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  • 09.03.2015 · IWW-Abrufnummer 175353

    Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 10.12.2014 – 4 Sa 400/14

    1. Zum Anspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer auf Regress für nachentrichtete Lohnsteuer.

    2. Zur Abgrenzung einer Nettolohnvereinbarung von einer Schwarzgeldabrede.

    3. Zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bei Nacherhebung von Lohnsteuern.

    4. Eine im Haftungsbescheid des Finanzamts gegenüber dem Arbeitgeber festgestellte Steuerpflicht für Lohnzahlungen an den Arbeitnehmer unterliegt im arbeitsgerichtlichen Verfahren - abgesehen von Fällen der Nichtigkeit des Bescheides - grundsätzlich keiner Überprüfung.

    5. Nimmt ein Arbeitnehmer längere Zeit Barzahlungen geringfügigen Lohns für sich und seine Ehefrau in Höhe von jeweils 400,- € monatlich für erbrachte Arbeitsleistungen widerspruchslos entgegen, handelt es sich um eine Annahme als Erfüllung der Lohnansprüche. Will der Arbeitnehmer diese Leistungen nicht mehr als Erfüllung gelten lassen, nachdem das Finanzamt die Zahlungen als zu 700,- € an ihn und zu 100,- € an seine Ehefrau geleistet ansah, und verlangt er nunmehr vom Arbeitgeber restliche Lohnzahlungen von monatlich 300,- €, hat er gemäß § 363 BGB darzulegen und zu beweisen, dass die Zahlungen unter Berücksichtigung der von ihm und seiner Ehefrau erbrachten Arbeitsleistungen keine vollständige Erfüllung der Lohnansprüche beider Eheleute darstellten.


    Tenor:

    Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 27.02.2014 - 4 Ca 1778/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Streitig sind Regressansprüche wegen nachentrichteter Lohnsteuer.



    Der Beklagte war in den Jahren 2009 bis 2011 bei der Klägerin als Arbeitnehmer beschäftigt. Zur gleichen Zeit war seine Ehefrau für die Klägerin tätig. Die Klägerin zahlte monatlich für die Tätigkeit des Beklagten und seiner Frau insgesamt 800,- € Lohn. Diesen Lohn übergab sie in der Regel dem Ehemann in bar. Steuerlich veranlagt wurden beide Arbeitnehmer als geringfügig Beschäftigte mit einer monatlichen Vergütung von jeweils 400,- €. Entsprechend lauteten die Lohnabrechnungen.



    Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung stellte das Finanzamt Oberhausen-Nord mit Prüfungsbericht vom 20.03.2012 fest, dass der Beklagte in den Jahren 2009 bis 2011 mit erheblichem Stundenaufwand, seine Ehefrau hingegen nur in geringem Umfang für die Klägerin tätig gewesen ist. Auf der Grundlage der festgestellten Verteilung der Arbeitsstunden rechnete das Finanzamt mit Zustimmung der Klägerin von den erbrachten Zahlungen monatlich jeweils 700,- € dem Beklagten und 100,- € dessen Ehefrau zu. Mit Haftungsbescheid vom 21.03.2012 zog es die Klägerin zu einer Nachzahlung von insgesamt 13.110,62 € heran, darunter Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für den Beklagten in Höhe von 3.586,08 € (2009 = 1.341,99 €, 2010 = 1.170,42 € und 2011 = 1.073,67 €). Über den Inhalt des Bescheides setzte die Klägerin den Beklagten unmittelbar nach Erhalt in einem persönlichen Gespräch in Kenntnis. Nach vollständiger Begleichung des im Haftungsbescheid festgesetzten Steuerrückstandes forderte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 31.05.2013 erfolglos zur Erstattung von 3.586,08 € auf.



