeben. In dem hier vorliegenden Verfahren wegen einer Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer hält die Kammer einen Ausschluss der Kostenerstattung nach § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG für verfehlt. Im vorliegenden Fall beruht die Kostentragungspflicht der Klägerin auf § 93 ZPO und dem sofortigen Anerkenntnis des beklagten Landes. Ein solches sofortiges Anerkenntnis stellt den Ausnahmefall dar und hätte ohne weiteres durch eine vorgerichtliche Geltendmachung vermieden werden können. In der Regel wird das beklagte Land bei einem wie hier erfolgreichen Verfahren wegen einer Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer als unterlegene Partei gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben. In diesem Regelfall wäre es unangemessen, das beklagte Land gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG von der Kostenerstattung zu befreien, obwohl hier nicht der von § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG eigentlich ins Auge gefassten Fall eines Urteilsverfahrens gemäß § 2 ArbGG vorliegt und außerdem gemäß § 11 Abs. 4 S. 1 ArbGG sich die Parteien durch Prozessbevollmächtigten vertreten lassen müssen.
III.
Nach alldem war die befristete Erinnerung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 72 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 78 Satz 2 ArbGG liegen nicht vor. Da die richterliche Entscheidung gegen die Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG nicht anfechtbar ist (BGH 20.04.2011 - IX ZA 52/10, Rn. 3), ist die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, weil eine Entscheidung, die vom Gesetz der Anfechtung entzogen ist, auch bei Rechtsmittelzulassung unanfechtbar bleibt (BGH 12.05.2015 - II ZB 18/14, Rn. 4).