    Auf Antrag der Klägerin hat das Arbeitsgericht einen Mahnbescheid über 3.586,08 € erlassen, der dem Beklagten am 15.11.2013 zugestellt worden ist. Nach rechtzeitigem Widerspruch des Beklagten hat die Klägerin das streitige Verfahren vor dem Arbeitsgericht Oberhausen eingeleitet und die Auffassung vertreten, den Beklagten wegen des auf ihn entfallenden Teilbetrages von 3.586,08 € in Regress nehmen zu können. Der Beklagte habe in den Jahren 2009 bis 2011 gemäß den Feststellungen des Finanzamtes nicht als geringfügig Beschäftigter für sie gearbeitet.



    Demgegenüber hat der Beklagte behauptet, der unbestrittene erhebliche Stundenaufwand sei über ein mit der Klägerin vereinbartes Stundenkonto ausgeglichen worden. Er hat geltend gemacht, in den Jahren 2009 bis 2011 nicht lohnsteuerpflichtig bei der Klägerin beschäftigt gewesen zu sein. Ein Regressanspruch bestehe daher nicht.



    Mit Urteil vom 27.02.2014, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht antragsgemäß den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 3.586,08 € netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2013 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.



    Der Klägerin stehe ein Regressanspruch aus §§ 426 Abs. 1 BGB i.V.m. 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG zu. Zwar hafte sie gemäß §§ 42 d Abs. 1 Nr. 1, 3 S. 1 EStG für die Lohnsteuer nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer zusammen mit dem Beklagten gesamtschuldnerisch. Doch habe der Beklagte in Ermangelung einer Nettolohnvereinbarung die Steuer im Innenverhältnis als eigentlicher Steuerschuldner allein zu tragen. Mit Einwänden gegen die vom Finanzamt festgestellte Steuerpflichtigkeit seiner Beschäftigung könne der Beklagte im arbeitsgerichtlichen Verfahren nur bei offensichtlichem Nichtbestehen der Steuerschuld gehört werden, wofür keine Anzeichen bestünden.



    Gegen das dem Beklagten am 24.03.2014 zugestellte Urteil richtet sich seine am 23.04.2014 eingelegte Berufung, mit der er seine Rechtsauffassung weiter verfolgt. Er ist zudem der Ansicht, die Parteien hätten eine Nettolohnabrede getroffen. Die Steuerschuld habe daher die Klägerin zu tragen. Bezüglich der Nachforderung für das Jahr 2009 in Höhe von 1.341,99 € netto beruft sich der Beklagte auf Verjährung. Darüber hinaus erklärt er mit Schriftsatz vom 14.05.2014 die Aufrechnung mit Lohnansprüchen gegen die Klägerin in Höhe von 10.800,- € (36 x 300,00 €). Denn die Klägerin habe an ihn in den Jahren 2009 bis 2011 nicht 700,- €, sondern gemäß den erteilten Lohnabrechnungen nur 400,- € monatlich ausgezahlt. Zahlungen an seine Ehefrau in Höhe von monatlich 400,- € seien ihm persönlich nicht zugeflossen.



    Der Beklagte beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgericht Oberhausen vom 27.02.2014 - 4 Ca 1778/13 - abzuändern und die Klage abzuweisen.



    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.



    Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts Oberhausen. Eine (teilweise) Verjährung von Regressansprüchen liege fern, weil diese frühestens mit Erlass des Haftungsbescheides im März 2012 entstanden seien. Zudem sei der Ablauf der Verjährungsfrist wegen zwischen den Parteien laufender Verhandlungen gehemmt.



    Eine Aufrechnungsforderung stehe dem Beklagten nicht zu. Unabhängig von den Angaben in den Lohnabrechnungen sei dem Beklagten der vom Finanzamt bei der Errechnung des Steuerrückstands angenommene Lohn in Höhe von 700,- € monatlich zugeflossen.



    Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihre Protokollerklärungen Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe



    Die zulässige Berufung ist unbegründet. Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, steht der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der von ihr gemäß dem Haftungsbescheid des Finanzamtes Oberhausen Nord vom 21.03.2012 nachentrichteten Lohnsteuer in Höhe von 3.586,06 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu.



    I.Der Anspruch beruht auf § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. § 42 d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG. § 426 Abs. 1 BGB begründet einen gesetzlichen Anspruch des Gesamtschuldners gegen die übrigen Gesamtschuldner auf Ausgleich des von ihm an den Gläubiger Geleisteten nach Maßgabe des im Innenverhältnis der Gesamtschuldner geltenden Verteilungsmaßstabs. Die Parteien sind in Bezug auf die Steuerschuld Gesamtschuldner. Im Innenverhältnis ist allein der Beklagte Steuerschuldner. Ob die Steuerschuld tatsächlich besteht oder nicht, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu klären. Die im Haftungsbescheid festgestellte Steuerpflicht des Beklagten für die erhaltenen Lohnzahlungen in den Jahren 2009 bis 2010 kann im arbeitsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht überprüft werden. Der Beklagte ist vielmehr auf den Weg des Lohnsteuerjahresausgleichs zu verweisen, wenn er sich gegen die Steuerpflicht oder ihre Höhe wenden will.



    1.Die Klägerin ist gemäß § 42 d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 EStG neben dem Beklagten grundsätzlich Gesamtschuldnerin der von ihr für den beklagten Arbeitnehmer abgeführten Lohnsteuer.



    2.Die Klägerin ist durch den Haftungsbescheid des Finanzamtes als Arbeitgeberin auf Abführung von Lohnsteuer für den Beklagten in Anspruch genommen worden und hat diese nachträglich unstreitig in Höhe von 3.586,06 € entrichtet.



    3.Im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer ist letzterer, hier also der Beklagte, gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG allein zur Tragung der Lohnsteuer verpflichtet (BAG 20.03.1984 - 3 AZR 124/82, BAGE 45, 222, 227). Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise der klar erkennbare Parteiwille dahin geht, die Steuerlast solle den Arbeitgeber treffen (BAG 18.01.1974 - 3 AZR 183/73, AP Nr. 19 zu § 670 BGB; BAG 16.06.2004 - 5 AZR 521/03, AP Nr. 9 zu § 611 BGB Rz. 18 m. w. N.). Eine solche Nettolohnvereinbarung haben die Parteien entgegen der Auffassung der Beklagten nicht getroffen. Vielmehr handelt es sich in Bezug auf die im Haftungsbescheid des Finanzamtes zugrunde gelegten monatlichen Zahlungen von 700,- € an den Beklagten um eine Schwarzgeldabrede.



    a.Mit einer Schwarzgeldabrede bezwecken die Arbeitsvertragsparteien, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu hinterziehen, nicht jedoch deren Übernahme durch den Arbeitgeber. Dabei ist nur die Schwarzgeldabrede, nicht aber der Arbeitsvertrag insgesamt nichtig (vgl. BAG 17.03.2010 - 5 AZR 301/09, NJW 2010, 2604 m.w.N. in Rz 12).



    Es kann dahinstehen, ob grundsätzlich, wie der Beklagte meint, für eine Nettolohnvereinbarung spricht, dass der Arbeitgeber wiederholt und ausschließlich eine Barauszahlung der vereinbarten Vergütung ohne Abzüge und ohne Erstellung einer Abrechnung vornimmt. Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Nichtabführung von Steuern und Sozialabgaben auf einer Deklarierung des Vertragsverhältnisses als geringfügige Beschäftigung beruht, kann allein aus einer solchen Handhabung nicht auf eine Nettolohnabrechnung geschlossen werden (BAG 17.03.2010 - 5 AZR 301/09, NJW 2010, 881, Rz. 12). Es hätte daher der konkreten Darlegung durch den Beklagten bedurft, wann er mit wem konkret vereinbart hat, dass die Klägerin allein die Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen übernimmt. Hierzu fehlt konkreter Vortrag des Beklagten.



    b.Eine Nettolohnabrede folgt auch nicht aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Danach gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt worden sind. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift beschränkt sich auf das Sozialversicherungsrecht und erstreckt sich nicht auf das bürgerliche Rechtsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien. Außerhalb des Sozialversicherungsrechts, insbesondere auch im Einkommenssteuerrecht, findet § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV keine Anwendung (BAG, a.a.O., Rz. 15 f.).



    4.Ob die Steuerschuld tatsächlich besteht, ist nicht zu prüfen. Die Feststellungen des Prüfberichts zum Haftungsbescheid vom 21.03.2012 über die Lohnsteuerpflicht der Tätigkeit des Beklagten unterliegen grundsätzlich nicht der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Ob davon in Fällen offenkundiger Unrichtigkeit eines Haftungsbescheids eine Ausnahme zu machen ist, kann dahinstehen; offenkundige Unrichtigkeit liegt nicht vor.



    a.Der Haftungsbescheid des Finanzamts Oberhausen-Nord vom 21.03.2012 unterliegt - wie das Arbeitsgericht richtig erkannt hat - grundsätzlich keiner arbeitsgerichtlichen Kontrolle.



    Einwendungen des Arbeitnehmers gegen die Feststellungen eines Haftungsbescheids sind im arbeitsgerichtlichen Regressverfahren - abgesehen von Fällen der offenkundigen Unrichtigkeit oder Nichtigkeit - grundsätzlich nicht zulässig. Der zulässige Rechtsbehelf gegen den Haftungsbescheid ist der Einspruch gemäß § 347 Abgabenordnung (AO) mit der nachfolgenden Anfechtungsklage. Dieser Rechtsbehelf steht nach herrschender Meinung sowohl dem Arbeitgeber als Adressaten des Haftungsbescheides wie auch dem Arbeitnehmer zu, soweit er persönlich für die nachgeforderte Lohnsteuer in Anspruch genommen werden kann (BFH 29.06.1973 - VI R 311/69, BStBl II 1973, 780; BFH 08.06.2011 - I R 79/10, BFH/NV 2012, 128; Bordewin/Brandt/Schmieszek, EStG § 42 d Rz. 129; Frotscher/Herrmann, EStG Praxiskommentar, § 42 d Rz. 91; andere Ansicht in Bezug auf den Arbeitnehmer Kirchhof/Söhn/Trzaskalik, EStG, § 42 d Rz. A 59). Über diesen Rechtsbehelf hinaus kann der Arbeitnehmer seine Rechte auch im Rahmen des Lohnsteuerjahresausgleichs wahren (Trzaskalik, a.a.O., Rz. A 31; Frotscher/Herrmann, a.a.O., § 38 Rz. 79 f.). Hält sich der Arbeitgeber an die Anordnungen des Haftungsbescheides, ist der Arbeitnehmer somit auf seine Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Finanzverwaltung zu verweisen. Zur Feststellung der Steuerschuld verfügen Finanzverwaltung und Finanzgerichte über die besseren Qualifikationen sowie über die sachgerechten Mittel, insbesondere in Ansehung des dort geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes. Die Feststellung der Steuerschuld im Rahmen eines vom Beibringungsgrundsatz geprägten Verfahrens wäre systemwidrig.



    b.Ungeachtet dessen ist der Haftungsbescheid offenkundig zutreffend. Auf der Grundlage der von der Klägerin zugestandenen Stundenzahlen des Beklagten und seiner Ehefrau ist die Aufteilung der Vergütung in 700,- € für den Beklagten und 100,- € für seine Ehefrau nicht zu beanstanden. Die Einlassung des Beklagten, seine erhebliche Mehrarbeit sei über ein Stundenkonto ausgeglichen worden, ist unbehelflich. Sie steht der Steuerpflicht seiner Tätigkeit in den Jahren 2009 bis 2011 nicht entgegen. Insbesondere hat der Beklagte damit nicht die Möglichkeit einer Pauschalierung der Steuern gemäß § 40 a Abs. 2 EStG i. V. m. § 8 SGB IV dargetan (Pauschalsteuer für geringfügig Beschäftigte). Im Übrigen hat der Beklagte die von der Klägerin bestrittene Abrede über ein Stundenkonto nicht näher und unter Beweisantritt dargelegt.



    Die im Haftungsbescheid festgesetzte Steuerschuld war auch noch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist für Steuerschulden beträgt gemäß § 191 Abs. 3 Satz 2 und 3 AO vier Jahre.



    II.Der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers ist nicht verjährt. Der Anspruch entsteht und wird fällig erst in dem Augenblick, in dem der Arbeitgeber freiwillig oder aufgrund eines Haftungsbescheides die Steuerforderung für den Arbeitnehmer erfüllt (st. Rspr., BAG, 20.03.1984 - 3 AZR 124/82, BAGE 45, 222 Rz. 21 m. w. N.). Die im Haftungsbescheid festgesetzte Lohnsteuer auf die Vergütung des Beklagten hat die Klägerin erst im Jahre 2013 abgeführt. Mithin konnte Verjährung bei Eingang des Antrages auf Erlass eines Mahnbescheides beim zuständigen Arbeitsgericht am 13.07.2013 noch nicht eingetreten sein.



    III.Der Anspruch der Klägerin ist nicht gemäß § 387, 389 BGB durch Aufrechnung erloschen.



    1.Der Beklagte rechnet nicht mit einem Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin wegen unterlassener Einlegung eines Rechtsbehelfs oder unterlassenen Arbeitgeberlohnsteuerjahresausgleichs (§ 42 EStG) auf. Derartige Schadensersatzansprüche bestehen im Übrigen nicht. Zwar nimmt die Rechtsprechung eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zur Wahrung der Arbeitnehmerinteressen beim Lohnsteuereinbehalt an. So hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig über den Erlass eines Haftungsbescheides zu unterrichten, um ihm die Inanspruchnahme seiner Rechtsschutzmöglichkeiten zu ermöglichen. Ferner hat der Arbeitgeber das Finanzamt auf erkennbare Unstimmigkeiten bei der Berechnung der Lohnsteuer hinzuweisen und im Interesse des Arbeitnehmers auf eine Korrektur hinzuwirken (BAG 23.03.1961 - 5 AZR 156/59, AP Nr. 9 zu § 670 BGB). Für derartige Fürsorgepflichtverstöße bietet der vorliegende Fall keine Anhaltspunkte. Insbesondere hat die Klägerin den Beklagten umgehend nach Erhalt des Haftungsbescheides über diesen in Kenntnis gesetzt. Berechnungsfehler sind nicht zu erkennen und werden im Übrigen auch vom Beklagten nicht geltend gemacht.



    2.Die vom Beklagten erklärte Aufrechnung gegen den Erstattungsanspruch der Klägerin mit eigenen restlichen Lohnforderungen aus den Jahren 2009 bis 2011 bringt die Klageforderung weder ganz noch teilweise zum Erlöschen.



    Gegen Nettoforderungen des Arbeitgebers - wie der Klageforderung - kann der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht mit Bruttolohnansprüchen wirksam aufrechnen, es sei denn, die Höhe der Abzüge ist bekannt. Die Aufrechnungslage setzt gemäß § 387 BGB Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen im Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung voraus. Dies ist in Bezug auf die Abführungspflicht des Arbeitgebers bei Bruttoforderungen des Arbeitnehmers nicht der Fall (vgl. BAG 22.03.2000 - 4 AZR 120/99, [...]). Es kann aber dahinstehen, ob der Beklagte die Höhe eines etwaigen Nettoanspruchs aus seiner Bruttoforderung hinreichend dargelegt hat, insbesondere in seinem Schriftsatz vom 06.10.2014 auf Seite 3 bis 4 (Bl. 255 - 256 GA). Denn solche Ansprüche bestehen jedenfalls nicht mehr.



    a.Der Beklagte rechnet mit restlichen Lohnzahlungsansprüchen aus dem 36-monatigen Zeitraum der Jahre 2009 bis 2011 in Bezug auf die Differenz zwischen einem behaupteten Lohnzahlungsanspruch von 700,- € brutto anstelle gezahlter 400,- € brutto monatlich auf, mithin mit einem Betrag von 36 x 300,- € = 10.800,- €. Die Aufrechnung beschränkt sich nicht auf einen Teil der Aufrechnungsforderung und ist somit hinreichend bestimmt. Sie ist insgesamt Hilfsaufrechnung, da der Beklagte das Bestehen der Klageforderung unabhängig von der Aufrechnung in Abrede stellt.



    b.Die so bestimmte Aufrechnungsforderung besteht nicht. Sie ist zwar entstanden, jedoch durch Erfüllung erloschen.



    aa.Der Beklagte hat in den Jahren 2009 bis 2011 einen Vergütungsanspruch gegen die Klägerin in Höhe von 700,- € monatlich erworben. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist auf der Grundlage der Vereinbarungen der Parteien ein solcher Anspruch entstanden, da der Beklagte in entsprechendem Umfang Arbeitsleistungen für sie erbracht hat. Der Beklagte macht sich in seinem Hilfsvorbringen diesen Tatsachenvortrag zu eigen. Mithin ist für den vorgenannten dreijähren Zeitraum ein Lohnzahlungsanspruch aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag über 700,- € brutto monatlich entstanden.



    bb.Dieser Anspruch ist gemäß §§ 362, 363 BGB durch Erfüllung erloschen.



    (1)Für einen Teilbetrag von circa 100,- € monatlich folgt dies bereits daraus, dass die Klägerin den Steuernachzahlungsbetrag gemäß dem Haftungsbescheid vom 21.03.2012 an das Finanzamt abgeführt hat. Die Abführung von Steuern (und Sozialversicherungsbeiträgen) begründet einen besonderen Erfüllungseinwand, den der Arbeitgeber einem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers entgegenhalten kann (BAG 30.04.2008 - 5 AZR 725/07, BAGE 136, 325). Umgelegt auf die Einzelmonate im Streitzeitraum ergibt sich somit aus der für die Kalenderjahre 2009 bis 2011 nachentrichteten Steuer (2009 = 1.341,99 €, 2010 = 1.170,42 € und 2011 = 1.073,67 €) eine jeweils circa 100,- € umfassende Erfüllung der monatlichen Differenzforderung des Beklagten von 300,- € (im Jahr 2009 etwas über 100,- €, in den nachfolgenden Jahren etwas unter 100,- €).



    (2)Der danach verbleibende, circa 200,- € monatlich umfassender Anspruch des Beklagten auf restliche Lohnzahlung ist ebenfalls durch Erfüllung erloschen. Dies ist dem Rechtsstreit schon deshalb zugrunde zu legen, weil der nicht zu überprüfende Haftungsbescheid des Finanzamtes einen entsprechenden Zufluss von Lohnzahlungen an den Kläger festgestellt hat.



    Ungeachtet dessen folgt es auch aus der Beweislastregel des § 363 BGB. Danach trifft den Gläubiger, der eine ihm als Erfüllung angebotene Leistung als Erfüllung angenommen hat, die Beweislast, wenn er die Leistung deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil sie eine andere als die geschuldete Leistung oder weil sie unvollständig gewesen sei.



    Die Klägerin hat an den Beklagten und seine Ehefrau unstreitig monatlich 800,- € ausgezahlt. Die Zahlung erfolgte in der Regel durch Barauszahlung an den Beklagten. Der Beklagte hat diese Zahlungen an sich und seine Ehefrau über den gesamten Streitzeitraum hinweg und weit darüber hinaus als Erfüllung angenommen und zu keinem Zeitpunkt eine unvollständige Zahlung beanstandet. Mit einem solchen wiederkehrenden Verhalten wird eine Zahlung im Sinne von § 363 BGB als Erfüllung angenommen (vgl. etwa BGH 12.06.2013 - 7 ZR 50/12, NJW-RR 2013, 1232, [BGH 12.06.2013 - XII ZR 50/12] Rz. 36 ff. m. w. N.).



    Dies gilt auch in Ansehung der erteilten Lohnabrechnungen, nach denen der gezahlte Betrag von 800,- € monatlich jeweils zur Hälfte auf den Beklagten und seine Ehefrau entfielen. Denn das gleichförmige Verhalten des Beklagten bei der Annahme der Zahlungen als Erfüllung bezog sich nicht lediglich auf die ihm zugedachten Zahlungen, sondern auf die Zahlungen an ihn und seine Ehefrau insgesamt. Eine andere Deutung lässt sein Verhalten nicht zu.



    Wenn der Beklagte diese Zahlungen jetzt in der Berufungsbegründung erstmals nicht mehr als Erfüllung gelten lassen will, weil sie unvollständig gewesen seien, trägt er hierfür unter den gegebenen Umständen die Darlegungs- und Beweislast, dass sie entgegen seinem Verhalten bei ihrer Annahme seine Lohnforderungen nicht vollständig erfüllt haben. Er hätte demgemäß ausführen müssen, dass die Zahlungen an ihn und seine Ehefrau unter Berücksichtigung der beiderseits erbrachten Arbeitsleistungen keine vollständige Erfüllung der Lohnansprüche beider Eheleute darstellte. Denn nach den gegebenen Umständen, der nach außen hin beiderseitigen geringfügigen Beschäftigung der Eheleute und der überwiegend in einem Akt erbrachten Vergütungszahlung war davon auszugehen, dass die gesamte an den Beklagten und seine Ehefrau erbrachte Leistung als Erfüllung jedenfalls auch seiner Lohnforderungen angenommen worden ist. Dem ist der Beklagte nicht nachgekommen. Insbesondere hat er trotz eines Hinweises der Berufungskammer nicht ausgeführt, dass die erbrachten Zahlungen von 800,- € monatlich die von ihm und seiner Ehefrau erbrachten Arbeitsstunden nicht ausreichend vergütet hätten. Der Beklagte hat hierzu keinen näheren Sachvortrag gehalten. Unter diesen Umständen konnte dahinstehen, ob der Beklagte, wie die Klägerin behauptet hat, gegenüber dem Steuerberater die ungleiche Verteilung der von ihm und seiner Ehefrau geleisteten Stunden zugegeben hat.



    cc.Unabhängig von Vorstehendem ist die Klägerin zudem berechtigt, sich gegenüber etwaigen noch nicht erfüllten Lohnforderungen des Beklagten aus dem Jahre 2009 auf Verjährung zu berufen. Die Klägerin hat dies im Berufungserwiderungsschriftsatz getan. Etwaige Lohnforderungen des Beklagten aus dem Jahr 2009 sind verjährt. Die Verjährung dieser Ansprüche war gemäß § 195 BGB nach drei Jahren mit Ablauf des Jahres 2012 eingetreten. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Aufrechenbarkeit (vgl. § 215 iVm. § 387 BGB), nämlich mit Entstehung und Fälligkeit der Klageforderung nach Abführung der nachzuentrichtenden Lohnsteuer im Jahre 2013 (vgl. oben unter II.), war somit diese Gegenforderung bereits verjährt.



    IV.Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, 291 Abs. 1, 2 BGB.



    V.Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels gemäß § 97 ZPO zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG bestanden nicht.

    Quecke
    Rohde
    Brössel

    Vorschriften§§ 426 Abs. 1 BGB, 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG, §§ 42 d Abs. 1 Nr. 1, 3 S. 1 EStG, § 426 Abs. 1 BGB, § 42 d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, Abs. 3 Nr. 1 EStG, § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG, § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV, § 347 Abgabenordnung (AO), § 40 a Abs. 2 EStG, § 8 SGB IV, § 191 Abs. 3 Satz 2 und 3 AO, § 387, 389 BGB, § 42 EStG, § 387 BGB, § 611 BGB, §§ 362, 363 BGB, § 363 BGB, § 195 BGB, § 288 Abs. 1, 291 Abs. 1, 2 BGB, § 97 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG

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